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Verkehrsunfall – Ersatz von angefallenen Desinfektionskosten bei Reparatur

Inmitten der COVID-19-Pandemie hat das Amtsgericht Bad Neustadt einen wegweisenden Fall behandelt, der die Frage aufwirft, ob Desinfektionskosten, die im Zusammenhang mit einer Fahrzeugreparatur nach einem Verkehrsunfall entstanden sind, erstattungsfähig sind.

Der Hintergrund des Falles: Ein Verkehrsunfall führte zu Fahrzeugschäden, die repariert werden mussten. Bei der Reparatur wurden dem Geschädigten Desinfektionskosten in Rechnung gestellt, die aufgrund der erforderlichen Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus entstanden sind. Die zentrale rechtliche Frage bestand darin, ob diese Kosten als unmittelbare Folgen des Unfalls angesehen werden können und somit vom Unfallverursacher oder dessen Versicherung zu übernehmen sind.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 C 264/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Amtsgericht Bad Neustadt hat entschieden, dass Desinfektionskosten, die im Rahmen einer Fahrzeugreparatur aufgrund der Corona-Pandemie entstehen, vom Schädiger zu tragen sind und als erstattungsfähig gelten.

  • Fahrzeugdesinfektionskosten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sind erstattungsfähig.
  • Diese Kosten sind durch das Werkstattrisiko gedeckt.
  • Gemäß § 249 BGB muss der Geschädigte so gestellt werden, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre.
  • Der Schädiger trägt das Werkstattrisiko, d.h. er muss alle Kosten der Reparatur tragen, auch wenn sie nicht direkt durch den Unfall verursacht wurden.
  • Es ist Pflicht des Werkstattbetreibers, Maßnahmen zur Verhinderung einer Covid-19-Infektion zu ergreifen.
  • Die Desinfektionskosten stehen im direkten Zusammenhang mit der Reparatur des durch den Unfall beschädigten Fahrzeugs.
  • Die Kosten für die Desinfektion sind unabhängig von ihrer Höhe erforderlich und erstattungsfähig.
  • Das Urteil setzt einen wichtigen Maßstab für zukünftige Fälle und betont den Schutz der Rechte der Geschädigten in Pan

„Werkstattrisiko“ und die Erstattung von Desinfektionskosten

Verkehrsunfall - Ersatz von angefallenen Desinfektionskosten bei Reparatur
(Symbolfoto: Jackfoto /Shutterstock.com)

Das Gericht fällte ein wegweisendes Urteil, indem es feststellte, dass die Desinfektionskosten tatsächlich erstattungsfähig sind. Dabei verwies es auf das sogenannte „Werkstattrisiko“, wonach der Verursacher sämtliche Kosten der Reparatur tragen muss, selbst wenn sie nicht unmittelbar durch den Unfall verursacht wurden. Diese Entscheidung stützte sich auf § 249 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der besagt, dass der Verursacher den Zustand wiederherstellen muss, der ohne das schädliche Ereignis bestanden hätte.

Die Rolle des Geschädigten und die Pandemie

Das Gericht argumentierte, dass der Geschädigte keine Kontrolle darüber hat, welche Maßnahmen die Werkstatt im Zuge der Reparatur ergreift. Daher könne er nicht für zusätzliche Kosten zur Verantwortung gezogen werden, die auf Umstände zurückzuführen sind, die außerhalb seiner Kontrolle liegen, wie beispielsweise eine Pandemie.

Pflichten der Werkstatt in Zeiten von COVID-19

Das Gericht betonte auch, dass es in der aktuellen Situation die Pflicht des Werkstattbetreibers sei, Vorkehrungen zu treffen, um eine Infektion mit dem COVID-19-Virus zu verhindern. Es wurde hervorgehoben, dass die Desinfektionskosten im direkten Zusammenhang mit der Reparatur des durch den Unfall beschädigten Fahrzeugs standen und daher erstattungsfähig sind.

