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Verkehrsunfall – Entscheidungsfrist für Reparatur oder Ersatzbeschaffung

AG Bremen – Az.: 7 C 288/15 – Urteil vom 22.04.2016

Die Beklagten zu 1) und zu 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger Euro 600,00 nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.12.2014 zu zahlen.

Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/7 und die Beklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner 6/7.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Darstellung des Tatbestandes bedarf es gem. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO nicht, da eine Berufung gegen das Urteil mangels Erreichen der Berufungssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (Übersteigen eines Betrages von Euro 600,00) und auch mangels Zulassung der Berufung gem. §§ 511 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 4 ZPO nicht statthaft ist.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet.

Aufgrund des Verkehrsunfalles vom 3. Oktober 2012 hat der Kläger einen Schadensersatzanspruch auf weitere Nutzungsentschädigung in Höhe von Euro 600,00, so dass die Klage in dieser Höhe begründet ist.

Wegen des darüber hinaus geltend gemachten Anspruches von weiteren Euro 100,00 ist die Klage hingegen als unbegründet abzuweisen.

So haften die Beklagten zu 1) und zu 2) als Fahrer bzw. Kfz-Haftpflichtversicherer des weiteren unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs dem Kläger gegenüber dem Grunde nach unstreitig zu 100% aus dem angeführten Unfall in Bremen, §§ 7, 18 StVG, 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 VVG.

Der Kläger hat für weitere 12 Tage Nutzungsausfall einen Anspruch auf Euro 600,00 Nutzungsausfallentschädigung.

Der Kläger begehrt im Rahmen der vorliegenden Klage auf der Grundlage von insgesamt 18 Tagen Nutzungsausfall sowie unter Berücksichtigung einer vorgerichtlichen Zahlung der Beklagten zu 2) für 4 Tage und bei einem unstreitigen Tagessatz von Euro 50,00 einen weiteren Betrag von Euro 700,00 für 14 Tage Nutzungsausfall.

Den Zeitraum ermittelt der Kläger wie folgt:

  • 03.10.12 Mittwoch/Feiertag   Verkehrsunfall
  • 04.10.12 Donnerstag Kontaktaufnahme mit Rechtsanwalt/Terminabsprache
  • 05.10.12 Freitag Termin mit Rechtsanwalt
  • 08.10.12 Montag Auftrag an den Sachverständigen/Besichtigung d.d. Sachverständigen unter Teilnahme des Klägers
  • 15.10.12 Montag Erstellung des schriftlichen Gutachtens
  • 16.10.12 Dienstag Kenntnis Kläger. vom Inhalt des schriftl. Gutacht. = 18 Tage Die Entwicklung setzte sich im Übrigen dann noch wie folgt fort:
  • 05.11.12 Verkauf des unreparierten Fahrzeuges
  • 19.11.12  Erwerb eines Fzgs. unter Verwendung des Erlöses

=  14 Tage

+ 4 Tage  (fiktive) Reparaturdauer laut Sachverständigengutachten

Der Sachverständige hatte einen Reparaturschaden angenommen, bei einem Wiederbeschaffungswert von Euro 8.250,00 und einer Schadenshöhe von Euro 3.450,91 netto (Euro 4.106,58 brutto) und einer Reparaturdauer von 3-4 Arbeitstagen.

Verkehrsunfall - Entscheidungsfrist für Reparatur oder Ersatzbeschaffung
(Symbolfoto: Lisa-S/Shutterstock.com)

Der Kläger hat im Rahmen des streitgegenständlichen Anspruches einen Anspruch auf insgesamt 16 Tage Nutzungsentschädigung.

Ein von der Beklagten bestrittener Nutzungswille ergibt sich bereits aus der vorstehend dargestellten weiteren Entwicklung, wonach der Kläger nach Verkauf des beschädigten Fahrzeugs zeitnah ein Folgefahrzeug erworben hat (vgl. nur: OLG Hamm, NJW-RR 95, 1230; Landgericht Kaiserslautern, DAR 2013, S. 517).

Für das Fehlen einer (hypothetischen) Nutzungsmöglichkeit liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.

Der Kläger hat danach grundsätzlich einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung als Ausgleich für den Verlust der Gebrauchsmöglichkeit.

Der Kläger als Geschädigter hat hierbei für die notwendige Dauer einer Reparatur oder Ersatzbeschaffung einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung.

Hierbei stellen sowohl die Reparatur des Unfallfahrzeuges als auch die Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeuges jeweils eine Form der Naturalrestitution dar (vgl. grundlegend nur: Bundesgerichtshof, Urt.v. 19.10.1991, NJW 1992, S. 302 ff.) und der Geschädigte hat hier im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit ein Wahlrecht.

Er hat hierbei lediglich das „Wirtschaftlichkeitspostulat“ zu beachten, welches seinen gesetzlichen Niederschlag im Tatbestandsmerkmal der „Erforderlichkeit“ des § 249 S. 2 BGB gefunden hat (vgl. nur Bundesgerichtshof, aaO).

Beide angeführten Varianten der Naturalrestitution sind aber mögliche Varianten der konkreten Schadensberechnung.

