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Rücktritt vom Gebrauchtwagenkauf bei Unfallvorschaden

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 6 U 32/16 – Urteil vom 01.11.2018

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 07.04.2016 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam – 2 O 389/14 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein gebrauchtes Fahrzeug.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und die vor dem Landgericht gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob das streitgegenständliche Fahrzeug wegen eines Unfallschadens an der linken hinteren Seitenwand nachlackiert worden sei, überwiegend stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger komme ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises bis zu einem Betrag von 29.140 € nach §§ 346 Abs. 1, 323 Abs. 1, 437 Nr. 2 BGB Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs zu. Der Kläger sei vom Kaufvertrag berechtigt zurückgetreten, nachdem die Beklagte dem an sie gestellten Nacherfüllungsverlangen nicht nachgekommen sei. Das Fahrzeug habe bei Gefahrübergang einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB aufgewiesen, weil es entgegen der Vereinbarung der Parteien nicht unfallfrei gewesen sei. Die deutliche Spuren von Reparaturen am hinteren linken Kotflügel ließen auf die Beseitigung unfallbedingter Vorschäden schließen, denn nach den Ausführungen des Sachverständigen seien die an der hinteren linken Seite des Fahrzeugs durchgeführten Spachtelarbeiten erforderlich gewesen, weil eine von außen wirkende mechanische Kraft zu Verformungen in diesem Bereich geführt habe. Für die Beurteilung der Unfallfreiheit des Fahrzeugs komme es nicht darauf an, welchen Reparaturaufwand diese Schäden in finanzieller Hinsicht verursacht hätten. Der Mangel sei auch erheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB, weil die sog. Bagatellgrenze bei Blechschäden der vorliegenden Art überschritten sei.

Das Rücktrittsrecht des Klägers sei auch nicht deshalb eingeschränkt, weil die Beklagte sich auf die Aussagen ihres Großhändlers bezüglich des Nichtvorhandenseins von Unfallschäden habe verlassen dürfen. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass an dem Fahrzeug Reparaturarbeiten durchgeführt worden seien, so dass sie sich als Gebrauchtwagenhändlerin von dem Umfang der Arbeit umfassend hätte selbst überzeugen müssen.

Soweit der Kläger Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückübereignung des verkauften PKW begehre, sei die Klage nur in Höhe eines Betrages von 29.140 € begründet und im Übrigen abzuweisen. Der überschießende Betrag bis zu dem Gesamtkaufpreis von 33.640 € sei durch Inzahlungnahme des vormaligen Gebrauchtwagens des Klägers geleistet worden und könne nicht im Wege des Rücktritts in Geld herausverlangt werden. Entgegen der Ansicht der Beklagten müsse sich der Kläger keinen Nutzungswertersatzanspruch anrechnen lassen, weil es an einem hinreichend substantiierten Vortrag der Beklagten zu Anspruchsgrund und Höhe fehle.

Von den weiter gestellten Anträgen sei der Antrag zu 2) auf Feststellung, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet, begründet. Zudem habe der Kläger Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.474,89 €, weil diese nach Inverzugsetzung der Beklagten mit ihren Pflichten aus dem Rückgewährschuldverhältnis entstanden seien und die Zuvielforderung des Klägers betreffend den ihm zurückzuzahlenden Geldbetrag im Hinblick auf die anwaltlichen Gebühren keine Mehrkosten verursacht habe.

Die weitergehende Klage auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage der Rechtschutzversicherung hat das Landgericht abgewiesen, weil die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe für die Einholung der Deckungszusage nicht erforderlich gewesen sei.

Der Kläger hat gegen das ihm am 19.04.2016 zugestellte Urteil mit am 18.05.2016 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am Montag, den 20.06.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet. Dem Beklagten ist das landgerichtliche Urteil am 22.04.2016 zugestellt worden, die Berufung ist eingegangen am 25.04.2016 und die Berufungsbegründung am 17.06.2016.

