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Haftung der Freiwilligen Feuerwehr für Schäden beim Einsatz

LG Koblenz – Az.: 1 O 45/18 – Urteil vom 18.10.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Am Morgen des 23.04.2017 entstand im Anwesen des Herrn M. K. in der H.straße 00 in S. ein Hausbrand. Das Hausgrundstück der Klägerin mit der Hausnummer 00 grenzt unmittelbar an das Grundstück des Herrn M. K. an. Im Rahmen der seitens der Freiwilligen Feuerwehr der beklagten Verbandsgemeinde ergriffenen Löscharbeiten wurde zunächst ein Feuerwehrfahrzeug auf der Straße vor dem Haus der Klägerin rechts neben der Ausfahrt geparkt. Ausgehend von diesem Fahrzeug wurde eine Wasserleitung zum brennenden Grundstück hergestellt. Dabei verlief der Feuerwehrschlauch derart vor dem Klägergrundstück, dass ein Wegfahren des in der Ausfahrt befindlichen Chrysler Crossfire nicht mehr möglich war, ohne den verlegten Schlauch zu überfahren. Es erfolgte zunächst die Brandbekämpfung im Innenraum. Infolge stärker werdender Rauchentwicklung erfolgte die Brandbekämpfung von außen über das vom Brand betroffene Hausgrundstück Nr. 00. Aufgrund voranschreitender Brandausbreitung wurde eine Brandbekämpfung vom Grundstück der Klägerin erforderlich. Zum Schutz des in der Ausfahrt der Klägerin stehenden Chrysler Crossfires wurde eine Schutzdecke auf das Autodach gelegt. Dennoch wurde das Fahrzeug durch herabfallende Dachteile am Lack beschädigt.

Die Klägerin trägt vor, der Zeuge G. habe gegen 8:15 Uhr die anwesenden Feuerwehrleute gefragt, ob er den Wagen der Klägerin entfernen könne. Dies sei seitens eines Feuerwehrmanns unter Verweis auf den vor der Ausfahrt liegenden Schlauch verneint worden. Ein solches Vorgehen sei als grob fahrlässig zu bezeichnen. Das Entfernen des Fahrzeugs habe auf Nachfrage nicht einfach verneint werden dürfen, da ohne weiteres eine in den Fahrzeugen der Feuerwehr vorhandene Überfahrhilfe zum Passieren des Schlauches habe genutzt werden können. Da die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr das Fahrzeug in der Grundstückseinfahrt gesehen und die Ausfahrt gleichwohl mit einem Wasserschlauch versperrt hätten, sei es für diese dessen ungeachtet zwingend geboten gewesen, bei ihr zu klingeln und sie zur Entfernung des Fahrzeugs aus der Gefahrenzone aufzufordern. Zumindest als Vorsichtsmaßnahme sei es geboten gewesen, ihr die Entfernung des Fahrzeugs zu einer Zeit zu ermöglichen, als dies die Brandsituation noch zugelassen habe. Weitere Beschädigungen seien dadurch entstanden, dass ein Feuerwehrmann sich mit seiner Feuerwehrkluft zwischen PKW und der Hauswand vorbeigequetscht habe, um die Decke auf das Fahrzeug zu legen. Zudem habe dieser die Decke mehrfach hin und her gezogen, wobei weitere Schäden entstanden seien.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.718,04 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.03.2018 sowie nebst 334,75 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, zu Beginn der Brandbekämpfung sei es nicht notwendig gewesen, das Fahrzeug der Klägerin an einen anderen Ort zu verbringen. Auch sei ein einfaches Überfahren des Schlauches nicht möglich gewesen, da mit dem Eintritt von Beschädigungen am Unterboden des Fahrzeugs zu rechnen gewesen sei. Als es im weiteren Brandverlauf auch an der zum Grundstück der Klägerin gelegenen Hausseite zu starker Rauchentwicklung gekommen sei, sei seitens des Zeugen M. unmittelbar und ohne Verzögerung versucht worden, die Klägerin über die veränderte Situation zu informieren. Dies sei nicht zuletzt in der Absicht erfolgt, das Fahrzeug der Klägerin aus dem nun möglichen Gefahrenbereich zu entfernen. Trotz Rufens und Klopfens an der Eingangstür sei seitens der Klägerin nicht reagiert worden. Zu diesem Zeitpunkt sei das Entfernen des vor dem Anwesen der Klägerin liegenden Schlauchs auch möglich gewesen, da mittlerweile durch die nachgerückten Kräfte eine anderweitig leistungsfähige Wasserzuleitung habe aufgebaut werden können. Vor diesem Hintergrund könne nicht angenommen werden, die Freiwillige Feuerwehr habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in grobem Maße missachtet.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G. und M. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 23.08.2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.