Die vom Kläger im Ergebnis gewählte Variante der Ersatzbeschaffung stellt danach keine fiktive Schadensberechnung dar, so dass mangels fiktiver Schadensberechnung gerade nicht, so aber offensichtlich die Beklagte zu 2), allein auf die im Gutachten veranschlagte Reparaturdauer von nur 4 Tagen abgestellt werden kann (vgl. hierzu nur: Palandt/Grüneberg, 75.A., RdNr. 37 zu § 249 BGB mwN). Mit der hier tatsächlich erfolgten Ersatzbeschaffung handelt es sich um einen adäquaten Folgeschaden (vgl. hierzu auch: Bundesgerichtshof, Urt.v. 10.03.2009, NJW 2009, S. 1663 f.).

So durfte der Kläger angesichts der Wertigkeit des Schadens zum Wiederbeschaffungswert seine Entscheidung über den Weg der für ihn richtigen Naturalrestitution im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit bis zum Vorliegen des schriftlichen Gutachtens zurückstellen, um auf dieser Grundlage eine sachgerechte Abwägung vornehmen zu können.

Der Kläger hat mithin nach dem Vorliegen des schriftlichen Sachverständigengutachtens einen Anspruch auf angemessene Überlegungszeit hinsichtlich der Frage, ob er die Reparatur, die im vorliegenden Fall auch durchaus erheblich ausgefallen wäre, durchführen lässt oder ob er von seiner Dispositionsfreiheit Gebrauch macht und stattdessen ein Ersatzfahrzeug erwirbt (vgl. zu diesem Aspekt hierzu: Landgericht Saarbrücken, Urt.v. 07.06.2011, NZV 2011, S. 497 f.).

Angesichts der hier durchaus retrospektiven Betrachtung, wonach sich im schriftlichen Gutachten das Verhältnis zwischen Wiederbeschaffungswert und Bruttoschadenshöhe etwa im Verhältnis zwischen 2:1 bewegt, war dies hier angemessen und musste sich der Kläger gerade nicht auf die mögliche mündliche (Vor-)Beurteilung „Reparaturschaden“ verweisen lassen, um auf dieser Grundlage dann eine Abwägung über die Art der Naturalrestitution zu treffen.

Vom Vorliegen des schriftlichen Sachverständigengutachtens an wäre sogar ein Ansatz der dann noch üblicherweise erforderlichen Dauer für die Ersatzbeschaffung eines gebrauchten Pkws von ca. 2 – 3 Wochen möglich (vgl. hierzu nur: Palandt/Grüneberg, 75.A., RdNr. 37 zu § 249 BGB mwN), wobei im vorliegenden Fall noch der weitere Gesichtspunkt hinzukäme, dass der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat, dass er den Erlös des Unfallfahrzeuges verwenden musste, um das Folgefahrzeug erwerben zu können. Dies muss hier aber nicht einmal hinterfragt werden (vgl. zur Dauer der Nutzungsentschädigung bei Finanzierungsproblemen hinsichtlich der Ersatzbeschaffung nur: Sanden/Völtz, Sachschadenrecht des Kraftverkehrs, 9.A., RdNr. 314 mwN in Fn: 456; OLG Naumburg, Urt.v. 19.02.2004, NJW 2004, S. 3191 ff.; OLG Düsseldorf, Urt.v. 29.06.2010, BeckRS 2011, 07368, mit sehr ausführlicher Begründung; Landgericht Aachen, Urt.v. 06.02.2013, NZV 2013, S. 452 f.).

Diese Zeiträume hat der Kläger zur Vermeidung eines Kostenrisikos nämlich überhaupt nicht in Ansatz gebracht. Der von ihm lediglich in Ansatz gebrachte Zeitraum von 4 Tagen ist ihm ohne weiteres zuzubilligen.

Dies gilt allerdings nicht für 2 Tage zu Beginn und im Zusammenhang mit der Einholung von Rechtsrat bzw. der Beauftragung eines Sachverständigen und der Besichtigung des Fahrzeugs.

So bedurfte es bei der hier vorliegenden Konstellation keines vorherigen Beratungstermins mit dem Rechtsanwalt, um einen Sachverständigen erst dann am nächsten Werktag zu beauftragen. Die Beauftragung eines Sachverständigen war „auf jeden Fall“ angezeigt (im Gegensatz zur Konstellation z.B. beim Leasingfahrzeug, Landgericht Saarbrücken, aaO.).

Hier hätte vielmehr spätestens am Freitag, den 5. Oktober 2012, für eine Besichtigung des Fahrzeugs Sorge getragen werden müssen.

Insoweit ist von den hier konkret geltend gemachten Tagen, für die Nutzungsausfallentschädigung begehrt wird“, ein Abzug von 2 Tagen vorzunehmen.

In Höhe von Euro 100,00 ist die Klage daher abzuweisen.

Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 286, 288 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 713 ZPO.

Die Berufung gegen dieses Urteil gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist nicht zuzulassen.

Die Zulassung zur Berufung hat nur dann zu erfolgen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (§ 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO).

Grundsätzliche Bedeutung hat hierbei eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fällen stellen kann und deshalb wie ein „Musterprozess“ eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung für die Allgemeinheit hätte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 2012, 1 BvR 3238/08, 1 BvR 3239/08, BeckRS 2013, 47975; vgl. bereits: BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002, NJW 2002, S. 3029 mwN).

Keine dieser Voraussetzungen ist für den vorliegenden Fall erfüllt.

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