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Handelsvertreterausgleichsanspruch auf Grund der Verpflichtung zur Übertragung der Kundendaten

LG Hamburg – Az.: 404 HKO 88/10 – Urteil vom 03.08.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ausgleichsansprüche im Zusammenhang mit verschiedenen Vertragshändlerverträgen. Die Klägerin übernahm für die Beklagte über viele Jahre hinweg – zuletzt aufgrund dreier Verträge aus dem Jahr 2003 – den Vertrieb von Druckmaschinen. Die Beklagte ist Generalimporteurin für Produkte der Marke R.. Dabei handelt es sich um Offsetdruckmaschinen mit verschiedenen Formaten. Seit 1993 vertrieb die Klägerin Druckmaschinen der Marke R. einschließlich von Servicedienstleistungen sowie die Lieferung von Ersatzteilen. Wegen der zwischen den Parteien abgeschlossenen einzelnen Vertragsverhältnisse wird auf die Darstellung in der Klageschrift (Bl. 3 d.A.) Bezug genommen. In den seit dem Jahre 2000 abgeschlossenen Verträgen – andere sind im Verfahren nicht gegenständlich – ist in § 10 unter der Überschrift Informations-, Auskunfts- und Geheimhaltungspflichten folgendes geregelt:

„Der Vertragshändler und der Importeur informieren sich gegenseitig über die das Vertragsverhältnis betreffenden Umstände…. Der Vertragshändler berichtet dem Importeur regelmäßig sowohl über die Entwicklung des Marktes sowie seine Aktivitäten und die der Konkurrenz als auch über Kundenwünsche und Kundentechnik. Er ist jedoch weder während der Laufzeit des Vertrages noch nach dessen Beendigung verpflichtet noch berechtigt, dem Importeur seine Kunden zu benennen“.

Die Vertragsverhältnisse zwischen den Parteien wurden durch Kündigung der Beklagten zum 31.12.2008 beendet (Anl.Konv. K 14). Seit Anfang 2009 vertreibt die Klägerin Druckmaschinen der Marke K..

Mit der Klage macht die Klägerin als Vertragshändlerin Ausgleichsansprüche analog § 89 b HGB geltend. Die Voraussetzungen, unter denen von der Rechtsprechung dem Vertragshändler nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in Analogie zum Handelsvertreterrecht ein Ausgleichsanspruch zugebilligt werde, seien vorliegend gegeben, denn die Klägerin sei als Vertragshändlerin nicht nur einem Handelsvertreter vergleichbar in die Absatzorganisation der Beklagten eingegliedert gewesen, sondern sei auch verpflichtet gewesen, der Beklagten ihren Kundenstamm zu überlassen, dessen Vorteile sich die Beklagte nach der Beendigung des Vertrages sofort und ohne weiteres habe nutzbar machen können. Aufgrund der zwischen den Parteien praktizierten Art und Weise der Vertragsdurchführung sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die Kundendaten ihrer Lieferantin zu offenbaren, so dass die Beklagte anhand der persönlichen Daten der Käufer den Kundenstamm der Klägerin sofort nach der Beendigung des Vertrages weiter für sich nutzbar habe machen können. Die in § 10 der Verträge enthaltene Klausel sei gemäß § 89 b Abs. 4 S. 1 HGB unwirksam, weil sie nur dem Zweck gedient habe, Ansprüche des Vertragshändlers auszuschließen. Da die ursprünglich vereinbarten Vertragshändlerverträge -was unstreitig ist – weder eine positive noch eine negative vertragliche Regelung zur Überlassung des Kundenstamms enthalten hätten, sei der Vertrag insofern lückenhaft und ergänzungsbedürftig. Falls die Verträge nicht ohnehin schon dahingehend ergänzend auszulegen wären, dass eine vertragliche Verpflichtung der Klägerin zur Überlassung der Kundendaten bestanden habe, würde sich diese Verpflichtung zumindest auf Grund einer entsprechenden konkludenten Änderung der Vertragshändlerverträge ergeben. Für die Frage, ob eine Verpflichtung der Klägerin zur Überlassung der Kundendaten bestanden habe, komme es insoweit auf die zwischen den Parteien praktizierte Art und Weise der Vertragsdurchführung an. In der jahrelangen tatsächlichen unwidersprochenen Mitteilung der Kundendaten liege die konkludente Vereinbarung einer Mitteilungspflicht. Der bei der Beklagten für die Angebotserstellung, Auftragsannahme und Auftragsabwicklung überwiegend zuständige Herr P. habe im Rahmen der Vertragsabwicklung mit den Endkunden für die Beklagte die von der Klägerin mitgeteilten Kundendaten entgegen genommen und Kundendaten bei der Klägerin abgefragt. Er habe diese Daten sodann in eine von ihm geführte Datenbank eingepflegt. Schon im Vorfeld der schriftlichen Bestellungen sei der Beklagten regelmäßig der Kundenname übermittelt worden. Überdies seien Kundendaten auch unabhängig von einzelnen Bestellungen übermittelt bzw. abgefragt worden, und zwar auch durch andere Mitarbeiter der Beklagten (Beweis: Zeugnis P., J., F., R., W.).