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung seine erstinstanzlichen Anträge weiter, soweit sie vom Landgericht abgewiesen worden sind. Er ist der Ansicht, ihm stehe ein Anspruch auf Rückzahlung des für den streitgegenständlichen PKW vereinbarten Gesamtkaufpreises zu, auch hinsichtlich dieses Teils des Kaufpreises, welcher durch Hingabe des Altwagens ersetzt worden sei. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte als Gebrauchtwagenhändlerin den in Zahlung genommenen Altwagen bereits verwertet habe und zur Rückübereignung nicht mehr in der Lage sei. Vorsorglich hat der Kläger die Beklagte mit Schriftsatz vom 18.05.2016 zu Rückübereignung des in Zahlung gegebenen PKW Skoda Octavia aufgefordert.

Er verlangt zudem weiter die Erstattung der im Zusammenhang mit der Erlangung der Deckungszusage durch die Rechtsschutzversicherung entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, denn aufgrund der Erfahrung seiner Prozessbevollmächtigten sei die Deckung unproblematisch bewilligt worden. Er selbst sei rechtlich unerfahren.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zur Zahlung

Rücktritt vom Gebrauchtwagenkauf bei Unfallvorschaden
(Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com)

1. weiterer 4.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2014 Zug-um Zug gegen Rückübereignung des verkauften PKW Volvo XC 60 D4 FWD Momentum, KFZ-Identnummer: VV1DZ88A1D… sowie

2. weiterer 413,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

2. auf ihre Berufung das am 07.04.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam – Az.: 2 O 389/14 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Kläger sei zum Rücktritt nicht berechtigt gewesen, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unfallbedingte Vorschäden nicht erwiesen seien. Vielmehr habe der Sachverständige ausgeführt, dass die Ursache der Verformung nicht mehr feststellbar sei. Das Fahrzeug sei unfallfrei, weil es keinen erheblichen Schaden erlitten habe. Die Bagatellschadensgrenze sei nicht überschritten worden, denn zur Schadensbeseitigung sei nur ein Auftrag aus Spachtel und Lack im Gesamtschichtdickemaß von 1,19 mm aufgebracht worden. Dies schließe eine taktil oder energetisch intensive Kollision mit einem anderen Fahrzeug oder einem anderen Gegenstand aus. Das Landgericht habe sich auch nicht mit der von ihr vorgelegten Rechnung über nur 196,26 € für die Reparatur des Fahrzeugs auseinandergesetzt. Vor Ankauf des Fahrzeugs habe sie selbst von der durch den Großhändler vorgenommenen Reparatur keine Kenntnis gehabt, sie habe erst nach der Mangelrüge des Klägers entsprechende Erkundigungen eingeholt. Entsprechend sei sie auch keiner Untersuchungspflicht im Hinblick auf das streitgegenständliche Fahrzeug unterlegen, zumal es an Unfallindikatoren gefehlt habe. Im Übrigen wäre ein eventueller Mangel aber auch unerheblich, weil die erforderlichen Reparaturkosten weniger als 5 % des Kaufpreises erreichten.

Darüber hinaus habe das Landgericht unzutreffenderweise den von dem Kläger im Falle eines wirksamen Rücktritts herauszugebenden Nutzungswertersatz unberücksichtigt gelassen, obwohl sie die entsprechende Einrede bereits in der Klageerwiderung erhoben habe. Es habe zudem übersehen, dass als Teil des Kaufgeschäfts auch 4 Winterreifen auf Aluminiumfelgen zum Wert von 750 € übereignet worden seien, die im Falle eines Rücktritts herauszugeben wären. Schließlich sei der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach einem unrichtigen Gegenstandswert berechnet.

