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Versetzung einer Luftwärmepumpe aufgrund bauaufsichtlicher Verfügung

Die Versetzung einer Luftwärmepumpe: Relevante Geräuschimmissionen und bauaufsichtliche Verfügung

In einem aktuellen Rechtsfall ging es um die Versetzung einer Luftwärmepumpe aufgrund einer bauaufsichtlichen Verfügung. Dieser Fall hat aufgrund seiner Problematik eine beachtliche Aufmerksamkeit erregt und liefert wichtige Einblicke in das Abstandsflächenrecht und den Bereich der Geräuschimmissionen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 K 750/19 >>>

Der Ursprung des Konflikts und die Hauptsacheproblematik

Im August 2019 wurde die Installation einer Luftwärmepumpe mit dem Einwand zurückgewiesen, dass diese als bauliche Anlage anzusehen sei, die aufgrund ihrer Geräuschimmissionen eine gebäudeähnliche Wirkung hätte, weshalb die Einhaltung von Abstandflächen erforderlich sei. Die betroffenen Kläger haben im September desselben Jahres Klage erhoben, mit dem Ziel, ihr Anliegen weiterzuverfolgen.

Der Einfluss des Abstandsflächenrechts auf bauliche Anlagen

Im Kern dieses Falls steht die Frage, ob eine Luftwärmepumpe die gleichen Abstandsflächen einhalten muss wie ein Gebäude. Die Beklagte stützte ihre Ansicht auf die vorherige Verwaltungsentscheidung und den Widerspruchsbescheid und betonte den Schutzzweck des Abstandsflächenrechts. Nach einer in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Ansicht könnten schon Anlagen mit einer geringeren Höhe als 2 Meter den Wohnfrieden beeinträchtigen. Sie stellte auch fest, dass solche Anlagen eine Brandgefahr darstellen könnten, was ebenfalls unter den Schutzzweck der Abstandflächenregelung fällt.

Die Entscheidung des Gerichts und deren Auswirkungen

In ihrer Urteilsbegründung entschied das Gericht, dass die Klage zulässig sei und Erfolg habe. Die Luftwärmepumpe der Kläger, die nur einen geringen Abstand zum Nachbargrundstück einhält, entfaltet keine gebäudegleiche Wirkung. Sie verursacht zwar Geräuschimmissionen, die nach Ansicht einiger Zivilgerichte den Nachbarfrieden gefährden können. Dennoch führt das Abstandsflächenrecht nicht zu einer abschließenden Lösung der Lärmkonflikte im Nachbarschaftsverhältnis.

Schlussfolgerungen aus dem Urteil und zukünftige Auswirkungen

Das Urteil legt nahe, dass bauliche Anlagen wie Luftwärmepumpen aufgrund ihrer möglichen Geräuschimmissionen und ihrer potenziellen Brandgefahr unter bestimmten Umständen den gleichen Abstand einhalten müssen wie Gebäude. Es unterstreicht die Bedeutung des Abstandsflächenrechts für den Schutz des Wohnfriedens und der Privatsphäre, sowie für das Verhindern einer Brandübertragung und die Gewährleistung ausreichender Belichtung und Belüftung. Jedoch wurde betont, dass die Anforderungen der Abstandsflächenregelung in Bezug auf Lärmkonflikte im Nachbarschaftsverhältnis eingeschränkt zu verstehen sind.

Mit diesem Urteil wurde ein bedeutender Präzedenzfall geschaffen, der als Referenz in zukünftigen ähnlichen Fällen dienen kann. […]


Das vorliegende Urteil

VG Mainz – Az.: 3 K 750/19 – Urteil vom 30.09.2020

Die Bescheide vom 27. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2019 werden aufgehoben.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen eine bauaufsichtliche Verfügung, mit der sie zur Versetzung einer Luftwärmepumpe auf ihrem Grundstück verpflichtet werden.

Versetzung einer Luftwärmepumpe aufgrund bauaufsichtlicher Verfügung
Die Installation einer Luftwärmepumpe kann Abstandsflächenrechte und Geräuschimmissionen berühren, wie ein aktueller Gerichtsfall zeigt. (Symbolfoto: Eduard Goricev /Shutterstock.com)

Sie sind Eigentümer des Grundstücks B. 14 in J-Stadt (Gemarkung Ober-J-Stadt, Flur 2, Flurstück XX/X), das mit einem Wohngebäude mit einer Wohneinheit und drei Garagenstellplätzen bebaut ist. Die entsprechende Baugenehmigung vom 7. Juni 2016 erging im vereinfachten Genehmigungsverfahren. In einem Abstand von ca. 1,8 m zu dem südwestlichen Nachbargrundstück B. 18 (Flur 2, Flurstück XX/X) ist eine Luftwärmepumpe errichtet, die 126 cm hoch, 89 cm breit und 37 cm tief ist. Zur Grenze zu dem südwestlichen Nachbargrundstück B. 18 wurde außerdem im Bereich der Wärmepumpe eine ca. 2 m hohe Wand aus schalldämmendem Material errichtet.