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen vom Gericht zu schätzenden angemessenen Betrag, mindestens in Höhe von € 1.200.000,– nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.10.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Ein Ausgleichsanspruch der Klägerin analog § 89 b HGB komme nicht in Betracht, da es jedenfalls an dem „zweiten“ Analogiekriterium, nämlich der vertraglichen Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms fehle. Dies ergebe sich aus § 10 der abgeschlossenen Vertriebsverträge, im Übrigen habe es auch weder eine konkludent abgeschlossene Vertragsänderung noch eine regelmäßige Übermittlung oder Abforderung von Kundendaten gegeben. Auch scheitere ein Ausgleichsanspruch schon daran, dass der Klägerin ein ausgleichsausschließenden Fehlverhalten zur Last zu legen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin steht kein Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB zu. Sie steht als Vertragshändlerin der Beklagten nicht einem Handelsvertreter gleich, da die Klägerin bei Vertragsbeendigung gegenüber der Beklagten zur Überlassung ihres Kundenstamms nicht verpflichtet war.

Eine analoge Anwendung des § 89 b HGB auf die Klägerin als Vertragshändlerin würde neben einer Einbindung der Klägerin in die Absatzorganisation der Beklagten voraussetzen, dass sie vertraglich verpflichtet gewesen wäre, der Beklagten ihren Kundenstamm zu übertragen, so dass diese sich die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres hätte nutzbar machen können. Nur die vertragliche Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstammes hindert den Vertragshändler daran, den Kundenstamm nach Vertragsende als eigenen zu verwerten und gegen Zugriffe zu sichern (BGHZ 135,14; BGH NJW-RR 1998, 390, NJW 1994, 657. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 135,14 m.w.N.) setzt die entsprechende Anwendung des § 89 b HGB auf Vertragshändlerverhältnisse nicht voraus, dass der Händler zur Übertragung des Kundenstamms erst bei Vertragsende verpflichtet ist. Diese Verpflichtung kann auch durch laufende Unterrichtung des Herstellers während der Vertragszeit zu erfüllen sein (BGH aaO). Auch ist es nicht erforderlich, dass sich die Verpflichtung zur Übermittlung von Kundendaten aus dem schriftlichen Händlervertrag selbst ergibt. Vielmehr genügt es, wenn die die Verpflichtung zur Überlassung der Kundendaten aus anderen, dem Vertragshändler auferlegten Pflichten folgt, etwa bei Bestehen einer Meldepflicht z.B. im Rahmen der Bestellung bzw. Zulassung von Neufahrzeugen. Soweit eine solche Meldepflicht geeignet ist, eine im wesentlichen vollständige Übermittlung der Kundendaten an den Hersteller zu ermöglichen, genügt dies den Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Analogievoraussetzung der Übertragung des Kundenstamms stellt, ohne dass es auf den Zweck der Übermittlung von Kundendaten oder deren tatsächliche Nutzung durch den Hersteller ankommt (BGH aaO).

Gemessen an diesen Kriterien, stützt der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt nicht ihre Behauptung, dass die Klägerin zur Überlassung ihrer Kundendaten vertraglich verpflichtet gewesen ist. Selbst wenn die zitierte Klausel in § 10 der Vertragshändlerverträge aus den von der Klägerin angeführten Gründen wegen Verstoßes gemäß § 89 b Abs. 4 HGB als unwirksam anzusehen wäre, lässt sich aus den Umständen der Vertragsabwicklung nicht herleiten, dass die Parteien konkludent eine vertragliche Verpflichtung zur Überlassung von Kundendaten vereinbaren wollten. Das Gericht vermag die Auffassung der Klägerin nicht zu teilen, dass die zwischen den Parteien bestehenden Vertriebsverträge, unterstellt die Klausel in § 10 sei unwirksam, eine ergänzungsbedürftige Regelungslücke aufwiesen. Bei Fortfall der Regelung, dass die Klägerin weder berechtigt noch verpflichtet sei, der Beklagten ihre Kunden zu benennen, hatten die neu abgeschlossenen Verträge, was die Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms angeht, denselben Inhalt wie die vorher abgeschlossenen. Auch diese enthielten – unstreitig – keine Bestimmungen über eine Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms bei Beendigung der vertraglichen Zusammenarbeit und es auch nicht erkennbar, dass es für die Durchführung der Verträge notwendig gewesen wäre, eine entsprechende Regelung zu treffen. Dass es den Parteien bei der von Klägerin geschilderten Abwicklung der Bestellpraxis darum ging, das Vertragsverhältnis hinsichtlich der Überlassung von Kundendaten zu modifizieren, ist nach Auffassung des Gerichts nicht nachzuvollziehen.

