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Werbungskostenüberschüsse aus befristeter Vermietung nicht abziehbar – 1

BUNDESFINANZHOF

Az.: IX R 47/99

Urteil vom 09.07.2002

Vorinstanz: FG Schleswig-Holstein – Az.: V 972/97 – Urteil vom 07.05.1998


Leitsätze:

1. Bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit ist grundsätzlich ohne weitere Prüfung von einer Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen (z.B. BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771). Eine Vermietungstätigkeit ist auf Dauer angelegt, wenn sie nach den bei Beginn der Vermietung ersichtlichen Umständen keiner Befristung unterliegt.

2. Hat der Steuerpflichtige den Entschluss, auf Dauer zu vermieten, endgültig gefasst, gelten die Grundsätze des Urteils in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771 für die Dauer seiner Vermietungstätigkeit auch dann, wenn er das bebaute Grundstück später aufgrund eines neu gefassten Entschlusses veräußert.

3. Ein gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechendes Indiz liegt vor, wenn der Steuerpflichtige ein bebautes Grundstück innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs –von in der Regel bis zu fünf Jahren– seit der Anschaffung oder Herstellung wieder veräußert.


Gründe

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren Mitglieder der in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründeten Grundstücksgemeinschaft A. Diese erwarb im Oktober 1992 von der X GmbH & Co. KG (Verkäuferin) ein noch zu errichtendes Einkaufszentrum in B. Die Übergabe erfolgte zum 1. Dezember 1992. Die Verkäuferin hatte für die Verkaufsflächen Mietverträge abgeschlossen: Für einen SB-Markt einen Mietvertrag mit 15-jähriger Laufzeit und dreimal fünfjähriger Verlängerungsmöglichkeit, für fünf andere kleinere Läden (darunter ein Drogeriemarkt und ein Blumenladen) jeweils Mietverträge über zehn Jahre mit zweimal fünfjähriger Verlängerungsmöglichkeit. Die monatlich vereinbarte Gesamtmiete betrug 21 033 DM (zuzüglich Umsatzsteuer), die Jahresmiete 252 372 DM zuzüglich Umsatzsteuer. Die Mietverträge waren Bestandteil des Kaufvertrages. Die für den Drogeriemarkt ausgewiesene Miete garantierte die Verkäuferin für die Dauer von fünf Jahren ab Übergabevertrag, weil sie sich verpflichtet hatte, den Drogeriemarkt an eine namhafte Warenhauskette zu vermieten, was nicht gelungen war.

Den Kaufpreis (3 075 000 DM zuzüglich Umsatzsteuer) einschließlich der Nebenkosten finanzierten die Kläger bis auf 100 000 DM Eigenkapital (des Klägers zu 2.) durch den Abschluss von zehnjährigen Darlehensverträgen. Gleichzeitig schlossen sie Bausparverträge von jeweils 500 000 DM ab, die nach zehn Jahren zugeteilt werden sollten.

Am 20. Dezember 1993 veräußerten die Kläger das Einkaufszentrum in B an die Y GmbH & Co. KG in S für 3 075 000 DM (zuzüglich Umsatzsteuer). Die Übergabe erfolgte zum 31. Dezember 1993. Die Kläger (als Verkäufer) erklärten, dass die in dem Kaufobjekt vorhandenen Läden vermietet seien, und sicherten eine monatliche Gesamtmiete von 21 031 DM (zuzüglich Umsatzsteuer) zu.

Am 20. Dezember 1993 gründeten die Kläger (als alleinige Kommanditisten und Gesellschafter der Komplementärin) die Z GmbH & Co. KG, die zum 31. Dezember 1993 ein Einkaufszentrum in C für 3 200 000 DM (zuzüglich Umsatzsteuer) erwarb. Die Finanzierung erfolgte durch Übertragung der für das Objekt B aufgenommenen Darlehen; hierfür wurden den Klägern 9 030 DM und 16 976 DM Bearbeitungsgebühren in Rechnung gestellt.

Die Kläger nahmen für die Einkaufszentren in B und C Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz (FördG) in Höhe von jeweils 50 v.H. in Anspruch.

In ihren Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Streitjahre (1992 bis 1994) machten die Kläger im Zusammenhang mit dem Einkaufszentrum in B Werbungskostenüberschüsse von 1 930 944 DM für 1992 (Einnahmen: 435 416 DM; Werbungskosten einschließlich der Sonderwerbungskosten der Gesellschafter: 2 366 360 DM, darin enthalten 50 v.H. Sonderabschreibungen nach § 3 Nr. 1 FördG mit 1 519 937 DM), von 20 957 DM für 1993 (Einnahmen: 839 121 DM; Werbungskosten einschließlich Sonderwerbungskosten: 860 078 DM) und von 2 092 DM für 1994 (Einnahmen: 719 DM; Werbungskosten 3 811 DM) geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) vertrat die Auffassung, die Kläger hätten bei der Vermietung des Einkaufszentrums in B keine Einkünfteerzielungsabsicht gehabt und ließ die Werbungskostenüberschüsse nicht zum Abzug zu.