Im Januar 2018 beantragten die Eigentümer des Grundstücks B. 18 bei der Beklagten ein bauaufsichtliches Einschreiten u.a. wegen Geräuschbelästigungen durch die Luftwärmepumpe der Kläger. Nach einer Ortsbesichtigung am 21. Februar 2018 und einer schriftlichen Anhörung der Kläger forderte die Beklagte die Kläger mit jeweils an die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2) gerichteten bauaufsichtlichen Verfügungen vom 27. Juni 2018 auf, innerhalb von vier Wochen nach Bestandskraft der jeweiligen Verfügung die auf dem Anwesen errichtete, nicht eingehauste Luftwärmepumpe so zu versetzen, dass der erforderliche Mindestabstand von 3 m zur Grundstücksgrenze B. 18 eingehalten werde. Die Luftwärmepumpe sei als bauliche Anlage zu qualifizieren, die Abstandsflächen auslöse. Die vorhandene Schalldämmwand sei keine Einhausung.

Dagegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 29. Juni 2018 Widerspruch. Die Luftwärmepumpe entfalte schon wegen ihrer geringen Größe keine gebäudeähnliche Wirkung und verursache keine Geräuschimmissionen, die mit von Gebäuden ausgehenden Geräuschimmissionen vergleichbar seien.

Die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2019 zurückgewiesen. Die Luftwärmepumpe sei als bauliche Anlage anzusehen, der aufgrund ihrer Geräuschimmissionen gebäudeähnliche Wirkung zukomme, welche die Einhaltung von Abstandflächen erfordere. Das Abstandsflächenrecht schütze auch vor Geräuscheinwirkungen.

Hiergegen haben die Kläger am 16. September 2019 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. In der Rechtsprechung werde uneinheitlich bewertet, ob Luftwärmepumpen abstandsflächenrechtlich relevant seien. Dagegen spreche, dass nur Gebäude Abstandsflächen auslösten und es für die Frage, ob andere Anlagen ebenfalls mit Grenzabstand errichtet werden müssen, darauf ankomme, ob ihnen gebäudegleiche Wirkung zukomme. Das sei nach in der Rechtsprechung teilweise vertretener Ansicht aber erst bei einer Höhe von mehr als 2 m bzw. einer Länge von 3 m bis 5 m der Fall. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass eine schalldämmende Einfriedung vorhanden sei.

Die Kläger beantragen, die Bescheide vom 27. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2019 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Unter Verweis auf die ergangene Verwaltungsentscheidung und den Widerspruchsbescheid vertieft sie ihre Ansicht, mit Blick auf den Schutzzweck des Abstandsflächenrechts müsse auch die Luftwärmepumpe mit Grenzabstand errichtet werden. Nach teilweise vertretener Ansicht der Rechtsprechung könnten schon Anlagen mit einer geringeren Höhe als 2 m den Wohnfrieden beeinträchtigen. Schließlich handele es sich um eine technische Anlage, von der Brandgefahren ausgingen, die ebenfalls zum Schutzzweck der Abstandflächenregelung zählten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die bauaufsichtlichen Verfügungen vom 27. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2019 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger daher in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).

Gemäß § 81 Satz 1 Landesbauordnung– LBauO – kann die Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung solcher baulichen Anlagen verlangen oder die Benutzung der Anlagen untersagen, die gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung, die Änderung, die Instandhaltung oder die Nutzungsänderung dieser Anlagen verstoßen. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die streitgegenständliche Luftwärmepumpe ist weder formell (1.) noch materiell illegal (2.).

1. Die Luftwärmepumpe ist nicht formell illegal, denn gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 d) LBauO sind Wärmepumpen grundsätzlich genehmigungsfrei. Sie war hier auch nicht Gegenstand der Baugenehmigung vom 7. Juni 2016 (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 4. September 2014 – 4 K 417/14.NW –, juris Rn. 38).

