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Verkehrsunfall – Nutzungsausfallentschädigung bei Nichtanmietung eines Ersatzfahrzeugs

Urteil im Schadensersatzfall nach Verkehrsunfall

Das Landgericht Saarbrücken hat am 4. Februar 2022 unter dem Aktenzeichen 1 O 123/21 ein Urteil gefällt. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Unfallereignis vom 4. Februar 2021. Die Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

Direkt zum Urteil: Az.: 1 O 123/21 springen.

Schadenshöhe und Klageantrag

Die Klägerin bezifferte ihren Schaden zunächst auf insgesamt 16.326,23 €, inklusive Reparaturkosten, Wertminderung, Nutzungsausfall und einer Auslagenpauschale. Die Beklagte zahlte außergerichtlich einen Betrag von 6.000,- € auf die Reparaturkosten und Wertminderung. Die Klägerin begehrte mit der Klage noch einen Ausgleich für die verbleibenden Schäden in Höhe von insgesamt 10.326,23 €. Die Klägerin hat die Klage hinsichtlich des Nutzungsausfalls um 1.904,00 € zurückgenommen. Im Laufe des Verfahrens regulierte die Beklagte den Schaden weiter, sodass noch Desinfektionskosten und Nutzungsausfall offen waren.

Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum der Fahrzeugreparatur zwischen dem 19.02.2021 bis zum 04.03.2021, mithin für 14 Tage in Höhe von 1.666,- €. Die Rechtsprechung anerkennt den Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Pkw als Vermögensschaden. Voraussetzung ist hierfür Nutzungsmöglichkeit und Nutzungswillen. Die Klägerin hat dies ausreichend dargelegt und belegt.

Urteil und Kostenverteilung

Das Gericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.666,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.3.2021 sowie 1.134,55 € außergerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in gleicher Höhe seit dem 16.3.2021 zu zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 19 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 81 %. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

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Das vorliegende Urteil

LG Saarbrücken – Az.: 1 O 123/21 – Urteil vom 04.02.2022

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.666,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.3.2021 sowie 1.134,55 € außergerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.3.2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 19 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 81 %,

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Unfallereignis vom 04.02.2021 in N. im …

Die Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Klägerin hat ihr Fahrzeug reparieren lassen.

Streitig ist die Schadenshöhe. Die Klägerin bezifferte ihren Schaden zunächst wie folgt:

  • Reparaturkosten + Wertminderung 12.731,23 €
  • Nutzungsausfall für 30 Tage A 119 € 3.570,00 €
  • Auslagenpauschale 25,00 €
  • Gesamt 16.326,23 €

Die Beklagte zu 2 zahlte außergerichtlich einen Betrag von 6.000,- € auf die Reparaturkosten und Wertminderung. Mit der Klage begehrte die Klägerin danach noch Ausgleich für folgende Schäden:

  • Reparaturkosten + Wertminderung 6.731,23 €
  • Nutzungsausfall 30 Tage à 119,- € 3.570,00 €
  • Auslagenpauschale 25,00 €
  • Gesamt 10.326,23 €

In Höhe von 1.904,00 € hat die Klägerin die Klage hinsichtlich des Nutzungsausfalls zurückgenommen.

  • Reparaturkosten + Wertminderung 6.731,23 €
  • Nutzungsausfall 1.666,00 €
  • Auslagenpauschale 25,00 €
  • Gesamt 8.422,23 €

Im Laufe des Verfahrens regulierte die Beklagte den Schaden weiter wie folgt:

  • Reparaturkosten + Wertminderung 6.659,83 €
  • Auslagenpauschale 25,00 €
  • Gesamtbetrag 6.684,83 €
  • Offen sind damit noch:
  • Desinfektionskosten 71,40 €
  • Nutzungsausfall 14 Tage x 119,-€ 1.666,00 €

Mit Schriftsatz vom 5.8.2021 hat die Klägerin – auf einen von Beklagtenseite angekündigten Hilfsantrag auf eine Verurteilung nur Zug um Zug gegen Abtretung der vertraglichen und schadensersatzrechtlichen Ansprüche wegen Vornahme unnötige Reparaturarbeiten bzw. Abrechnung nicht vorgenommener Leistungen am Unfallfahrzeug gegen die Werkstatt – ihr gegen die Werkstatt bestehenden Ersatzansprüche Zug um Zug gegen Zahlung der Schadensersatzforderungen an die Beklagte zu 2 abgetreten.