Der Klägerin kommt gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme hat die Klägerin den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht, dass seitens der Freiwilligen Feuerwehr bei der in Rede stehenden Brandbekämpfung grob fahrlässig gehandelt worden ist.

Haftung der Freiwilligen Feuerwehr für Schäden beim Einsatz
(Symbolfoto: Von Nehris/Shutterstock.com)

Eine Inanspruchnahme der Beklagten als Trägerin der Freiwilligen Feuerwehr B.-G. käme aber nur dann in Betracht, wenn den Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit im Rahmen der Brandbekämpfung gemacht werden könnte. Insoweit ist anerkannt, dass der Freiwilligen Feuerwehr bei der Brandbekämpfung das Haftungsprivileg des § 680 BGB zugute kommt (OLG Oldenburg, Urteil vom 18.11.2005 – 6 U 231/04 -, juris).

Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ist dabei nur dann begründet, wenn eine besonders schwere Pflichtverletzung vorliegt und die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt worden ist, insbesondere dann, wenn ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was sich im gegebenen Fall aufdrängte. Dabei dürfen die Anforderungen an die Amtsausübung einer Freiwilligen Feuerwehr nicht überspannt werden. Die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr sind ehrenamtlich tätige Gemeindebürger und es erscheint fraglich, ob sie sich hierzu bereitfänden, wenn die Anforderungen an die sich aus dem Dienst erwachsenen Amtspflichten überspannt würden. Der Vorwurf grober Fahrlässigkeit lässt sich deshalb nur in den Fällen rechtfertigen, in denen die getroffene Entscheidung außerhalb des Rahmens dessen liegt, was bei sachgemäßer Beurteilung unter Berücksichtigung der Schnelligkeit der zu treffenden Entscheidung und der Anforderungen, die an Einsicht und Kenntnisse der handelnden Feuerwehrleute gestellt werden können, erwartet werden kann (OLG Oldenburg, a.a.O.).

Der Zeuge G. hat im Rahmen seiner Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.08.2018 bekundet, dass er sich am Morgen des Brandereignisses in seinem Büro befunden habe. Um 7:58 Uhr – wie er der Zeitanzeige seines Computers habe entnehmen können – habe er das Schlagen einer Tür gehört. Eine Sirene habe er hingegen nicht vernommen. Als er am Fenster nachgeschaut habe, habe er ein Feuerwehrfahrzeug gesehen, das sich derart vor die Hofeinfahrt gestellt habe, dass ein Herausfahren des dort befindlichen Fahrzeugs nach wie vor möglich gewesen sei. Sodann habe er bemerkt, dass eine Rauchfahne aus dem Nachbargebäude komme. Aus diesem Grund sei er mit dem Autoschlüssel in der Hand vor die Tür getreten. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits ein Feuerwehrschlauch von dem Feuerwehrauto ausgehend bis in den Haupteingang des vom Brand betroffenen Nachbargebäudes verlegt worden. Der Schlauch habe sich vor der Einfahrt auf dem auf der Straße befindlichen Schotterbelag befunden. Um die Einfahrt mit dem Auto zu verlassen, habe der Schlauch aber aufgrund seiner Lage überfahren werden müssen. Den vor dem Haus anzutreffende Feuerwehrmann habe er gefragt, ob er aus dem Hof herausfahren könne oder ob dieser etwas hinlegen würde, um ein Überfahren zu ermöglichen. Der Feuerwehrmann habe ihm klar unter Verweis auf den Schlauch zu verstehen gegeben, dass es für das Wegfahren des Wagens zu spät sei.

Das Nachbargebäude weise eine zehn Zentimeter dicke Holzwand auf und stehe relativ nah am klägerischen Anwesen. Vor diesem Hintergrund sei ihm in Ansehung der Rauchentwicklung klar gewesen, dass die Gefahr bestehen könne, dass sich der Brand schnell ausweite und das Haus dann auch in Richtung ihres Anwesens hätte abkippen können. Aus diesem Grund sei er mit seiner Frau auch durch das Haus gelaufen. Entsprechend aufgeregt hätten sie ihre Haustiere eingesammelt. Innerhalb von einer Viertelstunde sei eine so starke Rauchentwicklung festzustellen gewesen, dass vom Fenster aus nichts mehr zu sehen gewesen sei.

