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Verkehrsunfall – Nachweis eines HWS-Syndroms bei Seitenaufprall

Verkehrsunfall: Polizeibeamter erhält Schadensersatz und Schmerzensgeld für HWS-Syndrom

Das Landgericht Koblenz entschied zugunsten des Klägers, eines Polizeibeamten, der Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund von Verletzungen (leichte bis mittelschwere HWS-Distorsion) infolge eines Verkehrsunfalls bei einer Verfolgungsfahrt forderte. Die Berufung gegen das ursprüngliche Urteil des Amtsgerichts Mayen war erfolgreich, wobei die Beklagte zu 2 (Haftpflichtversicherung) zur Zahlung verurteilt wurde.

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Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Bestätigung der Berufung: Das LG Koblenz änderte das Urteil des AG Mayen ab und sprach dem Kläger Schadensersatz und Schmerzensgeld zu.
  2. Nachweis der Verletzung: Der Kläger erbrachte den erforderlichen Nachweis einer unfallkausalen Körperverletzung (HWS-Distorsion) durch medizinische Gutachten und ärztliche Untersuchungen.
  3. Bedeutung der Beweisaufnahme: Die detaillierte Beweisaufnahme und Anhörung des Klägers trugen entscheidend zur Überzeugung des Gerichts bei.
  4. Rolle der medizinischen und technischen Sachverständigen: Medizinische und technische Gutachten unterstützten die Annahme, dass die Verletzungen des Klägers durch den Unfall verursacht wurden.
  5. Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls: Das Gericht berücksichtigte spezifisch die Umstände des Unfalls, insbesondere die Position und Bewegung des Klägers zum Zeitpunkt des Aufpralls.
  6. Prinzipien der Kausalität und des Vollbeweises: Die Entscheidung verdeutlichte die Anwendung von rechtlichen Grundsätzen zur haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität sowie den Standard des Vollbeweises.
  7. Zuweisung der Kosten: Die Kosten des Rechtsstreits und des Berufungsverfahrens wurden entsprechend der Entscheidung verteilt.
  8. Ablehnung der Revision: Das Gericht sah keine Notwendigkeit für eine Revision, da keine grundsätzliche Bedeutung oder Notwendigkeit zur Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bestand.

HWS-Syndrom nach Seitenaufprall: Beweislast und rechtliche Herausforderungen

HWS-Syndrom: Beweis nach Seitenaufprall-Unfall
(Symbolfoto: Panumas Yanuthai /Shutterstock.com)

Ein Verkehrsunfall, insbesondere ein Seitenaufprall, kann zu einem HWS-Syndrom führen. Um den Nachweis eines solchen Syndroms zu erbringen, muss der Geschädigte die Beweislast tragen und eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unfallursächlichkeit und Verletzungen darlegen. Dabei ist eine ausreichende Objektivierung des HWS-Syndroms nur dann anzunehmen, wenn eigenständige Feststellungen des Arztes dokumentiert werden.

Bei der Beurteilung der Kausalität zwischen dem Unfall und dem HWS-Syndrom spielt die Geschwindigkeitsänderung des Fahrzeugs eine wichtige Rolle. Ein unfallbedingtes HWS-Syndrom kann durch verschiedene Beschleunigungsverletzungen der Halswirbelsäule verursacht werden, wie z.B. beim Seitenaufprall. Die HWS-Distorsion ist eine häufige Verletzung nach einem Verkehrsunfall und kann durch verschiedene Unfallmechanismen verursacht werden.

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Im Mittelpunkt des rechtlichen Disputs steht ein Verkehrsunfall, bei dem ein Polizeibeamter während einer Verfolgungsjagd auf der Bundesstraße B einen Seitenaufprall erlitt. Der Kläger, eben dieser Polizeibeamter, verlangte Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund der erlittenen Verletzungen, insbesondere eines HWS-Syndroms (Halswirbelsäulen-Syndrom), das er sich durch den Unfall zugezogen hatte. Nachdem das Amtsgericht Mayen die Klage gegen die beklagte Haftpflichtversicherung zunächst mit der Begründung abgewiesen hatte, der Kläger habe nicht den erforderlichen Nachweis einer unfallkausalen Körperverletzung erbracht, legte der Kläger Berufung ein.

