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Vandalismusschäden bei Einbruch in teilkaskoversichertes Auto – Versicherungshaftung

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: IV ZR 212/05

Urteil vom 17.05.2006

Vorinstanzen

LG Aschaffenburg, Az.: 3 O 511/04, Urteil vom 12.01.2005

OLG Bamberg, Az.: 1 U 35/05, Urteil vom 04.08.2005


Leitsätze:

In der Kraftfahrzeug-Teilversicherung (Teilkasko) sind bei einem Einbruchdiebstahl in ein Kraftfahrzeug nur die Schäden am Fahrzeug ersatzpflichtig, die durch die Verwirklichung der Tat entstanden sind oder damit in adäquatem Zusammenhang stehen.


In dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2006 für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 4. August 2005 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Entschädigungsleistungen aus einer Kraftfahrzeug-Teilversicherung in Anspruch.

Am 1. Mai 2004 schlugen Unbekannte die Fensterscheibe der Fahrertür des bei der Beklagten teilkaskoversicherten Pkw (Cabrio) Mercedes-Benz 300SL des Klägers ein und entwendeten aus ihm einen CDMP3-Player. Die Beklagte ersetzte den CD-MP3-Player und regulierte unter Berücksichtigung der vereinbarten Selbstbeteiligung den Schaden an der Fensterscheibe des Fahrzeugs. Die vom Kläger darüber hinaus begehrten Versicherungsleistungen für an der Karosserie vorhandene Beulen und Kratzer sowie das an mehreren Stellen aufgeschlitzte Verdeck, nach Darstellung des Klägers ebenfalls bei Ausführung der Tat verursachte Beschädigungen, lehnte sie ab, da es sich um von der Teilkaskoversicherung nicht umfasste sog. Vandalismusschäden handele.

Der Kläger ist der Ansicht, die Auslegung von § 12 (1) I b AKB, wonach die Teilversicherung den Ersatz von Beschädigungen des Fahrzeugs „durch Entwendung, insbesondere Diebstahl“ der im Fahrzeug unter Verschluss verwahrten oder an ihm befestigten Teile vorsehe, ergebe, dass ein bloßer Kausalzusammenhang zwischen Diebstahl und Schaden ausreiche; es werde nicht vorausgesetzt, dass die Entstehung des Schadens zur Ermöglichung der Tat unabdingbar notwendig sei.

Nach Rechtshängigkeit der zunächst auf Zahlung, Auskunft über den Gesamtschaden und Herausgabe eines Sachverständigengutachtens gerichteten Klageanträge hat die Beklagte Auskunft erteilt und dem Kläger das Gutachten zugänglich gemacht. Daraufhin hat der Kläger insoweit Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits begehrt und die Zahlungsklage in Höhe von 7.411,72 € weiterverfolgt. Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in VersR 2006, 210 veröffentlicht ist, hat einen vollendeten Einbruch-Diebstahl hinsichtlich des CD-MP3-Players angenommen und zugunsten des Klägers offen gelassen, ob die von ihm an Karosserie und Verdeck geltend gemachten Schäden sämtlich bei der Ausführung dieser Tat verursacht worden sind.

Der Kläger könne von der Beklagten Versicherungsleistungen für diese Beschädigungen schon deshalb nicht verlangen, weil sie nicht adäquatkausal auf dem Vorgang der Entwendung beruhten. Diese Voraussetzung ergebe sich aus einem Vergleich von § 12 (1) I b AKB mit der insoweit maßgeblichen Klausel in § 12 (1) II f AKB für die Kraftfahrzeug-Vollversicherung, wonach dort – im Unterschied zum Versicherungsumfang in der Teilversicherung – „darüber hinaus“ Schäden am Fahrzeug zu ersetzen seien, die „durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen“ herbeigeführt worden seien. Dieser Sinnzusammenhang verdeutliche dem verständigen Versicherungsnehmer, dass in der Teilversicherung Beschädigungen eines Kraftfahrzeugs durch entsprechende Handlungen nicht erstattungsfähig seien. Da die Tat im vorliegenden Fall erfolgreich beendet worden sei, könne dahinstehen, ob mutwillige Beschädigungen aus Verärgerung des Täters über das Misslingen seiner Tat rechtlich anders zu beurteilen seien.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1.

Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Schäden an Karosserie und Verdeck, für die der Kläger von der Beklagten Versicherungsleistungen begehrt, nicht im Sinne von § 12 (1) I b AKB „durch Entwendung“ entstanden sind.

a) Maßgeblich ist zunächst die Auslegung der Klausel. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung und aufmerksamer Durchsicht verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Für die Auslegung entscheidend ist neben dem Wortlaut und dem mit der Klausel verfolgten Zweck auch der erkennbare Sinnzusammenhang (Senatsurteil vom 25. September 2002 – IV ZR 248/01 – VersR 2002, 1503 unter 2 b).

b) Der solchermaßen um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer wird bei aufmerksamer Lektüre von § 12 AKB erkennen, dass § 12 (1) II f AKB in der Vollversicherung Versicherungsschutz auch für Schäden am Fahrzeug verspricht, die durch bös- oder mutwillige Handlungen betriebsfremder Personen entstanden sind, eine entsprechende Umschreibung für die Kennzeichnung des Umfangs der Teilversicherung aber fehlt. Zudem wird der insoweit erweiterte Versicherungsschutz in der Vollversicherung durch die Eingangsformulierung „in der Vollversicherung darüber hinaus“ des § 12 (1) II AKB noch besonders hervorgehoben.

Der Versicherungsnehmer kann daraus nur den Schluss ziehen, dass er Schäden am Fahrzeug, die auf mut- oder böswilligen Handlungen beruhen, in der Teilversicherung nicht ersetzt verlangen kann, sondern nur solche, die, wie § 12 (1) I b AKB voraussetzt, durch die Entwendung entstanden sind. Dem am Wortlaut der Klausel orientierten durchschnittlichen Versicherungsnehmer wird mit der Formulierung „Beschädigung … des Fahrzeugs … durch Entwendung, insbesondere Diebstahl …“ das Erfordernis eines besonderen kausalen Zusammenhangs zwischen Entwendungshandlung und Schaden nahe gebracht, der den Grad äquivalenter Kausalität zwischen Entwendungshandlung und Schaden überschreitet. In der Teilversicherung sind danach nur solche Schäden am Fahrzeug zu ersetzen, durch die der Diebstahl ermöglicht wurde oder die damit in adäquatem Zusammenhang stehen, nicht jedoch solche bei Gelegenheit der Entwendungshandlung (OLG Frankfurt am Main VersR 2002, 1232; ebenso Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung 17. Aufl. § 12 AKB Rdn. 92).

c) Aus dem Senatsurteil vom 27. November 1974 (IV ZR 117/73 – VersR 1975, 225) ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes. Der Senat hat in dieser Entscheidung zwar ausgeführt, die Deckung in der Teilversicherung erstrecke sich auch auf Schäden, die ein entwendetes Fahrzeug nach dem Diebstahl bei seiner Benutzung durch den Täter erleide. Dem haben sich Rechtsprechung und Schrifttum im Wesentlichen angeschlossen (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. AKB § 12 Rdn. 15, § 13 Rdn. 27, dort m. Nachw. zur Rechtsprechung).

Daraus ergibt sich indessen nicht, dass im Hinblick auf den adäquaten Ursachenzusammenhang zwischen der mutwilligen Beschädigung eines Fahrzeugs nach seiner Entwendung und einer Beschädigung infolge seiner Nutzung nach der Tat kein Unterschied bestünde (so aber KG VersR 1997, 871; OLG Düsseldorf VersR 1983, 290; im Ergebnis ebenso Knappmann aaO, § 12 AKB Rdn. 15). Wird der Dieb nach erfolgreicher Entwendung des Fahrzeugs in einen Unfall verwickelt, und wird der Pkw infolgedessen beschädigt oder entstehen die Beschädigungen bei der Spurenbeseitigung durch den Täter, verwirklicht sich bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise ein der Entwendung innewohnendes Risiko, Entwendungshandlung und Schaden stehen in einem adäquaten Ursachenzusammenhang. Unabhängig davon, ob das Fahrzeug selbst oder nur Gegenstände aus dem Wageninneren entwendet werden, ist dies bei Schäden aus reinem Mutwillen nicht der Fall; hier entsteht der Schaden nicht infolge („durch“) der Entwendung, sondern beruht auf einem von der Entwendungshandlung unabhängigen, regelmäßig spontanen Verhalten des Täters.

Da die Entwendungshandlung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall erfolgreich war, kann dahinstehen, ob ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen Entwendungshandlung und Schaden dann zu bejahen ist, wenn der Täter die Beschädigungen am Fahrzeug aus Verärgerung und Wut über eine fehlgeschlagene Tat oder zu geringe Tatbeute verursacht hat.

d) In adäquat-kausalem Zusammenhang mit der Entwendung des CD-MP3-Players steht hier lediglich das Einschlagen der Scheibe, nicht aber die mutwillige Beschädigung von Karosserie und Verdeck, so dass der Kläger die letztgenannten Schäden nach § 12 (1) I b AKB von der Beklagten nicht ersetzt verlangen kann.

2.

Auch die Zurückweisung des vom Kläger gestellten Feststellungsantrags ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass ein erledigendes Ereignis nicht eintreten konnte (vgl. Zöller/Vollkommer; ZPO 25. Aufl. § 91a Rdn. 3 m.w.N.).

 

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