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Wärmelieferungsvertrag – Kündigung bei Störanfälligkeit eines Blockheizkraftwerkes

Az.: 322 O 274/18 – Urteil vom 02.11.2018 

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den 30.09.2018 hinaus bis zum 28.03.2023 gemäß dem Wärmelieferungsvertrag vom 17.10./08.12.2011 mit Wärmeenergie für Heizung und Warmwasserbereitung mit einer Menge von 194.400 kWh pro Jahr zu beliefern.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle durch die Kündigungserklärung vom 14.06.2018 entstandenen und noch entstehenden Schäden zu ersetzen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von 749,34 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 34.000 € vorläufig vollstreckbar.

6. Der Streitwert wird festgesetzt auf 32.800 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Fortsetzung bzw. Beendigung eines Wärmelieferungsvertrags.

Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, welche von ihrem Bauträger (ihrer Streitverkündeten) den mit der Beklagten geschlossenen Wärmelieferungsvertrag aus dem Jahr 2011 (K1 bis K5) übernahm. Der Vertrag sah eine Laufzeit von zunächst zehn Jahren ab Beginn der Inbetriebnahme vor. Die Inbetriebnahme erfolgte am 28.03.2013. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen (K4) sahen in Nummer 10 die Möglichkeit einer Kündigung unter anderem nach § 314 BGB vor. Nummer 11 formulierte die Voraussetzungen einer Vertragsanpassung nach Treu und Glauben bei geänderten Verhältnissen.

Die Wärmelieferung erfolgte über ein im Vertrag so genanntes ZuhauseKraftwerk – bestehend aus drei Blockheizkraftwerksanlagen (BHKW). Das BHKW gehörte der Beklagten und war in einem von der Klägerin angemieteten Kellerraum aufgestellt. Das BHKW produzierte mit einem Automotor elektrischen Strom, der von der Beklagten ins allgemeine Netz eingespeist wurde, wofür die Beklagte die Einspeisevergütung erhielt. Die bei der Stromproduktion entstehende Abwärme lieferte die Beklagte an die Klägerin gegen Entgelt gemäß dem Wärmelieferungsvertrag. Der Automotor stammte wie das komplette BHKW von der Firma V., mit der die Beklagte einen Rahmenvertrag hatte. Auf diese Weise vertrieb die Beklagte eine vierstellige Anzahl derartiger BHKW’s. Viele BHKW’s waren störanfällig, worüber es nach Beklagtenvortrag zu einem noch laufenden Rechtsstreit zwischen der Beklagten und V. kam.

Nachdem die Beklagte der Klägerin vergeblich am 28.11.2017 einen Aufhebungsvertrag mit Zusage finanzieller und organisatorischer Unterstützung bei Neuinstallation angeboten hatte (B 13), kündigte sie am 14.06.2018 den Wärmelieferungsvertrag zum 30.09.2018 unter Erneuerung ihres Unterstützungsangebotes (K 17; B 15).

Die Klägerin macht geltend, ein Kündigungsgrund liege nicht vor. Ein Austausch der Anlage etwa durch eine Gasbrennwertanlage komme nicht infrage, weil zahlreiche Eigentümer eine KfW-Förderung hätten, die davon abhängig sei, dass mindestens zehn Jahre die Energieversorgung mit einem Primärenergiefaktor von 0,5 erfolge.

Die Klägerin beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den 30.09.2018 hinaus bis zum 28.03.2023 gemäß dem Wärmelieferungsvertrag vom 17.10./08.12.2011 mit Wärmeenergie für Heizung und Warmwasserbereitung mit einer Menge von 194.400 kWh pro Jahr zu beliefern;

hilfsweise, festzustellen, dass die Kündigung vom 14.06.2018 des Wärmelieferungsvertrags vom 17.10./08.12.2011 durch die Beklagte unwirksam ist und die Beklagte zur Wärmelieferung für Heizung und Warmwasseraufbereitung der Klägerin über den 30.09.2018 hinaus bis zum 28.03.2023 verpflichtet ist;

2.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle durch die Kündigungserklärung vom 14.06.2018 entstandenen und noch entstehenden Schäden zu ersetzen;