Die Klägerin beruft sich hinsichtlich der Desinfektionskosten auf die Grundsätze über die subjektive Schadensbetrachtung, da sie die Reparaturkosten einschließlich dieser Position an den Reparaturbetrieb beglichen habe. Sie meint, dass dem Betrieb diese Kosten auch zugestanden hätten. Hinsichtlich des Anspruchs auf Nutzungsausfall verweist die Klägerin auf die reparaturbedingte Ausfallzeit vom 19.02.2021 bis 4.3.2021, mithin von 14 Tagen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 10.396,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15.3.2021 sowie 1.134,55 € außergerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15.3.2021 zu zahlen, abzüglich gezahlter 6.684,83 und unter Berücksichtigung der Klagerücknahme i.H.v.1.904,00 €.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreitet, dass die Klägerin die Reparaturkosten bereits ausgeglichen habe, so dass sie sich aus diesem Grunde die Einwendungen entgegenhalten lassen müsse und nicht auf die Grundsätze über die subjektive Schadensbetrachtung zurückgreifen könne. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung seien nicht vorgetragen, insbesondere nicht zu einer Reparaturdauer von 30 Tagen, da das Gutachten lediglich eine solche von 7 Tagen vorsehe und das Fahrzeug der Klägerin nach dem Gutachten verkehrssicher gewesen sei. Nutzungswille und hypothetische Nutzungsmöglichkeit des Klägers werden bestritten, da sie sich offensichtlich während der Reparatur keinen Mietwagen zugelegt habe, sie also damit nicht auf das Fahrzeug angewiesen gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2022 (Bl. 52 ff d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1.

Die Beklagten sind der Klägerin aus dem streitgegenständlichen Unfall als Gesamtschuldner zum Schadensersatz gem. §§ 7, 17, 18 StVG, § 1 PflVG, § 115 Abs. 1 VVG verpflichtet. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

2.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten noch ein weiterer Schadenersatzanspruch aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall in Höhe von 1.666,- € zu.

a)

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum der Fahrzeugreparatur zwischen dem 19.02.2021 bis zum 04.03.2021 mithin für 14 Tage in Höhe von 1.666,- €.

aa)

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Pkw einen Vermögensschaden darstellt. Somit besteht ein Anspruch auf Ersatz der Nutzungsausfallentschädigung, auch wenn kein Ersatzwagen angemietet wird. Voraussetzung ist hierfür Nutzungsmöglichkeit und Nutzungswillen.

Die tatsächlich durchgeführte Reparatur oder die Wiederbeschaffung indiziert in der Regel, dass der Geschädigte in der Ausfallzeit sein Fahrzeug hätte nutzen wollen. Zureichende Anhaltspunkte, dass es an der Nutzungsmöglichkeit durch die Klägerin fehlte sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Allein der Umstand, dass die Klägerin das Fahrzeug während der Zeit der Ersatzteilbestellung in der Werkstatt beließ, steht der Annahme eines Nutzungswillens nicht entgegen. Unterlässt der geschädigte die Wiederherstellung ganz oder lässt er davor mehrere Monate verstreichen, kann eine Vermutung dafür bestehen, dass der Geschädigte das Fahrzeug in der maßgeblichen Zeit nicht hätte nutzen wollen. Angenommen wurde dies bei mehrmonatigen Zuwartens mit der Wiederherstellung der automobilen Mobilität, so dass der Geschädigte die Vermutung für den fehlenden Nutzungswillen zu entkräften hatte (OLG Düsseldorf, Schaden-Praxis 2014, 403; OLG Köln, VersR 2004, 1332; OLG Bremen, NJW-RR 2002, 382; Geigel/Knerr, a.a.O., § 3 Rn. 97) Um einen solchen, den Nutzungswillen der Klägerin durchgreifend in Frage stellenden Zeitraum geht es hier jedoch nicht. Es handelte sich insoweit lediglich um 5 Tage.

bb)

