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Girokartenmissbrauch – Karteneinsatz mit PIN – Widerlegung des Anscheinsbeweises

Girokartenmissbrauch: OLG Frankfurt entscheidet über Widerlegung des Anscheinsbeweises und Mitverschulden

Das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil Az.: 23 U 291/13 entschieden, dass die Beklagte dem Kläger wegen unberechtigter Kontobelastungen durch Girokartenmissbrauch Schadensersatz leisten muss. Trotz Verwendung der Original-Girocard und korrekter PIN durch Unbefugte konnte der Kläger den Anschein einer autorisierten Verfügung widerlegen, indem er einen atypischen Geschehensablauf glaubhaft machte. Das Gericht erkannte zudem ein Mitverschulden der Beklagten an, da der Zugriff auf das Kreditkartenkonto des Klägers ermöglicht wurde, ohne dass eine solche Nutzung vertraglich vereinbart war.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 23 U 291/13 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Bestätigung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz an den Kläger.
  2. Widerlegung des Anscheinsbeweises durch den Kläger, trotz Verwendung der Original-Girocard und PIN.
  3. Glaubhafte Darstellung eines atypischen Geschehensablaufs durch den Kläger, einschließlich des Diebstahls der Karte.
  4. Kein Aufwendungsersatzanspruch der Beklagten gegen den Kläger auf Grundlage der Geschäftsbedingungen.
  5. Mitverschulden der Beklagten durch Ermöglichung des Zugriffs auf das Kreditkartenkonto ohne vertragliche Vereinbarung.
  6. Teilweise Abweisung der Klage und der Anschlussberufung des Klägers.
  7. Kostenverteilung des Rechtsstreits zwischen Beklagter und Kläger.
  8. Keine Zulassung der Revision, da keine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits.

Girokartenmissbrauch: Karteneinsatz mit PIN und die Widerlegung des Anscheinsbeweises

EC-Karten Missbrauch
(Symbolfoto: PKpix /Shutterstock.com)

Girokartenmissbrauch ist ein ernstes Problem, das sowohl Banken als auch Kunden betrifft. Insbesondere der Karteneinsatz mit PIN ist ein häufiges Ziel von Betrügern. Um den Anscheinsbeweis zu widerlegen, müssen einige Schritte unternommen werden. Es ist wichtig, regelmäßig die Kontoauszüge zu prüfen, um ungewöhnliche Transaktionen zu identifizieren. Sollten verdächtige Aktivitäten entdeckt werden, müssen diese sofort der Bank gemeldet werden.

Darüber hinaus sollte man auf Phishing-Versuche achten und die PIN niemals an Dritte weitergeben. Um die Sicherheit der PIN zu gewährleisten, sollte sie regelmäßig geändert und offensichtliche Kombinationen vermieden werden. Schließlich sollte die Girokarte immer im Auge behalten und nicht unbeaufsichtigt gelassen werden. Durch die Einhaltung dieser Schritte können Kunden den Anscheinsbeweis für den Girokartenmissbrauch widerlegen und ihre finanzielle Sicherheit gewährleisten.

Wenn Sie Fragen zu einem ähnlichen Fall haben, wo es um Girokartenmissbrauch und die Widerlegung des Anscheinsbeweises geht, zögern Sie nicht und fordern Sie noch heute unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.

Im Zentrum des juristischen Disputs stand ein Fall von Girokartenmissbrauch, bei dem der Kläger gegen die Beklagte aufgrund unberechtigter Kontobelastungen durch die Nutzung einer Girocard an Geldautomaten einen Zahlungsanspruch geltend machte. Der Kläger behauptete, die streitgegenständliche Girocard sei ihm entwendet worden und ohne sein Wissen sowie ohne seine Zustimmung benutzt worden, was zu den besagten Kontobelastungen führte.

Girokartenmissbrauch unter der Lupe

Das Landgericht Hanau gab der Klage zunächst überwiegend statt und erkannte einen Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 21.900 Euro an, basierend auf § 675u Satz 2 BGB in Verbindung mit § 12.1 der zwischen den Parteien vereinbarten Geschäftsbedingungen für die Girocard. Diese Entscheidung fußte auf der Feststellung, dass bei den streitigen Zahlungsvorgängen die Original-Girocard des Klägers unter Eingabe der korrekten PIN verwendet wurde. Der Kläger konnte jedoch den Anschein einer autorisierten Verfügung erfolgreich widerlegen, indem er einen atypischen Geschehensablauf darlegte und glaubhaft machte, die Girocard während seines Urlaubs nicht verwendet zu haben.

Der juristische Dreh- und Angelpunkt

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag in der Widerlegung des Anscheinsbeweises. Der Kläger musste nachweisen, dass trotz der korrekten PIN-Eingabe und der Verwendung der Original-Girocard die Kartenverfügungen nicht von ihm autorisiert waren. Das Landgericht überzeugte die Darstellung des Klägers, insbesondere die Schilderungen zum Verlust der Girocard und die Bestätigung durch Zeugenaussagen, dass die Karte und die PIN nicht fahrlässig Dritten zugänglich gemacht wurden.