3.

an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von 749,34 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wärmelieferungsvertrag - Kündigung bei Störanfälligkeit eines Blockheizkraftwerkes
(Symbolfoto: Von CoolKengzz/Shutterstock.com)

Die Beklagte macht geltend, ihre Kündigung sei wirksam, da ein wichtiger Grund gemäß § 314 BGB vorliege. Die Anlage sei in unzumutbarem Umfange störanfällig. Generell würden die …-Anlagen nur durchschnittlich 7.000 Stunden laufen, während von der Beklagten 30.000 Betriebsstunden geplant gewesen sein (B5). Eine Vertragsanpassung sei für beide Parteien unzumutbar. Gleichwertige Abgasanlagen seien nicht auf dem Markt. Eine ersatzweise Heizung mit elektrischer Heizpatrone sei zu teuer. Die Beklagte habe durch die Störanfälligkeit der BHKW’s insgesamt schon 136 Millionen € Verlust erlitten. Die Verlustausgleichspflicht durch die Muttergesellschaft der Beklagten sei nur kalkulatorisch. Auch bei dem BHKW der Klägerin gebe es einen unverhältnismäßigen Temperaturaufwand.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Fortsetzung der Wärmelieferung durch die Beklagte. Der Anspruch ergibt sich aus dem zwischen den Parteien bestehenden Wärmelieferungsvertrag. Die Kündigung dieses Vertrags durch die Beklagte ist unwirksam, weil die von der Beklagten vorgetragenen Umstände nicht zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigten. Der von den vereinbarten allgemeinen Geschäftsbedingungen in Bezug genommene § 314 BGB sieht in Abs. 1 Satz 2 als Voraussetzung für das Vorliegen eines wichtigen Grundes vor, dass dem kündigenden Vertragsteil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

1.

Das Risiko der Störanfälligkeit hat die Beklagte zu tragen. Nach dem Wärmelieferungsvertrag hat die Beklagte das BHKW auf eigene Kosten zu betreiben und bleibt sie Eigentümer des BHKW. Die Beklagte ist auch nicht durch den Wärmelieferungsvertrag an ein bestimmtes BHKW-Modell gebunden.

Die Billigkeitsklausel in Nr. 11 der AGB verschiebt die Risikoverteilung nicht, sondern ordnet ihre Berücksichtigung an und führt im Übrigen nicht zu einem Kündigungsgrund, sondern zu einer Vertragsanpassung, die beide Parteien nicht wollen.

2.

Eine generelle Störanfälligkeit des verwendeten BHKW-Modells ist schon deshalb nicht maßgeblich, weil nach dem von der Beklagten vorgetragenen Betriebsmonitoring für 1.073 Anlagen nicht alle Anlagen Serienfehler aufwiesen. Der Vertrag für eine ohne Störungen verlaufende Anlage kann nicht deshalb gekündigt werden, weil andere Anlagen unter Störungen leiden. Unerheblich ist daher auch der Gesamtverlust der Beklagten in Höhe von angegebenen 136 Millionen €.

3.

Die konkrete Störanfälligkeit gerade des BHKW der Klägerin ist nicht derart übermäßig, dass ein Festhalten am Vertrag unzumutbar ist. In der mündlichen Verhandlung wurde unstreitig gestellt, dass bislang noch keines der drei BHKW‘s der Klägerin bzw. ihres Abgasanlagen-Teils (B1, Datenblatt, Seite 3, Pos. 14-16) ausgetauscht wurde. Die Beklagte trug vor, dass inzwischen zwei der drei Anlagen nicht mehr laufen und ausgetauscht werden müssten. Ohne überhaupt auch nur einmal einen Austausch vorgenommen zu haben, kann ohnehin von keiner Unzumutbarkeit ausgegangen werden. Der einmalige Austausch der beiden Anlagen je 3.500 € beläuft sich auf 7.000 €, also auf nicht einmal ein Drittel desjenigen Betrags, den die Beklagte als finanzielle Unterstützung bei Aufhebung des Vertrags angeboten hat, und der deshalb jedenfalls zumutbar ist. Die Anlagen bei der Klägerin sind bereits fünf Jahre gelaufen, so dass es sein könnte, dass durch diesen einmaligen Austausch die restliche Vertragslaufzeit von weiteren fünf Jahren überbrückt wird. Dass die Wahrscheinlichkeit dafür nach den Ergebnissen des genannten Monitoring nicht sehr hoch ist, erübrigt nicht wenigstens einen Versuch. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass die Beklagte über Jahre hinweg viele hundert andere BHKW‘s mit vier oder mehr Serienfehlern weiterbetrieben hat, wie sich aus dem Monitoring ergibt.