Zu einer anderen Entscheidung führt auch nicht die Diskrepanz zwischen der in dem Sachverständigengutachten ausgewiesenen Reparaturzeit von sieben Tagen und der tatsächlichen Reparaturdauer, da die Beklagte nicht dargelegt und bewiesen hat, dass die Verzögerung durch die Klägerin zu verantworten ist. Die Verzögerung resultierte nach Klägervortrag daraus, dass zunächst die erforderlichen Ersatzteile für das T.-Fahrzeug nicht beschafft werden konnten. Verzögerungen bei der Durchführung der Reparatur, die nicht vom Geschädigten zu vertreten sind, gehen zu Lasten des Schädigers (OLG Düsseldorf, Urteil vom 09. März 2021 – I-1 U 77/20 –, Juris, Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, § 25 Rn. 27 m. w. N.). Dies gilt insbesondere, wenn Verzögerungen auf unvorhersehbaren Ersatzteillieferschwierigkeiten beruhen (OLG Düsseldorf a.a.O., BGH, Urteil vom 02.03.1982 – VI ZR 35/80, juris Rn. 13; OLG Köln VersR 2000, 336). Insbesondere ist die Werkstatt nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, deren Verschulden er sich zurechnen lassen muss (OLG Düsseldorf a.a.O., OLG München, Urteil vom 17.04.2009 – 10 U 5690/08, juris Rn. 19). Eine Anspruchsminderung kommt daher nur in Betracht, wenn dem Geschädigten selbst eine Verletzung der Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB vorzuwerfen ist (OLG Düsseldorf a.a.O., Greger, aaO.; OLG Köln VersR 2000, 336). Das ist etwa dann der Fall, wenn den Geschädigten im Hinblick auf die beauftragte Werkstatt ein Auswahlverschulden trifft, weil er erkennen konnte, dass die Werkstatt wegen unzureichender Ausstattung oder eingeschränkter Betriebszeiten die Reparatur nicht in der gleichen Zeit wird bewerkstelligen können, wie eine reguläre Fachwerkstatt (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 23.01.1995 – 17 U 296/83, BeckRS 2008, 15990). Zudem muss der Geschädigte die Angabe einer ungewöhnlich langen Reparaturdauer durch die ausgewählte Werkstatt hinterfragen und ggf. die Beauftragung einer anderen Werkstatt in Betracht ziehen (OLG Düsseldorf a.a.O., OLG Saarbrücken, Urteil vom 23.03.2010 – 4 U 504/09, juris Rn. 33 ff.). Auch kann ein Geschädigter gehalten sein, sich im Falle einer längeren Reparaturzeit mit einer Teil- oder Interimsreparatur zufrieden zu geben und diesbezüglich Rücksprache mit dem Schädiger zu halten (BGH, Urteil vom 14.04.2010, aaO.; OLG Düsseldorf a.a.O.). Darlegungs- und beweisbelastet für die Tatsachen, die einen Mitverschuldensvorwurf begründen könnten, ist nach den allgemeinen Regeln, die auch in dieser Fallkonstellation anzuwenden sind (OLG Düsseldorf a.a.O.), der Schädiger.

Ihrer primären Darlegungs- und Beweislast für ein Mitverschulden der Klägerin sind die Beklagten nicht gerecht geworden. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass den Beklagten mangels eigener Kenntnis von den Gründen der langen Reparaturzeit ein substanziierter Vortrag kaum möglich ist und daher die Klägerin, der diese Informationen über die von ihr beauftragte Werkstatt zugänglich sind, zunächst eine sekundäre Darlegungslast trifft. Diese folgt aus dem Grundsatz, dass dann, wenn eine Partei Umstände beweisen muss, die zu dem ihrem Einblick entzogenen Bereich des Prozessgegners gehören, im Einzelfall zu prüfen ist, ob dem Prozessgegner im Rahmen seiner Erklärungslast nach § 138 Abs.2 ZPO ausnahmsweise zuzumuten ist, dem Prozessgegner eine ordnungsgemäße Darlegung durch nähere Angaben über die nur ihm bekannten beweisrelevanten Umstände zu ermöglichen (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O., BGH, Urteil vom 19.04.1999 – II ZR 331/97, juris Rn. 7).

