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Verkehrsunfall – Weiterbenutzung des beschädigten und in Eigenleistung reparierten Fahrzeugs

Verkehrsunfallschaden: Wiederbeschaffungswert, Restwert und Eigenreparatur

Das Landgericht Duisburg urteilte, dass ein Geschädigter eines Verkehrsunfalls seinen Schaden auf der Basis des von einem Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeugs, abzüglich des ermittelten Restwerts, abrechnen darf. Wichtig ist dabei, dass sich der Geschädigte auf regional ermittelte Restwerte verlassen kann und nicht auf höhere, im Internet ermittelte Restwerte des Versicherers verwiesen werden muss. Besonders relevant ist dies, wenn das Fahrzeug in Eigenleistung repariert und weitergenutzt wird, obwohl es wirtschaftlich als Totalschaden gilt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 O 142/14   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Verkehrsunfall: Ein Geschädigter hat Anspruch auf Schadensersatz.
  2. Wiederbeschaffungswert: Grundlage der Schadensberechnung ist der vom Sachverständigen ermittelte Wiederbeschaffungswert.
  3. Restwert: Abzug des regional ermittelten Restwerts vom Wiederbeschaffungswert.
  4. Eigenreparatur: Auch bei Eigenreparatur und Weiterbenutzung des Fahrzeugs gilt die oben genannte Berechnungsweise.
  5. Internetangebote: Der Geschädigte muss sich nicht auf höhere, im Internet ermittelte Restwertangebote des Versicherers einlassen.
  6. Mehrwertsteuer: Bei der Schadensberechnung ist die Mehrwertsteuer zu berücksichtigen.
  7. Vertrauensschutz: Geschädigte dürfen sich auf ordnungsgemäß ermittelte, regionale Restwertangebote verlassen.
  8. Urteilsbegründung: Das Gericht stützt sich auf geltendes Recht und bisherige Rechtsprechung, unter anderem auf § 249 BGB und relevante BGH-Urteile.

Nach einem Verkehrsunfall stellt sich für den Geschädigten oft die Frage, ob er das beschädigte Fahrzeug weiterhin nutzen und in Eigenleistung reparieren darf. Laut dem Urteil des Landgerichts Duisburg (LG Duisburg, Urteil vom 30.01.2015 – 2 O 142/14) ist dies möglich, auch wenn das Fahrzeug einen wirtschaftlichen Totalschaden aufweist. Der Geschädigte hat das Recht, das Fahrzeug zu reparieren und weiterzunutzen, unabhängig von den hohen Kosten.

Verkehrsunfallschaden: Wiederbeschaffungswert, Restwert und Schadensregulierung
(Symbolfoto: Memory Stockphoto /Shutterstock.com)

Allerdings kann die Weiternutzung des reparierten Fahrzeugs Auswirkungen auf die Schadenregulierung haben. Der Restwert ist der Wert des beschädigten Fahrzeugs, der bei der Schadenregulierung abgezogen wird, wenn der Geschädigte sich für eine Reparatur entscheidet. Ein weiterer Aspekt ist die Wahl zwischen Reparatur oder Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs. Der Geschädigte kann entscheiden, ob er das Fahrzeug reparieren lässt oder veräußert und an Stelle des beschädigten Fahrzeugs ein Ersatzfahrzeug erwirbt. In diesem Fall wird der fiktive Wiederbeschaffungsaufwand berücksichtigt, der höher sein kann als der tatsächliche Reparaturaufwand.

Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Weiternutzung des beschädigten Fahrzeugs nach einer Eigenreparatur nicht immer unproblematisch ist. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, sich von einem Rechtsanwalt oder einem Kfz-Sachverständigen beraten zu lassen, um die bestmögliche Schadenregulierung zu erzielen. Im weiteren Verlauf dieses Artikels wird ein konkretes Urteil zum Thema Verkehrsunfall und Weiterbenutzung des beschädigten Fahrzeugs vorgestellt und besprochen.