Rechtliche Herausforderungen bei der Schadensersatzforderung

Die rechtliche Auseinandersetzung drehte sich insbesondere um die Beweisführung und die Frage, ob der Verkehrsunfall ursächlich für das HWS-Syndrom des Klägers war. Die Berufung wurde als zulässig und überwiegend begründet angesehen. Das LG Koblenz verurteilte daraufhin die Beklagte zu 2) als Gesamtschuldnerin mit dem Beklagten zu 1) zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Entscheidung basierte auf den §§ 7, 17 StVG, § 253 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.

Die Beweislast und der medizinische Nachweis

Eine wesentliche Rolle im Verfahren spielte die Beweisführung bezüglich der Verletzungen des Klägers. Nach dem Unfall hatte der Kläger angegeben, zunächst keine Beschwerden verspürt zu haben, jedoch am Folgetag starke Einschränkungen in der Beweglichkeit seines Kopfes erlitten zu haben. Diese Angaben wurden durch die erstbehandelnde Ärztin bestätigt, die eine HWS-Distorsion diagnostizierte. Die Diagnose wurde durch ein medizinisches Gutachten gestützt, das ebenfalls eine leichte bis mittelschwere Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule dokumentierte.

Kausalität zwischen Unfall und Verletzung

Das Gericht musste die Kausalität zwischen dem Verkehrsunfall und der erlittenen Verletzung des Klägers bewerten. Besondere Beachtung fand dabei die Sitzposition des Klägers zum Zeitpunkt des Aufpralls sowie die Tatsache, dass der Kläger seinen Kopf gedreht hatte, um das herannahende Fahrzeug zu beobachten. Diese Umstände wurden als erhöhtes Verletzungsrisiko gewertet. Das LG Koblenz gelangte zu der Überzeugung, dass der Seitenaufprall ursächlich für die HWS-Distorsion des Klägers war.

Die Entscheidung des Gerichts

Letztendlich entschied das LG Koblenz, dass der Kläger Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 161,80 € sowie ein Schmerzensgeld von 500,00 € hat. Diese Entscheidung beruhte auf einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der medizinischen Gutachten und der Beweislage bezüglich der Kausalität zwischen Unfall und Verletzung. Darüber hinaus wurden die geltend gemachten Fahrtkosten (mit Ausnahme der Fahrten zum Optiker) sowie eine allgemeine Unfallkostenpauschale anerkannt.

Fazit

Das Urteil des LG Koblenz unterstreicht die Bedeutung sorgfältiger Beweisführung und medizinischer Begutachtung in Fällen, in denen die Kausalität zwischen einem Verkehrsunfall und daraus resultierenden Verletzungen nachgewiesen werden muss. Es zeigt auch, dass die Umstände des Einzelfalls, einschließlich der Position und Handlungen des Verletzten zum Zeitpunkt des Unfalls, entscheidend für die rechtliche Bewertung sind.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter einem HWS-Syndrom und wie kann es entstehen?

Das HWS-Syndrom, auch Halswirbelsäulensyndrom oder Zervikalsyndrom genannt, ist eine Sammelbezeichnung für eine Vielzahl sehr unterschiedlicher orthopädischer und/oder neurologischer Symptomenkomplexe, die von der Nacken-Schulter-Armregion ausgehen. Die Symptome können von Verspannungen bis hin zu starken Schmerzen reichen und sich auf den Bereich des Nackens und angrenzende Bereiche auswirken. Darüber hinaus können neurologische Beschwerden wie Kribbeln und Taubheitsgefühl auftreten.