Demgegenüber machten die Kläger u.a. geltend, nach der Eröffnung des Einkaufszentrums habe sich herausgestellt, dass die geplanten Umsatzzahlen nicht zu realisieren gewesen seien, dass der Mieter des Blumengeschäftes in Zahlungsschwierigkeiten geraten sei und dass der eingeschaltete Immobilienmakler empfohlen habe, sich von dem Objekt zu trennen. Sie hätten daraufhin im November 1993 den Entschluss gefasst, das Einkaufszentrum in B zu verkaufen.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FA habe zutreffend die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger verneint. Gegen ihr Vorliegen spreche die Tatsache, dass die Kläger das Einkaufszentrum in B bereits knapp 14 Monate nach der Anschaffung wieder verkauft hätten. Die kurze Zeitspanne zwischen An- und Verkauf sei –unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum gewerblichen Grundstückshandel– Indiz dafür, dass im Zeitpunkt des Erwerbs auch eine kurzfristige Veräußerungsabsicht bestanden habe. Ausreichende Gesichtspunkte, dass der Verkaufsentschluss erst nach dem Erwerb gefasst worden sei, hätten die Kläger nicht vorgetragen. Das Urteil des FG ist in Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (DStRE) 2000, 235 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 Nr. 2, § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG–).

Sie beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Abänderung des negativen Feststellungsbescheides für die Streitjahre 1992 bis 1994 vom 13. Dezember 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 1997 Werbungskostenüberschüsse von 1 930 944 DM (1992), 20 957 DM (1993) und 2 092 DM (1994) einheitlich und gesondert festzustellen und diese dem Kläger zu 1. zuzurechnen mit 969 432 DM (1992), 14 077 DM (1993) und 1 046 DM (1994) sowie dem Kläger zu 2. zuzurechnen mit 961 512 DM (1992), 6 880 DM (1993) und 1 046 DM (1994).

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass den Klägern in den Streitjahren die Einkünfteerzielungsabsicht gefehlt hat.

1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt, wer ein Grundstück gegen Entgelt zur Nutzung überlässt und beabsichtigt, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung des Grundstücks einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen (z.B. BFH-Urteil vom 10. Oktober 2000 IX R 52/97, BFH/NV 2001, 587, m.w.N.).

a) Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften; die Einkünfteerzielungsabsicht kann insoweit nur in Ausnahmefällen verneint werden (BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771). Eine Vermietungstätigkeit ist auf Dauer angelegt, wenn sie nach den bei Beginn der Vermietung ersichtlichen Umständen keiner Befristung unterliegt.

b) Hat der Steuerpflichtige den Entschluss, auf Dauer zu vermieten, endgültig gefasst, gelten die Grundsätze des Urteils in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771 auch dann, wenn der Steuerpflichtige nach dem Beginn seiner Vermietungstätigkeit das bebaute Grundstück aufgrund eines neu gefassten Entschlusses veräußert. Bei der Beurteilung, ob er mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat, ist auch in diesem Fall von einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit auszugehen. Dass die tatsächliche Nutzungsdauer aufgrund neuer, gegebenenfalls von seinem Willen unabhängiger Umstände kürzer wurde, darf dem Steuerpflichtigen nicht zum Nachteil gereichen; nach seinen Vorstellungen bei deren Beginn sollte die Vermietungstätigkeit längerfristig sein.

c) Dagegen kann sich ein Beweisanzeichen für das Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht daraus ergeben, dass der Steuerpflichtige in der Zeit seiner nicht auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit kein positives Gesamtergebnis erreichen kann (BFH-Urteil vom 14. September 1994 IX R 71/93, BFHE 175, 416, BStBl II 1995, 116 – betr. die Beteiligung an einem Bauherrenmodell mit Rückkaufsangebot oder Verkaufsgarantie). Es kommt dann nicht darauf an, aus welchen Gründen (z.B. der Lebensführung i.S. von § 12 EStG) er den Werbungskostenüberschuss hinnimmt.

Der Senat führt diese Rechtsprechung dahin fort, dass ein gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechendes Indiz auch dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige das bebaute Grundstück innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs –von in der Regel bis zu fünf Jahren– seit der Anschaffung oder Herstellung wieder veräußert und innerhalb dieser Zeit insgesamt nur einen Werbungskostenüberschuss erzielt (vgl. zur Fünfjahresfrist, z.B. BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. III. 2., m.w.N. – gewerblicher Grundstückshandel). Je kürzer der Abstand zwischen der Anschaffung oder Errichtung des Objekts und der nachfolgenden Veräußerung ist, umso mehr spricht dies gegen eine auf Dauer angelegte Vermietungstätigkeit und für eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht.

d) Ob ein Gesamtüberschuss zu erzielen ist, ergibt sich aus einer den Zeitraum der tatsächlichen Vermögensnutzung umfassenden Totalüberschussprognose (BFH-Urteil vom 6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, unter II. 2.). Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht trägt im Zweifel der Steuerpflichtige (Urteil in BFHE 175, 416, BStBl II 1995, 116). Er kann das gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechende Beweisanzeichen erschüttern, indem er Umstände darlegt und nachweist, die dafür sprechen, dass er den Entschluss zur Veräußerung erst nachträglich gefasst hat; denn es ist unschädlich, wenn er sich die Veräußerung des erworbenen Grundstücks allgemein für den Fall vorbehält, dass die Änderung äußerer Umstände und Bedingungen ihn dazu zwingen (BFH-Urteil vom 4. Dezember 2001 IX R 70/98, BFH/NV 2002, 635, m.w.N.).