Die Berufung des Klägers sei unbegründet. Dieser könne den Wert des in Zahlung gegebenen Gebrauchtwagens im Rahmen der Rückabwicklung des Vertrages über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht ersetzt verlangen, weil insoweit zeitlich versetzt zwei getrennte Kaufverträge abgeschlossen worden seien und die Rücktrittserklärung in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug den in Zahlung gegeben Wagen gerade nicht erfasse. Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit dem ihr zustehenden Anspruch auf Ersatz der gezogenen Nutzungen des streitgegenständlichen Fahrzeugs gegen den Wertersatz in Bezug auf das in Zahlung gegebene Fahrzeug. Kosten der Einholung einer Deckungszusage seien, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt habe, nicht erstattungsfähig.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat. Er führt weiter aus, der Beklagten habe eine Untersuchungspflicht im Hinblick auf das Fahrzeug oblegen, weil sie aufgrund von Lackresten an der Kunststoffverkleidung des Schwellers auf die Möglichkeit einer Nachlackierung hätte aufmerksam werden müssen. Im Hinblick auf den Vorschaden habe ihr sodann eine Offenbarungspflicht oblegen, denn diese sei nicht auf solche Mängel beschränkt, die nachweisbar auf Grund eines Verkehrsunfalles entstanden seien. Als Gebrauchtwagenhändlerin sei die Beklagte vor Weiterveräußerung des übernommenen Fahrzeugs verpflichtet gewesen, das zu verkaufende Fahrzeug gründlich auf Schäden zu untersuchen, um dem Vorwurf arglistigen Verhaltens zu entgehen.

Der Rücktritt sei bereits deshalb begründet, weil der Sachverständige Vorschäden festgestellt habe, die nachgespachtelt worden seien. Der daraus resultierende merkantile Minderwert schließe die Bewertung der Pflichtverletzung als unerheblich aus. Die Ursache dieser Vorschäden sei rechtlich nicht relevant. Auf den Schadensbericht der Großhändlerin und der dieser für die Mangelbeseitigung entstandenen Kosten komme es nicht an.

Zu Recht habe das Landgericht schließlich einen Anspruch der Beklagten auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen verneint, weil es an ausreichendem Vortrag der Beklagten insoweit gefehlt habe. Hinsichtlich der von der Beklagten nunmehr herausverlangten Winterreifen fehle es am Vortrag erster Instanz.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. R… M… zur Höhe des merkantilen Minderwerts des Fahrzeugs und zu der Frage, ob die sachverständigenseits festgestellten Lackreste an der Kunststoffverkleidung des Schwellers einem Gebrauchtwagenhändler bei einer Sichtprüfung des Fahrzeugs Anhaltspunkte für einen Unfallschaden böten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 26.01.2018 (Bl. 267ff) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 02.10.2018 (Bl. 309 ff d.A.) Bezug genommen.

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Die Beklagte hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung unter dem 16.10.2018 einen Schriftsatz zu den Akten gereicht.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO). Nur die Berufung der Beklagten ist jedoch begründet. Das landgerichtliche Urteil unterlag der Abänderung, soweit es der Klage stattgegeben hat. Richtigerweise war die Klage insgesamt abzuweisen, weil dem Kläger ein Anspruch auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrages nicht zusteht. Die auf eine Verurteilung der Beklagten zu einer Zahlung über den tenorierten Betrag hinaus gerichtete Berufung des Klägers unterlag deshalb der Abweisung.

1) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des von ihm an die Beklagte gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs gemäß §§ 346, 348, 437 Nr. 2, 433, 434, 323 BGB, denn er ist nicht wirksam von dem Kaufvertrag mit der Beklagten über das streitgegenständliche Fahrzeug Volvo XC 60 zurückgetreten. Nach § 437 Nr. 2 BGB kann der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die ihm verkaufte Sache mangelhaft ist und die weiteren Voraussetzungen der §§ 440, 323, 326 Abs. 5 erfüllt sind. Der mit Schriftsatz vom 09.10.2014 erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag hat nach Maßgabe dieser Anforderungen nicht zu einer Umgestaltung des Vertrages in ein Rückabwicklungsverhältnis geführt. Zwar liegt, wie das Landgericht im Ergebnis richtig ausgeführt hat, ein Sachmangel vor (a). Die in der Lieferung des mangelhaften Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung ist allerdings nur unerheblich, so dass ein Rücktritt nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen ist (b).