Der Verkehrsunfall und seine Folgen: Ein komplexer Rechtsstreit

Bei dem vorliegenden Fall geht es um die rechtlichen Konsequenzen eines Verkehrsunfalls. Ein Taxi-Fahrer, der Kläger in diesem Fall, wurde von einem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug in einen Unfall verwickelt, wodurch sein Taxi einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitt. Trotz des Schadens reparierte der Kläger das Taxi in Eigenleistung und setzte es weiterhin gewerblich ein. Daraus entstand eine rechtliche Auseinandersetzung über den auszugleichenden Schadensersatz.

Wiederbeschaffungswert und Restwert: Schlüsselaspekte im Streit

Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, wie der Schadensersatz zu berechnen sei. Der Kläger ließ sein Fahrzeug von einem Sachverständigenbüro bewerten, das einen Wiederbeschaffungswert von 10.450 Euro feststellte. Der Sachverständige ermittelte auch den Restwert des beschädigten Fahrzeugs, indem er Angebote von regionalen Autohändlern einholte – der höchste Restwert belief sich auf 1.500 Euro. Der Kläger forderte von der Beklagten eine Entschädigung, basierend auf diesen Werten. Die Beklagte hingegen bezog sich auf ein höheres Restwertangebot, das über eine Internetplattform eingeholt wurde, und berechnete dementsprechend einen geringeren Schadensersatz.

Eigenreparatur und Weiterbenutzung: Eine rechtliche Herausforderung

Ein wesentlicher Punkt in diesem Fall war die Tatsache, dass der Kläger das Fahrzeug in Eigenleistung reparierte und weiterhin nutzte. Dies führte zu der Frage, inwieweit der Kläger auf die höheren Restwertangebote der Beklagten verwiesen werden konnte. Nach geltendem Recht darf der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 BGB seinen Schaden auf Basis des vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswertes minus des Restwertes geltend machen. Interessant hierbei ist, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, höhere Restwerterlöse zu akzeptieren, die auf einem spezialisierten Sondermarkt im Internet erzielt werden könnten.

Gerichtliche Entscheidung: Ausgleich des Schadens nach fiktiver Abrechnung

Das Landgericht Duisburg entschied zugunsten des Klägers. Es wurde festgestellt, dass der Kläger einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz in Höhe von 3.914,96 Euro hat. Das Gericht erkannte an, dass der Kläger sich auf die vom Sachverständigen ermittelten Restwertangebote verlassen durfte und nicht auf die höheren, von der Beklagten über das Internet ermittelten Angebote verwiesen werden musste. Das Gericht legte dabei Wert auf die Tatsache, dass der Kläger das Fahrzeug bereits repariert hatte, bevor ihm die Restwertangebote der Beklagten zugegangen waren. Somit bestand ein Vertrauensschutz für den Kläger hinsichtlich der von ihm eingeholten Angebote.

Der Fall illustriert die Komplexität der Schadensregulierung bei Verkehrsunfällen, insbesondere wenn das beschädigte Fahrzeug in Eigenleistung repariert und weitergenutzt wird. Die Entscheidung zeigt, dass Gerichte die Umstände jedes einzelnen Falles berücksichtigen und dabei die Rechte der Geschädigten wahren. Es bleibt abzuwarten, wie sich künftige Fälle ähnlicher Natur entwickeln werden.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was ist unter dem Wiederbeschaffungswert im Kontext eines Verkehrsunfalls zu verstehen?

Der Wiederbeschaffungswert ist ein Begriff, der im Kontext eines Verkehrsunfalls verwendet wird und den Wert eines Fahrzeugs unmittelbar vor dem Unfall darstellt. Dieser Wert dient als Referenzpunkt, um zu beurteilen, ob eine Autoreparatur nach einem Unfallschaden wirtschaftlich sinnvoll ist.

Der Wiederbeschaffungswert wird von einem unabhängigen Gutachter oder Sachverständigen berechnet und orientiert sich am Wert des Fahrzeugs vor dem Zeitpunkt des Schadens. Die Berechnung des Wiederbeschaffungswerts berücksichtigt verschiedene Faktoren wie die Kosten eines gleichwertigen Fahrzeugs und etwaige Beschaffungskosten.

In Fällen, in denen die Reparaturkosten höher sind als der Wiederbeschaffungsaufwand, wird der Wiederbeschaffungswert als Entschädigung ausgezahlt. Dies ist typischerweise der Fall bei einem wirtschaftlichen Totalschaden, bei dem die Reparaturkosten mehr als 130% des Wiederbeschaffungswerts betragen.