Es gibt verschiedene Arten von HWS-Syndromen, die nach Verlauf, Schmerzausstrahlung und Lokalisation unterschieden werden können. Beispiele sind das akute HWS-Syndrom, das funktionelle HWS-Syndrom (durch Fehlhaltung), das degenerative HWS-Syndrom (durch Verschleiß) und das posttraumatische HWS-Syndrom (durch Unfall).

Ein HWS-Syndrom kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden. Häufig sind degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, die zur Reizung der zervikalen Spinalnerven führen, die Ursache. Aber auch funktionelle Ursachen, d.h. ohne klinisch nachweisbare, morphologische Veränderungen am Skelett, können auftreten. Andere mögliche Ursachen sind Verletzungen oder Fehlstellungen der Wirbelsäule, Überbelastung oder Fehlhaltung, sowie Vorerkrankungen wie ein Bandscheibenvorfall, Rheuma, Arthrose oder Osteoporose.

Die Dauer eines HWS-Syndroms kann stark variieren und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Sie kann von einigen Tagen bis zu mehreren Wochen reichen. Bei chronischen Fällen, die länger als drei Monate andauern, kann die Lebensqualität der Betroffenen oft leiden.

Die Behandlung eines HWS-Syndroms hängt von den individuellen Symptomen und der zugrunde liegenden Ursache ab. Sie kann Physiotherapie, manuelle Therapie, Bewegung und in einigen Fällen auch eine Operation umfassen. Es ist auch wichtig, dass der Patient aktiv wird und beispielsweise die Ergonomie am Arbeitsplatz verbessert oder ein ausgleichendes Bewegungsprogramm durchführt.

Wie wird der Kausalzusammenhang zwischen einem Unfall und Verletzungen juristisch bewertet?

Die juristische Bewertung des Kausalzusammenhangs zwischen einem Unfall und Verletzungen basiert auf verschiedenen Theorien und Prinzipien. Zunächst muss festgestellt werden, ob der Unfall eine notwendige Bedingung (conditio sine qua non) für die Verletzung war. Dies bedeutet, dass die Verletzung ohne den Unfall nicht eingetreten wäre. Diese Prüfung ist jedoch stets eine hypothetische Überlegung und bezieht sich auf die Frage, was geschehen wäre, wenn der Unfall nicht stattgefunden hätte.

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Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass die Mitwirkung eines Unfalls an einer Gesundheitsbeeinträchtigung als kausal anzusehen ist, wenn diese Mitwirkung nicht gänzlich außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt. Dies bedeutet, dass für einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsbeeinträchtigung bereits eine nicht gänzlich unwahrscheinliche Mitwirkung des Unfalls ausreicht.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass ein adäquater Kausalzusammenhang nicht entfällt, wenn die Gesundheitsbeeinträchtigung auch auf degenerativen oder anlagebedingten Vorschäden beruht, die bis zum Unfall noch keine Beschwerden ausgelöst hatten.

In einigen Fällen kann es jedoch schwierig sein, den Kausalzusammenhang zwischen einem Unfall und daraus resultierenden Verletzungen festzustellen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn es mehrere mögliche Ursachen für die Verletzung gibt oder wenn die Verletzung eine Verschlimmerung eines bestehenden Gesundheitsproblems darstellt.

In solchen Fällen kann es notwendig sein, auf die Prinzipien der haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität zurückzugreifen. Die haftungsbegründende Kausalität betrifft den Kausalzusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und der Rechtsgutsverletzung, während die haftungsausfüllende Kausalität den Kausalzusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und dem entstandenen Schaden betrifft.


Das vorliegende Urteil

LG Koblenz – Az.: 6 S 274/14 – Urteil vom 09.12.2014

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Mayen vom 26.05.2014, Az. 2 d C 927/11, abgeändert:

Die Beklagte zu 2) wird als Gesamtschuldnerin mit dem Beklagten zu 1) verurteilt, an den Kläger 661,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2010 zu zahlen.