Entscheidung des OLG Frankfurt

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main griff in seiner Entscheidung die Berufung der Beklagten auf und modifizierte das Urteil des Landgerichts teilweise. Die Beklagte wurde zur Zahlung von 17.000 Euro nebst Zinsen verurteilt. Die weitergehende Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Bemerkenswert ist die Feststellung des Gerichts, dass dem Kläger zwar eine grobe Fahrlässigkeit angelastet werden könnte, da er den Verlust der Karte nicht unverzüglich angezeigt hatte, die Beklagte jedoch ebenfalls ein Mitverschulden trifft, da sie den Zugriff über den Geldautomaten auf das Kreditkartenkonto ermöglichte, ohne dass eine solche Nutzung vertraglich vereinbart war.

Juristische Feinheiten und Folgen

Die Entscheidung des OLG Frankfurt beleuchtet die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung der Umstände rund um den Girokartenmissbrauch und die Widerlegung des Anscheinsbeweises. Besonders hervorzuheben ist die Bedeutung der persönlichen Überzeugung des Gerichts basierend auf der Gesamtheit der Beweislage. Die Berücksichtigung des Mitverschuldens der Beklagten verdeutlicht zudem, dass in derartigen Fällen nicht nur die Handlungen des Karteninhabers, sondern auch die Sicherheitsvorkehrungen und vertraglichen Vereinbarungen der Banken eine Rolle spielen.

Das Urteil illustriert die komplexe Natur von Girokartenmissbrauchsfällen, bei denen die Erschütterung des Anscheinsbeweises und die Klärung der Verantwortlichkeiten im Zentrum stehen. Die Entscheidung des OLG Frankfurt bestätigt, dass bei der Beurteilung solcher Fälle eine detaillierte Auseinandersetzung mit den spezifischen Umständen und den vorliegenden Beweismitteln unerlässlich ist.

Fazit: Das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil wichtige Aspekte im Zusammenhang mit dem Girokartenmissbrauch und der Widerlegung des Anscheinsbeweises hervorgehoben. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit einer sorgfältigen Bewertung der Beweislage und berücksichtigt sowohl die Handlungen des Karteninhabers als auch das Mitverschulden der Bank.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter dem Anscheinsbeweis und wie wird er widerlegt?

1. „Im Falle eines Girokartenmissbrauchs kann der Anscheinsbeweis zur Anwendung kommen. Wenn eine Girokarte mit korrekter PIN an einem Geldautomaten benutzt wird, spricht der erste Anschein dafür, dass der Karteninhaber selbst die Abhebung vorgenommen hat. Dies beruht auf der Annahme, dass in der Regel nur der Karteninhaber die PIN kennt und nutzt.“

2. „Um den Anscheinsbeweis im Falle eines Girokartenmissbrauchs zu widerlegen, muss der Karteninhaber beweisen, dass er die PIN nicht fahrlässig aufbewahrt hat und dass er den Verlust der Karte unverzüglich gemeldet hat. Dies könnte beispielsweise durch Zeugenaussagen oder durch Dokumentation der Meldung des Kartenverlusts geschehen.“

3. „In einigen Fällen kann es auch hilfreich sein, wenn der Karteninhaber nachweisen kann, dass er zum Zeitpunkt der missbräuchlichen Abhebung nicht in der Lage war, diese selbst vorzunehmen, beispielsweise aufgrund von Krankheit oder Aufenthalt im Ausland.“

4. „Es ist zu beachten, dass der Anscheinsbeweis im Falle eines Girokartenmissbrauchs nicht automatisch zu Lasten des Karteninhabers geht. Die Bank muss nachweisen, dass sie ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen ist, indem sie beispielsweise die Karte und die PIN getrennt versendet hat.“

Der Anscheinsbeweis kann auch im Kontext von Girokartenmissbrauch angewendet werden. Wenn eine Girokarte mit der korrekten PIN an einem Geldautomaten benutzt wird, spricht der erste Anschein dafür, dass der Karteninhaber selbst die Abhebung vorgenommen hat. Dies beruht auf der Annahme, dass in der Regel nur der Karteninhaber die PIN kennt und nutzt.

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Um den Anscheinsbeweis in diesem Fall zu widerlegen, muss der Karteninhaber beweisen, dass er die PIN nicht fahrlässig aufbewahrt hat und dass er den Verlust der Karte unverzüglich gemeldet hat. Dies könnte beispielsweise durch Zeugenaussagen oder durch Dokumentation der Meldung des Kartenverlusts geschehen. In einigen Fällen kann es auch hilfreich sein, wenn der Karteninhaber nachweisen kann, dass er zum Zeitpunkt der missbräuchlichen Abhebung nicht in der Lage war, diese selbst vorzunehmen, beispielsweise aufgrund von Krankheit oder Aufenthalt im Ausland.

Die Bank muss ihrerseits nachweisen, dass sie ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen ist, indem sie beispielsweise die Karte und die PIN getrennt versendet hat. Der Anscheinsbeweis geht also nicht automatisch zu Lasten des Karteninhabers.

Wie ist der Begriff der groben Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit dem Verlust einer Girocard definiert?

Der Begriff der groben Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit dem Verlust einer Girocard bezieht sich auf das Verhalten des Karteninhabers, das die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die PIN gemeinsam mit der Bankkarte im Geldbeutel aufbewahrt wird oder die Karte lose in der Jackentasche transportiert wird.

