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Verkehrsunfall – Herabstufung um eine Mietwagenklasse bei zehnjährigem Fahrzeug

LG Freiburg – Az.: 3 S 98/20 – Urteil vom 18.03.2021

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 17.07.2020 (Az. 10 C 221/20) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 540,04 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 04.04.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger 70 %, die Beklagte 30 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.721,77 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall. Die Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherung zu 100 % ist unstreitig. Streit besteht über die Höhe der zu erstattenden Mietwagenkosten, des Nutzungsausfalls und der Abschlepp- und Anwaltskosten.

Das Amtsgericht hat der Klage nur in geringem Umfang stattgegeben.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers. Er bringt im Wesentlichen vor, das Amtsgericht habe bei den Mietwagenkosten sein Fahrzeug bereits im Ausgangspunkt fehlerhaft in Gruppe 5 statt in Gruppe 6 eingruppiert. Zudem sei die Herabstufung um eine Gruppe wegen des Alters des Fahrzeugs nicht gerechtfertigt. Das Fahrzeug war im Unfallzeitpunkt unstreitig 10 Jahre alt. Bei den Abschleppkosten sei auch der Überstundenzuschlag zu zahlen, weil den Kläger kein Auswahlverschulden hinsichtlich des Abschleppunternehmens treffe. Schließlich sei für den Unfalltag selbst ein Tag Nutzungsausfall zu erstatten.

Von einer weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung ist nur teilweise begründet.

Der Kläger hat aus §§ 7 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG gegen die Beklagte Anspruch auf weiteren Schadensersatz in Höhe von 540,04 €.

1. Der Ersatz von Mietwagenkosten wird in gefestigter Rechtsprechung der Kammern des Landgerichts Freiburg nach § 287 ZPO nach dem arithmetischen Mittel der Erhebungen nach Schwacke und des Fraunhofer-Instituts bemessen.

Der Kläger hat durch Vorlage der Klassifizierung (Anlagen K17 und K18) nachgewiesen, dass sein Fahrzeug im Ausgangspunkt in die Mietwagenklasse 6 einzuordnen ist.

Die vom Amtsgericht vorgenommene Herabstufung um eine Mietwagenklasse ist bei einem 10-jährigen Fahrzeug allerdings zu Recht erfolgt.

Die Frage der Herabstufung wegen des Alters bei den Mietwagenkosten ist allerdings umstritten.

In Teilen der Rechtsprechung wird vertreten, dass eine Herabstufung nicht in Betracht kommt. Denn anders als bei der Bemessung der abstrakten Nutzungsausfallentschädigung komme es bei den Mietwagenkosten auf eine konkrete Schadensberechnung an. Dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls stehe aber auf Grund der Ausstattung bzw. des Alters des Fuhrparks der Mietwagenunternehmen kaum jemals überhaupt die Möglichkeit offen, ein altersmäßig vergleichbares Fahrzeug anzumieten. Denn die Flotten von Mietwagenunternehmen seien gerichtsbekannt praktisch durchgehend mit jungen Fahrzeugen bestückt, da die Fahrzeuge von den Mietwagenunternehmen mit relativ hoher Fluktuation nach kurzer Laufzeit abgegeben würden (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 31.08.2011, 8 S 1322/11; OLG Dresden, Urteil vom 18.07.2012, 7 U 269/12; OLG Jena, Urteil vom 05.04.2016, 5 U 855/14; OLG Hamm, Urteil vom 26.01.2000, 13 U 149/99).

Dem wird von anderen Teilen der Rechtsprechung entgegengehalten, dass ein Gleichlauf zwischen Mietwagen– und Nutzungsausfallschäden stattfinden müsse. Der Geschädigte solle zudem aus dem Verkehrsunfall weder Vor- noch Nachteile ziehen. Die Gebrauchstauglichkeit und der Komfort reduziere sich jedoch mit zunehmendem Alter und Laufleistung. Sei es dem Geschädigten nicht möglich, ein altersgemäßes Fahrzeug anzumieten, so obliege es ihm, ein klassenniedrigeres anzumieten oder aber die Mehrkosten selbst zu tragen (vgl. LG Freiburg, Urteil vom 18.7.2013, 3 S 122/13, Rn. 11; LG Freiburg, Urteil vom 21.02.2017, 9 S 99/16; LG Stuttgart, Urteil vom 19.12.2014, 20 O 315/14 Rn. 57 ff.; OLG Oldenburg, 11 U 92-99 Rn.19; OLG Stuttgart, Urteil vom 08.12.1987, 10 U 29/87, Rn. 8 ff.; zitiert jeweils nach juris).

