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Parteivernehmung eines Vermieters bei Beweisnot bzgl. Eigenbedarf


Landgericht Berlin

Az: 67 S 198/14

Urteil vom 25.09.2014


Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. April 2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 23 C 90/13 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus den §§ 985, 546 Abs. 1 BGB. Die am 28. Mai 2013 ausgesprochene Eigenbedarfskündigung hat das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) bestehende Mietverhältnis nicht beendet. Zwar stand dem Kläger nach §§ 57a ZVG, § 573d Abs. 2 BGB ein Sonderkündigungsrecht zu. Er hat die streitgegenständliche Wohnung in der Zwangsversteigerung erworben und konnte demgemäß das Mietverhältnis an der Wohnung unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Allerdings kann das Kündigungsrecht gemäß § 573d Abs. 1 BGB nur unter Beachtung der Kündigungsschutzvorschrift des § 573 BGB ausgeübt werden (BGH, Urt. v. 16. Januar 2008 – VIII ZR 254/06, NJW-RR 2008, 86 Tz. 12). Das danach erforderliche berechtigte Interesse des Klägers an der Beendigung des Mietverhältnisses bestand jedoch nicht.

Dem Kläger stand ein Kündigungsgrund nicht zur Seite, da die Voraussetzungen des § 573 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht vorlagen. Ein hinreichender Kündigungsgrund i. S. d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dann gegeben, wenn der Vermieter die Wohnung für sich, die zu seinen Haushalt gehörenden Personen oder seine Familienangehörige benötigt. Daran fehlt es.

Der Kläger hat zwar einen entsprechenden Eigenbedarf behauptet, diesen jedoch als insoweit darlegungs- und beweisbelastete Partei (BVerfG, Beschl. v. 30. Juni 1993 – 2 BvR 459/93, NJW 1993, 2165 Tz. 26 ff.; Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 573 Rz. 70 m.w.N.) auf das erhebliche Bestreiten der Beklagten nicht zu beweisen vermocht. Will der Vermieter – wie der Kläger – selbst in die Wohnung einziehen, so kann er entweder die zu beweisende Haupttatsache dartun und beweisen oder er hat statt der zu beweisenden Haupttatsache Indizien vortragen und im Bestreitensfalle zu beweisen, die den Schluss auf die Nutzungsabsicht rechtfertigen (BVerfG, a.a.O.; Blank, a.a.O., Rz. 71 m.w.N.). Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht genügt.

Die vom Kläger behauptete – und im Einzelnen streitige – bisherige eigene Wohnsituation in Berlin sowie seine angeblichen Einkommensverhältnisse rechtfertigten weder indiziell noch prima facie den Schluss auf das von ihm behauptete Eigenbedarfsinteresse. Denn einerseits unterschreitet die streitgegenständliche Wohnung die Größe und den Ausstattungsstandard der vom Kläger für seine vierköpfige Familie bislang angemieteten Wohnung nicht lediglich unerheblich, so dass die von der Beklagten gehegten Zweifel, ob der Kläger tatsächlich beabsichtigt, in die streitgegenständlichen Wohnung einzuziehen, nicht von der Hand zu weisen sind. Andererseits hat der Kläger den Beklagten nach Ausspruch der Kündigung ein Angebot zur temporären Verlängerung des Mietverhältnisses unter gleichzeitiger Erhöhung des Mietzinses angeboten. Dieses Verhalten steht in Widerspruch zu dem ausweislich der Kündigungserklärung und des Klagevorbringens unabweisbaren und drängenden Eigenbedarfs des Klägers und seiner Familie, selbst wenn der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen insoweit “überwiegend aus Kulanz” gehandelt haben sollte. Auf dieser – im Einzelnen zudem streitigen – indiziellen Tatsachen-grundlage allein ist deshalb eine dem Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO genügende Überzeugung von dem klägerseits behaupteten Eigenbedarf nicht zu gewinnen. Denn weniger als die Überzeugung von der Wahrheit reicht für das Bewiesensein einer anspruchsbegründenden Tatsache – und damit auch des klägerseits geltend gemachten Eigenbedarfs – nicht aus (Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 286 Rz. 18 m.w.N.). Eine derartige richterliche Überzeugung aber setzt einen auf Grundlage der klägerseits dargetanen Indiztatsachen nicht zu gewinnenden Grad von Gewissheit voraus, der Zweifeln Schweigen gebietet (vgl. BGH, Urt. v. 9. Oktober 2013 – I ZR 115/12, MDR 2013, 1412 Tz. 30) und der weit über die vom Amtsgericht für ausreichend erachtete bloße Plausibilität des Kündigungssachverhaltes hinausgeht.