Innerhalb der ersten 15 – 20 Minuten sei er selbst ca. dreimal und die Klägerin zweimal draußen gewesen, weshalb sie seitens der Feuerwehr durchaus im Hinblick auf das Entfernen des Fahrzeugs hätten angesprochen werden können. Selbst hätten sie bei diesen Gelegenheiten hingegen nicht nochmal wegen der Entfernung des Wagens nachgefragt. So habe sich die Klägerin nach draußen begeben, um die Feuerwehr darauf aufmerksam zu machen, dass der Nachbar im Schuppen Gasflaschen lagere. Weiterhin sei die Klägerin raus gegangen, um den Feuerwehrleuten den Hydrant zu zeigen. Nachdem sie wieder ins Haus gekommen sei, sei die Rauchentwicklung dann so stark gewesen, dass sie hätten nichts mehr sehen können.

Weder er noch die Klägerin hätten an der Haustür ein Klopfen, Klingeln oder Rufen gehört. Ihm sei nicht erklärlich, warum die Feuerwehr nicht ein Megafon benutzt habe, wenn diese sie wirklich habe erreichen wollen. Sie seien andauernd am hin- und herlaufen gewesen und hätten an allen Fenstern geguckt, was passiere.

Ihre Haustür verfüge über ein so genanntes Spionglas, durch das er gesehen habe, wie einer der Feuerwehrleute eine kleine Decke über das Auto der Klägerin ausgebreitet habe. Zu diesem Zeitpunkt sei es allerdings bereits mit Schlamm und Splittern übersät gewesen. Hierzu habe sich der Feuerwehrmann zwischen der Beifahrerseite des Autos und der Hauswand mit seiner Montur hindurchgequetscht. Durch die Löscharbeiten am Dach des Nachbarhauses seien die Dachziegel durch die Einwirkung des kalten Wassers auf den heißen Brand einfach geplatzt. Diese seien in Splittern auf den Chrysler Crossfire gefallen.

Der Zeuge M. hat im Rahmen seiner Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.08.2018 bekundet, dass er ehrenamtlicher Wehrführer der Feuerwehr S. sei. Am Tag des Brandes sei er kurz nach 8:00 Uhr morgens sowohl über die Sirene im Ort, als auch per SMS verständigt worden. Nachdem er sich angekleidet gehabt habe, habe er sich zum Feuerwehrhaus begeben, wo sich die Mannschaft gesammelt habe und das Material zusammengetragen worden sei. Er und 5 weitere Feuerwehrleute seien mit einem ersten Fahrzeug in der gebotenen Eile und unter Inanspruchnahme von Sonderrechen (Blaulicht, Martinshorn) zur Einsatzstelle gefahren, wobei er Fahrzeugführer gewesen sei.

Als sie um 8:14/8:15 Uhr vor Ort eingetroffen seien, seien sie dort das erste Einsatzfahrzeug gewesen. Dabei hätten sie wie einsatztechnisch üblich mit ihrem Fahrzeug die Einsatzstelle überfahren, um nachrückenden Kräften ausreichend Platz zu bieten. Das Einsatzfahrzeug hätten sie – aus Fahrtrichtung gesehen – im rechten Bereich abgestellt. Von diesem aus sei jedoch kein Schlauch verlegt worden. Ein weiteres Einsatzfahrzeug in Form eines Unimogs sei ca. 3 min später eingetroffen und habe ebenfalls die Einsatzstelle überfahren. Von diesem Unimog ausgehend sei sodann ein Schlauch verlegt worden.

Die erste Lageentwicklung nach dem Eintreffen vor Ort habe eine unspezifische Rauchentwicklung aus dem Gebäude ergeben, wobei die größte Rauchentwicklung im hinteren Gebäudebereich, wo der Kamin außen angemauert gewesen sei, aufgetreten sei.

