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Verrichtungsgehilfenhaftung bei Kraftfahrzeugbeschädigung durch selbstfahrende Arbeitsbühne

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Az.: 7 U 27/13, Urteil vom 17.04.2014

Auf die Berufung des Klägers wird – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen – das am 25. Januar 2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird unter Klagabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger

a) 7.623,85 € mit Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. März 2010 sowie

b) außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 661,16 € mit Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Juli 2011

zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungsstreitwert beträgt 7.629 €.

Gründe

I.

Verrichtungsgehilfenhaftung bei Kraftfahrzeugbeschädigung durch selbstfahrende Arbeitsbühne
Symbolfoto: Von Peter Titmuss /Shutterstock.com

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Unfall in Anspruch.

Der Kläger ist Eigentümer eines PKW Volvo S 80. Am 2.2.2010 befuhr er gegen 12:30 Uhr in L. die S. Straße in Fahrtrichtung K.. An der Kreuzung Ka./ S. Straße kam es zu einer Kollision mit einer selbstfahrenden Arbeitsbühne (Gelenkteleskoparbeitsbühne) der Beklagten, die von ihrem Mitarbeiter (L.) bedient und gefahren wurde. Der Unfallhergang ist streitig.

Diese Arbeitsbühne hatte die Beklagte an diesem Tag „mit Bedienpersonal“ für mehrere Stunden an die G. GmbH & Co. KG (nachfolgend: G. KG) vermietet (Anl. BLD 3, Bl. 71), die den Auftrag hatte, das Dach des gewerblichen genutzten Gebäudes (Mh.) von der Schneelast zu befreien. Neben dem die Arbeitsbühne bedienenden Mitarbeiter der Beklagten befanden sich auch zwei Mitarbeiter der G. KG im Arbeitskorb der Arbeitsbühne (Zeugen M. und Kr.).

Der Kläger hat behauptet: Er habe an der Kreuzung nach links in die Ka. abbiegen wollen. Zu diesem Zweck habe er sich auf die linke Abbiegespur eingeordnet und sei auf dieser sukzessive vorgerückt. Als sein Fahrzeug auf Höhe der rechts neben ihm befindlichen Arbeitsbühne gehalten habe, sei der Ausleger auf die Linksabbiegerspur eingeschwenkt und gegen sein stehendes Fahrzeug geraten.

Seinen Schaden, zu dessen Ersatz der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 26. Februar 2011 unter Fristsetzung vergeblich aufgefordert hatte, beziffert der Kläger wie folgt:

1       Reparaturkosten des Fahrzeugs (Rechn. Anl. K 2 Bl. 24 ff) 6.908,77 €

2       Kosten Schadensgutachten (Rechn. Anl. K 1 – Bl. 8 ff) 695,08 €

3       Kostenpauschale 25,00 €

Insgesamt 7.628,85 €

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.628,85 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.3.2010 sowie 661,16 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei nicht anspruchsverpflichtet. Zum Schadenszeitpunkt sei ihr Mitarbeiter L. Verrichtungsgehilfe der Mieterin (G. KG) gewesen, die deswegen für eine etwaige schadensursächliche Handlung des Mitarbeiters hafte. Dieser habe von den Zeugen M. und Kr. Anweisungen erhalten und nach deren Vorgaben die Arbeitsbühne bedient.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme (Zeugen) die Klage abgewiesen, weil der Kläger nicht bewiesen habe, das der Fahrer L. der Beklagten die Arbeitsbühne gegen das stehende klägerische Fahrzeug geführt habe. Danach scheide ein Anspruch aus § 831 BGB gegen die Beklagte aus. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der tatsächlichen Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Dagegen wendet der Kläger sich mit seiner Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Zahlungsbegehren weiterverfolgt.