Grobe Fahrlässigkeit liegt auch vor, wenn die persönliche Geheimzahl auf der EC-Karte vermerkt oder zusammen mit der EC-Karte verwahrt wird. Weitere Beispiele für grob fahrlässiges Verhalten sind das Mitteilen der PIN an eine andere Person, wenn dadurch der Missbrauch ermöglicht wurde, das Liegenlassen der Karte oder des Geldbeutels mit der Karte an einem öffentlich zugänglichen Ort, oder das Unterlassen der Meldung des Verlustes der Karte, nachdem man den Verlust bemerkt hat.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Beurteilung, ob ein Verhalten als grob fahrlässig zu bewerten ist, grundsätzlich dem Tatrichter obliegt und von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sein kann. Die Bank muss in der Regel nachweisen, dass der Kunde grob fahrlässig gehandelt hat. Wenn das Opfer grob fahrlässig gehandelt hat, ist die Haftung der Bank ausgeschlossen.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 23 U 291/13 – Urteil vom 08.12.2014

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 28.11.2013 teilweise abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.000.- € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2012 sowie weitere 961,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 29.4.2013 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Rücknahme der von der Beklagten eingelegten Berufung in Höhe von 10.000.- € hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels zur Folge.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 71 % und der Kläger 29 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung oder Ergänzung bedürfen, gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Ergänzend ist festzuhalten, dass der Kläger gegenüber der Polizei angegeben hat, dass er die streitgegenständliche Girocard zum Zeitpunkt des Verlustes in der Geldbörse aufbewahrt hat (Bl. 65 d.A.).

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch wegen unberechtigter Kontobelastungen aufgrund Gebrauchs einer Girocard an Geldautomaten geltend.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben mit der Begründung, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch in Höhe von 21.900,– € gemäß § 675u Satz 2 BGB i.V.m. § 12.1 der zwischen den Parteien vereinbarten Geschäftsbedingungen für Girocard zustehe, und sie im Übrigen abgewiesen. Unstreitig sei bei den streitgegenständlichen Zahlungsvorgängen die Original-Girocard des Klägers verwendet worden unter Eingabe der richtigen PIN. Dem Kläger sei gelungen, den Anschein einer autorisierten Verfügung zu erschüttern, denn er habe einen atypischen Geschehensablauf dargelegt, da er nach seiner glaubhaften, von der Zeugin A bestätigten Schilderung die Girocard an seinem Urlaubsort nicht benutzt, sondern Bargeld eingesetzt habe. Das Landgericht habe keinen Zweifel daran, dass dem Kläger die Karte entwendet worden sein müsse. Es bestehe ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Eintreffen des Klägers an seinem Kurort in Stadt1 und der anschließenden Nutzung der Karte. Auch die ungewöhnliche Häufigkeit und teilweise halbminütige Zeitabfolge der Abhebungen spreche gegen einen autorisierten Zahlungsvorgang. Dafür, dass der betagte Kläger selbst tagelang durch Deutschland gereist sei, um im Minutentakt nachts Abhebungen beträchtlicher Barmittel in schneller Folge in diversen Städten zu veranlassen, gebe es nach der Überzeugung des Landgerichts überhaupt keine Anhaltspunkte. Das Landgericht sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass der Kläger die PIN nicht Dritten zugänglich gemacht habe. Gegenteilige Anhaltspunkte aufgrund der polizeilichen und bankinternen Anzeige vom 25.6.2012 hätten sich nicht bestätigt. Die Zeugin A habe nämlich glaubhaft ausgesagt, dass sie die PIN nicht kenne und auch nicht wisse, wo der Kläger die Karten aufbewahrt habe. Anhaltspunkte dafür, dass es der Kläger einer anderen ihm bekannten Person oder beliebigen Dritten ermöglicht haben sollte, auf seine Karten und PIN zuzugreifen, lägen nicht vor. Dass die Karten dem Kläger tatsächlich abhandengekommen und von ihm unbekannten Personen benutzt worden seien, werde auch durch das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen gestützt, da die Lichtbilder in der Ermittlungsakte unterschiedliche Personen bei der Abhebung zeigten, die bewusst ihre Gesichtszüge verdeckt hielten, um eine Identifizierung unmöglich zu machen. Auch sei zusätzlich die EC-Karte der Sparkasse … im betreffenden Zeitraum unautorisiert verwendet worden. Dass die PIN auch nicht auf der Karte oder in deren unmittelbarer Nähe notiert gewesen sei, folge für das Landgericht aus dem Umstand, dass es mit der Girocard und der Visa-Card jeweils mindestens einen vergeblichen Abhebungsversuch gegeben habe in Stadt1 und in Stadt2 mit PIN-Fehleingabe nach Mitteilung der Beklagten. Das entspreche auch dem Muster organisierter Täterkreise, für dessen Vorliegen zudem die zeitliche Abfolge des Karteneinsatzes und das Verdeckungsverhalten beim Abheben sprächen.

Danach stehe der Beklagten schon auf der Grundlage von § 12.1 ihrer Geschäftsbedingungen kein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Kläger zu.

Dem Kläger sei auch lediglich insoweit eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 13.1 Abs. 5 der Bedingungen der Beklagten für die Girocard anzulasten für den Zeitraum nach seiner Rückkehr am 23.6.2012 gegen 14.00 Uhr bis zum Montagvormittag des 25.6.2012, als er diesbezüglich den Verlust der Karte nicht unverzüglich angezeigt habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger davon ausgegangen sei, die Karten zuhause gelassen zu haben. Allerdings hätte sich der Kläger nach seiner Rückkehr zuhause unverzüglich über das Vorhandensein der Girocard vergewissern müssen. Durch diese Verletzung der Sorgfaltspflicht sei ein Schaden von 4.100.- € entstanden. Jedoch treffe die Beklagte insoweit ein Mitverschulden, als der Zugriff über den Geldautomaten auf das Kreditkartenkonto in Höhe von 2.000.- € ermöglicht worden sei, obwohl dieser Zugriff zwischen den Parteien weder in den AGB noch individuell vereinbart gewesen sei im Gegensatz zum Einsatz der Girocard hinsichtlich des Tagesgeldkontos gemäß Ziffer der Bedingungen für Tagesgeldkonten. Für die vom Kläger insoweit behauptete abweichende Individualabrede sei er beweisfällig geblieben.