a) Das streitgegenständliche Fahrzeug wies bei Übereignung einen Sachmangel auf, § 434 Abs. 1 BGB. Ein solcher Sachmangel besteht, wenn die Sache bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat, wenn sie sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet oder wenn sie nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Zwar ist das Fahrzeug nicht bereits deshalb als sachmangelbehaftet anzusehen, weil ihm eine zwischen den Parteien mit Vertragsschluss vereinbarte Beschaffenheit fehlte, § 434 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Insbesondere die Angabe im Kaufvertragsformular „Das Fahrzeug ist unfallfrei (It. Vorbesitzer)“ stellt keine Beschaffenheitsvereinbarung in diesem Sinne dar, sondern lediglich eine Wissenserklärung bzw. eine Wissensmitteilung, mit der die Beklagte die Angaben des Vorbesitzers wiedergibt. Denn wer sich, wie die Beklagte, im Rahmen von Verkaufsverhandlungen für eine Aussage ausdrücklich auf eine bestimmte Quelle bezieht, bringt damit hinreichend deutlich zum Ausdruck, woher er die Angabe entnommen hat und dass es sich dabei nicht um eigenes Wissen handelt (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008,1517 Rn 12f.; zit. nach juris).

Allerdings fehlt dem veräußerten Fahrzeug infolge der Beschädigung der linken hinteren Seitenwand, die durch Spachteln und Nachlackieren beseitigt worden ist, eine Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der Käufer eines gebrauchten Kraftfahrzeugs kann, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist. Der Begriff des Bagatellschadens ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sehr eng zu ziehen: Als Bagatellschäden gelten nur ganz geringfügig, äußere (Lack)Schäden, nicht dagegen andere (Blech)Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering war; ob das Fahrzeug (fachgerecht) repariert worden ist, ist ebenfalls nicht von Bedeutung (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn 12f.; Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn 20; jew. zit. nach juris; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl. 2017 Rn 3154).

Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall nicht von einem Bagatellschaden, sondern von einem Fahrzeugmangel auszugehen. Denn das Fahrzeug wies, wie der Sachverständige M… festgestellt hat, an der Seitenwand hinten links eine Dicke der Lackierungsschicht zwischen 174 um und 1,19mm auf und befand sich damit nicht dem Originalzustand ohne Nachlackierung, in dem die Lackierungschichtendicke zwischen 106 und 129 um beträgt. Aus den an der hinteren linken Seitenwand gemessenen Schichtdicken – im mittleren Bereich der Seitenwand bis 483 um und im Bereich des unteren Radlaufs bis 1,19mm – hat der Sachverständige zudem auf Spachtelaufträge zum Ausgleich von Verformungen der Seitenwand bzw. des Radlaufs nach innen geschlossen, die durch eine von außen einwirkende mechanische Kraft verursacht worden sein müssen. Die Reparatur des Fahrzeugs war mithin nicht auf bloße Lackschäden beschränkt, sondern umfasste auch den Ausgleich von Blechverformungen. Eine solche Reparatur geht – jedenfalls bei einem sog. „jungen Gebrauchtfahrzeug“ mit einer Erstzulassung weniger als ein Jahr vor dem Kaufvertrag und einer Laufleistung von etwa 20.000 km – über dasjenige hinaus, was der Käufer bei einem vergleichbaren Fahrzeug erwarten darf und was bei entsprechenden Gebrauchtwagen üblich ist.

Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung durch Nachbesserung der Reparatur bedurfte es nicht, weil sich der Mangel, der in der Eigenschaft des Fahrzeugs als Unfallwagen liegt, nicht korrigieren lässt (§ 326 Abs. 5 BGB).