Es ist zu erwähnen, dass der Wiederbeschaffungswert in der Regel über dem tatsächlichen Preis liegt, den ein Gebrauchtwagenkäufer für das Auto vor dem Unfall bezahlt hätte, da er auch mögliche Finanzierungskosten sowie die Marge für den Händler beinhaltet.

Der Wiederbeschaffungswert ist nicht zu verwechseln mit dem Restwert, der den Verkaufswert des beschädigten Unfallautos darstellt, oder dem Zeitwert, der den Wert des Autos zum Zeitpunkt des Unfalls reflektiert.

Wie wird der Restwert eines Fahrzeugs nach einem Verkehrsunfall ermittelt?

Der Restwert eines Fahrzeugs nach einem Verkehrsunfall ist der Wert, den das Fahrzeug in seinem beschädigten Zustand noch hat. Dieser Wert wird in der Regel von einem Kfz-Sachverständigen ermittelt.

Die Ermittlung des Restwerts berücksichtigt verschiedene Faktoren, darunter den Zustand des Fahrzeugs nach dem Unfall und den potenziellen Verkaufspreis in diesem Zustand. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass für die Ermittlung des Restwerts ausschließlich Gebote von seriösen Händlern aus dem Umkreis herangezogen werden dürfen.

Nach der Ermittlung des Restwerts ist der Fahrzeughalter verpflichtet, das Unfallfahrzeug entsprechend zu veräußern, um weitere Standkosten zu vermeiden. Wenn das Fahrzeug über den im Gutachten festgehaltenen Wert verkauft wird, wird dieser Gewinn von der Versicherungssumme abgezogen.

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Es ist zu erwähnen, dass der Restwert eine wichtige Rolle bei der Entscheidung über einen möglichen Totalschaden spielt. Wenn die Reparaturkosten des Fahrzeugs den Wiederbeschaffungswert übersteigen, wird in der Regel von einem wirtschaftlichen Totalschaden ausgegangen.

Der Restwert ist nicht zu verwechseln mit dem Wiederbeschaffungswert, der den Wert des Fahrzeugs vor dem Unfall darstellt, oder dem Zeitwert, der den Wert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Unfalls reflektiert.

Inwiefern spielt die Eigenreparatur eines Fahrzeugs eine Rolle bei der Schadensregulierung?

Die „Eigenreparatur“ eines Fahrzeugs kann in der Schadensregulierung eine Rolle spielen, insbesondere in Bezug auf die fiktive Abrechnung und die Reparaturbestätigung.

Die fiktive Abrechnung ermöglicht es dem Geschädigten, die Kosten für einen entstandenen Schaden von der Autoversicherung zu erhalten, ohne dass der Schaden am Fahrzeug tatsächlich repariert wird. Dies kann beispielsweise dann sinnvoll sein, wenn der Schaden kostengünstig privat repariert werden soll. Der Geschädigte erhält das Geld von der Versicherung ohne Auflagen und kann es frei verwenden.

Die Reparaturbestätigung ist ein Dokument, das nachweist, dass das Fahrzeug fachgerecht repariert wurde. Sie kann bei einem erneuten Schaden an derselben Stelle des Fahrzeugs neue Schadensersatzansprüche begründen. Zudem kann sie benötigt werden, um eine Entschädigung für Nutzungsausfall geltend zu machen.

Es ist jedoch zu beachten, dass vor der Reparatur eine Reparaturfreigabe eingeholt werden muss. Wird eine Reparatur ohne Freigabe durchgeführt, kann die Versicherung die Übernahme der Reparaturkosten teilweise oder ganz verweigern.

Bei einem unverschuldeten Unfall kann der Geschädigte den Unfallschaden auf Kosten der Gegenseite reparieren lassen, sofern es technisch und wirtschaftlich möglich ist.

Es ist wichtig, dass die Schuldfrage klar ist und der Schaden gegenüber dem Kfz-Versicherer exakt beziffert werden kann. Ohne aussagekräftige Schadensbezifferung und Klarheit über den Unfallhergang wird die Versicherung die Reparaturfreigabe möglicherweise nicht erteilen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die „Eigenreparatur“ eines Fahrzeugs in der Schadensregulierung eine Rolle spielen kann, aber bestimmte Bedingungen und Voraussetzungen erfüllt sein müssen.


