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Vergleichsmehrwerts – Voraussetzungen

Ablehnung des Antrags auf Vergleichsmehrwert: Ein Blick auf die entscheidenden Aspekte

Ein jüngst ergangenes Urteil des OLG Karlsruhe (Az.: 17 U 96/20, Beschluss vom 26.06.2020) bietet eine interessante Fallstudie in der Materie des Vergleichsmehrwerts. In diesem Fall wurde ein Antrag der Klägervertreterin auf Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts von 21.145 EUR abgelehnt. Kern des Disputs war ein im April 2020 gefundener Vergleich, in dem sich die Beklagte zur Zahlung eines bestimmten Betrags verpflichtete. Die Klägervertreterin stellte den Antrag nicht ausdrücklich in ihrem eigenen Namen, jedoch deuteten die vom Senat getroffenen Kostenentscheidungen darauf hin, dass der Antrag auf Wertsteigerung in ihrem eigenen Namen und nicht im Namen des Klägers gestellt wurde.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 17 U 96/20 >>>

Interpretation der Vergleichsklauseln

Zentrale Rolle in der Entscheidungsfindung des OLG Karlsruhe spielten die Klauseln des erzielten Vergleichs. Nach diesen sollte der Vergleich sämtliche – behauptete, bestehende und/oder künftige – Ansprüche der Klagepartei im Zusammenhang mit der Verwendung der streitgegenständlichen Umschaltlogik in dem Fahrzeug und deren Beseitigung durch eine technische Maßnahme abschließen. Diese umfassende Formulierung sollte dazu dienen, auch mögliche zukünftige Ansprüche auszuschließen.

Präzedenzfälle und ihre Anwendung

In ihrer Argumentation stützte sich die Klägervertreterin auf frühere Entscheidungen, in denen ein Vergleichsmehrwert für die von einem Anspruch betroffenen Parteien oder Streithelfer begründet wurde, wenn in einem Vergleich ein nicht rechtshängiger Anspruch zwischen den Parteien des Rechtsstreits oder einer Partei und einem Streithelfer mit geregelt wurde. Sie vertrat die Ansicht, dass dieser Grundsatz auch auf ihren Fall anwendbar sein sollte.

Unterschiedliche Sichtweisen auf mögliche Folgeansprüche

Ein kritischer Faktor in diesem Fall waren mögliche Folgeansprüche. Während die Klägervertreterin die Ansicht vertrat, dass die Ansprüche gegen die Beklagte aufgrund „unvorhersehbarer Schäden nach Durchführung des Software-Updates“ aus dem ursprünglichen Vergleich hervorgehen könnten, verneinte das OLG Karlsruhe dies. Das Gericht entschied, dass diese potenziellen Folgeansprüche vom Feststellungsausspruch des Landgerichts und damit vom Streitgegenstand des Verfahrens umfasst wären und somit kein Vergleichsmehrwert entstehen könnte.

Urteil und seine Implikationen

Das OLG Karlsruhe wies den Antrag der Klägervertreterin zurück und verneinte damit einen Vergleichsmehrwert. Es fand keine darüberhinausgehende Einigung im Vergleich. Das Urteil hat damit weitreichende Implikationen für die juristische Praxis und kann als Referenzpunkt in zukünftigen Fällen rund um das Thema Vergleichsmehrwert dienen.


Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 17 U 96/20 – Beschluss vom 26.06.2020

Der Antrag der Klägervertreterin vom 2. Juni 2020 auf Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts von 21.145 EUR wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus dem sog. Dieselskandal.

Vergleichsmehrwerts - Voraussetzungen
Gericht lehnt Vergleichsmehrwert in Dieselskandal ab: Antrag auf zusätzliche 21.145€ abgewiesen. Alle Ansprüche vollständig geregelt und abgegolten. (Symbolfoto: Gorodenkoff /Shutterstock.com)

Das Landgericht Mannheim hat mit Urteil vom 16. Dezember 2019 u.a. festgestellt, „dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz für Schäden zu zahlen, die aus der Ausstattung des Fahrzeugs, FIN:.., mit der manipulierenden Motorsoftware resultieren“.