b) Dem Rücktritt des Klägers steht allerdings, entgegen der Wertung des Landgerichts, § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB entgegen, wonach der Rücktritt ausgeschlossen ist, wenn die dem Sachmangel zugrundeliegende Pflichtverletzung des Verkäufers unerheblich ist. In diesem Fall bleiben die Rechte des Käufers aus § 437 BGB auf Nacherfüllung, Minderung oder Schadensersatz beschränkt. Nicht jeder Unfallvorschaden, der bei der Bagatellprüfung nach Maßgabe der strengen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Sachmangel zu bewerten ist, stellt ohne weiteres auch eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne des §§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB dar (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008,1517 Rn 22f.). Deshalb ist in einem Fall, wie dem vorliegenden, in dem der Käufer wegen eines einen Bagatellschaden übersteigenden Mangels vom Kaufvertrag zurücktritt, eine weitere Prüfung anhand einer umfassenden Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, in die bei einem nicht behebbaren Mangel, wie hier, die von diesem ausgehende fortdauernde Beeinträchtigung aber auch die Schwere des Verschuldens des Schuldners einzustellen sind (BGH, Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 347/11, NJW 2013,1365, Rn 16; BGHZ 201, 290).

aa) Die fortdauernde Beeinträchtigung durch den Sachmangel, der in der Eigenschaft als Unfallwagen liegt, kann sich bei einem mit einem Vorschaden behafteten, aber fachmännisch reparierten Fahrzeug allein in einem merkantilen Minderwert auswirken. Einen solchen Minderwert aufgrund der Vorschädigung des Fahrzeugs hat der Sachverständige M… nachvollziehbar festgestellt: Nach seinen ausführlichen und begründeten Feststellungen haftet dem streitgegenständlichen Fahrzeug trotz fachmännischer Reparatur ein merkantiler Minderwert bereits deshalb an, weil die der Nachlackierung zugrundeliegende Beschädigung über einen nicht offenbarungspflichtigen Bagatellschaden hinausgeht. Diesen hat der Sachverständige unter Heranziehung der von ihm zugrunde gelegten Reparaturkosten von 778,26 € und der Bildung eines marktüblich gerundeten Mittelwerts aus den nach den verschiedenen marktüblichen Methoden errechneten Minderwerten auf 400 € ermittelt. Der Senat sieht keinen Anlass, von der nachvollziehbaren und begründeten Bewertung des Sachverständigen abzuweichen. Der Minderwert entspricht damit 1,19 % des Kaufpreises und vermag für sich genommen eine mehr als unerhebliche Pflichtverletzung seitens der Beklagten nicht zu begründen (vgl. BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008,1517 Rn 22f.; Urt. v. 14.09.2005 -VIII ZR 363/04, WM 2005, 2293).

bb) Auch das Verschulden der Beklagten im Hinblick auf den Fehler ist nicht als so bedeutend einzustufen, dass die daraus erwachsende Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Lieferung des Fahrzeugs als erheblich einzustufen wäre. Der Umstand, dass die Beklagte den Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages nicht auf die durchgeführte Reparatur von Verformungen des Blechs der linken hinteren Seitenwand hingewiesen hat, vermag eine Erheblichkeit der Pflichtverletzung bereits deshalb nicht zu begründen, weil die Beklagte bei Abschluss des Kaufvertrages keine Informationen über die Nachlackierung der Seitenwand besaß. Diese ist ihr vielmehr, wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 27.07.2015 vorgetragen hat, erst im Verlauf des Prozesses nach einer Recherche zur Historie des streitgegenständlichen Fahrzeugs zur Kenntnis gelangt. Dies hat der Kläger nicht erheblich bestritten. Eine entsprechende Information des Klägers bei Abschluss des Kaufvertrages war der Beklagten deshalb nicht möglich.

Eine erhebliche Pflichtverletzung gegenüber dem Kläger liegt auch nicht darin, dass die Beklagte das Fahrzeug vor dem Verkauf nicht einer von ihr vorzunehmenden Untersuchung unterzogen hat, bei welcher der Mangel festgestellt worden wäre, und dass die Beklagte den Kläger pflichtwidrig nicht über dieses Unterlassen aufgeklärt hat. Zwar kann wegen des Verbots arglistigen Verhaltens eine nur unerhebliche Pflichtverletzung grundsätzlich dann nicht angenommen werden, wenn eine Vertragspartei der anderen Umstände verschweigt, welche für ihren Vertragsentschluss wesentlich und deshalb offenbarungspflichtig sind, Der Umstand, dass ein Gebrauchtwagenhändler das von ihm verkaufte Gebrauchtfahrzeug nicht, wie vom Verkehr erwartet, untersucht, kann auch einen solchen offenbarungspflichtigen Umstand darstellen.