Die Frage, ob sich aus der vertraglichen Zusammenarbeit der Parteien eine konkludente Verpflichtung der Klägerin zur Überlassung ihres Kundenstamms ableiten lässt, ist deswegen allein nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien zu beurteilen. Der Klägerin ist es nicht gelungen, Umstände vorzutragen, aus denen sich eine konkludent abgeschlossene Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms ableiten ließe. Für das Zustandekommen einer entsprechenden konkludenten Abrede ist es nach der Rechtsprechung nicht ausreichend, dass es nur faktisch bei der Vertragsabwicklung zu einer Übermittlung der Kundendaten des Vertragshändlers an den Hersteller gekommen ist. Der Wille zur Begründung einer Vertragspflicht kann der tatsächlichen Handhabung der Vertragspraxis nur entnommen werden, wenn der Vertragshändler aufgrund der Usancen des Bestellsystems faktisch gezwungen ist, die Kundendaten zu übermitteln oder sich mindestens dem Wunsch des Herstellers bzw. Importeurs nach Bekanntgabe der Kundendaten beugt.

Die Klägerin hat zwar schlüssig dargelegt, dass praktisch bei allen Bestellungen ihrer Kunden deren Daten an die Beklagte gelangt sind. Sie hat jedoch nicht substantiiert vorzutragen vermocht, dass diese Handhabung auf einem konkreten Verlangen der Beklagten, einem von der Beklagten vorgegebenem Bestell- oder Meldesystem oder sonst gezielten Nachfragen beruhte. Die Beklagte hat mit Anlagenkonvolut B 16 zahlreiche schriftliche Bestellungen der Klägerin vorgelegt, in denen die Daten der Endkunden nicht aufgeführt worden sind und es auch unstreitig, dass der Endkunde in den Bestellungen nicht noch einmal angegeben wurde. Selbst wenn es, wie die Klägerin vorträgt, in der Vertragspraxis der Parteien üblich war, dass der Kundenname bereits im Vorfeld der schriftlichen Bestellung regelmäßig gegenüber dem auf Seiten der Beklagten tätigen Mitarbeiter P. genannt worden ist, handelt es sich insoweit nicht um eine gezielte Abfrage von Kundendaten, die die Klägerin in Erfüllung einer – konkludent eingegangenen -vertraglichen Verpflichtung beantwortet hat. Das Interesse des Herstellers an der Bekanntgabe von Kundendaten begründet keine Verpflichtung zu deren Offenbarung (BGH, DB 1994,727, VIII ZR 41/93, zitiert nach Juris Rdnr. 19). Selbst wenn die Klägerin, um die Zusammenarbeit mit der Beklagten nicht zu gefährden, dem Wunsch der Mitarbeiter der Beklagten nach einer Benennung der Kundenanschriften nachgekommen ist (Anl. K 19 ff.), so wäre dies mangels ausdrücklichen Verlangens der Beklagten für die Annahme des Zustandekommens einer konkludenten vertraglichen Verpflichtung zur Herausgabe von Kundendaten nicht ausreichend.

Nach Ansicht des Gerichts sind zwar Zweifel gerechtfertigt, ob die höchstrichterliche Rechtsprechung mit dem Festhalten an einer vertraglich begründeten Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms als Kriterium für eine analoge Anwendung des § 89 b HGB auf Vertragshändlerverhältnisse

dem Ziel einer Ausgleichung der durch das Vertragsverhältnis begründeten Vorteile gerecht wird. Im Ergebnis macht es ebenso wie im originären Anwendungsbereich des § 89 b HGB wirtschaftlich keinen Unterschied, ob der Unternehmer die Vorteile des Kundenstamms des ausgeschiedenen Handelsvertreters oder Vertragshändler deswegen nutzen kann, weil sie ihm aufgrund einer vertraglich begründeten Verpflichtung mitgeteilt worden oder im Rahmen des Vertragsverhältnisses anderweitig bekannt geworden sind. Da es sich jedoch bei den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs um eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung handelt, besteht keine Veranlassung, diese erneut in Frage zu stellen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

 

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