Das vorliegende Urteil

LG Duisburg – Az.: 2 O 142/14 – Urteil vom 30.01.2015

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.914,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.11.2013 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 265,20 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten tragen der Kläger zu 27% und die Beklagte zu 73%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten Ausgleich seiner restlichen Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom … . An diesem Tag befuhr der Kläger mit seinem Fahrzeug, einem gewerblich genutzten Taxi Marke N, Erstzulassung 6/2010, Fahrzeug-Ident-Nummer …, die N2-Straße in P. Der Fahrer und Halter L fuhr mit seinem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Wagen auf den PKW des Klägers auf, wodurch am PKW des Klägers ein wirtschaftlicher Totalschaden entstand. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger ließ seinen Wagen nach dem Unfall bei dem Sachverständigenbüro Q GmbH begutachten. In dem Gutachten vom 30.10.2013 wurde ein Wiederbeschaffungswert für das Fahrzeug inklusive Mehrwertsteuer in Höhe von 10.450,00 EUR ermittelt. Hierzu hat der Sachverständige wörtlich ausgeführt „Der Wiederbeschaffungswert wurde für ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug bei einem seriösen KFZ-Händler ermittelt und beinhaltet die gesetzliche Mehrwertsteuer in Höhe der Regelbesteuerung bzw. der Berücksichtigung der Differenzbesteuerung gemäß 25 A UStG […]“. Den Restwert hat der Sachverständige in dem Gutachten durch Einholung von drei Angeboten regionaler Autohändler aus B, F2 und P ermittelt und den höchsten insoweit zu ermittelnden Restwert als maßgeblich zugrunde gelegt. Danach lag der höchste ermittelte Restwert bei einem Angebot in Höhe von 1.500,00 EUR (inklusive Mehrwertsteuer). Auf die Einzelheiten des Gutachtens (Bl. 8 GA) wird Bezug genommen.

Der Kläger forderte die Beklagte durch anwaltliches Schreiben vom 05.11.2013 zur Regulierung des Schadens auf, wobei er neben dem Schaden am Fahrzeug auch die Kosten des vorgerichtlichen Sachverständigengutachtens in Höhe von 855,13 EUR und eine Auslagenpauschale in Höhe von 25,00 EUR verlangte. Für die Regulierung setzte er eine Zahlungsfrist bis zum 18.11.2013. Der Kläger reparierte seinen verunfallten PKW sodann in Eigenregie, noch bevor ihm die Restwertangebote der Beklagten zugingen. Er nutzt den Wagen seitdem weiter.

Mit Schreiben vom 20.11.2013 verwies die Beklagte auf ein Restwertangebot für das beschädigte Fahrzeug in Höhe von 6.160,00 EUR, welches von einer Firma aus M über die Internetplattform „D“ abgegeben worden war. Auf die von der Beklagten unter dem 11.11.2013 ermittelten Restwertangebote (Bl. 40 GA) wird Bezug genommen. Unter dem 04.12.2013 rechnete die Beklagte sodann auf den Fahrzeugschaden mit einem Betrag in Höhe von insgesamt 3.605,04 EUR ab und zahlte zudem die geltend gemachte Auslagenpauschale sowie die Nettokosten des Sachverständigen. Dabei legte die Beklagte hinsichtlich des Fahrzeugschadens den vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs abzüglich 19 % Mehrwertsteuer und für den Wert des beschädigten Fahrzeugs den selbst ermittelten Wiederverkaufswert abzüglich 19 % Mehrwertsteuer zugrunde.

Mit Schreiben vom 28.01.2014 wurde der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger sein Fahrzeug in Eigenregie repariert habe und weiternutze. Gleichzeitig wurde die Beklagte nochmals – unter Fristsetzung bis zum 14.02.2014 – aufgefordert, den mit der Klage geltend gemachten Differenzbetrag auszugleichen. Hierauf reagierte die Beklagte mit Schreiben vom 04.02.2014, in dem sie den Beklagten um Nachweise für die Durchführung einer sach- und fachgerechten Reparatur bat. Die geforderte Differenz zahlte die Beklagte nicht.

