Streit um Schadenshöhe nach Verkehrsunfall: Klage teilweise erfolgreich
Die Klägerin und die Beklagte streiten um die Höhe des Schadens, der nach einem Verkehrsunfall entstanden ist. Die Klägerin hatte ursprünglich die Zahlung von 3466,80 € verlangt, aber später die Klage erweitert und beantragt, dass die Beklagte ihr insgesamt 3724,20 € zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren zahlen muss. Die Beklagte bestreitet jedoch die Erforderlichkeit der Kosten und die geltend gemachte Wertminderung. Das Gericht hat gemäß § 358 ZPO ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt, das von den Parteien nicht angegriffen wurde. Das Gericht hat entschieden, dass die Klage lediglich weitere Ansprüche in Höhe von 1118,82 € und weiteren 1863,56 € gegen die Beklagte hat. Die Kosten für einen „Reflexstrahler“ in Höhe von netto 17,94 € und „Desinfektions- und Hygienemaßnahmekosten“ in Höhe von 41,70 € können nicht abgerechnet werden, da sie nicht der allgemeinen Üblichkeit bei Werkstattbesuchen entsprechen. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind aus einem Gegenstandswert in Höhe von 9467,65 € ersatzfähig, aber es wurden bereits 672,60 € bezahlt, sodass noch 145,60 € zu zahlen sind. Die Klage auf Zinsen wurde abgewiesen, da der behauptete Verzug der Beklagten nicht schlüssig begründet wurde. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.
AG Staufen – Az.: 2 C 43/22 – Urteil vom 04.10.2022
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.707,47 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.02.2022 sowie weitere 145,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.02.2022 zu zahlen Zug-um-Zug gegen Abtretung von Schadensersatzansprüchen gegen die … Zusammenhang mit dem Auftrag, der die Rechnung vom 01.10.2021, Rechnung-Nr.: …den Nr.: …, an die Klägerin zu Grunde liegt.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 52 % und die Beklagte 48 % zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Der Streitwert wird auf 3.511,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Schadenshöhe nach einem Verkehrsunfall.
1118,82 € noch weitere 1863,56 € geschuldet wären.
Nachdem die Klägerin zunächst in der Hauptsache die Zahlung von 3466,80 € verlangte, hat sie die Klage erweitert und beantragt zuletzt, die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3511 € zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 213,20 €, insgesamt 3724,20 €, nebst Jahreszinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.10.2021 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte bestreitet die Erforderlichkeit der Kosten, eine Nutzungsabsicht der Klägerin sowie die geltend gemachte Wertminderung.
Das Gericht hat gemäß § 358 ZPO Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 25.05.2022 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten mit Datum vom 23.07.2022 erstattet.
Mit Zustimmung der Parteien wurde gemäß § 128 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden wobei der Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entsprach, auf den 23.09.2022 bestimmt wurde.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I.
Die Klägerin hat lediglich weitere Ansprüche in zugesprochener Höhe gemäß §§ 7 Abs. 1, § 115 VVG, § 823 BGB gegen die Beklagte. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1.
Die Haftung dem Grunde nach steht zugunsten der Klägerin unstreitig fest.
2.
Die Klägerin kann dem zum Ersatz des Schadens erforderlichen Geldbetrag verlangen, § 249 BGB.
2.1
Erforderlich ist der Geldbetrag, den ein verständiger und wirtschaftlich denkender Eigentümer nach Art und Umfang als angemessenes Mittel zur Schadensbehebung aufgewandt hätte (BGH NJW 70, 1454). Die Schadensrestitution ist dabei nicht auf die kostengünstigste Maßnahme beschränkt. Der Geschädigte muss nicht zugunsten des Schädiger sparen (BGH 15.10.13 – VI ZR 528/12 -). Er darf bei der Schadensbeseitigung die Sicherheitsstandards zugrunde legen, die er allgemein beachtet. Das heißt, dass die Reparatur durch die Vertragswerkstatt seines Vertrauens durchgeführt werden kann, selbst wenn diese teurer als andere nicht markengebundene Werkstätten ist. Er darf sich auch auf die Vorgaben des Sachverständigen verlassen, selbst wenn ein günstigere Reparaturweise vom Schädiger aufgezeigt wird (LG Saarbrücken 23.1.15 – 13 S 199/14 –),
Der Schädiger trägt das Prognoserisiko und auch Fehler der Werkstatt gehen nicht zu Lasten des Geschädigten. Denn die Werkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, da die Reparatur nach der Wertung des § 249 BGB Sache des Schädigers ist (BGHZ 115, S. 370; OLG Saarbrücken 28.2.12 – 4 U 112/11 –: auch im Fall der Abtretung).