Ob im Einzelfall Indizien gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechen, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung, die dem FG obliegt (z.B. Urteil in BFH/NV 2002, 635, m.w.N.). Das FG hat alle feststehenden Indizien in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO); diese ist nach § 118 Abs. 2 FGO für das Revisionsgericht bindend, wenn sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt. Die Gesamtwürdigung durch das FG hat schon dann revisionsrechtlich Bestand, wenn sie zwar nicht zwingend, aber möglich ist (Urteil in BFH/NV 2002, 635, m.w.N.).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Vorentscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat zutreffend den engen Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung als Indiz für die schon beim Erwerb bestehende Absicht angesehen, das Einkaufszentrum in B kurzfristig wieder zu veräußern. Die hiergegen von den Klägern vorgetragenen Umstände hat es dahin gewertet, dass durch sie ein erst nach dem Erwerb gefasster Entschluss zur Veräußerung nicht dargelegt werde. Das FG hat hierzu u.a. ausgeführt, der Abschluss langfristiger Mietverträge und die Finanzierung des Kaufpreises mit längerfristigen Darlehen unter gleichzeitigem Abschluss von Bausparverträgen zur schnelleren Tilgung der Fremdmittel sei zwar grundsätzlich ein Indiz für eine langfristig angelegte Vermietung; sie schließe aber nicht aus, dass auch ein kurzfristiger Verkauf der Immobilie im Raume gestanden habe. Nach dem Vortrag der Kläger seien die vereinbarten Mieten günstig gewesen und hätten insbesondere die laufenden Zinsbelastungen überstiegen. Der Kauf einer solchen Immobilie sei für einen Käufer interessant, weil er in Mietverträge mit einer längerfristigen Mietbindung einsteigen könne. Eine langfristige Finanzierung könne in der Regel auf eine andere Investition übertragen werden. Anhaltspunkte dafür, dass dies im Streitfall ausgeschlossen gewesen sei, lägen nicht vor. Dass wegen der Übertragung Bearbeitungsgebühren zu zahlen seien, fiele bei einem Objekt in der Größenordnung des Einkaufszentrums in B nicht ins Gewicht. Der Hinweis der Kläger, das Einkaufszentrum in B habe der Altersvorsorge dienen sollen, schließe eine von Anfang an bestehende Verkaufsabsicht nicht aus; die Kläger hätten aus einem Verkauf frei werdende Mittel anderweitig anlegen und auf diese Weise das Ziel der Altersversorgung weiterverfolgen können. Für das FG sei auch nicht zu erkennen, dass sich die wirtschaftliche Situation nach Übernahme des Einkaufszentrums am 1. Dezember 1992 derart gravierend verändert habe, dass die Kläger sich erst Ende November 1993 entschlossen hätten, sich von dem ein Jahr zuvor erworbenen Objekt zu trennen. Der Hinweis auf den Ausfall und schleppenden Eingang der Miete für den Blumenladen überzeuge nicht, weil die auf den Blumenladen entfallende Miete (1 854 DM) im Verhältnis zur monatlichen Gesamtmiete (21 031 DM) nicht derart ins Gewicht falle, dass allein deshalb von einem gravierenden Mietausfallrisiko gesprochen werden könne. Die fehlgeschlagene Vermietung des Drogeriemarktes an einen namhaften Mieter sei den Klägern bereits bei Abschluss des Kaufvertrages bekannt gewesen. Die Kläger hätten auch nicht glaubhaft dargelegt, dass der Investitionsstandort C gegenüber dem ursprünglichen Investitionsstandort B wirtschaftlich günstiger sei und dass allein aus diesen Gründen der Verkauf des Objekts in B und unmittelbar darauf der Ankauf des Objekts in C erfolgt sei.

Mit diesen (und seinen weiteren) Erwägungen hat das FG den Klägern nicht –wie sie mit ihrer Revision u.a. geltend machen– im Rahmen einer Beweiswürdigung nach Anscheinsgrundsätzen unzulässigerweise den Beweis des Gegenteils auferlegt (vgl. dazu Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Tz. 44). Das FG hat vielmehr im Rahmen der ihm obliegenden Gesamtwürdigung geprüft, ob die Kläger nachvollziehbare Gründe für die spätere Entschlussfassung vorgetragen haben und dies verneint. Die verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommene und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusste Würdigung des FG ist zumindest möglich und bindet damit den Senat (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

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