Die Beklagte zu 2) wird als Gesamtschuldnerin mit dem Beklagten zu 1) ferner verurteilt, an den Kläger weitere 125,77 € zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 2).

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger ist Polizeibeamter. Er begehrt Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich im Rahmen einer Verfolgungsfahrt mit dem Streifenwagen am 08.10.2010 auf der Bundesstraße B … zwischen … und … ereignet hat.

Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Nachdem das Amtsgericht Mayen durch Teilversäumnisurteil vom 26.07.2014 (Bl. 71 f. d. GA) den Unfallgegner, den Beklagten zu 1), antragsgemäß zum Schadensersatz nebst Zinsen verurteilt hat, hat es durch Schlussurteil vom 26.05.2014 (Bl. 252 ff. d. GA) die Klage gegen die beklagte Haftpflichtversicherung mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe nicht den erforderlichen Nachweis einer unfallkausalen Körperverletzung erbracht.

Gegen dieses Urteil, das dem klägerischen Prozessbevollmächtigten am 03.06.2014 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 13.06.2014 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 04.09.2014 begründet.

Er rügt die Beweiswürdigung durch das Amtsgericht und verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge weiter.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das angefochtene Urteil des Amtsgerichts.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet.

Die Beklagte zu 2) ist dem Kläger zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 161,80 € sowie eines Schmerzensgeldes in Höhe von 500,00 € gemäß den §§ 7, 17 StVG, § 253 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG verpflichtet.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und Anhörung des Klägers im Berufungsverfahren steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger in Folge des Verkehrsunfalls vom 08.10.2010 eine leichte bis mittelschwere HWS-Distorsion erlitten hat.

Beim Ausgleich für angeblich unfallbedingte Verletzungen ist zwischen dem Nachweis, dass der Unfall zu einer Primärverletzung geführt hat (haftungsbegründende Kausalität) und der Ermittlung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Haftungsgrund und den weiter eingetretenen Schäden (haftungsausfüllende Kausalität) zu unterscheiden. Der Nachweis des Haftungsgrundes unterliegt den strengen Anforderungen des Vollbeweises gemäß § 286 ZPO. Danach hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit”, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (BGH, Urteil vom 28.01.2003, Az. VI ZR 139/02, zit. nach juris).

Diese Überzeugung von der Ursächlichkeit des Verkehrsunfalls für die HWS-Distorsion des Klägers hat die Kammer hier gewonnen.

Zu berücksichtigen war in diesem Zusammenhang auch, dass bei der Prüfung, ob ein Unfall eine Halswirbelsäulenverletzung verursacht hat, stets die Umstände des Einzelfalls zu würdigen sind. Die Beantwortung der Kausalitätsfrage hängt nicht allein von der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung, sondern daneben von einer Reihe anderer Faktoren ab, wobei u. a. auch der Sitzposition des betreffenden Fahrzeuginsassen Bedeutung beigemessen werden kann (BGH, Urteil vom 28.01.2003, VI ZR 139/02, zit. nach juris).

In diesem Zusammenhang hat der Kläger in der Sitzung vom 18.11.2014 angegeben, er habe unmittelbar nach dem Anstoß keine Beschwerden gehabt. Am nächsten Tag jedoch habe er seinen Kopf kaum mehr drehen können; dieser Zustand habe auch einige Tage angehalten. Der Kläger habe Schmerzmittel genommen und sich einer Physiotherapie unterzogen. Nach einigen Tagen sei es ihm dann besser gegangen.

Die Angaben des Klägers sind nachvollziehbar und glaubhaft. Nach dem persönlichen Eindruck des Klägers war dieser in seiner Anhörung bemüht, die Symptome und Beschwerden nach dem Unfallereignis objektiv und ohne Aggravationstendenz darzustellen.

