AG Clausthal-Zellerfeld – Az.: 4 C 207/19 (XI) – Urteil vom 11.05.2020
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 185,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.10.2019 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Abtretungserklärung vom 26.08.2019 ist wirksam und verstößt auch nicht gegen das Erfordernis der Bestimmtheit. Sie ist hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar und somit wirksam. Aus der Erklärung lassen sich die wesentlichen Bestandteile entnehmen, wie das Datum der Abtretung sowie die Stellung der Parteien, als Zedent und Zessionar. Die Anforderungen an die Bestimmtheit sind gewahrt, indem die Erklärung dem Wortlaut nach keine Mehrzahl von Forderungen, sondern lediglich die „Schadenersatzansprüche auf Erstattung der Mietwagenkosten“ enthält, welche auf das Unfallereignis vom 18.07.2019 in Clausthal-Zellerfeld mit dem Unfallbeteiligten PKW – amtliches Kennzeichen … – zurückzuführen sind.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht über den vorgerichtlich bezahlten Betrag in Höhe von 385,56 € ein Anspruch auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 185,84 € aus §§ 7 I StVG, 115 I S. 1 Nr. 1 VVG, 249 ff., 398 BGB zu.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber aufgrund des Verkehrsunfalls vom 18.07.2019 dem Grunde nach gemäß § 7, 17 StVG, §§ 823, 249 BGB, § 115 VVG haftet. Die Parteien streiten darüber, auf welcher Grundlage die erstattungsfähigen Mietwagenkosten zu berechnen sind.
Grundsätzlich ist der Schädiger gemäß § 249 I BGB verpflichtet, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, kann statt der Herstellung der dafür erforderliche Geldbetrag verlangt werden, § 249 II BGB. Damit wird der Ersatz von Mietwagenkosten auf den objektiv erforderlichen Herstellungsaufwand beschränkt. Der Geschädigte kann nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Position für zweckmäßig und erforderlich halten darf.
Bestehen mithin mehrere Wege der Herstellung, hat der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Bei der Anmietung eines Mietwagens muss der Geschädigte sich daher für den Normaltarif entscheiden und kann grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis, von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen, ersetzt verlangen.
Somit kann der für die Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten grundsätzlich maßgebliche Normaltarif im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO ermittelt werden. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass der Normaltarif sowohl auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels als auch der sogenannten Fraunhofer-Liste ermittelt werden kann, ebenso in Form des arithmetischen Mittels beider Markterhebungen (vlg. BGH, Urteil vom 18. Mai 2010 – VI ZR 293/08 -, juris). Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf Grundlage falsch oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden, ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben.
Davon ausgehend stützt das erkennende Gericht in dem vorliegenden Fall die Ermittlung des Normaltarifs auf Grundlage des arithmetischen Mittelwertes beider Markterhebungen, da sich sowohl aus der Schwacke-Liste als aus dem Fraunhofer-Mietpreisspiegel jeweils keine geeignete Schätzungsgrundlage für die Ermittlung des erstattungsfähigen Normaltarifes ergibt (vgl. OLG Celle, Urteil vom 29.02.2012 – 14 U 49/11 -, juris).
Zunächst sind die vom Beklagtenvertreter vorgelegten Alternativangebote nicht geeignet, um die Eignung des arithmetischen Mittels als Schätzungsgrundlage zu erschüttert, da eine Vergleichbarkeit der Angebote mit dem von den Geschädigten abgeschlossenen Mietvertrag nicht gegeben ist. Die Online-Angebote werden auf einer anderen Berechnungsgrundlage erstellt, als der tatsächlich abgeschlossene Vertrag. Insbesondere gelten die Angebote für einen anderen Anmietzeitraum und gehen von einem festen Mietende aus. Es ist nicht ersichtlich, in wieweit sich die Angebote ändern, wenn von einem offenen Mietende ausgegangen wird. Hinzu kommt, dass aus den vorgelegten Angeboten ebenfalls nicht ersichtlich ist, ob tatsächlich die gleichen Konditionen beinhaltet sind.
Entgegen der Auffassung der Beklagten, hat die Klägerin auch nicht gegen ihre Schadenminderungspflicht verstoßen, indem sie dem Vermittlungsangebot der Beklagten nicht nachgegangen ist, ein Fahrzeug bei dem Vertragspartner Enterprise zu mieten, und damit die hundertprozentige Schadensregulierung seitens der Beklagten zu garantieren. Aus dem Schreiben der Beklagten ist nicht zu entnehmen, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen das Mietfahrzeug dem Geschädigten überlassen wird. Hierbei handelt es sich lediglich um ein Angebot für die Vermittlung an eine bestimmte Autovermietung, nicht jedoch um eine bindende Verpflichtung der Klägerin, die Anmietung auch tatsächlich bei diesem Unternehmen durchzuführen.
Mit dem Ausgangspunkt der Mittelwertbildung von zwei Listen als Schätzungsgrundlage für den Normalpreis der Anmietung eines Mietwagens auf dem maßgeblichen örtlichen Markt ergeben sich folgende erstattungsfähige Mietwagenkosten:
Nach der Schwacke-Liste 2018 ergeben sich für das PLZ-Gebiet 382 in der zu berücksichtigenden Mietwagenklasse 1 für 9 Tage Mietwagenkosten in Höhe von 557,45 € (7-Tages-Pauschale: 7 x 9). Nach der Fraunhofer-Liste ergeben sich für den 2-stelligen PLZ-Bereich für die Mietwagenklasse 1 im PLZ-Bereich 38 Mietwagenkosten in Höhe von 222,97 € (7-Tages-Pauschale: 7×9). Der arithmetische Mittelwert beträgt 390,21 € und berechnet sich wie folgt: 557,45 € + 222,97 € = 780,42 € : 2 = 390,21 €. Von diesem Mittelwert ist ein Abzug in Höhe von 10 % wegen der ersparten Eigenaufwendungen des Geschädigten vorzunehmen, somit 39,02 €. Hinzuzurechnen sind die Nebenkosten in Höhe von jeweils 28,70 € für Zustellung und Abholung sowie einer Haftungsreduzierung für den Zeitraum von 9 Tagen in Höhe von insgesamt 162,81 €. Somit ergeben sich Mietwagenkosten in Gesamthöhe von 571,40 €.
Die Beklagte hat bereits unstreitig eine Zahlung in Höhe von 385,56 € erbracht. Damit steht der Klägerin ein weiterer Anspruch in Höhe von 185,84 € auf Ersatz der entstandenen Mietwagenkosten zu. Der seitens der Klägerin geltend gemacht Anspruch hält sich im Rahmen des durch das Schätzungsermessen des Gerichts, ermittelten Normaltarifes bei Anmietung eines Mietwagens.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 I BGB. Die Beklagte befindet sich seit dem 09.10.2019 gemäß § 286 BGB in Verzug, nachdem die Beklagte auf die Aufforderung zur Zahlung der weiteren Mietwagenkosten in dem Schreiben vom 01.10.2019 mit einer Frist bis zum 08.10.2019 nur einen Teilbetrag regulierte, indem der zuerkannte Teilbetrag nicht enthalten war.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 91 I S.1 Halbs. 1, §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.