Die Beklagte hat am 27.12.2013 gegen das ihr am 2.12.2013 zugestellte Urteil des Landgerichts fristgerecht Berufung eingelegt und diese am 3.3.2014 fristgerecht innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Gegen die die teilweise Klagestattgabe richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie zunächst die vollständige Klageabweisung weiterverfolgt hat; später hat die Beklagte die Berufung in Höhe von 10.000.- € zurückgenommen.

Die Beklagte hat vorgebracht, der Kläger habe seine PIN unstreitig in unmittelbarer Nähe zur Girocard schriftlich festgehalten und sogar in unberechtigter Weise Dritten mitgeteilt. Der Kläger habe entweder selbst die streitgegenständlichen Verfügungen vorgenommen oder aber es einem Dritten durch vorsätzliches oder fahrlässiges Überlassen der Original-Girocard und dazugehöriger PIN ermöglicht, die Geldabhebungen vorzunehmen oder aber die Original-Girocard und dazugehörige PIN so aufbewahrt, dass ein unbefugter Dritter beide ohne größere Umstände erlangen konnte. Wegen der dadurch begangenen groben Pflichtverletzung des Klägers stehe der Beklagten ein Aufwendungsersatzanspruch bzw. hilfsweise ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch zu.

Der Aufwendungsersatzanspruch folge aus §§ 670, 675c BGB, da der Kläger jeweils eine Weisung zur Auszahlung gegeben habe. Der örtliche Zusammenhang der Abhebungen erst in der Nähe des Kurortes und dann des Wohnortes des Klägers spreche dafür, dass die Girocard von einer Person verwendet worden sei, die dem Kläger nahegestanden habe.

Der hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch folge aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen grob fahrlässiger Verletzung der Sorgfaltspflichten aus dem Kartenvertrag durch den Kläger. Zwar trage insoweit die Beklagte die Beweislast, jedoch gelte nach der Rechtsprechung des BGH bei Verwendung der Original-Karte mit PIN ein Anscheinsbeweis für einen grob fahrlässigen Umgang des Karteninhabers mit der PIN, den der Kläger im Gegensatz zur Ansicht des Landgerichts nicht erschüttert habe. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei unzutreffend angesichts der schriftlichen Angaben des Klägers zum Notieren der PIN in Nähe der Girocard, die der Kläger nicht entkräftet habe. Einen alternativen Geschehensablauf habe der Kläger nicht dargetan; 2012 sei ein Ausspähen der PIN nicht möglich gewesen.

Ein Mitverschulden der Beklagten liege nicht vor.

Das Landgericht habe sich fehlerhaft mit den Angaben des Klägers sowie der Zeugin A, deren Glaubwürdigkeit und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage auseinander gesetzt. Die Zeugin A habe den vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt aus reiner Gefälligkeit bestätigt, was auch für die informatorische Anhörung des Klägers gelte. Die Erklärung des Klägers, er sei bei seinen Angaben gegenüber Bank und Polizei „ganz durcheinander“ gewesen, sei weder glaubhaft noch nachvollziehbar.

Die Anschlussberufung sei nicht begründet. Neuer Tatsachenvortrag sei verspätet und zurückzuweisen. Der Kläger habe bereits zu Beginn seines Aufenthalts in Stadt1 festgestellt, nicht im Besitz der Karten zu sein, gleichwohl aber keine Sperrung oder Recherche veranlasst, was ebenfalls grobe Fahrlässigkeit begründe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Hanau vom 28.11.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 2.100.- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2012 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere vorgerichtliche Kosten in Höhe von 105,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.4.2013 zu zahlen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts, soweit es der Klage stattgegeben hat.

Das Landgericht befinde sich im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung des BGH zur Darlegungs- und Beweislast bei Missbrauch von Kredit- und EC-Karten. Mit Urteil vom 29.11.2011 (XI ZR 370/10) habe der BGH entschieden, dass bei einer Abhebung mit einer Originalkarte die Bank vortragen müsse, ob sie ein Sicherheitssystem einsetze, das ein ausreichendes Niveau für die Anwendung des Anscheinsbeweises biete, wozu die Beklagte nichts vorgetragen habe und was der Kläger mit Nichtwissen bestreite.

Die Beklagte könne dem Anspruch des Klägers auf Ausgleich seines Kontos aus § 675 BGB i.V.m. Nr. 12.1 der vereinbarten Geschäftsbedingungen für die Girocard weder einen Aufwendungsersatzanspruch noch einen Schadensersatzanspruch entgegen halten. Die streitgegenständlichen Auszahlungen an den Geldautomaten beruhten auf nicht autorisierten Kartenverfügungen.

Soweit diese Auszahlungen auf das Kreditkartenkonto des Klägers bezogen worden seien, seien diese Belastungen – im Gegensatz zum Tagesgeldkonto – schon nicht von den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien gedeckt, womit dem Kläger bereits ein Betrag von 10.00.- € zustehe.