Die Klägerin hat ihrer sekundären Darlegungslast dadurch genügt, dass sie zu der Beauftragung der Firma … vorgetragen und den der Reparatur zugrundeliegenden Ablaufplan als Anlage zum Schriftsatz vom 31.8.2021 vorgelegt hat. Hieraus ergibt sich, dass am Tag der Anlieferung des Fahrzeuges am 19.2.2021 die erforderlichen Ersatzteile bestellt wurden, die am 25.2.2021 eingingen. Nach deren Eingang am 25.2.2021 wurde noch an diesem Tag mit der Reparatur begonnen und die Arbeiten nach dem Wochenende 27.2/28.2.2021, am Montag, 1.3.2021, fortgesetzt und am 4.3.2021 zum Abschluss gebracht. Die reinen Reparaturarbeiten betrugen unter Berücksichtigung der Wochenenden 7 Tage wie in dem Gutachten prognostiziert. Es ist auch nicht der Zeitraum zwischen Bestellung und Lieferung der Ersatzteile vom 19.2.-25.2 2021 mithin von 5 Tagen in Abzug zu bringen, weil die Klägerin das Fahrzeug in dieser Zeit hätte nutzen können, da es noch fahrfähig gewesen ist. Dass es von der Klägerin hätte erwartet werden können, dass sie bis zur Ersatzteillieferung temporär mit dem Fahrzeug fährt und dies auch im Hinblick auf die Verkehrssicherheit und die Betriebserlaubnis ohne Risiko für sie gewesen wäre, ist weder ersichtlich noch von der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten dargetan.

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Für den sich nach dem Vorstehenden ergebenden erstattungsfähigen Gesamtzeitraum von 14 Tagen kann die Klägerin den geltend gemachten unstreitigen Tagessatz von 119,00 Euro verlangen. Es ergibt sich daher ein Anspruch in Höhe von 1.666,- Euro.

b)

Der Klägerin steht kein Anspruch auf 71,40 € für die von der Reparaturwerkstatt in Rechnung gestellten Desinfektionskosten zu.

aa)

Für die Desinfektion des Fahrzeuginnenraums wegen „Corona“ wird von manchen Werkstätten ein eigener Kostenpunkt in Rechnung gestellt. Eine entsprechende Rechnung hat die Klägerin zwar nicht vorgelegt, es seien ihr aber dafür offensichtlich 71,40 € brutto berechnet worden, deren Erstattung die Beklagte ablehnt.

bb)

Ob die Desinfektionskosten einen ersatzfähigen Schaden darstellt, ist in der Rechtsprechung umstritten, wie die jeweiligen von den Parteien in Bezug genommenen Entscheidungen zeigen. Mit Blick darauf, dass solche Maßnahmen zu den Arbeitsschutzkosten zählen, die regelmäßig im Stundenlohn enthalten sind, wird die Auffassung vertreten, dass deren Kosten nicht separat erhoben und damit auch nicht ersetzt werden können, jedenfalls solange solche Kosten nicht allgemein der Üblichkeit bei Werkstattbesuchen entsprechen (Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 249 BGB (Stand: 31.01.2022, Rz 273 m.w.N.). Entsprechendes ist weder derzeit ersichtlich noch vorgetragen. Einer Entscheidung darüber bedarf es vorliegend jedoch nicht.

cc)