Sein Hauptaugenmerk habe zunächst auf dem vom Brand betroffenen Objekt gelegen. Es gebe die sogenannten vier Phasen der Erkundung. Hierzu gehöre zunächst die Frontalansicht. Dabei sei zu erkennen gewesen, dass die Haustür sowie eine Tür im Seitenbereich geöffnet gewesen seien und Personen auf einem Hügel auf Höhe der Hausnummer 70 gestanden hätten. Einer der Personen habe sich als Herr K. und somit als Eigentümer bzw. Bewohner des vom Brand betroffenen Gebäudes zu erkennen gegeben. Dieser habe versichert, dass definitiv alle Personen bereits aus dem Haus heraus seien. Die Frage nach besonderen Gefahrenstellen sei seitens des Herrn K. verneint worden. Es habe sich sodann eine Rundumsicht des Gebäudes angeschlossen. Das Bild einer Rauchentwicklung habe sich dabei sowohl im linken als auch im rechten Gebäudebereich gezeigt. In Anbetracht der Rauchentwicklung im Gebäude sei es klar gewesen, dass sie nur mit Atemschutzausrüstung das Gebäude hätten betreten können.

Damit die Zeit für die Erkundung nicht ungenutzt verstreiche, sei der sogenannte Einsatz mit Bereitstellung gewählt worden, das heiße, dass zeitgleich zu seinen Erkundungen bereits ein Schlauchstück verlegt worden sei, das in einem Verteiler geendet habe.

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Seinen Einsatztruppen habe er dann die Weisung zum so genannten Innenangriff gegeben. Dies bedeute, dass mit Hilfe eines Wasserschlauchs von innen heraus der Brand bekämpft und lokalisiert werde. In einem solchen Fall werde ein zweiter Einsatztrupp bereitgestellt, falls Personen aus dem ersten Trupp etwas zustoße. Die Sicherung des Lebens der Feuerwehrleute stelle in diesem Zusammenhang das höchste Gut dar.

Als die Rückmeldung gekommen sei, dass es sich möglicherweise nicht um einen Brand im Sinne eines reinen Kaminbrandes gehandelt habe und der Brand daher mutmaßlich nicht allein auf einen Raum beschränkt gewesen sei, habe er einen weiteren mit Atemschutzausrüstung ausgerüsteten Trupp ins Haus geschickt, der ihm weitergehende Erkenntnisse habe liefern sollen. Die Rückmeldung habe ergeben, dass die Steckdosen glühten, was bestätigt habe, dass es sich um ein etwas größeres Brandereignis gehandelt habe.

Es seien sodann nach und nach weitere Fahrzeuge, auch von der Feuerwehr in B., angerückt und es seien weitere Trupps eingeteilt worden. Die Bewertung und Besprechung der Lage habe ergeben, dass die Brandentwicklung mit den vorhandenen Mitteln und Personen nicht in den Griff zu kriegen gewesen sei, so dass eine Nachalarmierung von weiteren Wagen und Personen vorgenommen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe er die Einsatzleitung dem über ihm stehenden Wehrleiter übertragen, der wiederum ihn zum Abschnittsleiter Brandbekämpfung eingesetzt habe.

Er habe dann beide unter Atemschutz stehende Einsatztrupps zurückbeordert und einen Einsatztrupp an die Gebäudeseite des Gebäudes 00 hin zum Gebäude 00 beordert, von wo aus zunächst die Brandbekämpfung erfolgt sei. Weiterhin sei ein weiterer Schlauch verlegt worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass ein Hydrant nicht ausreichend gewesen sei, weshalb ein 250 m entfernter Ringhydrant habe herangezogen werden müssen.

Da zu diesem Zeitpunkt mit einer Brandausbreitung zu rechnen gewesen sei, habe er eine Neubewertung der Lage vorgenommen. Wenngleich er das Fahrzeug der Klägerin bereits bei der ersten Orientierung nach Eintreffen am Einsatzort wahrgenommen habe, sei dieses Fahrzeug in diesem Zeitpunkt zum ersten Mal in die Betrachtung der Einsatzleitung gerückt. Er habe die Weisung erteilt, die Bewohner des Gebäudes Nr. 00 zu benachrichtigen und dort zu klingeln, um das in der Einfahrt befindliche Fahrzeug zu sichern. Zu diesem Zeitpunkt wäre es möglich gewesen, die Einfahrt mit dem Fahrzeug zu verlassen, zumal der vom Unimog aus verlegte Schlauch nicht mehr benötigt worden sei, da – wie bereits geschildert – zu diesem Zeitpunkt eine alternative Wasserversorgung bestanden habe. Der vom Unimog ausgehende Schlauch habe beseitigt werden können.