Mit ihrer Berufung verfolgte die Beklagte die vollständige Klageabweisung, der Kläger begehrte u.a. die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 5.286,25 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (angeblicher Minderwert).

Mit Beschluss vom 27. April 2020 stellte der Senat das Zustandekommen eines Vergleiches fest, in dem sich die Beklagte zur Zahlung von … EUR verpflichtete. Ziffer 2.1 des Vergleichs lautete:

„2.1 Mit diesem Vergleich sind sämtliche – behauptete, bestehende und/oder künftige – Ansprüche der Klagepartei im Zusammenhang mit der Verwendung der streitgegenständlichen Umschaltlogik in dem Streitgegenständlichen Fahrzeug und deren Beseitigung durch die technische Maßnahme 23R6, gleich ob bekannt oder unbekannt, vorhersehbar oder nicht, insbesondere die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche, sowie etwaige durch den Abschluss dieses Vergleichs ggf. ausgelösten Steuern, Abgaben und/oder sonstige Leistungen vollständig abgegolten und erledigt. Die Klagepartei verzichtet ausdrücklich auf solche Ansprüche und verpflichtet sich, solche Ansprüche auch nicht geltend zu machen.

Sofern die Klagepartei zur Finanzierung des Fahrzeugkaufpreises ein Darlehen aufgenommen hat bzw. hatte, wird die Klagepartei aus diesem Umstand ebenfalls keine Ansprüche bzw. Rechte mehr herleiten.“

Den Streitwert für das Berufungsverfahren setzte der Senat auf bis zu 22.000 EUR (Kaufpreis: 21.145 EUR) fest. Die Kosten des Rechtsstreits und dieses Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben (§ 91a ZPO).

Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2020 hat die Klägervertreterin beantragt, einen Vergleichsmehrwert von 21.145 EUR festzusetzen, da durch den Vergleich eine abschließende Regelung über alle auch nicht anhängigen Ansprüche gegen den Verkäufer des Fahrzeugs und Tochtergesellschaften der Beklagten getroffen worden sei. Zudem seien Ansprüche gegen die Beklagte „z.B. durch unvorhersehbare Schäden nach Durchführung des Software-Updates“ abgegolten worden.

Der Kläger und die Beklagte hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Der zulässige (1.) Antrag ist unbegründet (2.).

1. Zwar hat die Klägervertreterin den Antrag nicht ausdrücklich im eigenen Namen gestellt, allerdings ist schon wegen der vom Senat getroffenen Kostenentscheidung davon auszugehen, dass der auf Erhöhung des Wertes gerichtete Antrag in eigenem Namen der Klägervertreterin und nicht im Namen des Klägers (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20.12.2011 – VIII ZB 59/11 –, juris Rn. 6) erhoben wird. Ein solcher Antrag ist zulässig (vgl. § 32 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 1, Abs. 2 RVG). Der Kläger hatte das dazu nötige rechtliche Gehör (vgl. nur OLG Koblenz, Beschluss vom 6. März 2002 – 5 W 100/02 –, Rn. 16 f., juris sowie BDPZ/Zimmermann, GKG, 3. Aufl., § 68 Rn. 22).

2. Der Antrag ist indes unbegründet, weil die im Vergleich unter Ziff. 2.1. enthaltene Abgeltungsklausel nicht zu einem Vergleichsmehrwert führt (ebenso OLG München, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 24 U 1530/19 –, juris).

a) Zwar kann es einen Vergleichsmehrwert für die von einem Anspruch betroffenen Parteien oder Streithelfer begründen, wenn in einem Vergleich ein nicht rechtshängiger Anspruch zwischen zwei Parteien des Rechtsstreits oder einer Partei und einem Streithelfer mit geregelt wird. Zu einem Mehrwert kann ein derartiger mit erledigter Anspruch jedoch nur führen, soweit er zwischen Gläubiger und Schuldner streitig war (OLG München, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 24 U 1530/19 –, Rn. 8, juris; vgl. auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 28. März 2018 – 10 W 8/18 –, Rn. 24 mwN, juris).