Anders liegt es bei einer falschen Abrechnung zu Lasten des Schädigers. Das Prognoserisiko betrifft die Frage der Durchführung unnötiger oder fehlerhafter Arbeiten, nicht die Frage, ob die Rechnung auch nicht erbrachte (oder ggf. vereinbarte) Leistungen enthält (a.A.: OLG Hamm NZV 95, 442 unter fehlerhafter Bezugnahme auf BGH NJW 92, 302; s. auch AG Neuss 9.8.16 – 77 C 1425/16 – mit Anmerkung Engel DAR 16, 590). Hat der Geschädigte allerdings die Rechnung bezahlt, dürfte dies nach der Rechtsprechung des BGH zur subjektiven Schadensbetrachtung Indizwirkung für die Angemessenheit haben (vgl. auch OLG Karlsruhe 22.12.2015 – 14 U 63/15 –), was vorliegend dahinstehen kann.
Die vorliegend unbezahlte (abgetretene) Rechnung hat bei fehlender Honorarvereinbarung keine Indizwirkung.
2.2
Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen …, die von den Parteien nicht angegriffen wurden, wurden die Kosten eines „Reflexstrahlers“ fälschlich doppelt ausgewiesen, so dass diese in Höhe von netto 17,94 € in Abzug zu bringen sind. „Desinfektions- und Hygienemaßnahmekosten“ i.H.v. 41,70 € entsprechen nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht der allgemeinen Üblichkeit bei Werkstattbesuchen und können daher, sofern dies nicht vertraglich vorab vereinbart wurde – was nicht vorgetragen wurde -, auch nicht abgerechnet werden.
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind aus einem Gegenstandswert in Höhe von 9467,65 € ersatzfähig. Aus einer 1,3 Gebühr und Auslagenpauschale ergeben sich 818,20 €, wobei hierauf vorgerichtlich bereits 672,60 € bezahlt wurden, mithin verbleiben 145,60 €.
Hinsichtlich des Zinslaufs ist die Klage ebenfalls teilweise abzuweisen.
Der behauptete Verzug der Beklagten wurde nicht schlüssig begründet.
Der Verzug nach § 286 BGB setzt grundsätzlich eine Mahnung voraus. Die Mahnung ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers, die geschuldete Leistung zu erbringen. Dabei handelt es sich um eine nicht formgebundene, empfangsbedürftige, geschäftsähnliche Willensäußerung, durch die kraft Gesetzes bei Nichtleistung bestimmte Rechtsfolgen eintreten (BeckOK BGB/Lorenz 47. Ed., § 286 Rn. 23)
In der Übersendung einer ersten Rechnung liegt, sofern sich nicht aus den Umständen etwas anderes ergibt, keine Mahnung. Das gilt regelmäßig auch, wenn in der Rechnung die Angabe einer Zahlungsfrist enthalten ist. Auch ein Schreiben, das lediglich die Anmeldung von Ersatzansprüchen und die Bitte um eine Vorschusszahlung enthält, bedeutet noch keine Anmahnung der Ersatzleistung. Gleiches gilt von einer Aufforderung an den Schuldner, sich innerhalb einer bestimmten Frist über seine Leistungsbereitschaft zu äußern (Staudinger/Manfred Löwisch/Cornelia Feldmann (2014) BGB § 286, Rn. 31 m.w.N. aus der Rspr.).
So führt der Bundesgerichtshof ausdrücklich aus (auszugsweise):
Als verzugsbegründende Mahnung genügt zwar jede eindeutige und bestimmte Aufforderung, mit der der Gläubiger unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass er die geschuldete Leistung, verfangt; auf die Rechtsfolgen eines Verzugs muss – anders als im Fall des § 286 III 1 BGB – nicht hingewiesen werden. Eine Mahnung kann zudem mit der die Fälligkeit begründenden Handlung verbunden werden und kann deswegen auch in einer Rechnung enthalten sein, selbst wenn nach den vertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen erst mit deren Zugang die Forderung fällig wird. Dabei handelt es sich indessen um Ausnahmefälle. Die erstmalige Zusendung einer Rechnung – selbst mit Angabe eines Zahlungsziels – wurde schon bisher im Verkehr üblicherweise nicht als Mahnung verstanden, ungeachtet dessen, dass das BGB im Gegensatz zum früheren Art. 288 II des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs keine entsprechende Vorschrift mehr enthält (NJW 2008, 50, 51 [Rn. 11]).
Zinsen sind daher gem. § 291 BGB ab Rechtshängigkeit zuzusprechen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.