Die versuchte Benachrichtigung der Bewohner des Gebäudes Nr. 00 habe sich innerhalb von zwei bis drei Minuten abgespielt. Zunächst habe er einem jüngeren Kameraden den Auftrag gegeben, bei der Familie G. zu klingeln. Die Rückmeldung des Kameraden sei gewesen, dass niemand geöffnet habe. Daraufhin habe er den Wehrführer B. beauftragt, nochmals eine Kontaktaufnahme zu versuchen durch Klopfen, Klingeln und notfalls auch durch telefonischen Kontakt über die Funkeinsatzzentrale. Auch diese Rückmeldung sei negativ gewesen. Ihm sei in diesem Zusammenhang nur gesagt worden, dass die Maßnahmen zur Kontaktaufnahme negativ verlaufen seien. Ob tatsächlich auch ein Anruf bei den Eheleuten G. vorgenommen worden sei, könne er aus eigener Anschauung nicht sagen. Im Übrigen verfügten die Einsatzfahrzeuge auch nicht über einen Lautsprecher oder ein Megafon, mit dessen Hilfe die Bewohner der Anwesen hätten gewarnt oder informiert werden können.

Im weiteren Verlauf sei die Brandbekämpfung dann vom Hofbereich des Anwesens Nr. 00 aus erfolgt. Mangels Kontaktaufnahme mit den Bewohnern seien Folgemaßnahmen getroffen worden in Form der über das Fahrzeug gelegten Brandschutzdecke. Damit habe das Fahrzeug vor Beschädigungen auch durch die dort im Einsatz gewesenen Kameraden und die Hitzeentwicklung geschützt werden sollen.

Auf Vorhalt der Aussage des Zeugen G., wonach ein Feuerwehrmann diesem das Herausfahren des Fahrzeugs verweigert habe, hat der Zeuge M. erklärt, dass auf seine Nachfrage hin keiner seiner Kameraden ein Gespräch mit dem Zeugen G. bestätigt habe.

Wäre er zu einem frühen Zeitpunkt, als noch der Inneneingriffstrupp im Einsatz gewesen sei, angesprochen und nach dem Herausfahren des Fahrzeugs gefragt worden, hätte er ein solches aus einsatztaktischen Gründen nicht erlaubt. Hätte er in dieser Situation ermöglicht, dass das Fahrzeug über den Schlauch hinweg fahre, hätte er einen Zeitverzug von zwei bis drei Minuten in Kauf nehmen müssen. Dies sei in der frühen Situation des Innenangriffs ein No-Go gewesen.

Erst zu einem späteren Zeitpunkt hätte er das Überfahren des Schlauches mittels Überfahrhilfe erlaubt, wenn Herr G. ihn darum gebeten hätte. Dabei hätte er allerdings darauf hingewiesen, dass die Gefahr der Beschädigungen des Fahrzeugs bestehe, gleichwohl das Fahrzeug nicht tiefer gelegt sei. Überfahrhilfen hätten sie bei einem Einsatz stets mit dabei. Ein Überfahren des Feuerwehrschlauches mit einem solchen PKW sei aus seiner Sicht nämlich nicht ohne das Risiko von Schäden möglich. Dies betreffe allerdings auch Schäden am Schlauch selbst, wie die Einsatzerfahrung zeige.