Ein Präzedenzfall für die Zukunft

Das Urteil hat weitreichende Auswirkungen, da es einen Präzedenzfall für ähnliche Fälle in der Zukunft schafft. Es verdeutlicht, dass die Gerichte bereit sind, die besonderen Umstände der Pandemie zu berücksichtigen und Entscheidungen zu treffen, die die Rechte der Geschädigten schützen.

Schlussfolgerung

Zusammenfassend hat das Amtsgericht Bad Neustadt in diesem Urteil klargestellt, dass Desinfektionskosten, die im Rahmen einer Fahrzeugreparatur nach einem Verkehrsunfall entstehen, vom Verursacher zu tragen sind. Dieses Urteil setzt einen wichtigen Maßstab für zukünftige Fälle und unterstreicht die Bedeutung des Schutzes der Rechte der Geschädigten in Zeiten der Pandemie.

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Was besagt das Werkstattrisiko bei der Schadensregulierung? – kurz erklärt


Das Werkstattrisiko bezieht sich auf das Risiko, das während der Reparatur eines beschädigten Fahrzeugs entsteht. Es geht zu Lasten des gegnerischen Versicherers, selbst wenn sich während der Reparatur herausstellt, dass der Schaden größer oder anders ist als ursprünglich angenommen. Das Werkstattrisiko schützt Geschädigte ab dem Zeitpunkt der Erteilung des Reparaturauftrags und unabhängig davon, ob die Rechnung bereits beglichen wurde. Grundsätzlich trägt der Schädiger das so genannte Werkstattrisiko, was bedeutet, dass tatsächliche Mehrkosten, die ohne Verschulden des Geschädigten entstehen, vom Schädiger getragen werden müssen.


§ Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil sind u.a.:


  1. Schadensersatzrecht (§ 249 BGB): Es geht um die Verpflichtung des Schädigers, den Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. In diesem Fall wurden dem Geschädigten Desinfektionskosten im Rahmen der Fahrzeugreparatur nach einem Unfall in Rechnung gestellt, die als ersatzfähig angesehen werden.
  2. Beweisrecht (§ 287 ZPO): Hierbei handelt es sich um die Schätzung von Schäden und Entgelten durch das Gericht. In diesem Fall wurden Mietwagenkosten und andere Kosten im Zusammenhang mit dem Unfall geschätzt, wobei die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage diente.
  3. Werkvertragsrecht: Es wird thematisiert, dass der Unternehmer die Pflicht hat, den Besteller zu schützen, insbesondere im Kontext der Corona-Pandemie. Die Desinfektionskosten, die im Rahmen der Reparatur entstanden sind, wurden als notwendig erachtet, und es wurde diskutiert, ob diese Kosten vom Kunden getragen werden sollten oder in den Preisen der einzelnen Leistungen enthalten sein sollten.
  4. Haftungsrecht: Das sogenannte „Werkstattrisiko“ bedeutet, dass der Schädiger alle Arbeiten, die vom Unternehmer durchgeführt und in Rechnung gestellt wurden, ersetzen muss, auch wenn diese nicht notwendig oder unwirtschaftlich waren. Es wird argumentiert, dass der Schädiger nicht besser gestellt werden sollte, als wenn der Geschädigte die Reparatur selbst durchgeführt hätte.


Das vorliegende Urteil

AG Bad Neustadt – Az.: 1 C 264/21 – Endurteil vom 28.12.2021

Leitsatz:

Fahrzeugdesinfektionskosten, die wegen der Corona-Pandemie im Rahmen der Fahrzeugreparatur betreffend das Unfallereignis vorgenommen und dem Geschädigten auch in Rechnung gestellt wurden, sind mangels Beeinflussbarkeit durch den Geschädigten durch das Werkstattrisiko gedeckt und nach § 249 Abs. 2 BGB ersatzfähig.  (Rn. 16 – 20) (redaktioneller Leitsatz)


(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 322,78 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.06.2021 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 332,78 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

A. Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

I. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von insgesamt 322,78 EUR gem. §§ 115 VVG, 7 StVG i.V.m. § 249 BGB.