Auch im Übrigen seien die Kartenverfügungen nicht autorisiert erfolgt. Die Girocard sei dem Kläger gestohlen worden, ferner seien insgesamt sechs Versuche zur Abhebung mit einem Volumen von 7.600.- € gescheitert. Damit sei der Anscheinsbeweis erschüttert.

Dem Kläger sei auch keine grobe Fahrlässigkeit im Sinne von Nr. 13.1 Abs. 5 der Girocard-Bedingungen anzulasten, da er weder die PIN auf der Karte vermerkt oder zusammen mit der Karte verwahrt habe noch die PIN einer anderen Person mitgeteilt und den Missbrauch dadurch verursacht habe. Dies habe die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme ergeben. Der Kläger habe die Karten im Portemonnaie und nicht zusammen mit seinem Notizbuch verwahrt, das dem Kläger im Unterschied zu den Karten auch nicht entwendet worden sei, weshalb ein dortiger Vermerk der PIN auch nicht ursächlich geworden sei für den Kartenmissbrauch. Das Fehlen der Bankkarten habe dem Kläger in Stadt1 nicht auffallen müssen, da er genügend Bargeld mit sich geführt habe. Manchmal habe einen Teil der Karten auch zuhause gelassen, weil das Portemonnaie sonst zu dick gewesen sei.

Der Kläger habe aus seiner Sicht auch zeitnah und unverzüglich gehandelt, weil er mit Verfügungen am Geldautomaten zwischen dem 23.6 und dem 25.6.2012 nicht habe rechnen müssen.

Mit Schriftsatz vom 28.11.2014 hat die Beklagte die Berufung in Höhe von 10.000.- € zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet, hat jedoch in der Sache nur teilweise Erfolg im tenorierten Umfang.

Es liegt lediglich insoweit ein Berufungsgrund im Sinne des § 513 ZPO vor, denn in diesem Umfang beruht die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO bzw. rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung; im Übrigen ist dies nicht der Fall.

Das Landgericht hat nämlich dem Grunde nach zu Recht und mit zutreffender Begründung einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Ausgleich der Kontobelastungen aufgrund unautorisierter Kartenverfügungen an Geldautomaten bejaht, der seine Grundlage in § 675u BGB i.V.m. Nr. 12.1 der zwischen den Parteien vereinbarten Geschäftsbedingungen für die Girocard hat.

Im Hinblick auf die streitgegenständlichen Belastungen des Kreditkartenkontos des Klägers in Höhe von insgesamt 10.000.- € war nach den mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts davon auszugehen, dass insoweit keine Freischaltungs- bzw. Benutzungsvereinbarung zwischen den Parteien bestanden hat und somit diese Kontobelastungen von vorneherein nicht autorisiert waren, weshalb es auf etwaige Pflichtverletzungen des Klägers nicht ankommen konnte. An der Begründetheit der Klage in diesem Umfang bestanden daher keine Zweifel, wie vom Senat in der mündlichen Verhandlung dargelegt. Die Beklagte hat dem mit der Rücknahme ihrer Berufung in Höhe von 10.000.- € Rechnung getragen, so dass insoweit das Urteil des Landgerichts weiter Bestand hat.

Im Streit standen daher danach lediglich noch die streitgegenständlichen Belastungen des Tagesgeldkontos des Klägers in Höhe von 14.000.- €.

Insoweit ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht grundsätzlich von ebenfalls nicht autorisierten Kontobelastungen auszugehen, wobei bei den streitgegenständlichen Zahlungsvorgängen die Original-Girocard des Klägers verwendet worden ist unter Eingabe der richtigen PIN. Das erstmalige Bestreiten dieses Umstands durch den Kläger im Berufungsverfahren war als neues, streitiges Angriffsmittel gemäß § 531 Abs. 2 ZPO mangels Vorliegens eines der dort genannten Ausnahmetatbestände nicht zuzulassen.

Aus dem Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht vorliegend grundsätzlich ein Zahlungsanspruch, weil es sich bei den Geldautomatenauszahlungen aufgrund des Diebstahls bzw. Abhandenkommens der Karte um nicht legitimierte Auszahlungen handelt, mit denen die Beklagte das Tagesgeldkontos des Klägers nicht belasten durfte.

Die Beklagte kann sich darauf berufen, dass der aus dem Kartenvertrag berechtigten Kläger gegen seine nebenvertragliche Pflicht verstoßen habe, die Karte mit besonderer Sorgfalt aufzubewahren und dafür Sorge zu tragen, dass kein unbefugter Dritter Kenntnis von der PIN (Personenidentitätsnummer) erhält. Es kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger gegen diese Sorgfaltspflicht etwa dadurch verstoßen hat, dass er die Karte zusammen mit einem Schriftstück aufbewahrt hat, aus dem sich die PIN ergibt.