4.

Selbst wenn ein derartiges Ausmaß an Störungsgefahr vorliegen sollte, dass von einer völligen Ungeeignetheit des verwendeten BHKW-Modells auszugehen wäre, würde dies nicht dazu führen, dass ein Festhalten am Vertrag für die Beklagte unzumutbar wäre. Die Beklagte wäre auch in einem solchen Fall nicht gehalten, sinnlose Austauschungen von Anlagenteilen immer wieder durchzuführen, sondern könnte das komplette BHKW ersetzen durch dasjenige eines anderen Herstellers.

Die Beklagte war jedenfalls nicht aufgrund des Vertrags zwischen den Parteien dazu gezwungen, gerade das …-Modell einzubauen. Dass das …-Modell in der Werbung der Beklagten genannt worden war (B1, Seite 9), machte dies nicht zum Vertragsgegenstand zwischen den Parteien. Allein der Umstand, dass die Beklagte gerade dieses Modell eingebaut hat, führte nicht zu einer Beschränkung der Leistungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin auf dieses Modell; die Beklagte schuldete überhaupt kein Modell, sondern Wärme mit bestimmten Spezifikationen. Und selbst der Rahmenvertrag zwischen der Beklagten und … ist mittlerweile infolge einer Kündigung beendet und bindet die Beklagte also jedenfalls jetzt nicht mehr. Und entgegen dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten gibt es auch taugliche Modelle anderer Hersteller: Herr A. hat für die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, BHKW‘s anderer Hersteller seien einbaubar (ob dies entsprechend seinem Vortrag zu einer Verdopplung der Wärmekosten für die Klägerin führen würde, ist hier nicht zu entscheiden).

Der Austausch des kompletten BHKW ist zwar teuer und führt zu finanziellem Schaden bei der Beklagten, möglicherweise zu einer vollständigen Wiederholung der Investitionskosten der Beklagten. Das ist jedoch nicht anders als beispielsweise auch bei einem Bauunternehmer, dessen Werk vor Gefahrübergang untergeht und der sein Werk deshalb noch einmal herstellen muss; und auch die Kfz-Rechtsprechung zum wirtschaftlichen Totalschaden setzt nicht schon bei 100 %, sondern erst bei 130% ein. Ein kompletter Austausch würde die Beklagte vor einer Gefahr dauernder Reparaturen mit einem den Wert der Anlage noch übersteigenden Betrag bewahren. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass sowohl die ausgetauschte Anlage als auch die neue Anlage im Eigentum der Beklagten bleiben würden.

5. (Sonstiges)

Der Feststellungsantrag ist begründet, weil die Klägerin ihre Schäden, die durch die unberechtigte Kündigung entstanden sind (insbesondere noch nicht abgerechnete Ingenieurskosten) und die die Beklagte als Folge pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten nach § 280 BGB zu ersetzen hat, noch nicht beziffern kann.

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Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten ergibt sich aus § 280 BGB.

Der Zinsanspruch berechnet sich nach § 288 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO. Bei der Höhe der Sicherheitsleistung war neben den Prozesskosten die volle Höhe der bis zur vom Gesetz mit 3,5 Jahren prognostizierten Rechtskraft anfallenden Werte der Leistung der Beklagten anzusetzen. Zwar werden bei wiederkehrenden Leistungen immer nur die jeweiligen Raten fällig. Jedoch würde hier bei Einstellung der Energielieferung möglicherweise auch eine Vollstreckung nach § 888 ZPO für gesamte restliche Zeit in Betracht kommen.

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