2. Die Luftwärmepumpe ist auch nicht materiell illegal. Sie verstößt nicht gegen Abstandsflächenrecht.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO sind oberirdische Gebäude mit Abstandsflächen zu errichten, wobei die Tiefe der Abstandsflächen mindestens 3 m betragen muss (§ 8 Abs. 6 Satz 3 LBauO). Für bauliche Anlagen, andere Anlagen und Einrichtungen, von denen Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden ausgehen, gelten die Absätze 1 bis 7 gegenüber Gebäuden und Grundstücksgrenzen gemäß § 8 Abs. 8 Satz 1 LBauO entsprechend. Sie sind gemäß § 8 Abs. 8 Satz 2 LBauO ohne eigene Abstandsflächen oder mit einer geringeren Tiefe der Abstandsflächen und in den Abstandsflächen von Gebäuden zulässig, wenn die Beleuchtung mit Tageslicht nicht erheblich beeinträchtigt wird und der Brandschutz gewährleistet ist.

Die Luftwärmepumpe der Kläger hält zwar zum Nachbargrundstück nur einen Abstand von ca. 1,8 m ein und wahrt daher nicht die Regelung in § 8 Abs. 6 Satz 3 LBauO. Die Vorschrift ist jedoch nicht anwendbar, weil die Luftwärmepumpe ohne Abstandsflächen errichtet werden darf. Das ergibt sich nicht aus § 8 Abs. 9 Satz 1 LBauO, weil die Luftwärmepumpe kein Fall des § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 bis 3 LBauO ist. Sie darf aber ohne Grenzabstand errichtet werden, weil sie offensichtlich kein Gebäude im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO ist, darüber hinaus auch keine bauliche Anlage mit gebäudegleicher Wirkung im Sinne des § 8 Abs. 8 Satz 1 LBauO darstellt und daher keine Abstandsflächen einhalten muss (a). Jedenfalls darf sie gemäß § 8 Abs. 8 Satz 2 LBauO ohne Abstandsflächen errichtet werden (b).

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a) Von der (nicht in einem Gebäude installierten) Luftwärmepumpe gehen keine Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden aus (§ 8 Abs. 8 Satz 1 LBauO).

Zwar handelt es sich bei der Luftwärmepumpe um eine bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 LBauO, da sie aus Bauprodukten (vgl. § 2 Abs. 10 LBauO) hergestellt und mit dem Erdboden fest verbunden ist.

Sie entfaltet aber keine gebäudegleiche Wirkung. Da § 8 LBauO nicht näher regelt, wann von einer baulichen Anlage gebäudegleiche Wirkung ausgeht, ist dies ist mit Blick auf die Schutzzwecke des Abstandsflächengebots zu ermitteln. Die Abstandsflächen sollen eine Brandübertragung verhindern, eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung in den Räumen der Gebäude und der Gebäude zueinander gewährleisten und nach dem überkommenen Verständnis der Abstandsvorschriften auch sozialen Zwecken wie der Sicherung der „Privatheit“ und der Wahrung des Wohnfriedens dienen (vgl. OVG RP, Urteil vom 12. Februar 2016 – 1 A 10530/15 –, NVwZ-RR 2006, 768 = juris Rn. 40). Zentraler Zweck ist überdies, unzumutbare Belästigungen zu verhüten und die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu verwirklichen (vgl. OVG RP, Urteil vom 19. Januar 2006 – 1 A 10845/05 –, NVwZ-RR 2016, 690 = juris Rn. 21; Jeromin, in: Jeromin/Schmidt/Lang, Kommentar Landesbauordnung, § 8 Rn. 2). Insofern ist das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht Ausdruck neuerer städtebaulicher und immissionsschutzrechtlicher Zielsetzungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 17.90 –, DVBl 1991, 819 = juris Rn. 24).

