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Verkehrsunfall – Haftung bei Erst- und Zweitunfall

OLG Hamm – Az.: I-9 U 10/19 – Urteil vom 08.11.2019

Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.10.2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.795,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.09.2017 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner weiterhin verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 404,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.04.2018 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen, die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 42 % und der Kläger 58 %.

Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Beklagten 85 % als Gesamtschuldner und der Kläger 15 %.

Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner weiterhin 85 % der Kosten der Nebenintervenienten.

Die Nebenintervenienten tragen ihre Kosten im Übrigen selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

1.

Der Kläger macht im vorliegenden Rechtsstreits Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalles geltend, der sich am frühen Morgen des 25.08.2017 in H auf der BAB ## in Fahrtrichtung F ereignete. Zur vorgenannten Zeit kollidierte der Kläger mit dem von ihm nach eigenen Angaben mit etwa 140-150 km/h auf der linken Fahrspur gefahrenen Volvo XC 60 mit dort unbeleuchtet liegenden Teilen des bei der Beklagten zu 2) versicherten Motorrades Honda CBR 900 des Beklagten zu 1), der zuvor mit diesem Krad verunfallt und zu Fall gekommen war. Dabei streiten die Parteien u.a. darüber, wie genau es zu diesem Vorunfall gekommen ist, ob insbesondere der Beklagte zu 1) oder der mit seinem bei der Streithelferin zu 1) des Klägers versicherten PKW Hyundai IX 55 ebenfalls unfallbeteiligte jetzige Streithelfer zu 2) des Klägers – Herr T – diesen Vorunfall verschuldet hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht, dem – wie (in Kopie) dem Senat – auch die Ermittlungsakten 20 Js 817/17 Staatsanwaltschaft Essen vorgelegen haben, hat den Kläger und den Beklagten zu 1) persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T (jetziger Streithelfer zu 2 des Klägers), I und H2. Es hat sodann mit dem angefochtenen Urteil die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klage sei insgesamt unbegründet, da eine Ersatzpflicht der Beklagten für die streitgegenständlichen Schäden bereits dem Grunde nach nicht bestehe. Zwar seien die streitgegenständlichen Schäden i.S. des § 7 Abs. 1 StVG beim Betrieb des Beklagtenfahrzeuges entstanden, liege keine höhere Gewalt i.S. des § 7 Abs. 2 StVG vor und stehe nach dem Ergebnis der Parteianhörung und Beweisaufnahme eine Unvermeidbarkeit i.S. des § 17 Abs. 3 StVG für keine Seite – insbesondere auch nicht für den Beklagten zu 1) – fest. Bei der deshalb vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge trete indessen der Verursachungsanteil des Beklagten zu 1) ganz zurück. Dem Kläger sei nach dem Ergebnis der Parteianhörung und Beweisaufnahme entweder ein unfallursächlicher Geschwindigkeitsverstoß oder ein unfallursächliches Aufmerksamkeitsverschulden sowie zugleich ein Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO anzulasten. Schon nach eigenem Vortrag sei er unter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Sätze 2 und 4 StVO mit einem den Umständen – Dunkelheit, Fahrzeuge mit eingeschaltetem Warnblinklicht rechtsseitig vor ihm – nicht hinreichend angepassten, sogar noch oberhalb der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo gefahren. Dem Beklagten zu 1) könne indes kein schuldhafter Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Ziffer 2 StVO angelastet werden. Inwieweit den Beklagten zu 1) an dem Sturzgeschehen selbst ein Verschulden im Verhältnis zum Zeugen T treffe, sei bzgl. des streitgegenständlichen Kollisionsgeschehens im Verhältnis zum Kläger unerheblich. Dementsprechend sei auf Beklagtenseite hier kein unfallursächliches Verschulden, sondern lediglich die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs zu berücksichtigen, die indes hinter dem gravierenden Verschulden des Klägers ganz zurücktrete.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

2.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine Klageanträge teilweise, nämlich – auf Basis einer 50%igen Haftung der Beklagten dem Grunde nach – i.H. von 4.481,34 EUR nebst Zinsen seit dem 27.09.2017 sowie vorgerichtlichen Anwaltskosten von 404,07 EUR nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit, weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er ergänzend – neben einer pauschalen Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen – im Wesentlichen vor:

Das Landgericht habe die Klage zu Unrecht gänzlich abgewiesen. Insoweit sei das angefochtene Urteil in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht fehlerhaft. Bei richtiger Würdigung sei der Klage vielmehr jedenfalls auf Basis einer – jetzt noch verfolgten – Haftungsquote der Beklagten von 50 % stattzugeben.