Allerdings traf die Beklagte als Gebrauchtwagenhändler keine generelle, anlassunabhängige Obliegenheit, das Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen. Vielmehr ist der Händler bei Hereinnahme eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich nur zu einer fachmännischen äußeren Besichtigung (Sichtprüfung) verpflichtet. Bieten sich ihm dabei Anhaltspunkte, die für ihn einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen, kann er zu einer weiteren Überprüfung des Fahrzeugs gehalten sein (BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 80/14, NJW 2015,1669). Unterlässt er diese, muss er den Käufer über seinen Verdacht und das Unterbleiben von Nachforschungen unmissverständlich aufklären (Reinking/Eggert, a.a.O Rn 3669).

Nach den Umständen des vorliegenden Falles bestand eine solche Aufklärungspflicht danach nicht. Denn die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen, dass sie das Fahrzeug bei Hereinnahme, wie üblich geprüft und aufbereitet hat, ohne dass ihr die an der Kunststoffverkleidung des Schwellers befindlichen Lackspritzer aufgefallen sind. Ob dies auf Fahrlässigkeit beruhte – woran Zweifel bestehen, denn obgleich der Sachverständige M… in seiner mündlichen Vernehmung vor dem Senat ausgeführt hat, der Mitarbeiter eines Autohauses, das ein Kraftfahrzeug ankauft, sollte im Rahmen der Sichtprüfung auf entsprechende Spritzer achten, hat er dies dahingehend relativiert, dass er als Sachverständiger, der große Fuhrparks von mehreren Hundert Fahrzeugen begutachtet, für vergleichbare nachträgliche Veränderungen an einem Fahrzeug besonders sensibilisiert ist – kann dahinstehen, denn für den Vorwurf der Arglist reicht es grundsätzlich nicht aus, sich die Kenntnis von Unfallspuren fahrlässig nicht verschafft zu haben (Reinking/Eggert, a.a.O Rn 4352). Ohne konkreten Mangelverdacht besteht eine Untersuchungspflicht nicht (BGH, Urt. v. 21.01.1981 – NJW 1981; 928); es muss dann auch nicht ungefragt darüber aufgeklärt werden, dass eine eingehende Untersuchung nicht stattgefunden hat.

c) Im Ergebnis ist der Kläger nicht wirksam vom Kaufvertrag mit der Beklagten zurückgetreten. Einer Erörterung, ob und welche Zahlungsansprüche den Parteien wechselseitig aufgrund des Rücktritts zustehe, bedarf es deshalb nicht.

2) Mangels wirksam ausgeübten Rücktrittes befindet sich die Beklagte mit der Annahme des ihr angebotenen streitgegenständlichen Fahrzeugs XC 60 nicht in Verzug. Das landgerichtliche Urteil war entsprechend auch hinsichtlich des Tenors zu Ziffer 2. abzuändern und die Klage abzuweisen.

3) Ein Anspruch auf Erstattung der dem Kläger im Zusammenhang mit der Geltendmachung seiner Ansprüche entstandenen vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht ebenfalls nicht, weil die Beklagte mangels Begründetheit der Hauptforderung nicht mit ihrer Leistung in Verzug war.

4) Gleiches gilt, soweit der Kläger mit dem Klageantrag zu 4) die Erstattung der zur Einholung der Deckungszusage der Rechtschutzversicherung entstandenen Kosten anwaltlicher Inanspruchnahme begehrt hat. Insoweit hat das Landgericht die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen und bleibt die Berufung des Klägers ohne Erfolg.

5) Das neue Vorbringen der Beklagten in dem insoweit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16.10.2018 bot zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass, § 156 ZPO.

III.

Die Kostentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit gründet sich auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, denn der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO.

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