Nach der Vernehmung des Zeugen G. sowie des Zeugen M. vermag die Kammer keine Anhaltspunkte dafür festzustellen, dass die Freiwillige Feuerwehr im Rahmen ihres Einsatzes die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt und somit grob fahrlässig gehandelt hat. Der Zeuge M. hat der Kammer detailliert aus Sicht der Freiwilligen Feuerwehr geschildert, wie bei der Brandbekämpfung vorgegangen worden ist, welche Schritte erwogen und welche Maßnahmen umgesetzt worden sind. Dabei ist für die Kammer nachvollziehbar, dass in der frühen Phase der Brandentwicklung nicht primär der Schutz des streitgegenständlichen Fahrzeugs, sondern zunächst die Erkundung des Brandobjektes und der gleichzeitige Aufbau eines wasserführenden Schlauchs im Vordergrund gestanden haben, um eine zielgerichtete Brandbekämpfung einzuleiten und eine Einsatztaktik zu erstellen. Dass in einer solchen Situation bereits das Ermöglichen des Herausfahrens eines Fahrzeugs mit Hilfe einer Überfahrhilfe einen nicht zu tolerierenden Zeitverzug von zwei bis drei Minuten darstellt, hat der Zeuge M. ebenfalls plausibel erklären können, zumal auch der Zeuge G. bekundet hat, dass ihm aufgrund der relativ nah am Klägergrundstück stehenden Holzwand des Nachbargebäudes und aufgrund der Rauchentwicklung klar gewesen ist, dass die Gefahr einer schnellen Brandausweitung und eines Abkippens des Nachbarhauses in Richtung ihres Hauses bestanden hat. Auch den Bekundungen des Zeugen G. ist demzufolge zu entnehmen, dass eine Situation vorgelegen hat, in der ein schnelles und mit Blick auf die Brandbekämpfung zielgerichtetes Vorgehen der Einsatzkräfte erforderlich gewesen ist, um letztendlich schützenswertere Rechtsgüter als das streitgegenständliche Fahrzeug, wie etwa das Anwesen der Klägerin sowie die Klägerin selbst, vor Schaden zu bewahren. Selbst wenn dem Zeugen G. in Widerspruch zur Aussage des Zeugen M. das Herausfahren zu diesem frühen Zeitpunkt verweigert worden sein sollte, vermag dies vor diesem Hintergrund keinen groben Sorgfaltspflichtverstoß zu begründen. Es ist in Ansehung der Schilderungen beider Zeugen für die Kammer nicht erkennbar, dass sich der Feuerwehr in diesem frühen Stadium der Brandbekämpfung, in dem für die Eindämmung des Brandes jede Minute gezählt hat, der primäre Schutz des Fahrzeugs hätte aufdrängen müssen.

Zu der Beweisbehauptung der Klägerseite, jeder erfahrene Einsatzleiter hätte in jedem Fall vorsorglich zu Beginn des Einsatzes das Entfernen des Fahrzeugs veranlasst, war auch kein Sachverständigengutachten einzuholen. Diese Beweisbehauptung lässt in pauschaler Weise die Auseinandersetzung mit der konkreten Brandsituation vermissen, so dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens eine unzulässige Ausforschung darstellen würde.

Dass das streitgegenständliche Fahrzeug bei veränderter Brandsituation wiederum in das Blickfeld der Einsatzkräfte gerückt ist und die Kontaktaufnahme mit der Klägerseite versucht worden ist, hat der Zeuge M. anschaulich unter Benennung der hierzu veranlassten Maßnahmen darlegen können, auch wenn er die Umsetzung der Maßnahmen aus eigener Wahrnehmung nicht hat bestätigen können. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die vom Zeugen M. in die Wege geleiteten Maßnahmen zur Kontaktaufnahme mit der Familie G. entgegen seiner ausdrücklichen Anordnung nicht ausgeführt worden sind, sind nicht ersichtlich, zumal der Zeuge M. nach eigener Aussage entsprechende Rückmeldungen seiner Kameraden erhalten hat. Gegen die Ausführung der Maßnahmen zur Kontaktaufnahme spricht zur Überzeugung der Kammer auch das Vernehmungsergebnis des Zeugen G. nicht. Dieser hat zwar bekundet, dass er und die Klägerin eine Kontaktaufnahme seitens der Feuerwehrleute nicht bemerkt haben. Er hat aber auch bekundet, dass der Vorfall ihn und die Klägerin in Aufregung versetzt hat und ihnen Veranlassung gegeben hat, durch das Haus zu laufen, um die Haustiere einzusammeln. Weiterhin sind sie nach der Aussage des Zeugen G. ständig hin- und hergelaufen und hätten an den Fenstern geschaut, was passiert. Vor diesem Hintergrund hält es die Kammer nicht für ausgeschlossen, dass die Klägerin und der Zeuge G. die Kontaktaufnahmeversuche seitens der Feuerwehr in ihrer Aufregung schlicht nicht wahrgenommen haben. Eine Kontaktaufnahme mittels Lautsprecher und Megafon ist schon mangels entsprechender Ausstattung der Feuerwehr nicht in Betracht zu ziehen gewesen.