Gemäß § 249 BGB ist ein bei einem Verkehrsunfall Geschädigter so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde. Vom Haftpflichtversicherer des Schädigers ist der erforderliche Herstellungsaufwand geschuldet, den ein verständiger wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für notwendig und erforderlich halten darf (BGH, Urteil vom 05. Februar 2013 – VI ZR 290/11 -, Rn. 13, juris; Palandt-Grüneberg, BGB, § 249, Rn. 12).

1. Daher sind auch grundsätzlich die erforderlichen Mietwagenkosten in Form des örtlich erhältlichen günstigsten Tarifes zu erstatten (BGH, Urteil vom 11. März 2008 – VI ZR 164/07 -, Rn. 7, 8, juris LG Schweinfurt, Urteil vom 23.08.2016, 22 S 8/16; LG Schweinfurt, Urteil vom 12.09.2016, 23 S 41/16). Die für einen Unfallersatztarif über den Normaltarif hinausgehenden Kosten sind nur erstattungsfähig, wenn Gründe des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Unfallsituation dies rechtfertigen. Die Kosten sind grundsätzlich gem. § 287 ZPO zu schätzen, wobei für den Normaltarif der Schwacke-Mietwagenspiegel eine taugliche Schätzgrundlage bildet (LG Schweinfurt, Urteil vom 12.09.2016, 23 S 41/16).

a) Die Inanspruchnahme eines Mietwagens war erforderlich. Dies ergibt sich schon aus der mit dem Wagen insgesamt zurück gelegten Strecke von 353 km innerhalb von 4 Tagen, vom 12.04.2021 bis 15.04.2021 (Mietwagenrechnung vom 04.05.2021, Anlage K 1, Bl. 13 d. A). Ab einer zurückgelegten Strecke von 20 km/Tag kann der Geschädigte grundsätzlich nicht mehr auf Alternativen (Taxi, öffentliche Verkehrsmittel) verwiesen werden.

b) Die Mietwagenkosten werden gemäß § 287 Abs. 1 ZPO in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Amtsgerichts Bad Neustadt/Saale und Landgerichts Schweinfurt anhand der einschlägigen Schwacke-Liste geschätzt (z.B. LG Schweinfurt, Urteil vom 22.03.2019, 23 S 3/19, LG Schweinfurt, Urteil vom 29.10.2018, 22 S 40/18, LG Schweinfurt, Urteil vom 11. April 2014 – 21 S 68/13).

Dies steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH. Dieser hat die Anwendung sowohl des Schwacke-Mietpreisspiegels, als auch des Fraunhofer-Mietpreisspiegels nicht beanstandet und in das tatrichterliche Ermessen gestellt (BGH NJW 2013, 1539f.). Nur dann, wenn anhand konkreter Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang ausgewirkt haben, muss die Eignung der Schätzgrundlage überprüft werden (LG Schweinfurt, Urteil vom 22.03.2019, 23 S 3/19).

Das Gericht verkennt nicht, dass nur ein annahmefähiges Angebot die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage erschüttern würde. Die Schätzung kann auch im hiesigen Einzelfall anhand dieser Liste vorgenommen werden, da keinerlei Tatsachen vorgetragen wurden, aufgrund derer ersichtlich wird, dass sich die etwaigen Mängel dieser Liste auf den zu entscheidenden Fall ausgewirkt hätten (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11.03.2008, VI ZR 164/07). Insbesondere wurde nichts dafür vorgetragen, aus dem ersichtlich würde, dass ein günstigeres Mietfahrzeug tatsächlich zum maßgeblichen Zeitpunkt zur Verfügung gestanden hätte. Auch der Verweis auf eine andere Schätzgrundlage, wie die Fraunhofer-Liste genügt nicht zur Erschütterung der Schätzgrundlage.