Er macht geltend: das Landgericht Lübeck habe übersehen, dass er sich zum Beweise auf seinen Sachvortrag, mit seinem Fahrzeug gestanden zu haben, auf Einholung eines Sachverständigengutachtens bezogen habe und im Übrigen hinreichende Anknüpfungstatsachen hierfür behauptet habe, nämlich Art und Ausmaß der beschriebenen unfallursächlichen Schäden an seinem Fahrzeug nach Maßgabe des Schadensgutachtens und der Reparaturrechnung.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Der Senat hat ergänzend Beweis durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. Me. zu der Frage erhoben, ob das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision auf der Linksabbiegespur gestanden hatte. Wegen des Beweisergebnisses wird auf dessen Gutachten vom 6. Dezember 2013 Bezug genommen (Bl. 229 ff).

II.

Die Berufung hat ganz überwiegend Erfolg.

Die Beklagte ist zum Ersatz des dem Kläger durch die Kollision mit ihrer Arbeitsbühne entstandenen Schadens verpflichtet, § 831 BGB.

Sie hat für den dem Kläger durch ihren Mitarbeiter L. als Bediener der Arbeitsbühne widerrechtlich zugefügten Schaden einzustehen.

1. Der Kläger hat bewiesen, dass sein stehendes Fahrzeug von dem ausschwenkenden Ausleger der Arbeitsbühne rechtsseitig beschädigt wurde. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme und des zweitinstanzlich eingeholten Unfallrekonstruktionsgutachtens steht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass der beim Rechtsabbiegen in die Kantstraße Ka. hinten nach links (auf die Fahrbahn) ausschwenkende Ausleger der Arbeitsbühne das vor der Ampel auf der Linksabbiegespur stehende Fahrzeug des Klägers rechtsseitig traf und dabei beschädigte. Das ergibt sich insbesondere aus der Aussage des Zeugen Mohn M., der sich im Arbeitskorb der Arbeitsbühne befand und das gesamte Geschehen „aus erster Hand“ verfolgen konnte. Dessen Aussage wird bestätigt durch das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten. Der Sachverständige hat unter Auswertung der Schadensfotos und aufgrund einer Besichtigung der Arbeitsbühne festgestellt, dass die Beschädigungen am klägerischen PKW Volvo S 80 sich dann vollständig zuordnen lassen, wenn der Heckausleger der Gelenkteleskoparbeitsbühne in der Drehbewegung mit der rechten Seite des stehenden klägerischen Fahrzeuges kollidiert war. Die Aussagen der Zeugen H. sind zum Kerngeschehen unergiebig, weil sie keine Augenzeugen der Kollision waren. Der sich ebenfalls im Arbeitskorb befindende Zeuge Kr. hat seinen Arbeitskollegen, den Zeugen M., dahin bestätigt, dass die Arbeitsbühne auf der rechten Fahrspur der S. Straße fuhr und ausschwenkte. Nur in der Frage der Kollisionsstelle vermochte er sich nicht sicher zu erinnern. Die nach seiner Erinnerung stattgefundene Kollision mit dem vorderen Rad der Arbeitsbühne ist zudem als objektiv unrichtig widerlegt.

2. Hiernach steht fest, dass der Bediener der Arbeitsbühne, der Arbeitnehmer der Beklagten, beim Abbiegen die nötige Sorgfalt vermissen ließ, weil er die Gefahr durch den ausschwenkenden Ausleger für andere Verkehrsteilnehmer, die sich im Schwenkbereich befanden, missachtete. Dieses verkehrs- und damit rechtswidrige Verhalten war ursächlich für die Kollision mit dem Fahrzeug des Klägers.

3. Die Beklagte hat für ihren Mitarbeiter L., der als ihr Arbeitnehmer ihr Verrichtungsgehilfe ist und von ihr mit dem Führen der Arbeitsbühne betraut war, wegen eigenen Auswahl- und Überwachungsverschuldens einzustehen.