Das Landgericht habe zunächst – namentlich aufgrund unterbliebener Einholung eines Sachverständigengutachtens – keine belastbaren Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger die Kollision mit den ausweislich der Zeugenaussagen dunklen und allenfalls sehr spät erkennbaren Teilen des verunfallten Krades des Beklagten zu 1) überhaupt, namentlich auch bei geringerem Tempo, hätte vermeiden können. Schon deshalb könne das landgerichtliche Urteil so keinen Bestand haben.

Keinesfalls könne ein etwaiges Verschulden des Klägers als so gravierend angesehen werden, dass dahinter die Betriebsgefahr des Krades des Beklagten zu 1) ganz zurückträte.

Das Landgericht habe bei seiner Bewertung zum einen unberücksichtigt gelassen, dass der Unfall des Beklagten zu 1), welcher erst zu dem Trümmerfeld und damit zum Unfall des Klägers geführt habe, durch die extrem risikoreiche Fahrweise des Beklagten zu 1) verursacht worden sei. Die vernommenen Zeugen hätten eindrucksvoll geschildert, dass der Beklagte zu 1) mit erheblich überhöhtem Tempo von mindestens 40 % oberhalb der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h gefahren sei. Statt rechtzeitig abzubremsen habe der Beklagte zu 1) zudem den Abstand auf das vor ihm auf der linken Spur fahrende, einen LKW überholende Fahrzeug des Zeugen T erheblich verkürzt und erst im letzten Moment derart stark abgebremst, dass er die Kontrolle über sein Krad verloren habe. Diese Verkehrsverstöße wögen deutlich schwerer als der angebliche Verstoß des Klägers gegen das Sichtfahrgebot.

In diesem Zusammenhang sei auch – vom Landgericht ebenfalls nicht beachtet – zu berücksichtigen, dass die Gefahrenstelle im Bereich der linken Fahrspur als solche für den Kläger überhaupt nicht bzw. erst bei Auftauchen im Lichtkegel des Klägerfahrzeugs erkennbar gewesen sei, zumal die rechtsseitig befindlichen Fahrzeuge mit eingeschaltetem Warnblinklicht sich noch mehrere hundert Meter hinter dem Trümmerfeld befunden hätten. Auch habe der Kläger die Richtgeschwindigkeit nach den Feststellungen des Landgerichts allenfalls um ca. 10 % überschritten.

Insgesamt könne bei dieser Sachlage – eine schuldhafte Mitverursachung des Unfalles durch den Kläger unterstellt – allenfalls von einer 50%igen Mithaftung des Klägers ausgegangen werden. Dementsprechend werde das Klagebegehren nunmehr auf Basis einer Haftungsquote der Beklagten von 50 % weiterverfolgt und sei jedenfalls in entsprechender Höhe auch begründet.

3.

Die Beklagten treten der Berufung des Klägers entgegen und beantragen deren Zurückweisung. Sie führen zur Begründung ergänzend – neben einer pauschalen Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen – im Wesentlichen aus:

Die vom Landgericht angenommene Haftungsverteilung sei zutreffend und nicht zu beanstanden.

Der Kläger selbst, für dessen Verschulden schon der nicht erschütterte Anschein spreche, habe die entscheidende Unfallursache durch einen – bei einem selbst angegebenen Tempo von 140 – 150 km/h anzunehmenden und vom Kläger nunmehr angesichts der akzeptierten Mithaftung von 50 % letztlich auch selbst zugrunde gelegten – gravierenden Verstoß gegen das Sichtfahrgebot des § 3 StVO sowie, angesichts der von ihm nach eigenen Angaben auch wahrgenommenen Fahrzeuge mit Warnblinklicht am Fahrbahnrand, auch gegen das Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO gesetzt. Hingegen könne dem Beklagten zu 1) nach dem Ergebnis der Parteianhörung und Beweisaufnahme in der Tat – wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt – kein unfallursächlicher Verstoß gegen die StVO, namentlich kein schuldhaftes Versäumnis bzgl. der Absicherung der Unfallstelle, angelastet werden. Auch eine schuldhafte Verursachung des Vorunfalles (aufgrund dessen dann Teile des klägerischen Krades auf der Fahrbahn gelegen hätten) durch den Kläger sei jedenfalls nicht bewiesen. Insbesondere eine insoweit anscheinsbegründende typische Auffahrunfallkonstellation stehe gerade nicht hinreichend sicher fest; vielmehr komme angesichts der insoweit widerstreitenden Zeugenaussagen auch und vor allem – entsprechend der weiter aufrechterhaltenen Beklagtendarstellung – ein unachtsamer Fahrstreifenwechsel des Zeugen T im engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Vorunfall als Ursache zumindest in Betracht. Bei mangelnder Aufklärbarkeit des genauen Vorunfallherganges – auch ein Sachverständigengutachten könne bzgl. der genauen zeitlichen Abfolge zwischen Fahrstreifenwechsel des Zeugen T und der Kollision des von hinten kommenden klägerischen Krades kaum weitere Klarheit bringen – könnten aber nur die Betriebsgefahren des klägerischen Krades und des Fahrzeugs des Zeugen T berücksichtigt werden. Eine Mithaftung aus bloßer Betriebsgefahr scheide angesichts des unter den gegebenen Umständen besonders schwerwiegenden Verschuldens des Klägers in der Tat aus.