c) Ein Verstoß gegen eine Schadensminderungspflicht oder eine Erkundigungspflicht der Klägerin steht zur Überzeugung des Gerichts nicht fest. Die Klägerin trifft nur dann eine Erkundigungspflicht, wenn das ihr vorgelegte Angebot der gewählten Mietwagenfirma unplausibel ist. Die Mietwagenrechnung in Höhe 428,40 € (Anlage K 1, Bl. 13 d. A.) liegt sogar unter dem nach der Schwacke-Liste erstattungsfähigen Betrag (siehe hierzu unten e). Daher sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Klägerin gegen eine Erkundigungspflicht verstoßen hätte. Nur bei Bedenken gegen die Angemessenheit besteht eine weitere Pflicht zu Erkundigung (BGH, Versäumnisurteil vom 04. Juli 2006 – VI ZR 237/05 -, Rn. 12, juris). Die Anmietung bei einem lokal tätigen Vermieter entspricht zudem dem Interesse der Klägerin.

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d) Das Fahrzeug der Klägerin gehört der Fahrzeuggruppe 5 nach der Schwacke-Liste an. Es ist eine Mietdauer von 4 Tagen zugrundezulegen. Zur Errechnung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten durften nach der Schwacke-Liste 2020 (Modus) die 3-Tagespauschale nach der Mietwagengruppe 5, PLZ-Gebiet 976, i.H.v. 320,00 € in Ansatz gebracht werden. Hieraus ergibt sich für vier Tage ein Betrag in Höhe von (320,00 EUR / 3 x 4 Tage =) insgesamt 426,67 €.

Für die Klägerin besteht ein Anspruch auf unfallbedingte Mehrleistungen, der regelmäßig auf 20% zu schätzen ist, da keine Vorfinanzierung der Mietwagenkosten stattfand (LG Schweinfurt, Urteil vom 29.10.2018, 22 S 40/18). Es sind daher 85,33 EUR zu addieren.

  • Die Klägerin hat ein klassengleiches Fahrzeug angemietet. Ein Abzug der Eigenersparnis hat daher in Höhe von 3% zu erfolgen, d.h. in Höhe von insgesamt 15,36 EUR.
  • Die erforderlichen Mietwagenkosten betragen daher insgesamt 496,64 EUR.
  • Kostenpauschale 320,00 € : 3 x 4.426,67 € zuzüglich 20% Aufschlag unfallspezifischer Leistungen 85,33 €
  • Zwischensumme 512,00 €
  • abzüglich Eigenersparnis 3% 15,36 €

Gesamt 496,64 €

Tatsächlich angefallen sind jedoch ausweislich der vorgelegten Rechnung lediglich 428,40 EUR. Abzüglich der seitens der Beklagten gezahlten 279,00 EUR, besteht demnach noch ein Anspruch auf (428,60 EUR – 279,00 EUR =) 149,40 EUR.

2. Die Corona-Desinfektionskosten in Höhe von 79,13 EUR brutto sind ebenfalls erstattungsfähig. Nach § 249 Abs. 2 BGB hat der Schädiger die zur Wiederherstellung des Zustandes ohne Schädigung erforderlichen Beträge zu erstatten. Wie hoch dieser Betrag ist, ist grundsätzlich vom Kläger darzulegen. Seiner Darlegungs- und Beweislast genügt der Geschädigte jedoch regelmäßig nach der obergerichtlichen Rechtsprechung durch Vorlage der Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Unternehmens (vgl. OLG Bamberg Az. 5 U 107/19).

Dabei trägt der Schädiger das sogenannte Werkstattrisiko, was bedeutet, dass er alle vom Unternehmer durchgeführten und in Rechnung gestellten Arbeiten zu ersetzen hat, selbst wenn diese nicht erforderlich oder unwirtschaftlich waren. Dies folgt daraus, dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind. Denn der Schädiger ist nicht besser zu stellen, als wenn der Geschädigte nicht von seiner Befugnis nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch gemacht hätte, sondern dem Schuldner die Reparatur überlassen hätte.

