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Verkehrsunfall: Kollision mit einem wendenden Fahrzeug

AG Neuwied, Az.: 44 C 215/11, Urteil vom 13.09.2011

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung im Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfallereignis vom 27.09.2010 in ..

Der Zeuge … befuhr mit dem Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen … die B.-Straße in N. in Fahrtrichtung B.. Der Beklagte zu 1) befuhr mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … welches bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, die B.-Straße in entgegengesetzter Fahrtrichtung. Aus im Einzelnen streitigen Gründen kam es zwischen den Beteiligten Fahrzeugen zur Kollision. In Folge der Kollision entstand der Klägerin ein Schaden wegen Reparaturkosten in Höhe von 5.097,65 € sowie eine Wertminderung von 450,00 €, Sachverständigengebühren in Höhe von 576,00 € und Nutzungsausfall in Höhe von 250,00 €. Hierauf zahlte die Beklagte zu 2) 5.115,95 €. Weitergehende Zahlungen verweigerte die Beklagte zu 2).

Verkehrsunfall: Kollision mit einem wendenden Fahrzeug
Symbolfoto: germi_p/Bigstock

Die Klägerin trägt vor, dass der Beklagte zu 1) sein Fahrzeug plötzlich auf der Fahrbahn habe wenden wollen und dabei dem entgegenkommenden klägerischen Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn in die linke Fahrzeugseite gefahren sei. Die Kollision sei für den Zeugen … unvermeidbar gewesen. Als Leasingnehmerin sei sie zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche berechtigt.

Die Klägerin beantragt nach Klageerweiterung zuletzt: die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 2.320,50 € nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.01.2011 aus 2.088,80 € sowie aus weiteren 231,70 € seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen.

Die Beklagten beantragen: Klageabweisung.

Die Beklagten tragen vor, dass der Zeuge … rechtzeitig erkannt habe, dass sich das Fahrzeug der Beklagten im Wendevorgang befinde. Der Zeuge … habe jedoch versucht, sich im Rahmen eines kurzen Abstoppens des Beklagtenfahrzeugs an diesem „vorbeizuquetschen“.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … sowie Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. … in der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2011. Zum Inhalt der Zeugenvernehmung und des mündlichen Gutachtens wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht kein weiterer Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 115 VVG zu. Die Klägerin hat gegen die Beklagten zwar einen Schadensersatzanspruch gemäß § 7 Abs. 1 StVG, da der Beklagte zu 1) das klägerische Fahrzeug im Betrieb seines Fahrzeugs beschädigt hat, diesen Schadensersatzanspruch hat die Beklagte zu 2) mit einer Zahlung von 2/3 jedoch hinreichend ausgeglichen.

Die Klägerin muss sich als Halterin des eigenen Kraftfahrzeugs den Verursachungsbeitrag des Zeugen … an den entstandenen Schäden gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG entgegenhalten lassen. Nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG haften die beteiligten Fahrzeughalter für die entstandenen Schäden nach ihren jeweiligen Verursachungsbeiträgen. Dieser Ausgleich der Verursachungsbeiträge ist nur dann ausgeschlossen, wenn das Unfallereignis gemäß § 17 Abs. 3 StVG für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs unabwendbar gewesen ist. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall gewesen.

Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn es durch äußerste mögliche Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (BGHZ 117, 337). Dies ist zu messen an dem Verhalten eines sog. „Idealfahrers“. Dazu gehört sachgemäßes und geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus (BGHZ 113, 164). Nach diesem anzusetzenden Maßstab hätte der Zeuge … die Situation erkennen und darauf reagieren müssen. Er hätte es insbesondere unterlassen müssen, an dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) vorbeizufahren, während dieses im Wendemanöver begriffen gewesen ist. So hat der Zeuge … in der Beweisaufnahme selbst bekundet, dass er den …-Transporter, der von dem Beklagten zu 1) gefahren wurde, gesehen hat, als der Wendevorgang begonnen hat. Er sei daraufhin langsamer geworden und an den Wendevorgang herangefahren. Der Beklagte zu 1) habe zuerst etwas zurück- und dann wieder vorgesetzt. Dann habe das Fahrzeug gestanden. Daraus habe er geschlossen, dass der Fahrer ihn vorbeilassen wolle. Augenkontakt habe er mit dem Fahrer nicht aufgenommen. Als er an dem Fahrzeug vorbeigefahren sei, sei es sodann zur Kollision gekommen. Der …-Fahrer habe das Fahrzeug nämlich wieder in Bewegung gesetzt. Der Zeuge … schätzte, dass der …-Wagen ein paar Sekunden gestanden habe. Aus diesem Fahrverhalten des Beklagten zu 1) habe er geschlossen, dass er durchfahren könne. Hätte er erkannt, dass der Beklagte zu 1) ihn nicht durchlassen wollte, so hat der Zeuge … nachvollziehbar bekundet, hätte er rechtzeitig anhalten können. Dies hat im Übrigen auch der Sachverständige in seinem mündlichen Gutachten bestätigt.

Es liegt mithin eine Fehleinschätzung des Zeugen … vor, der gedacht hatte, dass der Beklagte zu 1) ihn vorbeilassen würde. Hierauf durfte sich der Zeuge … jedoch nicht verlassen. Wer einen Wendevorgang beobachtet, kann bei einem kurzen Abstoppen von ein paar Sekunden nicht ohne Blickkontakt und Verständigung mit dem Fahrer des Beklagtenfahrzeugs davon ausgehen, dass dieser ihn durchlassen werde. Ein „Idealfahrer“ hätte vor dem Wendevorgang gestoppt und hätte diesen abgewartet oder sich mit dem Beklagten zu 1) verständigt. Dies hat der Zeuge … nicht getan. Ein Unabwendbarkeitsnachweis ist mithin nicht geführt.

Daher sind die beiderseitigen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Abs. 1 StVG gegeneinander abzuwägen und quotal zu verteilen.

Der Beklagte zu 1) hat vorliegend gegen § 9 Abs. 5 StVO verstoßen. Danach hat sich der Wendende so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Der Zeuge … hat dagegen gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot gemäß § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, indem er bei unklarer Verkehrslage in den Wendevorgang des Beklagten zu 1) eingefahren ist, obwohl dieser für ihn erkennbar war und insofern eine Kollision vermeidbar gewesen wäre. Auf Grund der erhöhten Sorgfaltspflichten bei Wendemanövern trifft den Wendenden zwar im Grundsatz die alleinige Haftung, eine Mithaftung ist aber dann anzunehmen, wenn der andere Fahrer das stehende Fahrzeug des Wendenden rechtzeitig hätte erkennen können und sich darauf hätte einstellen können (Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVR/StVO, § 9 Rd. Nr. 59).

Der Zeuge … hat selbst bekundet, dass das Fahrzeug zunächst gestanden hatte, als er die Vorbeifahrt gestartet hat. Daher ist vorliegend eine Mithaftung angemessen. Eine solche von einem Drittel ist zutreffend bemessen.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss: Der Streitwert wird auf bis 2.500,00 € festgesetzt.

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