Seine Schilderungen werden bestätigt durch die erstbehandelnde Ärztin Frau Dr. …, die den Kläger am Tag nach dem Unfall selbst untersucht und eine HWS-Distorsion diagnostiziert hat. Ausweislich ihres Notfallberichts vom 09.10.2010 (Anlage K 2, Bl. 6 d. GA) hat sie bei der körperlichen Untersuchung einen nuchalen Muskelhartspann mit Druckschmerz rechts und links paravertebral festgestellt und nach Röntgen eine Steilstellung der Halswirbelsäule. Damit handelt es sich nicht lediglich um eine Verdachtsdiagnose allein aufgrund der Angaben des Klägers; vielmehr beruht die Diagnose auf einer zeitnah erfolgten ärztlichen Untersuchung am Tag nach dem Unfallereignis.

Gestützt wird das klägerische Vorbringen auch durch das erstinstanzlich eingeholte medizinische Gutachten des Sachverständigen Dr. med. … vom 21.02.2013 (Bl. 116 ff. d. GA). Dieser gelangt zu dem Ergebnis, dass die Aktenlage, insbesondere unter Berücksichtigung der Lichtbilder der beschädigten Unfallfahrzeuge, des dokumentierten Erstbefundes und des Ärztlichen Berichts der Gemeinschaftspraxis Dres. med. … und … vom 09.02.2011 (Bl. 7 ff. d. GA) den typischen Befund einer leichten bis mittelschweren Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule dokumentiere, welche nach einem freien Intervall von Minuten bis Stunden zu einer zunehmenden Schmerzhaftigkeit und Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule führe. Unter entsprechender medizinischer Behandlung, wie sie hier erfolgt sei, heile diese Verletzung in der Regel folgenlos innerhalb von 2 bis 6 Wochen aus. Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, dass im Falle eines Seitenaufpralls ein auf der unfallzugewandten Seite sitzender Verletzter höhere Krafteinwirkungen erleide, dies daher ein höheres Verletzungspotential berge als eine der Aufprallseite abgewandte Sitzposition. Da der Kläger zudem auf das herannahende Fahrzeug geschaut und damit den Kopf seitlich gedreht (rotiert) habe, habe ebenfalls ein höheres Verletzungspotential bestanden. Unzweifelhaft sei der hier erlittene Seitenaufprall geeignet, die genannten Schäden und Verletzungen herbeizuführen. Unwahrscheinlich sei demgegenüber die Hervorrufung einer Halswirbelzerrung durch einen Schlag ins Gesicht, da in diesem Fall in der Regel sichtbare Befunde wie Prellmarken, Blutergüsse, Abschürfungen oder ähnliches vorliegen müssten, was hier jedoch nicht festgestellt worden sei.

Die Kammer folgt den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des medizinischen Sachverständigen, die auch nicht widerlegt werden durch das Gutachten des technischen Sachverständigen Dr.-Ing. … vom 10.01.2014 (Bl. 186 ff. d. GA).

Dieser hat festgestellt, dass die rechte vordere Ecke des Beklagtenfahrzeugs erheblich beschädigt und die Fahrertür des Polizeifahrzeugs in unmittelbarer Nähe zur A-Säule erheblich eingestaucht worden ist. Aufgrund der dokumentierten Deformationen geht der Sachverständige von einer EES (Energy Equivalent Speed) in einer Größenordnung von 7 bis maximal 11 km/h aus. Der Sachverständige Dr.-Ing. … hat weiter ausgeführt, eine EES von ca. 11 km/h erleide das Klägerfahrzeug bei einer Aufprallgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs von 25 km/h, die als oberer Grenzwert gerade noch realistisch sei, eher aber darunter liege. Bei einer derartigen Aufprallgeschwindigkeit werde das Polizeifahrzeug auf etwa 7 km/h beschleunigt. Aufgrund des Aufpralls des Beklagtenfahrzeugs ergebe sich eine Querbeschleunigung des Polizeifahrzeugs von maximal 6 m/s was einer Beschleunigung entspreche, wie sie bei einer Vollbremsung auftrete. Allerdings werde der Kläger im vorliegenden Fall durch den Aufprall nicht nach vorne sondern seitlich nach hinten links in Richtung auf die linke B-Säule beschleunigt. Die Beantwortung der Frage, ob hier die besondere Situation durch den nach links hinten in Richtung des sich annähernden Beklagtenfahrzeugs verdrehten Kopf des Klägers das Entstehen einer HWS-Verletzung begünstigt haben kann, überlässt der Sachverständige Dr.-Ing. … letztlich der medizinischen Beurteilung.