Der Kläger hat unbestritten vorgetragen, dass im Rahmen der durchgeführten Reparatur Corona-Desinfektionskosten in Höhe von 79,13 EUR brutto berechnet wurden.

Darüber hinaus ist es schon Nebenpflicht des Unternehmers den Besteller zu schützen. Angesichts der aktuellen Lage es ist daher auch Pflicht des Werkunternehmens Vorkehrungen und Maßnahmen zur Abwendung einer Infektion mit dem Covid-19-Virus vorzubeugen. Nach dem derzeitigen Stand ist es nicht ausgeschlossen, dass sich Covid-19-Viren auch über Oberflächen übertragen. Schon auch wegen der unklaren Lage hinsichtlich der möglichen Übertragungen ist es die Pflicht des Werkunternehmers dem Besteller hinreichend und vollumfänglich zu schützen. Die abgerechneten Desinfektionsarbeiten sind daher erforderlich. Ob die Abrechnung der einzelnen getroffenen Maßnahmen zur Virusbekämpfung in ihrer Höhe erforderlich sind, ist unerheblich. Denn auch hier kann von den Grundsätzen nichts anderes gelten als das oben zum Werkstattrisiko dargestellte. Auch wenn die Desinfektion vor der Reparatur dem Schutz der Arbeitnehmer dienen sollten, gilt hierfür nichts anderes. Sämtliche Preise einer vorgenommenen Leistung beinhalten die Einkalkulierung von Kosten. Es obliegt dabei der freien Entscheidung des Werkunternehmers, ob er die Kosten als eigenen Rechnungsposten auf den Kunden umlegt oder aber auf die Preise der einzelnen Leistungen aufschlägt.

Soweit die Beklagtenseite meint, dass die Fahrzeugdesinfektionskosten in keinem Zusammenhang mit dem Schadensereignis stünden, so ist dem nicht zuzustimmen. Die Desinfektion wurde im Rahmen der Fahrzeugreparatur betreffend das Unfallereignis vorgenommen und steht mit diesem daher in Zusammenhang und wurde dem Kläger auch in der Rechnung gestellt. Die Corona-Desinfektionskosten sind mangels Beeinflussbarkeit durch den Kläger zudem durch das Werkstattrisiko gedeckt und daher nach § 249 Abs. 2 BGB ersatzfähig. Eine diesbezüglich weitere Beweisaufnahme war somit nicht erforderlich.

3. Die Kosten für die Benutzung der Hebebühne durch den Sachverständigen sind ebenfalls nach den dargestellten Grundsätzen des Schadensersatzrechts in Höhe von 89,25 EUR brutto ersatzfähig. Die insoweit entstanden Kosten zählen zu den notwendigen und erforderlichen Gutachterkosten, die regelmäßig erstattungsfähig sind. Erst durch die Erstellung eines solchen Gutachtens ist der Geschädigte in der Lage, seinen Schaden beziffern zu können.

Die Klägerin hat substantiiert und durch Vorlage der Rechngung (vgl. Bl. 41) vorgetragen, dass der Sachverständige zur Erstellung seines Gutachtens die Hebebühne des Autohauses Würll nutzen musste. Die Kosten waren somit erforderlich. Ferner stuft das Gericht die hierdurch entstanden Kosten gem. § 287 Abs. 1 ZPO auch als angemessen ein. Die insoweit entstandenen Kosten in Höhe von 89,25 EUR brutto sind demnach ebenfalls ersatzfähig.

4. Die Unkostenpauschale im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen werden im hiesigen Amtsgerichtsbezirk regelmäßig gem. § 287 Abs. 1 ZPO auf 30,00 EUR geschätzt. Eine Erhöhung dieser Pauschalen auf 35,00 EUR infolge der gestiegenen Spritpreise erachtet das Gericht nicht für erforderlich und angemessen, da andererseits die Kosten im Rahmen der Telekommunikation – nicht zuletzt infolge des elektronischen Verkehrs – gesunken sind. Nachdem die Beklagte hierauf bereits 25,00 EUR zahlte, verbleibt somit noch ein offener Anspruch in Höhe von 5,00 EUR.