Keine dem Kläger günstigere Beurteilung rechtfertigt dessen im ersten Rechtszug nach § 141 ZPO erfolgte Parteianhörung, in deren Rahmen er ausweislich der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe “glaubhaft angegeben (hat), mit seiner Familie in die von ihm ersteigerte Wohnung einziehen zu wollen”. Denn das Amtsgericht hat es unterlassen, die Durchführung und den Inhalt der Parteianhörung, die es wie eine Parteiaussage gewürdigt und als zentralen Beweis zu Lasten der Beklagten verwertet hat, entweder im Sitzungsprotokoll oder im Urteil wiederzugeben (vgl. BGH, Urt. v. 27. November 1968 – IV ZR 675/68, NJW 1969, 428 Tz. 15; Beschl. v. 29. November 2013 – BLw 4/12, NJW-RR 2014, 243 Tz. 10): Während das erstinstanzliche Sitzungsprotokoll weder zur Durchführung noch zum Inhalt der Parteianhörung Angaben enthält, erwähnt der erstinstanzliche Urteilstatbestand in seiner Prozessgeschichte zwar eine Anhörung des Klägers, bei der dieser den behaupteten Eigenbedarf “bekräftigt und bestätigt hat, dass er mit seiner Familie tatsächlich in die Wohnung einziehen wolle.” Die getroffene Feststellung ist jedoch bereits formal unzureichend, da sich der Inhalt der ohnehin nur verknappt wiedergegebenen Aussage des Klägers nicht deutlich von deren Würdigung abhebt (BGH, Beschl. v. 27. November 1968 – IV ZR 675/68, a.a.O. Tz. 13, 17). Davon abgesehen wohnt der formelhaften tatbestandlichen Feststellung der bloßen mündlichen Wiederholung des bereits schriftsätzlich erfolgten Vortrags durch die beweispflichtige Partei hinsichtlich des streitigen Eigenbedarfs kein substanzieller Beweiswert inne.

Zu einer Beweiserhebung im zweiten Rechtszug bestand keine Veranlassung. Einer zweitinstanzlichen Einvernahme des Klägers nach § 447 ZPO standen nicht nur sein fehlender Antrag, sondern auch das ebensowenig vorliegende Einverständnis der Beklagten entgegen. Auch eine Vernehmung gemäß § 448 ZPO von Amts wegen hatte zu unterbleiben, da es insoweit an dem erforderlichen Anbeweis im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für den von dem Kläger behaupteten Eigennutzungswunsch fehlte (vgl. BGH, Urt. v. 5. Juli 1989 – VIII ZR 334/88, NJW 1989, 3222; LG Berlin, Urt. v. 18. Oktober 2013 – 63 S 87/13, ZMR 2014, 535). Aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit waren eine Parteivernehmung des Klägers nach § 448 ZPO oder seine Anhörung nach § 141 ZPO ebensowenig veranlasst. Zwar kann im Zivilprozess im Falle der Beweisnot einer Partei deren Einvernahme nach § 448 ZPO oder Anhörung nach § 141 ZPO geboten sein (BVerfG, Beschl. v. 21. Februar 2001 – 2 BvR 140/00, NJW 2001, 2531 Tz. 15-16). Der Kläger befand sich jedoch nicht in Beweisnot. Denn es wäre ihm ohne Weiteres möglich gewesen, Zeugenbeweis durch seine ebenfalls als künftige Nutzerin der Wohnung angegebene Ehefrau anzutreten. Diesen ihm unschwer möglichen Beweisantritt hat er jedoch trotz entsprechender Rüge der Berufung und ausdrücklichen Hinweises der Kammer nicht erbracht. Er hat sich vielmehr im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26. September 2014 auch nach Schluss der mündlichen Verhandlung weiterhin auf den Standpunkt gestellt, den Beweis für sein behauptetes Nutzungsinteresse bereits erbracht zu haben.

Davon ausgehend bedurfte es keiner abschließenden Entscheidung der Kammer, ob es sich bei der streitgegenständlichen Wohnung unter Zugrundelegung des „Hauswart-Dienstvertrages“ vom 2. Januar 1977 um eine Werkdienstwohnung i.S.d. § 576 b Abs. 1 BGB handelte, deren hier lediglich ausgesprochener Teilkündigung der Fortbestand des Dienstverhältnisses entgegen gestanden hätte (BAG, Urt. v. 23. August 1989 – 5 AZR 569/88, WuM 1990, 285; Urt. vom 15. Dezember 1992 – 1 AZR 308/92, WuM 1993, 353; Rolfs, in: Staudinger, Neubearb. 2014, § 576b Rz. 4), sofern der Kläger auch in dessen Rechte und Pflichten entweder gemäß den §§ 57 ZVG, 566 BGB (vgl. zum Streitstand: Emmerich, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 566 Rz. 19 m.w.N.) oder rechtsgeschäftlich eingetreten wäre. Ebenso konnte dahinstehen, ob die von den Beklagten geltend gemachten Härtegründe gemäß den §§ 574 ff. BGB eine Fortsetzung des Mietverhältnisses geboten hätten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 543 Abs. 1, Abs. 2 , 708 Nr. 10 Satz 1, 713 ZPO. Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.


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