Der Kläger ist zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Der Kläger ist der Ansicht, er könne auf Grundlage des Sachverständigengutachtens seinen Schaden abrechnen und insbesondere den dort ermittelten Restwert zugrunde legen. Der Restwert sei in dem Gutachten korrekt ermittelt worden. Dafür genüge die Einholung von drei Angeboten durch den Sachverständigen auf dem maßgeblichen regionalen Markt. Auf das von der Beklagten recherchierte Angebot der Firma aus M müsse er sich keinesfalls verweisen lassen, weil dieser Händler zum einen nicht mehr zum maßgeblichen regionalen Markt zu zählen sei. Zum anderen habe die Beklagte bei der Recherche auch eine andere Fahrzeug-Ident-Nummer sowie ein falsches Erstzulassungsdatum – nämlich Erstzulassung 7/2013 anstatt 6/2010 – zugrunde gelegt. Der Wiederbeschaffungsaufwand belaufe sich nach korrekter Berechnung auf 8.984,60 EUR, so dass sich die Klageforderung aus der Differenz dieses Wertes abzüglich des bereits von der Beklagten gezahlten Betrages ergebe. Der Wiederbeschaffungsaufwand ergebe sich dabei aus der Differenz zwischen dem im Gutachten berechneten Wiederbeschaffungswert des verunfallten KFZ abzüglich 2 % Differenzbesteuerung und dem im Gutachten ermittelten Restwert abzüglich 19 % Mehrwertsteuer.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.379,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.11.2013 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 331,50 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe in der Schadensregulierungsanzeige den Wiederbeschaffungswert korrekt berechnet, in dem sie von dem Wert, den der Sachverständige ermittelt habe, einen Mehrwertsteuersatz in Höhe von 19 % abgezogen habe. Dies ergebe sich daraus, dass es sich um ein gewerblich genutztes Taxi handele, das am Gebrauchtwagenmarkt – unabhängig von Laufleistung und Fahrzeugalter – regelmäßig regelbesteuert (d.h. mit 19% MwSt) angeboten werde. Der Restwert sei mit 6.160,00 EUR (brutto) anzusetzen. Diesen Betrag habe sie bei einer Restwertrecherche im Internet ermitteln können. Die Beklagte behauptet insofern, dass hierbei zwar zunächst ein falsches Erstzulassungsdatum und eine fehlerhafte Fahrzeug-Ident-Nummer verwendet worden seien. Sie habe die Recherche dann aber noch ein weiteres Mal mit den korrekten Daten durchführen lassen, wobei das Ergebnis (Restwert 6.160,00 EUR) dasselbe gewesen sei.

Das Gericht hat mit Verfügung vom 18.12.2014 darauf hingewiesen, dass der Kläger darlegungs- und beweisbelastet sei für die Tatsache, dass ein gewerblich genutztes Taxi wie das streitgegenständliche am Markt überwiegend als differenzbesteuertes Fahrzeug angeboten werde. Zudem sei nicht nachvollziehbar, warum einerseits bezüglich des Restwertes die Regelbesteuerung und andererseits hinsichtlich des  Wiederbeschaffungswertes die Differenzbesteuerung von ihm zugrunde gelegt werde. Zudem hat das Gericht die Beklagte in dieser Verfügung darauf hingewiesen, dass sie bislang die Vornahme der Reparatur durch den Kläger vor Zugang der Restwertangebote nicht bestritten habe.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte noch ein Anspruch aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG in Verbindung mit § 1 PflVG, §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 249 BGB zu.

Der Kläger hat im Rahmen der von ihm vorgenommenen fiktiven Abrechnung seines Schadens auf Gutachterbasis einen weiteren Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 3.914,96 EUR. Dieser weitergehende Schaden ergibt sich daraus, dass sich der Kläger hinsichtlich des anzurechnenden Restwertes nicht auf die von der Beklagten ermittelten höheren Restwerte verweisen lassen musste. Denn die Beklagte hat auch nach entsprechendem gerichtlichen Hinweis nicht bestritten, dass der Kläger sein Fahrzeug in Eigenleistung repariert hat, bevor ihm die von der Beklagten ermittelten Restwertangebote zugegangen sind.