Allerdings besteht in Fällen, d.h. Lebenssachverhalten wie dem vorliegenden mit Diebstahl bzw. Abhandenkommen der Karte und anschließendem Karteneinsatz mit PIN ein entsprechender Anscheinsbeweis dafür, dass der Karteninhaber gegen die oben beschriebene Sorgfaltspflicht verstoßen hat, wie der Senat etwa in einem Verfahren betreffend ec-Karten mit Triple-DES Schlüssel 128 Bit mit rechtskräftigem Urteil vom 30.1.2008 (Az. 23 U 38/05) festgestellt hat. Das Bestehen eines solchen Anscheinsbeweises wird von der ständigen Rechtsprechung (vgl. Senat a.a.O.; OLG Frankfurt OLGR 2007, 294) anerkannt. So hat der BGH mit Beschluss vom 6.7.2010 (XI ZR 224/09 – bei juris unter Verweis auf BGHZ 160, 308, 314; 170, 18, Tz. 31) festgestellt, dass nach seiner der Rechtsprechung der Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Karteninhaber seine persönliche Geheimzahl entweder auf der Kreditkarte notiert oder sie gemeinsam mit dieser aufbewahrt hat. Dieser Anscheinsbeweis kann jedoch unter anderem dadurch erschüttert werden, dass der Kunde darlegt und beweist, dass dies nicht der Fall war (BGH, Beschluss vom 6.7.2010, XI ZR 224/09 – bei juris unter Verweis auf BVerfG, WM 2010, 208, 209). Der Karteninhaber kann demnach dem Anscheinsbeweis durch konkrete Darlegung und gegebenenfalls den Nachweis der Möglichkeit eines atypischen Verlaufs die Grundlage entziehen.

Das Landgericht hat vorliegend unter Berücksichtigung der Bekundungen des Klägers in seiner persönlichen Anhörung und der Aussagen der Zeugin A sowie der sonstigen Umstände nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die richterliche Überzeugung gemäß § 286 ZPO gewonnen, dass es dem Kläger gelungen sei, den Anschein einer autorisierten Verfügung zu erschüttern, denn er habe einen solchen atypischen Geschehensablauf dargelegt.

Zur Begründung hat das Landgericht im Einzelnen ausgeführt, dass der Kläger nach seiner glaubhaften, von der Zeugin A bestätigten Schilderung die Girocard an seinem Urlaubsort nicht benutzt, sondern Bargeld eingesetzt habe. Das Landgericht habe keinen Zweifel daran, dass dem Kläger die Karte entwendet worden sein müsse. Es bestehe ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Eintreffen des Klägers an seinem Kurort in Stadt1 und der anschließenden Nutzung der Karte. Auch die ungewöhnliche Häufigkeit und teilweise halbminütige Zeitabfolge der Abhebungen spreche gegen einen autorisierten Zahlungsvorgang. Dafür, dass der betagte Kläger selbst tagelang durch Deutschland gereist sei, um im Minutentakt nachts Abhebungen beträchtlicher Barmittel in schneller Folge in diversen Städten zu veranlassen, gebe es nach der Überzeugung des Landgerichts überhaupt keine Anhaltspunkte. Das Landgericht sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass der Kläger die PIN nicht Dritten zugänglich gemacht habe. Gegenteilige Anhaltspunkte aufgrund der polizeilichen und bankinternen Anzeige vom 25.6.2012 hätten sich nicht bestätigt. Die Zeugin A habe nämlich glaubhaft ausgesagt, dass sie die PIN nicht kenne und auch nicht wisse, wo der Kläger die Karten aufbewahrt habe. Anhaltspunkte dafür, dass es der Kläger einer anderen ihm bekannten Person oder beliebigen Dritten ermöglicht haben sollte, auf seine Karten und PIN zuzugreifen, lägen nicht vor. Dass die Karten dem Kläger tatsächlich abhandengekommen und von ihm unbekannten Personen benutzt worden seien, werde auch durch das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen gestützt, da die Lichtbilder in der Ermittlungsakte unterschiedliche Personen bei der Abhebung zeigten, die bewusst ihre Gesichtszüge verdeckt hielten, um eine Identifizierung unmöglich zu machen. Auch sei zusätzlich die EC-Karte der Sparkasse … im betreffenden Zeitraum unautorisiert verwendet worden. Dass die PIN auch nicht auf der Karte oder in deren unmittelbarer Nähe notiert gewesen sei, folge für das Landgericht aus dem Umstand, dass es mit der Girocard und der Visa-Card jeweils mindestens einen vergeblichen Abhebungsversuch gegeben habe in Stadt1 und in Stadt2 mit PIN-Fehleingabe nach Mitteilung der Beklagten. Das entspreche auch dem Muster organisierter Täterkreise, für dessen Vorliegen zudem die zeitliche Abfolge des Karteneinsatzes und das Verdeckungsverhalten beim Abheben sprächen.

Diese Beweiswürdigung auf dieser Grundlage der eingehenden und ausführlich sowie in plausibler Weise gewürdigten Beweisaufnahme ist rechtsfehlerfrei und inhaltlich vertretbar, denn das Landgericht hat seine richterliche Überzeugungsbildung nachvollziehbar im Einzelnen auf die Aussage der Zeugin A und die Bekundungen des Klägers sowie insbesondere die plausible Würdigung der sonstigen Umstände der streitgegenständlichen Verfügungen an den Geldautomaten gestützt.

Insoweit gilt für diese Bewertung des Landgerichts aufgrund richterlicher Überzeugungsbildung der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, der bedeutet, dass der Richter lediglich an die Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf (Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 286 Rn 13). Der Vorgang der Überzeugungsbildung ist nicht von objektiven Kriterien abhängig, sondern beruht auf Erfahrungswissen und Judiz des erkennenden Richters (Scherzberg ZZP 117 (2004) 178f), der etwa trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen darf (Zöller-Greger a.a.O.). Als Beweismaß, d.h. Kriterium für das Bewiesensein der streitigen Behauptung erforderlich, aber auch ausreichend ist die persönliche richterliche Gewissheit, die den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH NJW 1993, 935; BGHZ 61, 169; Zöller-Greger § 286 Rn 19).