Danach bestehen für die Kammer trotz der eher geringen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung keine Zweifel, dass der Kläger, der zum Zeitpunkt des Aufpralls seinen Kopf nach links gedreht hatte, eine HWS-Distorsion erlitten hat und diese durch den streitgegenständlichen Unfall verursacht worden ist.

Diese HWS-Distorsion des Klägers als Primärverletzung war nach Überzeugung der Kammer (§ 287 ZPO) ursächlich für die weiteren Beschwerden des Klägers, die auch zu dessen Krankschreibung für die Zeit vom 11.10.2010 bis zum 15.10.2010 führten.

Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände hält die Kammer danach ein Schmerzensgeld von 500,00 € für angemessen. Ein Schmerzensgeld für die bei der anschließenden Festnahme erlittenen Prellungen und Hautabschürfungen schuldet die Beklagte dagegen nicht, da diese Verletzungen nicht auf dem Betrieb des bei ihr versicherten Fahrzeugs beruhen.

Zudem hat die Beklagte dem Kläger die geltend gemachten Fahrtkosten mit Ausnahme der Hin- und Rückfahrt zum Optiker (28 km x 0,40 ct: 11,20 €) zu erstatten. Denn die Beschädigung der Brille beruht ebenfalls nicht auf dem Betrieb des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs; vielmehr hat der Kläger selbst vorgetragen, die Brille sei bei der anschließenden Festnahme beschädigt worden.

Erstattungsfähig ist auch die allgemeine Unfallkostenpauschale in Höhe von 25,00 €.

Damit kann der Kläger folgende Beträge von der Beklagten verlangen:

  • Schmerzensgeld 500,00 €
  • Fahrtkosten 136,80 €
  • Unfallkostenpauschale 25,00 €
  • Gesamt 661,80 €

Ein Schadensersatzanspruch des Klägers scheidet auch nicht deshalb aus, weil der Kläger die entstandenen Schäden dadurch selbst mitverursacht hat, dass er dem Beklagten zu 1) mit dem Polizeifahrzeug absichtlich den Weg versperrte, um ihn an der Weiterfahrt zu hindern.

Denn wie bereits das Amtsgericht unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zutreffend ausgeführt hat, haftet der Beklagte, der sich der Polizeikontrolle durch Flucht unter Verwendung seines Kraftfahrzeugs entzieht, unter dem Gesichtspunkt des Herausforderns sowohl nach § 823 Abs. 1 BGB als auch nach § 7 StVG für einen bei der Verfolgung eingetretenen Schaden bei dem Verfolger, wenn dieser Schaden auf der gesteigerten Gefahrenlage beruht und die Risiken der Verfolgung nicht außer Verhältnis zu deren Zweck stehen. Dieser Ersatzanspruch kann nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG auch als Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Fluchtfahrzeuges geltend gemacht werden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung sowie das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31.01.2012, Az. VI ZR 43/11 (zit. nach juris), Bezug genommen, denen sich die Kammer vollumfänglich anschließt.

Ebenfalls zu eigen macht sich die Kammer die dortigen Ausführungen zur rechtlichen Unabwendbarkeit in Verfolgungsfällen, die auch vorliegend Anwendung finden mit der Folge, dass eine Mithaftung des Klägers an dem streitgegenständlichen Unfallereignis ausscheidet.

Der Zinsanspruch sowie der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beruhen auf §§ 280, 286 BGB.

Die Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 92 Abs. 2 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine höchstrichterliche Entscheidung.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 773,00 € festgesetzt.

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