Grundsätzlich darf der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 BGB seinen erlittenen wirtschaftlichen Totalschaden fiktiv auf Basis des vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswertes abrechnen. Er muss sich gegenüber dem Schädiger jedoch den Restwert des verunfallten Fahrzeuges anrechnen lassen (vgl. Beck’scher Onlinekommentar zum BGB, Bearb.: Schubert, Stand: 01.03.2014, § 249 Rn. 211). Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Geschädigte dann nicht gegen seine Schadensminderungsobliegenheit gem. § 254 Abs. 2 BGB verstößt, wenn er sein Fahrzeug zu dem in einem von ihm eingeholten Schadensgutachte für den regionalen Markt ermittelten Restwert verkauft. Er ist zur Schadensminderung grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertankäufer im Internet in Anspruch zu nehmen und kann vom Schädiger auch nicht auf einen höheren Restwerterlös verwiesen werden, der auf einem solchen Sondermarkt durch spezialisierte Restwertaufkäufer erzielt werden könnte (BGH Urt. v. 10.07.2007, VI ZR 217/06, Rn. 9 m.w.N. – zitiert nach juris).

Nichts anderes gilt, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug nach dem Unfall in Eigenleistung repariert und weiternutzt, obwohl es wegen der hohen Kosten nicht mehr reparaturwürdig ist. Auch dann kann er seinen Schaden auf Grundlage des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des vom Sachverständigen ermittelten Restwertes abrechnen, ohne dass er sich auf die vom Schädiger ermittelten Restwertangebote verweisen lassen müsste. Eine andere Regelung würde dem Grundsatz des Schadensersatzrechts zuwiderlaufen, dass der Geschädigte Herr des Restitutionsverfahrens bleiben soll und grundsätzlich selbst bestimmen darf, wie mit der beschädigten Sache zu verfahren ist. Denn anderenfalls könnte der Versicherer des Schädigers den Geschädigten mit einem entsprechend hohen Angebot zum Verkauf des Fahrzeugs zwingen, da der Geschädigte bei Weiternutzung und späterem Verkauf in eigener Regie jedenfalls Gefahr liefe, wegen eines wesentlich niedrigeren Verkaufspreises für den Kauf des Ersatzfahrzeugs eigene Mittel aufwenden zu müssen (BGH Urt. v. 06.03.2007, VI ZR 120/06, Rn. 10 – zitiert nach juris).

Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr deshalb, weil der Kläger unbestritten sein Fahrzeug repariert hat, bevor ihm die entsprechenden Restwertangebote der Beklagten zugegangen sind. Die Beklagte hat auch nach dem ausdrücklichen Hinweis des Gerichts nicht bestritten, dass eine Reparatur durch den Kläger erfolgt sei, bevor ihm die Restwertangebote zugegangen seien. In diesem Fall besteht aber gerade ein Vertrauensschutz des Geschädigten dahingehend, dass er sich auf die vom Sachverständigen ordnungsgemäß auf einem regionalen Markt ermittelten Restwertangebote verlassen darf (BGH Urt. v. 13.10.2009, VI ZR 318/08, Rn. 10 – zitiert nach juris). Vorliegend hat der vom Kläger beauftragte Sachverständige drei Restwertangebote von Händlern in P, F2 und B eingeholt und das höchste abgegebene Angebot (1.500,00 EUR brutto) als Restwert seiner Schadensermittlung zugrunde gelegt. Dies ist nach der oben dargestellten Rechtsprechung ausreichend, um ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers zu begründen. Gegen die ordnungsgemäße Ermittlung der Restwertangebote hat die Beklagte auch nichts eingewendet.

Der Kläger musste aber hinsichtlich der Bestimmung des zu ersetzenden Wiederbeschaffungsaufwands sowohl im Rahmen des vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswertes als auch im Rahmen des ermittelten Restwertes gem. § 249 Abs. 2 S. 2 BGB die – tatsächlich nicht angefallene – Umsatzsteuer in Abzug bringen. Bei der insofern vorzunehmenden Berechnung hat der Tatrichter zu klären, ob solche Fahrzeuge üblicherweise auf dem Gebrauchtwagenmarkt nach § 10 UStG regelbesteuert oder nach § 25 a UStG differenzbesteuert oder von Privat und damit umsatzsteuerfrei angeboten werden. Dabei darf sich der Tatrichter im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO an der überwiegenden Wahrscheinlichkeit orientieren, mit der das Fahrzeug diesbezüglich am Gebrauchtwagenmarkt gehandelt wird (BGH Urt. v. 09.05.2006, VI ZR 225/05, Rn. 7 m.w.N. – zitiert nach juris).

