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Verkehrsunfall – Haftungsverteilung bei Vorfahrtverletzung beim Einbiegen

LG Hamburg – Az.: 306 O 30/19 – Urteil vom 16.08.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.582,44 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger beansprucht von den Beklagten die Zahlung von Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls.

Am 23.10.2018 befuhr der Kläger mit einem Mercedes, amtl. Kennzeichen … die H.str. in H. Er beabsichtigte, nach rechts in die B. Straße abzubiegen. An der Einmündung der H.str. befindet sich das von dem Kläger zu beachtende Verkehrszeichen 205 („Vorfahrt gewähren“). Die Beklagte zu 2) befuhr mit dem bei dem Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Fahrzeug Skoda, amtl. Kennzeichen …, die vorfahrtsberechtigte B. Straße, und zwar aus der Sicht des Klägers von links kommend. Im ungefähren Bereich der Einmündung der H.str. kam es zu einer Kollision der Fahrzeuge. Wegen der Unfallendstellung der Fahrzeuge wird auf die von dem Kläger eingereichten Lichtbilder (Anlagenkonvolut K 1) verwiesen.

Zur Feststellung der Schadenshöhe holte der Kläger ein Sachverständigengutachten ein. Danach sollen sich die zur Reparatur erforderlichen Kosten auf € 8.968,63 belaufen. Der Sachverständige P. ermittelte zudem eine merkantile Wertminderung in Höhe von € 400,00. Für das Gutachten berechnete der Sachverständige dem Kläger € 1.193,81. Der Kläger beansprucht von den Beklagten die Zahlung dieser Schadenspositionen zuzüglich einer Kostenpauschale von € 20,00 sowie die Freistellung von Kosten für die vorgerichtliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten.

Der Kläger behauptet, Eigentümer des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs Mercedes zu sein. Bevor er nach rechts in die H.str. abgebogen sei, habe er von links kein sich annäherndes Fahrzeug wahrgenommen. In einiger Entfernung auf der Höhe der Bushaltestelle habe lediglich ein Fahrzeug gestanden, was die Sicht versperrt habe. Er sei deshalb nach rechts abgebogen. Als er bereits vollständig abgebogen sei und sich kerzengerade auf der Fahrspur der B. Straße befunden habe, habe er plötzlich einen starken Aufprall an der linken Fahrzeugseite bemerkt. Die Beklagte zu 2) habe vermutlich kurz vor der Kreuzung das Fahrzeug überholt und sei dann wegen Gegenverkehrs nach rechts gelenkt und dabei mit dem Fahrzeug des Klägers kollidiert. Sie sei offensichtlich viel zu schnell gewesen. Denn sie hätte langsam und vorsichtig um das in ihrer Fahrspur befindliche Fahrzeug herumfahren müssen. Dann wäre der Kläger für sie ohne weiteres sichtbar gewesen. Die Beklagte zu 2) trage das alleinige Verschulden am Unfall. Die Schadenshöhe sei von dem Sachverständigen P. zutreffend ermittelt.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger € 10.582,44 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (01.02.2019) zu zahlen;

2.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwaltskanzlei Florian S., R.straße …, … H., in Höhe von € 972,47 freizuhalten.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behaupten, die Beklagte zu 2) sei vorkollisionär den Witterungsverhältnissen angepasst und mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gefahren. Sie habe vor der Einmündung der H.str. kein Fahrzeug überholt und sei auch an keinem haltenden Fahrzeug vorbei gefahren. Der Kläger sei mit dem Fahrzeug Mercedes vielmehr unmittelbar vor ihr aus der H.str. kommend auf die B. Straße abgebogen. Sie habe noch versucht, nach links auszuweichen, eine Kollision aber nicht verhindern können.

Das Gericht hat den Kläger und die Beklagte zu 2) persönlich angehört sowie – mit Zustimmung der Parteien – die Angaben verwertet, die der Zeuge C. im Bußgeldverfahren als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht H.- H. … getätigt hat.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegenüber den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823 BGB, 115 VVG wegen des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls am 23.10.2018.