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BGHZ 158, 269 m.w.N.). Ein solcher Verfahrensfehler liegt dann vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind, was der Fall ist, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH a.a.O. m.w.N.).

Hieran gemessen ist die Beweiswürdigung der Beweisaufnahme durch das Landgericht nach § 286 ZPO mit der Folge der Bildung der richterlichen Überzeugung, dass es dem Kläger gelungen sei, den Anschein einer autorisierten Verfügung zu erschüttern, indem er einen atypischen Geschehensablauf dargelegt habe, rechtlich nicht zu beanstanden.

Auch die Beklagte hat in ihrer Berufungsbegründung eine rechtsfehlerhafte, weil unvollständige oder in sich widersprüchliche oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßende Beweiswürdigung durch das Landgericht nicht dargetan, sondern vor allem die Beweiswürdigung des Landgerichts durch ihre eigene ersetzt, was noch keine verfahrensfehlerhafte Beweiswürdigung durch das Landgericht begründet.

Unter Berücksichtigung des – wie ausgeführt – eingeschränkten Prüfungsmaßstabs ist die Würdigung des Landgerichts vielmehr möglich, widerspruchsfrei, nachvollziehbar und lässt keine in dem Rechtsstreit vorgebrachten Tatsachen außer Acht (vgl. BGH, Urteil vom 5.3.2009, III ZR 17/08 – bei juris; im Übrigen auch Urteil vom 9.2.2006, III ZR 20/05 – WM 2006, 668). Eine in dieser Hinsicht unvollständige oder in sich widersprüchliche oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßende Beweiswürdigung durch das Landgericht liegt danach nicht vor.

Die Beanstandung der Beklagten, die Beweiswürdigung des Landgerichts sei unzutreffend angesichts der schriftlichen Angaben des Klägers zum Notieren der PIN in Nähe der Girocard, die der Kläger nicht entkräftet habe, verfängt schon deshalb nicht, weil selbst die Angabe des Klägers gegenüber der Polizei vom Notieren der PIN „auf einem extra (externen) Taschenkalender“ (Bl. 65 d.A.) nichts für die Behauptung der Beklagten von einer Nähe zur Girocard hergibt, da es keinen Vortrag der Parteien des Inhalts gibt, dass die Girocard im Taschenkalender verwahrt worden sein soll.

Im Ansatz unzutreffend ist dabei die Einwendung der Beklagten, der Kläger habe seine PIN unstreitig in unmittelbarer Nähe zur Girocard schriftlich festgehalten und sogar in unberechtigter Weise Dritten mitgeteilt, denn dieser Umstand ist zwischen den Parteien streitig und gerade Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen. Die Zeugin A hat hier Kenntnis und Zugriff auf die PIN des Klägers explizit verneint, ebenso eigene Geldabhebungen.

Dass die Zeugin A den vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt nur aus reiner Gefälligkeit bestätigt habe, was auch für die informatorische Anhörung des Klägers gelte, ist eine bloße Behauptung der Beklagten geblieben, mit sie ihre eigene Würdigung schlicht anstelle derjenigen des Landgerichts setzt, ohne zwingende Gründe anzuführen. Die Zeugin A hat ausdrücklich und mehrfach verneint, die PIN zu kennen (Bl. 124f d.A.); stichhaltige Anhaltspunkte für das Gegenteil sind nicht ersichtlich. Begründete Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin A und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage bestehen in Übereinstimmung mit dem Landgericht nicht.

Ebenso wenig greift der Angriff der Beklagten, die Erklärung des Klägers, er sei bei seinen Angaben gegenüber Bank und Polizei „ganz durcheinander“ gewesen, sei weder glaubhaft noch nachvollziehbar. Seine Verwirrung hat der Kläger bei seiner informatorischen Anhörung plausibel erklärt, nicht zuletzt angesichts seiner glaubhaft gemachten Erkrankungen und seines Alters (Bl. 125 d.A.).

Es bleibt deshalb aus den angeführten Gründen dabei, dass unter Berücksichtigung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs die Beweiswürdigung des Landgerichts möglich, widerspruchsfrei, nachvollziehbar ist und keine in dem Rechtsstreit vorgebrachten Tatsachen außer Acht lässt, womit eine in dieser Hinsicht unvollständige oder in sich widersprüchliche oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßende Beweiswürdigung durch das Landgericht nicht vorliegt mit dem Ergebnis, dass vorliegend von einer Erschütterung des Anscheins autorisierter Verfügungen an den Geldausgabeautomaten auszugehen ist.

Jedoch ist dem Kläger ein erhebliches Mitverschulden gemäß § 254 BGB an der Schadensentstehung zur Last zu legen, indem er das Abhandenkommen der Girocard nicht unverzüglich angezeigt hat. Der maßgebliche Zeitpunkt hierfür ist entgegen dem Landgericht nicht erst für den Zeitraum nach seiner Rückkehr am 23.6.2012 gegen 14.00 Uhr bis zum Montagvormittag des 25.6.2012 anzusetzen, sondern bereits für seinen Aufenthalt in Stadt1 in der Zeit vom 10. bis zum 23.6.2012. Dies begründet insoweit auch eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 13.1 Abs. 5 der Bedingungen der Beklagten für die Girocard.