Nur höchst vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn das Gericht zu einer Mithaftung sowohl des Beklagten zu 1) als auch des Zeugen T kommen sollte, in jedem Falle eine Mehrfachquotierung erfolgen müsste. Es müsste dann nach der einschlägigen Rechtsprechung (vgl. etwa BGH, NZV 2006, 191) zunächst in den Einzelverhältnissen – Kläger – Beklagter zu 1) sowie Kläger und Zeuge T – eine Quote und sodann eine den Anspruch des Klägers nach oben begrenzende Gesamthaftungsquote gebildet werden.

Rein vorsorglich werde schließlich auf die erstinstanzlichen Einwände zur Höhe des ersatzfähigen Schadens – konkret der Mietwagenkosten – verwiesen.

4.

Mit Schriftsatz vom 12.09.2019 hat der Kläger – im Hinblick auf evtl. Regressansprüche im Falle einer vom Senat angenommenen anteiligen Mithaftung des Beklagten zu 1) – dem Zeugen T und dessen KFZ-Haftpflichtversicherung den Streit verkündet. Im Senatstermin sind die Streitverkündeten nach Erörterung der Sach- und Rechtslage dem Rechtsstreit – von keiner Seite beanstandet – auf Seiten des Klägers beigetreten und haben sich den klägerischen Berufungsanträgen angeschlossen.

II.

Die Berufung des Klägers ist überwiegend, nämlich in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang, begründet und bleibt lediglich im Übrigen ohne Erfolg.

1.

Die Beklagten sind dem Grunde nach jedenfalls in dem jetzt noch vom Kläger verfolgten Umfang, nämlich zu einer Haftungsquote von 50 %, gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1, 17 StVG bzw. § 823 Abs. 1 BGB, jeweils in Verbindung mit 115 Abs. 1 VVG verpflichtet, dem Kläger dessen unfallbedingten Schaden zu ersetzen.

a.

Der streitgegenständliche Unfall, bei dem unstreitig der klägerische PKW Volvo XC 60 beschädigt worden ist, hat sich – wie zutreffend und auch von Beklagtenseite nicht beanstandet vom Landgericht ausgeführt – i.S. des § 7 Abs. 1 beim Betrieb des vom Beklagten zu 1) geführten und gehaltenen sowie bei der Beklagten zu 2) versicherten Krades Honda CBR 900 ereignet.

b.

Höhere Gewalt i.S. des § 7 Abs. 2 StVG liegt – wie ebenfalls zutreffend und unbeanstandet vom Landgericht ausgeführt – nicht vor (vgl. zum Begriff der höheren Gewalt allgemein nur Laws/Lohmeyer/Vinke in Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, 1. Aufl. 2016, § 7 StVG, Rn. 138 ff. und Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 7 StVG, Rdn. 32 ff.).

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c.

Ein unabwendbares Ereignis i.S. des § 17 Abs. 3 StVG hat das Landgericht zu Recht als nach dem Ergebnis der Parteianhörung und Beweisaufnahme für keine Seite positiv feststellbar angesehen. Davon ist aus Sicht des Senats auch in dieser Instanz auszugehen.