Vorliegend legt das Gericht der Schadensberechnung die Regelbesteuerung zugrunde. Der Kläger ist für seine Behauptung, Fahrzeuge wie das Streitgegenständliche würden am Markt üblicherweise als differenzbesteuerte Gebrauchtwagen gehandelt, beweisfällig geblieben. Denn er hat trotz gerichtlichen Hinweises nicht näher dazu vorgetragen, warum vorliegend mit überwiegender Wahrscheinlichkeit hiervon auszugehen sei. Zwar hat der Kläger ursprünglich vorgetragen, dass vor dem Hintergrund, dass das streitgegenständliche Fahrzeug im Unfallzeitpunkt bereits 3 Jahre alt gewesen sei und eine Laufleistung von fast 420.000 km aufgewiesen habe, von einer Differenzbesteuerung auszugehen sei. Dies hat die Beklagte aber substantiiert mit der Begründung bestritten, bei dem streitgegenständlichen PKW handele es sich um ein gewerblich genutztes Taxi, welches am Markt regelmäßig nur als regelbesteuertes KFZ angeboten werde, unabhängig von Laufleistung und Alter. Eine ausreichende Überzeugung von der klägerischen Behauptung konnte das Gericht sich daher nicht bilden.

Es war daher zur Ermittlung des vom Kläger noch zu verlangenden Ersatzes vom Bruttowert des verunfallten PKW in Höhe von 10.450,00 EUR die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 % in Abzug zu bringen, so dass von einem (Netto-) Wiederbeschaffungswert in Höhe von 8.781,51 EUR auszugehen war. Hiervon war der Netto-Restwert in Höhe von 1.260,00 EUR (Brutto 1.500,00 EUR) in Abzug zu bringen, so dass sich ein ersatzfähiger Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 7.521,01 EUR ergab. Hierauf war wiederum der bereits gezahlte Ersatz in Höhe von 3.605,04 EUR anzurechnen, so dass sich ein restlicher Anspruch des Klägers gegen die Beklagte in Höhe von 3.914,96 EUR ergibt.

Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 BGB. Denn in dem Schreiben vom 05.11.2013, durch das die Beklagte zur Zahlung bis spätestens zum 18.11.2013 aufgefordert wurde, ist eine Mahnung zu sehen, da es eine bestimmte und unbedingte Aufforderung zur Leistung enthält. Der Zinsbeginn ergibt sich analog § 187 Abs. 1 BGB seit dem 19.11.2013.

Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich ein weiterer erstattungsfähiger Anspruch des Klägers gegen die Beklagte in Höhe von 265,20 EUR.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind als Kosten der ordnungsgemäßen Rechtsverfolgung Teil des nach § 249 BGB zu erstattenden Schadens. Der Höhe nach berechnen sich die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten allerdings nach dem Wert des tatsächlich zu ersetzenden Betrages, vgl. § 13 RVG. Vorliegend hatte der Kläger gegen die Beklagte ursprünglich einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 8.464,50 EUR (7.521,01 Wiederbeschaffungsaufwand + 855,13 EUR Sachverständigengebühren + 25,00 EUR Kostenpauschale). Die Wertgebühren berechneten sich daher richtigerweise nach einen Gegenstandswert in Höhe von bis zu 9.000,00 EUR, so dass Gebühren in Höhe von 659,10 EUR (entspricht dem 1,3-fachen Satz) zuzüglich 20,00 EUR Kostenpauschale erstattungsfähig waren. Hiervon hat die Beklagte bereits 413,90 EUR beglichen, so dass ein restlicher Anspruch des Klägers in der oben genannten Höhe verbleibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, 2. Alt. ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO für den Kläger und aus § 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO für die Beklagte.

Der Streitwert wird auf 5.379,56 EUR festgesetzt.

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