Hier ist eine gebäudegleiche Wirkung der Luftwärmepumpe schon aufgrund ihrer geringen Größe zu verneinen. Gebäudegleiche Wirkung kommt nämlich nur solchen oberirdischen Anlagen zu, die Gebäuden vergleichbare Abmessungen haben und aus diesem Grunde die mit den Abstandsflächen verfolgten Zwecke beeinträchtigen. Zwar legt § 8 Abs. 8 LBauO keine Mindestmaße für die baulichen Anlagen fest, ab denen von einer gebäudeähnlichen Wirkung auszugehen ist. Insoweit kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 17. April 2008 – 4 K 25/08.NW –, juris Rn. 34). Üblicherweise wird eine gebäudegleiche Wirkung aber erst bei Höhen von über 2 m und Längen ab 3 m bis 5 m bejaht (vgl. BayVGH, Urteil vom 9. August 2007 – 25 B 05.1341 –, juris Rn. 41 ff. hinsichtlich eines 25 m hohen Mobilfunksendemasts; SaarlOVG, Beschluss vom 23. Januar 2008 – 5 L 62/08 –, juris Rn. 11 zu einer 2 m hohen Grenzmauer aus großformatigen Steinblöcken; VG Neustadt, Urteil vom 17. April 2008 – 4 K 25/08.NW –, juris Rn. 34 für einen Kinderspielturm; OVG RP, Urteil vom 13. Oktober 1993 – 8 A 12355/92 –, juris Rn. 24 f. hinsichtlich einer mehr als 2 m hohen Einfriedung in Form eines oben auskragenden verzinkten Drahtgitterzaunes; HambOVG, Urteil vom 13. August 2019 – 2 Bf 438/18 –, BauR 2019, 1895 = juris Rn. 40 zu einer Lüftungsanlage einer Tiefgarage). Vor diesem Hintergrund entfaltet die Luftwärmepumpe der Kläger mit einer Höhe von ca. 1,3 m und einer Länge von ca. 0,9 m keine gebäudegleiche Wirkung.

Die Luftwärmepumpe hat ferner auch mit Blick auf die von dem Abstandsflächenrecht verfolgten Ziele keine gebäudegleiche Wirkung. Sie verursacht zwar Geräuschimmissionen, derentwegen in der Rechtsprechung der Zivilgerichte angenommen wird, dass – obwohl das Ausmaß dieser Geräuschimmissionen umstritten ist – diese jedoch geeignet sind, den Nachbarfrieden zu gefährden, dessen Schutz die Vorschriften über Abstandsflächen dienen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 26. Februar 2013 – 25 U 162/12 –, NJW-RR 2013, 793 = juris Rn. 27; OLG Nürnberg, Urteil vom 30. Januar 2017 – 14 U 2612/15 –, MDR 2017, 639 = juris Rn. 25; VG Düsseldorf, Urteil vom 16. Dezember 2015 – 28 K 3757/14 –, juris Rn. 42). Unabhängig von der Frage, ob das rheinland-pfälzische Abstandsflächenrecht generell und insbesondere im Rahmen von § 8 Abs. 8 Satz 1 LBauO auch dem Schutz des Wohnfriedens dient (vgl. OVG RP, Urteil vom 3. November 1999 – 8 A 10951/99 –, BauR 2000, 551 = juris Rn. 27; verneint für § 8 Abs. 8 OVG RP, Urteil vom 21. September 2000 – 1 A 10952/00 –, NVwZ-RR 2001, 290 = juris Rn. 20), ist die Zielsetzung der Abstandsflächenanforderungen jedenfalls eingeschränkt zu verstehen: Das Abstandsflächenrecht führt die im Nachbarschaftsverhältnis auftretenden Lärmkonflikte keiner abschließenden Lösung zu (vgl. OLG München, Urteil vom 11. April 2018 – 3 U 3538/17 –, BeckRS 2018, 5574 Rn. 28). Zwar zählt die Vermeidung von Emissionen in der Nähe der Grundstücksgrenze zu Sinn und Zweck des Abstandsflächenrechts. Das bildet aber ersichtlich schon deshalb nicht seinen primären Schutzzweck, weil Abweichungen von den Vorgaben des Abstandsflächenrechts grundsätzlich möglich sind. Insofern ist der durch das Abstandsflächenrecht verfolgte Schutz der Grundstücksnachbarn lückenhaft (vgl. OLG München, Urteil vom 11. April 2018 – 3 U 3538/17 –, BeckRS 2018, 5574 Rn. 28). Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass das Abstandsflächenrecht in erster Linie auf einen ausreichenden Abstand von Bauten zueinander abstellt und damit keinen abschließenden Lärmschutz im Nachbarverhältnis bezweckt (vgl. OVG RP, Urteil vom 19. Januar 2006 – 1 A 10845/06 –, NVwZ-RR 2006, 768 = juris Rn. 22 zum Schutz vor von Windkraftanlagen ausgehender Eiswurfgefahr). Die im Rahmen des § 8 LBauO im Vordergrund stehende Frage nach den baulichen Abständen von Gebäuden bildet indes nur einen ersten Ansatzpunkt für den Schutz vor von Gebäuden ausgehenden Emissionen und dient primär dem Ziel einer aufgelockerten Bebauung der Grundstücke. Ein vollständiger, abschließender Schutz vor Geräuschimmissionen ist damit nicht gewährleistet.

b) Aber auch wenn man von einer gebäudegleichen Wirkung der (nicht innerhalb eines Gebäudes installierten) Luftwärmepumpe ausgeht, darf sie jedenfalls gemäß § 8 Abs. 8 Satz 2 LBauO ohne Abstandsflächen errichtet werden.