Im konkreten Fall steht fest, dass sich der Unfall in einem unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Abbiegevorgang des Klägers auf die (vorfahrtsberechtigte) B. Straße ereignet hat. Insoweit spricht ein Anschein dafür, dass der Kläger hierbei die ihm obliegende Sorgfalt nicht beachtet und einen Vorfahrtsverstoß gemäß §§ 8 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1, 41 StVO begangen hat. Gegenüber einem derartigen Verkehrsverstoß tritt im Rahmen der Abwägung nach § 17 StVG die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs Skoda vollständig zurück.

Aus den von dem Kläger eingereichten Lichtbildern (Anlagenkonvolut K 1), die unmittelbar nach dem Unfall aufgenommen worden sind und auf denen die Unfallendstellung der Fahrzeuge entnommen werden kann, ist klar zu erkennen, dass sich das von dem Kläger geführte Fahrzeug Mercedes keinesfalls „kerzengerade“ auf der Fahrspur der B. Straße befindet. Es ist vielmehr noch in einer leichten Schrägstellung befindlich. Auf einem Lichtbild, dass dieses Fahrzeug von hinten zeigt, lässt sich zudem ganz deutlich erkennen, dass unmittelbar im Bereich des Fahrzeughecks des Mercedes der Kantstein abgeschrägt ist, weil sich dort die Einmündung der H.str. befindet. Damit lässt sich im konkreten Fall anhand der Lichtbilder feststellen, dass der Kläger mit seinem Fahrzeug vor der Kollision nicht einmal annähernd eine Strecke von mehr als 30 Meter auf der vorfahrtsberechtigten Straße zurück gelegt hat. Damit spricht hier ein Anschein für einen Vorfahrtsverstoß des Klägers, der in der konkreten Situation gegenüber der Beklagten zu 2) wartepflichtig gewesen ist.

Ein – von dem Kläger zu beweisender – Verkehrsverstoß der Beklagten zu 2) steht dagegen nicht fest. Soweit der Kläger einen Geschwindigkeitsverstoß der Beklagten zu 2) behauptet, lassen sich keinerlei Tatsachen feststellen, die auf einen solchen Verstoß hindeuten würden.

Sowohl der Kläger als auch der Zeuge C. haben nach eigenen Angaben das Fahrzeug der Beklagten zu 2) vor der Kollision gar nicht wahrgenommen. Das lässt jedoch nicht etwa zwingend auf einen Geschwindigkeitsverstoß der Beklagten zu 2) schließen, weil sich die Möglichkeit eines Wahrnehmungsfehlers nicht ausschließen lässt. Mangels Feststellung von Spuren auf der Fahrbahn und der Unfallendstellung der Fahrzeuge, die parallel zueinander stehen, lassen sich auch durch ein Sachverständigengutachten keine Rückschlüsse auf die von der Beklagten zu 2) vor der Kollision gefahrenen Geschwindigkeit ziehen, aus denen sich ein Geschwindigkeitsverstoß ergeben würde.

Dass die Beklagte zu 2) vor der Kollision ein Fahrzeug überholt haben soll, bzw. an einem parkenden Fahrzeug vorbeigefahren wäre, und dabei die ihr obliegende Sorgfalt des § 1 StVO nicht beachtet hätte, steht ebenfalls nicht fest. Abgesehen davon, dass ein solcher Überholvorgang die Vorfahrtsberechtigung der Beklagten zu 2) nicht entfallen lassen würde, steht zudem im konkreten Fall noch nicht einmal fest, dass es ein haltendes bzw. parkendes Fahrzeug auf der Fahrbahn überhaupt gegeben hätte. Die Beklagte zu 2) hat diese Behauptung im Rahmen ihrer Anhörung bestritten. Allein auf den Angaben des Klägers und des Zeugen C. lässt sich eine sichere Feststellung in Bezug auf das Vorhandensein dieses Fahrzeug nicht treffen. Auf den Lichtbildern ist zudem kein solches Fahrzeug erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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