Selbst wenn man diese Kosten dem Grundsatz nach für erstattungsfähig hielte, sind diese hier nicht schon nicht im Einzelnen konkret dargelegt, so dass Rückschlüsse auf ihre konkrete Erforderlichkeit schon nicht möglich sind. Die Klägerin hat auch weder vorgetragen noch unter Vorlage des von ihr eingeholten privaten Schadensgutachten oder aber der Werkstattrechnung dargetan, dass und welche Maßnahmen und Kosten darin ausgewiesen waren. Schließlich hat die Klägerin weder substanttiert dargelegt noch Beweis dafür angeboten, dass sie die Rechnung der Werkstatt vollumfänglich bezahlt und damit tatsächliche Aufwendung getätigt hat, die eine Indizwirkung der Rechnung für die Erforderlichkeit der abgerechneten Maßnahmen entstehen lassen könnte. Die Beklagte hat ausdrücklich (Fettdruck Seite 7 der Klageerwiderung) bestritten, dass die Kosten ausgeglichen sind. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat weder vorgetragen wer, wann, wie die Rechnung bezahlt hat noch eine Zahlungsquittung/Überweisungsbeleg vorgelegt oder einen sonstigen Beweis für die Begleichung dieser Kosten angeboten. Eines gerichtlichen Hinweises bedurfte es nicht, denn die völlige Substanzlosigkeit dieses Vortrags war offensichtlich und hätte von der anwaltlich vertretenen Klägerin bei der von ihr zu verlangenden Sorgfalt erkannt werden müssen. (BGH, Urteil vom 22. April 1982 – VII ZR 160/81 –, BGHZ 83, 371-381, zit. n. juris). Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin hinsichtlich der Desinfektionskosten eine bindende Verpflichtung gegenüber der Werkstatt eingegangen wäre. Auch dies ist weder konkret vorgetragen noch ersichtlich. Auch die Annahme einer Indizwirkung der Rechnung würde zudem wohl daran scheitern, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Beauftragung am 19.02.2020 bereits anwaltlich vertreten war (vgl. BGH, Urteil vom 17.12. 2019, VI ZR 315/18).

dd)

Schließlich wären die Kosten von 71,40 € auch evident zu hoch angesetzt. Es ergibt sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot eine Obliegenheit des Geschädigten zu einer gewissen Plausibilitätskontrolle der bei Vertragsabschluss geforderten bzw. später berechneten Preise. Sind etwa die Kosten, welche der Sachverständige im Rahmen der Gutachtenerstellung verlangt, für den Geschädigten erkennbar deutlich überhöht, kann die Beauftragung des Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinne des § 249 S. 1 BGB anzusehen sein (BGH, Urteil vom 17.12.2019, Az. VI ZR 315/18, r+s 2020). Diese Grundsätze können auf den vorliegenden Fall der Erstattungsfähigkeit von Desinfektionskosten übertragen werden. Bei einer Plausibilitätskontrolle der notwendigen Tätigkeiten und Materialien zur Fahrzeugdesinfektion und der für erforderlich gehaltenen Kosten musste sich einem wirtschaftlich denkenden Geschädigten geradezu aufdrängen, dass die veranschlagten Kosten deutlich überhöht sind. Eine Fahrzeugdesinfektion beinhaltet Maßnahmen, welche gerade in der Pandemielage im Jahr 2020 typischerweise für jedermann und ohne weiteres einer überschlägigen Plausibilitätskontrolle zugänglich waren. Als Arbeitsschritte kamen in Betracht ein Abwischen bzw. Besprühen von Kontaktflächen innerhalb und außerhalb des Fahrzeugs sowie als Materialbedarf das Reinigungs- bzw. Desinfektionsmittel und ggf. Wischtücher sowie Schutzmaterialien für den jeweiligen Mitarbeiter. Ein erhöhter Zeitbedarf ist hierin nicht zu erkennen. Sonderkenntnisse in technischer Hinsicht zur Bewertung der angeführten Arbeitsschritte waren zur Überprüfung nicht erforderlich. Für den Geschädigten bestehen im Fall von Desinfektionskosten aufgrund der Nähe zum durchschnittlichen Erfahrungswissen keine eingeschränkten Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten oder anderweitige besondere Schwierigkeiten, sondern er kann eine Überhöhung im Rahmen der Plausibilitätskontrolle eigenständig feststellen.

3.

Soweit sich die Beklagte gegenüber der Klägerin auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen hat, hat die Klägerin ihre etwaigen Ansprüche der Klägerin gegen die Werkstätte wegen der Reparatur des Fahrzeugs mit Schriftsatz vom 5.8.2021 (Bl. 33d.A.) abgetreten. Einer Zug-um-Zug-Verurteilung bedurfte es nicht (mehr), da die Beklagte die angebotene Abtretung eventueller Überzahlungs- oder Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Werkstatt jedenfalls konkludent angenommen hat.

4.

Weitere erstattungsfähige Schadenspositionen sind die für die Einschaltung eines Rechtsanwalts erforderlichen Kosten in Höhe von 1.134,55 €. Da es sich bei dem Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten an sich um eine Nebenforderung handelt, deren Höhe sich erst bestimmen lässt, wenn die Hauptforderung konkretisiert ist, ist ihm grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der letztlich festgestellten oder unstreitig gewordenen Schadenshöhe entspricht, die trotz der Klagerücknahme aus demselben Gebührenstreitwert zu berechnen war (bis 16.000,- €).