Der Kläger rügt zwar insoweit die unterbliebene Einholung eines Sachverständigengutachtens; andererseits akzeptiert er jedoch letztlich eine – nur bei Annahme der Nichtfeststellbarkeit einer (aus Sicht des Senats ohnehin auch von vornherein völlig fernliegenden) Unabwendbarkeit für den Kläger denkbare – eigene Mithaftung zu 50 %, so dass er der Sache nach eine Unabwendbarkeit des Unfalles für ihn selbst nicht mehr ernsthaft geltend macht, ja letztlich sogar ein vom Landgericht angenommenes eigenes unfallursächliches Verschulden selbst nicht mehr ernsthaft in Frage stellt.

Die Beklagten ziehen die Nichtfeststellbarkeit einer Unabwendbarkeit des letztlich auch zu der hier in Rede stehenden Kollision führenden Erstunfalles mit dem Fahrzeug des jetzigen Streithelfers zu 2) des Klägers für den Beklagten zu 1) auch nicht weiter in Zweifel. Die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts sind aus Sicht des Senats angesichts der widerstreitenden Zeugenaussagen, insbesondere auch der (wie die Aussage des unmittelbar unfallbeteiligten Zeugen und jetzigen Streithelfers des Klägers Sonntag) die Beklagtendarstellung gerade nicht bestätigenden Aussage des – ebenso wie der Zeuge I – neutralen Zeuge H2, auch zutreffend und nicht zu beanstanden. Die Beklagten führen ferner – in der Sache zutreffend – selbst aus, dass ein Sachverständigengutachten bzgl. der genauen Zeitabfolge von Ausscheren des Zeugen T und der Gefahrenbremsung mit Kollision des Krades mit dem Fahrzeug T keine weitere Klärung bringen könnte.

d.

Danach kommt es für die Frage der Haftungsquote in der Tat auf die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge an, bei der jeweils zu Lasten einer Seite nur unstreitige bzw. bewiesene Umstände berücksichtigt werden können.

aa.

Vorauszuschicken ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass der zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Zeugen und jetzigen Streithelfer des Klägers T stattgefundene Erstunfall letztlich die erste und entscheidende Ursache dafür gesetzt hat, dass es überhaupt dazu kommen konnte, dass der Kläger mit seinem Volvo Teile des Krades des Beklagten zu 1), die sich eben aufgrund dieses Erstunfalles auf der Fahrbahn befanden, überfahren hat. Hinsichtlich dieser gesetzten Erstursache für den streitgegenständlichen Unfall unter Beteiligung des Klägers sind – im Außenverhältnis zum Kläger – der Beklagte zu 1) und der Zeuge und jetzige Streithelfer T als bei der gebotenen Gesamtschau mit einer Gesamtquote zu berücksichtigende Haftungseinheit anzusehen (vgl. dazu allgemein nur BGHZ 54, 283, dort Rn. 5 ff. bei juris; BGH, NJW 1996, 2023, dort Rn. 19 bei juris; BGH, NJW 1996, 2646, dort Rn. 16 ff. bei juris; ferner Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 2, Rn. 30 sowie Hentschel/König, a.,a.O., § 9 StVG, Rn. 19, jeweils m. w. Nachw.). Dementsprechend kann aus Sicht des Senats hier letztlich offen bleiben, ob der Erstunfall vom Beklagten zu 1) (durch unangemessen hohes Tempo und/oder verspätete Reaktion) oder durch den Zeugen T (durch Ausscheren zwecks Überholens ohne Beachtung des schnell herannahenden Erstbeklagten knapp vor diesem unter Verstoß gegen § 5 Abs. 4 StVO) verschuldet worden ist. In jedem Falle ist – im Hinblick auf die bestehende Haftungseinheit des Beklagten zu 1) und des Zeugen und jetzigen Streithelfers T im Außenverhältnis zum Kläger – auf Beklagtenseite eine Gesamtquote unter Berücksichtigung eines unfallursächlichen Verschuldens (sei es des Erstbeklagten oder des Zeugen T) zu berücksichtigen.