Letztere Auffassung überzeugt zumindest bei älteren Fahrzeugen wie hier. Denn bei einem zehn Jahre alten Fahrzeug sind gegenüber einem klassengleichen Neufahrzeug die Unterschiede in Komfort, Ausstattung und Sicherheit offensichtlich. Es verstieße gegen das schadensrechtliche Bereicherungsverbot, in derartigen Fällen den Ausgleich auf Grundlage der Mietwagenklasse von aktuellen Modellen zu gewähren. Vielmehr ist es dem Geschädigten in einem solchen Fall möglich und zumutbar, entweder ein klassenniedrigeres Fahrzeug anzumieten oder aber die Mehrkosten selbst aufzuwenden.

Soweit das Amtsgericht die Zusatzkosten für Navigationsgerät und Zweitfahrer abgewiesen hat, hat es auch die Berufung nicht vermocht, die Erforderlichkeit des Schadensausgleichs im konkreten Fall darzulegen.

Die erstattungsfähigen Mietwagenkosten berechnen sich daher wie folgt:

Modus-Wochenwert Schwacke 2018, PLZ 793, Gruppe 5: 630 €

Umgerechnet auf 16 Tage: 1.440 €

Mittelwert-Wochenwert Fraunhofer 2018, PLZ 79, Gruppe 5: 230,85 €

Umgerechnet auf 16 Tage: 527,66 €

Arithmetisches Mittel: 983,83 €

Abzgl. 5 % ersparte Eigenaufwendungen: – 49,19 €

Zzgl. Haftungsreduzierung: + 336,- €

Zzgl. Winterreifen: +160;- €

Summe: 1.430,64 €

Abzgl. Vorgerichtlicher Zahlung: – 1.052,45 €

Restforderung: 378,19 €

2.

Ein Überstundenzuschlag bei den Abschleppkosten ist vorliegend nicht erstattungsfähig. Der Kläger hat es auch mit der Berufung nicht vermocht darzulegen, weshalb bei einem Unfall um 10 Uhr und einem Abschleppen eines Fahrzeuges von F. nach M. die Ausführung erst nach 17 Uhr erfolgen konnte. Ausweislich der hierzu vom Kläger selbst vorgelegten Anlage K2 ist das Abschleppunternehmen auch erst um 17.47 Uhr benachrichtigt worden und dies nicht vom Kläger, sondern von der Polizei. All dies geht nicht zulasten des Schädigers bzw. seiner Haftpflichtversicherung.

Es bleibt damit bei dem vom Amtsgericht korrekt ermittelten Restbetrag von 13,66 €.

3. Der Kläger hat für den Unfalltag Anspruch auf Ersatz seines Nutzungsausfallschadens in Höhe von 38 € (vgl. Anlagen K6, K17, K18). Zumindest bei einem Unfall am Vormittag um 10 Uhr und der Anmietung eines Fahrzeugs erst am Folgetag wie hier hat der Geschädigte einen fühlbaren Nutzungsausfall erlitten und mit der anschließenden Anmietung auch seinen Nutzungswillen dokumentiert (vgl. auch Geigel/Katzenstein, Haftpflichtprozess, 28. Aufl. 2020, Rn.193; LG Duisburg, Urteil vom 17.04.2014 – 12 S 153/13).

4. Das Amtsgericht hat die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu Recht nur auf Grundlage einer 1,3 Geschäftsgebühr zugesprochen. Ein gegenüber einem gewöhnlichen Verkehrsunfall bestehender erhöhter Aufwand ist weder dargelegt noch ersichtlich. Daneben hat der Kläger Anspruch auf Ersatz der Auslagenpauschale in Höhe von 20 €, der Kosten der Akteneinsicht in Höhe von 12 € (Anlage K10, I 75), sowie der Umsatzsteuer.

Insoweit ergibt sich folgende Abrechnung:

1,3 Geschäftsgebühr (10-13.000 €): 865,80 €

Auslagenpauschale: 20,- €

Akteneinsichtsgebühr: 12,-€

Umsatzsteuer: 170,58 €

Summe: 1.068,38 €

Abzüglich der vorgerichtlich bereits bezahlten 958,19 € sind mithin noch 110,19 € geschuldet.

5. Damit ergibt sich folgende Restforderung:

Mietwagenkosten: 378,19 €

Abschleppkosten: 13,66 €

Nutzungsausfall: 38 €

Anwaltskosten: 110,19 €

Summe: 540,04 €

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung einer Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht.

Der Streitwert wurde nach § 47 Abs. 1 S. 1 GKG festgesetzt.

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