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 91 a, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO

Hinsichtlich des zurückgenommenen Klagebetrages in Höhe der Zuvielforderung von Nutzungsersatz in Höhe von 1.904,- € hat die Klägerin die Kosten gem. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu tragen.

Soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, waren die Kosten auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen den Beklagten gemäß § 91 a ZPO aufzuerlegen. Bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen in Verkehrsunfallsachen muss dem Schädiger sowie der in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherung eine angemessene Zeit zur Prüfung des Anspruchs eingeräumt werden. Der Haftpflichtversicherer ist nicht verpflichtet, unbesehen und vorschnell Zahlungen zu leisten. Die Bemessung der Prüfungszeit hängt naturgemäß von den Umständen des Einzelfalles ab. Sie kann bei komplizierten Sachverhalten durchaus einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen; in Fällen – wie hier – durchschnittlicher Art wird ist verschiedentlich ein Zeitraum von vier bis sechs Wochen als notwendig und angemessen angesehen worden; er dürfte aber unter den heutigen technischen Bedingungen eher noch zu verkürzen sein auf durchschnittlich 3 Wochen (ähnlich OLG Saarbrücken, U. v. 27.02.2007 – 4 U 470/06 -). Der Unfall fand am 04.02.2021 statt. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 08.02.2021 wurden die Schadensersatzansprüche der Klägerin geltend gemacht. Die Haftung dem Grunde nach wurde zu keinem Zeitpunkt von der Beklagten bestritten. Die Reparaturkosten wurden mit Anwaltsschreiben vom 04.03.2021 beziffert und unter Fristsetzung bis zum 15.03.2021 geltend gemacht. Eine Zahlung erfolgte, abgesehen von der Zahlung eines Vorschusses von 6.000,- €, erst im Laufe des Rechtsstreits. Die Zahlungen erfolgten damit nicht mehr innerhalb des Zeitraums, den die Haftpflichtversicherung für eine sachgerechte Prüfung dieser Positionen in Anspruch nehmen durfte. Es entspricht daher der Billigkeit, den Beklagten die Kosten aufzuerlegen soweit die Ansprüche wegen der Zahlung der Beklagten zu 2 nach Rechtshängigkeit übereinstimmend für erledigt erklärt wurden.

6.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 709 ZPO.

Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant


  • §§ 7, 17, 18 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Diese Vorschriften regeln die Haftung bei Verkehrsunfällen. Im vorliegenden Urteil ist die Haftung der Beklagten dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Die §§ 7 und 18 StVG sehen vor, dass der Halter eines Fahrzeugs und der Fahrzeugführer für Schäden haften, die bei dem Betrieb des Fahrzeugs entstehen. § 17 StVG regelt die Verteilung der Haftung bei mehreren Beteiligten.
  • § 1 PflVG (Pflichtversicherungsgesetz): Das PflVG verpflichtet Fahrzeughalter, eine Haftpflichtversicherung für Schäden abzuschließen, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden. Im vorliegenden Fall sind die Beklagten aufgrund des PflVG zur Schadensersatzleistung verpflichtet.
  • § 115 Abs. 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Diese Regelung legt die Pflichten des Versicherers im Falle eines Haftpflichtschadens fest, insbesondere die Leistung von Schadensersatz. Im vorliegenden Urteil sind die Beklagten aufgrund des § 115 Abs. 1 VVG zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet.
  • § 249 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Der § 249 BGB regelt den Umfang des Schadensersatzes. Der Geschädigte hat das Recht, den Zustand wiederherzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Im vorliegenden Urteil geht es um die Frage der Schadenshöhe, insbesondere um Nutzungsausfallentschädigung und Desinfektionskosten.
  • § 254 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Diese Vorschrift regelt die Mitverantwortung des Geschädigten bei der Entstehung des Schadens oder bei der Schadensminderung. Im Urteil wird geprüft, ob die Klägerin ihrer Schadensminderungspflicht nachgekommen ist, insbesondere in Bezug auf die Dauer der Fahrzeugreparatur und die Desinfektionskosten.

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