Eine Mehrfachquotenbildung mit kombinierter Gesamt- und Einzelabwägung (vgl. dazu allgemein BGH, NJW 2006, 896, dort Rn. 12 f.; ferner Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kapo. 2, Rn. 25 f. und 30 sowie Hentschel/König, a.,a.O., § 9 StVG, Rn. 18 f., jeweils m. w. Nachw.) ist im hier gegebenen Fall einer Haftungseinheit von vornherein nicht veranlasst. Zu welchem Anteil im Innenverhältnis die Beklagten einerseits und die jetzigen Streithelfer des Klägers (Herr T und dessen KFZ-Haftpflichtversicherung) andererseits den streitgegenständlichen Schaden letztlich zu tragen haben, muss gesondert zwischen diesen geklärt werden und betrifft nicht das Außenverhältnis zum Kläger, in welchem die Vorgenannten – wie gesagt – eine Haftungseinheit darstellen.

bb.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist aus Sicht des Senats – auch bei Annahme des vom Landgericht angenommenen und (angesichts der nur noch weiterverfolgten Haftungsquote von 50 %) letztlich auch vom Kläger nicht wirklich ernsthaft in Frage gestellten Eigenverschuldens des Klägers – eine jetzt nur noch geltend gemachte Mithaftung der Beklagten zu 50 % in jedem Fall zu bejahen. Nach Auffassung des Senats kann im Rahmen der gebotenen Gesamtschau das hier in Rede stehende Eigenverschulden des Klägers keinesfalls höher gewichtet und bewertet werden als die auf Beklagtenseite aufgrund der bestehenden o.g. Haftungseinheit in jedem Fall zu berücksichtigende schuldhafte Verursachung des Erstunfalles, der überhaupt erst zu der sich in dem Unfall des Klägers realisierenden erheblichen Gefahrenlage geführt hat.

Insgesamt ist nach alledem eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu den jetzt noch geltend gemachten 50 % zu bejahen, ohne dass insoweit noch einer weiteren Sachaufklärung bedürfte.

2.

Hinsichtlich der Höhe des ersatzfähigen Schadens besteht nur hinsichtlich der Mietwagenkosten Streit. Von den übrigen geltend gemachten Schadenspositionen i.H. von insgesamt 6.987,66 EUR (Reparaturkosten 6.158,49 EUR, Wertminderung 160,- EUR, Gutachterkosten 639,17 EUR und Unkostenpauschale 30,- EUR) ist nur bzgl. der nach ständiger Senatsrechtsprechung lediglich i.H. von 25,- EUR ersatzfähigen Unkostenpauschale wegen mangelnder Schlüssigkeit ein Abzug von 5,- EUR zu machen, so dass sich – neben den sogleich noch zu erörterten Mietwagenkosten – ein ansonsten unstreitiger ersatzfähiger Schaden von 6.982,66 EUR ergibt.

An Mietwagenkosten macht der Kläger einen Betrag von 1.975,01 EUR geltend. Ausweislich der im Senatstermin vorgelegten Mietwagenrechnung hat der Kläger zu diesem Gesamtpreis für 12 Tage einen Volvo V 40 mit Vollkaskoversicherung bei Selbstbeteiligung von 1.000,- EUR angemietet. Diese Mietwagenkosten sind indes unter Berücksichtigung der Grundsätze der diesbezüglichen ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. grundlegend Senatsurteil vom 18.03.2016 – I-9 U 142/15, veröffentlicht etwa MDR 2016, 516, vgl. dort Rn. 13 ff. bei juris), der sich jüngst auch das OLG Düsseldorf angeschlossen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2019, 731), hat  nur i.H. von 608,79 EUR ersatzfähig.

a.

Zunächst hat der Kläger nicht dargetan, dass er mit der konkreten Anmietung zu dem o.g. Gesamtpreis von 1.975,01 EUR dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügt hat. Auch sind keine Umstände konkret dargelegt oder sonst ersichtlich, die es bei einer subjektbezogenen Schadensbetrachtung als geboten erscheinen ließen, u.U. auch nicht erforderliche Mietwagenkosten zu ersetzen.Dementsprechend muss zur Schadensermittlung auf die objektive Marktlage rekurriert werden; denn bei dieser Sachlage kommt es im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung entscheidend darauf an, zu welchen Bedingungen der Geschädigte einen Mietwagen erlangt hätte, wenn er dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprochen hätte.Gründe dafür, hier etwa im Hinblick auf die Besonderheiten des Unfallersatzgeschäfts irgendeinen Zuschlag auf den Normaltarif als ersatzfähig anzusehen, sind weder konkret dargetan noch sonst ersichtlich.

b.