Was die von Klägerseite behaupteten Schäden betrifft, die durch ein angeblich unsachgemäßes Platzieren der Schutzdecke entstanden sein sollen, hat die Kammer bereits erhebliche Zweifel daran, dass der Zeuge G. diese von seinem in der Haustür befindlichen Spionglas aus überhaupt hat erkennen können. Er selbst hat angegeben, dass das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt bereits mit Schlamm und Splittern übersät gewesen ist. Wie der Zeuge G. dabei zweifelsfrei hat feststellen können, dass die Lackschäden erst beim Platzieren der Decke und nicht schon zuvor durch herabgefallene Splitter und Dachschmutz verursacht worden sind, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, zumal er selbst angegeben hat, dass innerhalb von einer Viertelstunde eine so starke Rauchentwicklung geherrscht hat, dass die Klägerin und er vom Fenster aus nichts mehr haben sehen können. Auch aus diesem Grund ist anzunehmen, dass die Sichtverhältnisse während des Brandeinsatzes beeinträchtigt gewesen sind und zweifelsfreie Feststellungen die Ursache der Lackschäden betreffend erschwert haben.

Aber selbst wenn der Feuerwehrmann, sei es mit seiner Kluft oder beim Platzieren der Schutzdecke selbst, Lackschäden verursacht haben sollte, so stellt auch dies unter Berücksichtigung der konkreten Brandsituation keine grobe Sorgfaltswidrigkeit dar. Die Platzierung der Decke hat dem Schutz des Fahrzeuges gedient, um dieses vor größeren Schäden zu bewahren. In Anbetracht der Schnelligkeit, in der Feuerwehrleute Entscheidungen zu treffen und Handlungen vorzunehmen haben, erscheint das Vorgehen bei verständiger Beurteilung nicht als grob fahrlässig. Dabei ist im Hinblick auf das ehrenamtliche Tätigwerden der Freiwilligen Feuerwehr weiterhin zu beachten, dass der Sorgfaltsmaßstab für ihr Handeln nicht überspannt werden darf. Diese handeln freiwillig unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Gesundheit zum Zwecke der Allgemeinheit. Würden zu hohe Anforderungen an die aus ihrem Dienst erwachsenden Amtspflichten gestellt, ist anzunehmen, dass sie sich künftig nicht mehr bereit erklären würden, ihren ehrenamtlichen Dienst auszuüben.

Dass die Feuerwehrleute zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Herausfahren des Fahrzeugs problemlos möglich gewesen wäre (wie etwa zwischen Abschluss des Inneneingriffs und Neubewertung der Brandsituation), nicht auf die Familie G. zugekommen sind, um diese zur Entfernung des Fahrzeuges aufzufordern, stellt ebenfalls zur Überzeugung der Kammer keinen groben Sorgfaltspflichtverstoß dar. Es ist zu beachten, dass Feuerwehrleute stets die konkrete Brandsituation im Blick haben müssen und anhand dieser zu beurteilen sowie abzuwägen haben, welche Rechtsgüter die Veranlassung von Schutzmaßnahmen erfordern. Vor diesem Hintergrund kann nicht erwartet werden, dass die Feuerwehr in Eigeninitiative an Nachbarn herantritt, um vorbeugend sämtliche Sachgüter entfernen zu lassen, die im weiteren Brandverlauf potentiell gefährdet sein können. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass das Überfahren des Feuerwehrschlauchs mittels Überfahrhilfe nach den Ausführungen des Zeugen M. nicht ohne Risiko ist. Dieser hat unter Verweis auf seine Einsatzerfahrung überzeugend geschildert, dass es zu einem Einsacken im mittleren Bereich kommen kann und dadurch Beschädigungen am Unterboden auftreten. Auch in Ansehung dieses Risikos erscheint es nicht grob fahrlässig, dass die Feuerwehrleute nicht schon vor Neubewertung der Brandlage auf die Familie G. zum Zwecke der Entfernung des Fahrzeuges herangetreten sind.

Nach alldem lassen sich aus der maßgeblichen ex ante Sicht keine Anhaltspunkte erkennen, dass die Freiwillige Feuerwehr unter Berücksichtigung der Schnelligkeit der von ihr zu treffenden Entscheidungen und Maßnahmen im Rahmen ihres Einsatzes grob fahrlässig gehandelt hat.

Eine Haftung der Beklagten scheidet daher aus.

Die Klage unterlag mithin insgesamt der Abweisung.

2.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 2.718,04 € festgesetzt.

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