Den ihr obliegenden Entlastungsbeweis für fehlendes Verschulden oder fehlende Kausalität hat sie nicht geführt (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB). Danach tritt die Ersatzpflicht u. a. dann nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass sie ihren Mitarbeiter als Bediener der Arbeitsbühne sorgfältig ausgesucht und überwacht hat. Sie hat auch nicht ansatzweise dargelegt, welche Qualifikation ihr Mitarbeiter im Hinblick auf die Bedienung der Arbeitsbühne hatte und wie er in deren Bedienung auch unter erschwerten Bedingungen, wie etwa der Benutzung im öffentlichen Verkehrsraum, eingewiesen wurde.

4. Der Umstand, dass die Beklagte die Arbeitsbühne mit Bedienpersonal an die G. KG vermietet hatte, die die Arbeitsbühne benötigte, um damit die ihr übertragenen Dacharbeiten (Beseitigung der Schneelast auf dem Hallendach) durchführen zu können, ändert nichts daran, dass das Bedienpersonal (auch) Verrichtungsgehilfe der Beklagten war.

Zugunsten der Beklagten kann als richtig unterstellt werden, dass ihr Arbeitnehmer während des Mietzeitraums der Arbeitsbühne den Weisungen der Mieterin (G. KG) hinsichtlich des konkreten Einsatzes der Arbeitsbühne unterlag, nämlich wo er sie im Bereich der Mh. einzusetzen hatte, damit ihre eigenen Arbeitnehmer, die Zeugen M. und Kr., die Schneeräumarbeiten auf dem Hallendach ausführen konnten. Gleichwohl blieb der Beklagten das Weisungsrecht hinsichtlich der Art und Weise der Bedienung der Arbeitsbühne als solcher erhalten. Dies mag als generelle Rahmenbedingung des Arbeitsbühneneinsatzes bezeichnet werden. Denn die Arbeitsbühne durfte nur im Rahmen ihrer festgelegten Eignung verwendet und musste deshalb sach- und fachgerecht bedient werden, weshalb die Beklagte ja auch entsprechend fachmännisch geschultes Bedienpersonal zu stellen hatte. Insoweit blieb das selbständige Weisungs- und Überwachungsrecht der Beklagten zum „Wie“ der Bedienung der Arbeitsbühne neben dem Weisungsrecht der G. KG zum „Wo“ (Einsatzort im Bereich der Halle) bestehen.

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Von einer vollständigen Ausgliederung des Bedienpersonals aus dem Unternehmen der Beklagten für die Dauer der auf einige Stunden beschränkten Mietzeit kann deshalb keine Rede sein. Dementsprechend kommt bei nicht vollständiger Ausgliederung aus dem alten Unternehmen auch eine Inanspruchnahme beider Seiten als Geschäftsherren i.S. von § 831 BGB in Betracht (BGH Urt. v. 26.01.1995 – VII ZR 240/93 – NJW-RR 1995, 659-660; ferner OLG Celle, Urt. v. 22.05.1996 – 20 U 15/95 – NJW-RR 1997, 469). Da der hier im Streit stehende Schaden beim Bedienen (Versetzen) der Arbeitsbühne entstanden ist und damit auf einem Bedienfehler des gestellten Bedieners beruht, bleibt die Verantwortlichkeit der Beklagten im Verhältnis zu dem geschädigten Dritten, nämlich dem Kläger, bestehen.

5. Die Schadenshöhe ist durch das vom Kläger eingeholte Gutachten in Verbindung mit der Reparaturrechnung der Volvo-Fachwerkstatt einschließlich der Reparaturdauer und damit des Mietzeitraums für ein Ersatzfahrzeug (Werkstattersatzwagen) in der geltend gemachten Höhe mit insgesamt brutto (6.908,77 + 695=) 7.603,77 € belegt. Die zu ersetzende Kostenpauschale beläuft sich indes nach ständiger und unveränderter Rechtsprechung des Senats nur auf 20 € (nicht 25 €).

Die zu ersetzenden vorgerichtlichen Anwaltskosten sind mit 661,16 € zutreffend berechnet.

6. Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 286 ff BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.

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