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe scheidet ein Vergleichsmehrwert aus.

aa) Soweit die Beklagte meint, sie könne wegen des Vergleichs „zukünftige Ansprüche, z. B. durch unvorhersehbare Schäden nach Durchführung des Software-Updates“ gegen die Beklagte selbst nicht mehr geltend machen, kann daraus schon deshalb kein Vergleichsmehrwert folgen, weil – abgesehen von der mangelnden Präzisierung derartiger Ansprüche – potentielle Folgeansprüche von dem den Streitgegenstand des Verfahrens bildenden und vom Landgericht ausgeurteilten Feststellungsausspruch umfasst wären. Eine darüberhinausgehende Einigung im Vergleich besteht demnach nicht.

bb) Was durch die Abgeltungsklausel mit geregelte Ansprüche gegen den Händler oder Tochtergesellschaften der Beklagten angeht, betreffen diese potentiellen Ansprüche am Rechtsstreit nicht beteiligte Dritte, die zudem weder zwischen den Parteien noch zwischen Gläubiger und Schuldner streitig waren. Damit kann die – auf Betreiben der Beklagten routinemäßig in den Vergleichstext aufgenommene – Abgeltungsklausel zu keinem Vergleichsmehrwert führen (ebenso OLG München, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 24 U 1530/19 –, Rn. 9, juris).

Im Übrigen gibt es für die Mithaftung einer anderen Konzerngesellschaft (welcher?) keine Anhaltspunkte. Ansprüche gegen den Verkäufer/Händler dürften verjährt sein (dazu Senat, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18 –, Rn. 46ff., juris).


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Zivilprozessrecht (ZPO): Das Zivilprozessrecht stellt das Fundament des vorliegenden Falls dar, denn es regelt das Verfahren der deutschen Gerichte in Zivilsachen, einschließlich der Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts. Zivilprozessrechtliche Normen, die hier relevant sein könnten, sind beispielsweise § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, der die Vollstreckung von Vergleichen regelt. Hier hat der Anwalt der Klägerin einen Antrag auf Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts gestellt, was typischerweise ein zivilprozessuales Anliegen ist. Dieser Antrag wurde vom Oberlandesgericht Karlsruhe abgewiesen, was auch in der gerichtlichen Praxis gemäß ZPO erfolgt.
  2. Schuldrecht (BGB): Das Schuldrecht ist ein Teilgebiet des Zivilrechts und regelt Ansprüche aus Verträgen und gesetzlichen Schuldverhältnissen. Hier relevant ist vor allem der Abschnitt über die Erfüllung und den Erlöschen von Verbindlichkeiten (§§ 362 ff. BGB), was sich auf den Vergleich bezieht, der sämtliche Ansprüche der Klagepartei abgelten soll. Es scheint sich um einen Vergleich im Sinne von § 779 BGB zu handeln, bei dem die Parteien eine streitige Sache durch gegenseitiges Nachgeben beilegen.
  3. Deliktsrecht (BGB): Das Deliktsrecht, das im Bürgerlichen Gesetzbuch in den §§ 823 ff. geregelt ist, könnte ebenfalls relevant sein, wenn es in dem Streitfall um Schadensersatzansprüche geht, die auf unerlaubten Handlungen beruhen. Die genaue Natur der ursprünglichen Ansprüche wird im vorgegebenen Text nicht vollständig erläutert, aber es könnte sein, dass unvorhersehbare Schäden nach Durchführung eines Software-Updates zu deliktsrechtlichen Ansprüchen führen könnten.
  4. Kostenrecht (GKG, RVG): Im Kontext der Anwaltskosten und der Gerichtskosten könnte das Kostenrecht relevant sein, insbesondere das Gerichtskostengesetz (GKG) und das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Hier geht es um die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts, der die Basis für die Bemessung der Anwaltsvergütung bildet. Im RVG wird die Vergütung von Rechtsanwälten geregelt, während das GKG die Kosten der gerichtlichen Tätigkeit bestimmt. Im konkreten Fall könnte insbesondere der Zusammenhang zwischen Vergleichsmehrwert und Anwaltsgebühren nach dem RVG relevant sein.

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