5. Der gesamte noch offene Schadensersatzanspruch beträgt demnach 322,78 EUR und setzt sich wie folgt zusammen:

  • offene Mietwagenkosten 149,40 €
  • Corona-Desinfektionskosten 79,13 €
  • Kosten Hebebühne 89,25 €
  • restliche Unkostenpauschale 5,00 €

Gesamt 322,78 €

III. Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 288, 286 Abs. 1,2 Nr. 3, 280 Abs. 2 BGB.

Mit Schreiben vom 22.06.2021 lehnte die Beklagte den Ausgleich weitere Ansprüche ab.

IV. Ein Anspruch auf Verzinsung der verauslagten Gerichtskosten besteht nicht für die Klagepartei. Dieser ist nicht ausreichend geltend gemacht, da kein Vortrag für einen besonderen Zinsschaden besteht. Aus Verzugsgesichtspunkten ist kein abweichender Schaden festzustellen, der über den mit § 104 ZPO abgegoltenen Zinsschaden hinausgeht. Hinsichtlich der Kostenerstattung besteht kein Verzug, da die Fälligkeit eines Erstattungsanspruchs erst mit der Kostengrundentscheidung eintritt und nicht bereits vorher. Daher scheidet ein Anspruch aus Verzugsgesichtspunkten auf Verzinsung bereits aus. Nach Ansicht des Gerichts ist der Zinsanspruch aus § 104 ZPO zudem abschließend und hat Sperrwirkung für einen davor liegenden Zinsanspruch jedenfalls aus allgemeinen Verzugsansprüchen. Mit der Regelung des § 104 ZPO soll die Hauptsache frei gehalten werden von etwaigen Ansprüchen auf Verzinsung der vorgezahlten Gerichtskosten (OLG München, Urteil vom 30.11.2016 – 7 U 2038/16 -, juris).

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

? FAQ zum Urteil


  • Was sind Fahrzeugdesinfektionskosten im Kontext eines Verkehrsunfalls? Fahrzeugdesinfektionskosten sind Kosten, die im Rahmen der Fahrzeugreparatur nach einem Verkehrsunfall aufgrund der Corona-Pandemie entstehen. Diese Kosten werden dem Geschädigten in Rechnung gestellt und sind nach § 249 Abs. 2 BGB ersatzfähig, da sie durch das Werkstattrisiko gedeckt sind.
  • Wie wird der erforderliche Herstellungsaufwand nach einem Verkehrsunfall bestimmt? Gemäß § 249 BGB muss ein Geschädigter nach einem Verkehrsunfall so gestellt werden, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Der Haftpflichtversicherer des Schädigers schuldet den Herstellungsaufwand, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als notwendig und erforderlich erachten würde.
  • Was bedeutet der Begriff „Werkstattrisiko“ im Kontextder Fahrzeugreparatur? Das Werkstattrisiko bezieht sich darauf, dass der Schädiger alle Arbeiten, die vom Unternehmer durchgeführt und in Rechnung gestellt wurden, ersetzen muss, selbst wenn diese nicht notwendig oder unwirtschaftlich waren. Dies beruht auf der Tatsache, dass der Geschädigte in seiner Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeit begrenzt ist.
  • Sind Corona-Desinfektionskosten im Rahmen der Fahrzeugreparatur nach einem Unfall immer ersatzfähig? Ja, die Corona-Desinfektionskosten, die im Rahmen der Fahrzeugreparatur nach einem Unfall anfallen, sind mangels Beeinflussbarkeit durch den Geschädigten durch das Werkstattrisiko gedeckt und daher nach § 249 Abs. 2 BGB ersatzfähig.

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