Aufgrund der geringen Größe der Luftwärmepumpe beeinträchtigt sie die Belichtungssituation des (südlich gelegenen) Nachbargrundstücks nicht. Anders als die Beklagte annimmt, ist auch der Brandschutz gewährleistet. Denn die Luftwärmepumpe ist in einem Abstand von ca. 1,8 m von der Grenze zu dem südwestlich gelegenen Nachbargrundstück (Flurstück XX/X) errichtet. Die Bebauung auf diesem Grundstück beginnt im hinteren Teil erst in einem Abstand von ca. 3 m und im vorderen Teil in einem Abstand von ca. 5 m von der Grenze. Insofern ist nicht mit einem Brandüberschlag zu rechnen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist hier nicht eine eventuelle bauliche Entwicklung auf dem Nachbargrundstück in der Zukunft zu berücksichtigen; vielmehr ist die baurechtliche Zulässigkeit der Luftwärmepumpe der Kläger im vorliegenden Einzelfall nach den derzeitigen Verhältnissen auf dem Grundstück der Kläger und dem Nachbargrundstück objektiv zu beurteilen. Spätere Bauabsichten auf dem Nachbargrundstück sind im gegebenen Zeitpunkt dann ihrerseits an den Bauvorschriften und der Umgebungsbebauung auszurichten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO –.

B e s c h l u s s

der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 30. September 2020

Der Streitwert wird auf 10.000 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG).

B e s c h l u s s

der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz

vom 30. September 2020

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

G r ü n d e

Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei für erforderlich gehalten werden durfte (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, § 162 Rn. 18 m.w.N.; OVG RP, Urteil vom 10. November 1971, NJW 1972, S. 222), nicht willkürlich und überflüssig, sondern zweckdienlich erscheint. Dies ist vorliegend der Fall.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Baurecht – Landesbauordnung (LBauO): Der Hauptfokus des vorliegenden Falles liegt im Baurecht, genauer gesagt in der Anwendung der Landesbauordnung. Es wurde festgestellt, ob eine Luftwärmepumpe als bauliche Anlage gilt, die die Einhaltung von Abstandsflächen erfordert (gemäß § 8 Abs. 8 Satz 2 LBauO). Das Gericht entschied, dass die Pumpe trotz ihrer Geräuschimmissionen keine gebäudegleiche Wirkung entfaltet und damit nicht den Regelungen für bauliche Anlagen unterliegt, die Abstandsflächen auslösen.
  2. Öffentliches Recht – Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO): Die Verwaltungsgerichtsordnung spielt ebenfalls eine Rolle, da sie das Verfahren der verwaltungsrechtlichen Klage regelt. Die betroffenen Kläger haben Klage gegen die bauaufsichtliche Verfügung erhoben und das Verwaltungsgericht hat nach § 81 Satz 1 VwGO entschieden, dass die bauaufsichtlichen Verfügungen keinen Bestand haben, weil die Luftwärmepumpe nicht gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung, die Änderung, die Instandhaltung oder die Nutzungsänderung dieser Anlagen verstoßen hat.
  3. Umweltrecht – Immissionsschutz: Obwohl nicht explizit im Text erwähnt, spielt das Umweltrecht, speziell der Immissionsschutz, eine Rolle in der Entscheidung. Der Aspekt der Geräuschimmissionen, die von der Luftwärmepumpe ausgehen, wurde im Gerichtsverfahren diskutiert. Allerdings wurde festgestellt, dass das Abstandsflächenrecht nicht einen abschließenden Schutz vor Geräuschimmissionen gewährleistet.
  4. Zivilrecht – Nachbarrecht: Das Nachbarrecht kommt ins Spiel, da die Geräuschimmissionen der Luftwärmepumpe den Nachbarfrieden stören könnten. Allerdings hat das Gericht auch hier entschieden, dass der Schutz vor Lärmimmissionen nicht vollständig durch das Abstandsflächenrecht gewährleistet ist.
  5. Brandschutzrecht: Obwohl es im Text nur kurz erwähnt wird, ist das Brandschutzrecht ebenfalls beteiligt. Es wurde argumentiert, dass die Luftwärmepumpe als technische Anlage Brandgefahren darstellt. Allerdings wurde auch in diesem Punkt entschieden, dass ein Brandüberschlag nicht zu erwarten ist und die bauliche Entwicklung auf dem Nachbargrundstück in der Zukunft nicht zu berücksichtigen ist.

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