Es kommt demnach auf die gem. § 287 ZPO vorzunehmende Schätzung des angemessenen Normaltarifs (incl. Vollkasko mit üblicher Selbstbeteiligung) an. Dabei ist auch hier – aus den in dem oben genannten Senatsurteil vom 18.03.2016 im Einzelnen ausgeführten Gründen – der angemessene Normaltarif aufgrund des Mittelwerts zwischen den Listen von Schwacke und Fraunhofer (sog. „Fracke-Lösung“) zu schätzen. Die allgemein gegen die Eignung der einen oder anderen Liste vorgebrachten und diskutierten Bedenken stehen, wie in dem oben genannten Senatsurteil ausgeführt, einer solchen Schätzung unter Heranziehung beider Erhebungen nicht entgegen. Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nämlich nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken; die Anwendung der Listen durch den Tatrichter begegnet also nur dann Bedenken, wenn die Parteien deutlich günstigere bzw. ungünstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der tatsächlichen Anmietung, der – wie hier – von Wohn- und Unfallort verschieden sein kann – aufzeigen (vgl. dazu allgemein neben der o.g. Senatsentscheidung nur BGH, MDR 2011, 481, dort Rn. 7 f. bei juris, und MDR 2013, 334, Rn. 11 bei juris; OLG Düsseldorf, MDR 2015, 454, Rn. 22 bei juris; OLG München, MRW 2017, 7, Rn. 13 bei juris; Freymann/Rüßmann in jurisPK-StrVerkR, 1. Aufl., § 249 BGB, Rn. 192 f. m. w. Nachw.). Das ist hier nicht der Fall.

Da der Kläger mit einem Volvo V 40 (Kompaktklasse) ein gegenüber seinem verunfallten Fahrzeug Volvo XC 60 deutlich klassenniedrigeres Fahrzeug angemietet hat, besteht – dies sei bereits hier vorausgeschickt – kein Anlass für den von Beklagtenseite geltend gemachten Abzug  von 10 % der eigentlichen Mietkosten für ersparte Eigenaufwendungen (vgl. dazu nur Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 249, Rn. 36 m.w.Nachw.).

c.

Auf Grundlage der danach auch hier maßgebenden sog. „Fracke-Lösung“ (vgl. zur konkreten Vorgehensweise bei der entsprechenden Schätzung nochmals das o.g. Senatsurteil vom 18.03.2016, MDR 2016, 516, dort Rn. 24 f. bei juris) – und bei Zugrundelegung einer ersatzfähigen Anmietdauer von unstreitig 12 Tagen – ergeben sich auf Basis der Erhebungen von Schwacke und Fraunhofer für 2017 für den zu schätzenden angemessenen Normaltarif folgende Werte: Wert laut Schwacke 2017 (für den hier maßgebenden tatsächlichen Anmietort im PLZ-Bereich ###) für die hier maßgebende Fahrzeugklasse 5 incl. Kaskoversicherung mit üblicher SB:

Grundtarif incl. Kasko mit SB: 835,46 EUR (= 487,35 : 7 x 12)

Wert für PLZ-Bereich ## laut Fraunhofer 2017 (incl. Kasko): 382,11 EUR (= 222,90 : 7 x 12)

Mittelwert aus beiden o.g. Werten: 608,79 EUR.

Lediglich in dieser Höhe sind die geltend gemachten Mietwagenkosten ersatzfähig. Die Erforderlichkeit höherer Mietwagenkosten ist weder vom Kläger dargetan noch sonst ersichtlich.

3.

Bei Zugrundelegung eines danach als ersatzfähig anzusehenden Gesamtschadens von 7.591,45 EUR und einer Haftungsquote der Beklagten von 50 % waren mithin in der Hauptsache (aufgerundet) 3.795,73 EUR zuzusprechen.

Die zuerkannten Zinsen auf diesen Betrag stehen dem Kläger aus dem Gesichtspunkt des Verzuges zu (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB).

Vorgerichtliche Anwaltskosten, die grundsätzlich als Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung ersatzfähig sind, kann der Kläger in einer auf Basis eines dem Erfolg in der Hauptsache entsprechenden Gegenstandswert von bis 4.000,- EUR berechneten Höhe ersetzt verlangen. Danach ergeben sich an sich ersatzfähige 413,64 EUR; dieser Betrag liegt noch oberhalb der jetzt insoweit noch begehrten und dann dementsprechend auch zuzusprechenden 404,07 EUR.

Die auf diesen Betrag zuerkannten Zinsen stehen dem Kläger als Rechtshängigkeitszinsen zu (§§ 291, 288 Abs. 1 BGB).

4.

Nach alledem war auf die Berufung des Klägers die angefochtene Entscheidung des Landgerichts im aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – teilweise abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 92 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§  708 Nr. 10, 713 ZPO.

Eine Revisionszulassung war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die maßgebenden Fragen sind solche des Einzelfalles.

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