§ 254 BGB gilt gegenüber allen Schadensersatzansprüchen, gleichgültig auf welchem Rechtsgrund sie beruhen (Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 254 Rn 2). Im Übrigen ist § 254 BGB analog anzuwenden, wenn in sonstigen Fällen beiderseitiges Verschulden oder Verursachung gegeneinander abzuwägen sind (BGH WM 1978, 367; Palandt-Grüneberg § 254 Rn 3), beispielsweise bei fehlgegangenen Überweisungs- oder Auszahlungsaufträgen, wenn den Auftraggeber ein Mitverschulden trifft (Palandt-Grüneberg a.a.O. m.w.N.). § 254 BGB liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass der Geschädigte für jeden Schaden mitverantwortlich ist, bei dessen Entstehen er in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat (BGH NJW 1997, 2234; Palandt-Grüneberg § 254 Rn 8). Den Geschädigten trifft ein Mitverschulden, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich vor Schaden zu bewahren (sog. Verschulden gegen sich selbst; BGH NJW 2001, 149; Palandt-Grüneberg a.a.O.). Ein schuldhaftes Verhalten, das eine Haftung gegenüber einem anderen begründen könnte, ist dabei nicht erforderlich (BGH NJW 1982, 168; Palandt-Grüneberg a.a.O.).

Im Bankverkehr liegt ein Mitverschulden vor, wenn der Verlust der Kreditkarte nicht umgehend gemeldet wird (BGH NJW 1968, 37; Palandt-Grüneberg § 254 Rn 14).

Der Kläger hat im Berufungsverfahren unwidersprochen vorgetragen, er habe die Karten – also auch die streitgegenständliche Girocard – in seinem Portemonnaie verwahrt. Das entspricht auch seiner Angabe gegenüber der Polizei, wonach die Karte zum Zeitpunkt des Verlustes in der Geldbörse aufbewahrt worden sei (Bl. 65 d.A.). Seine Geldbörse hat der Kläger auch unstreitig bei seinem Aufenthalt in Stadt1 mit sich geführt, da er dort mit Bargeld bezahlt hat. Dem Kläger ist jedoch nicht darin zu folgen, dass ihm das Fehlen der Bankkarten in Stadt1 nicht habe auffallen müssen, da er genügend Bargeld mit sich geführt habe. Vielmehr hätte sich der Kläger von Zeit zu Zeit über das Vorhandensein der Bankkarten vergewissern müssen. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass er Barzahlungen getätigt hat, und erst recht unter Berücksichtigung seines weiteren Vorbringens, wonach er manchmal einen Teil der Karten auch zuhause gelassen habe, weil das Portemonnaie sonst zu dick gewesen sei. Gerade dieser Gesichtspunkt hätte dem Kläger Veranlassung geben müssen, bereits während seines Aufenthalts in Stadt1 zu überprüfen, ob er die Bankkarten noch bei sich führte, ggf. dann auch eine Überprüfung zu veranlassen, ob sie sich zuhause befanden.

In Anwendung der vorgenannten Maßstäbe begründet dieses Verhalten ein erhebliches Mitverschulden des Klägers, das mangels weiterer Anhaltspunkte zur Eingrenzung des tatsächlichen Zeitpunkts des Abhandenkommens der Karten als hälftig anzusetzen ist. Dies steht in Übereinstimmung mit dem vorgenannten Urteil des BGH vom 18.10.1967 (Ib ZR 169/65 – bei juris), dem zufolge es nicht rechtsfehlerhaft ist, wenn das Berufungsgericht in dem Unterlassen einer Anzeige von dem möglichen Verlust der Kundenkarte an die Zweigstelle der Beklagten eine Verletzung der dem Kläger aus dem Girovertrag der Beklagten gegenüber obliegenden Sorgfaltspflicht sieht.

Aus den vorgenannten Gründen bleibt die Anschlussberufung des Klägers zum Klageantrag zu 1. ohne Erfolg.

Im Hinblick auf die vom Landgericht zugesprochenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat die Berufung der Beklagten lediglich insoweit Erfolg, als dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der streitig gestellten, im Übrigen ohnehin von Amts wegen auf ihre Schlüssigkeit zu prüfenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers nicht in der vom Landgericht zugesprochenen Höhe von 1.023,16 €, sondern lediglich in der tenorierten Höhe von 961,28 € zusteht. Die Anschlussberufung des Klägers bleibt auch diesbezüglich ohne Erfolg, zumal der Klageantrag zu 2. vom Kläger in keiner Weise begründet worden ist.

Die Einschaltung eines Rechtsanwalts war dabei geboten, da jedenfalls aus Sicht des Klägers diese bei Geltendmachung der Ansprüche sowie der tatsächlichen Durchsetzung einer Rückabwicklung anwaltlichen Rates bedurfte, handelt es sich doch insofern um einen nicht ganz einfach gelagerten Sachverhalt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8.11.1994, VI ZR 3/94, NJW 95, 446f). Dem Kläger stand eine eigene außergerichtliche Interessenverfolgung zu, die vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit war erforderlich und angemessen.

Allerdings besteht der Anspruch nur in Höhe einer 1,3 Gebühr nach Ziff. 2300 VV-RVG ausgehend von dem einschlägigen Gegenstandswert, wobei der Umfang der begründeten Forderungen zugrunde zu legen ist dabei. Die Verzinsung folgt aus § 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1, 516 ZPO und berücksichtigt das Ausmaß des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens sowie die teilweise Rücknahme der Berufung durch die Beklagte in Höhe von 10.000.- €.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung mangels divergierender Entscheidungen eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

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