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Versorgungsleistungen bei Vermögensübergabe und Sonderausgaben

BUNDESFINANZHOF

Az.: GrS 1/00

Beschluss vom 12.05.2003

Vorlagebeschluss vom 10.11.1999 – Az.: X R 46/97


Leitsatz

Im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarte abänderbare Versorgungsleistungen sind dann nicht als dauernde Last (Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG) abziehbar, wenn sie nicht aus den erzielbaren laufenden Nettoerträgen des übergebenen Vermögens gezahlt werden können.


Gründe

A. Anrufungsbeschluss des X. Senats

I. Vorgelegte Rechtsfrage

Der X. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat durch Beschluss vom 10. November 1999 X R 46/97 (BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188) dem Großen Senat folgende Rechtsfrage vorgelegt:

Sind im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarte abänderbare Versorgungsleistungen auch dann als dauernde Last (Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG–) abziehbar, wenn sie nicht aus den laufenden Nettoerträgen des übergebenen Vermögens gezahlt werden können („Typus 2“ i.S. von Tz. 17 bis 19, 38 bis 40 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen –BMF– vom 23. Dezember 1996, BStBl I 1996, 1508)?

II. Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (1993) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. In ihrer Einkommensteuererklärung für 1993 beantragten sie den Abzug eines Betrages von 12 000 DM, den die Klägerin an ihre Tante gezahlt hatte, als dauernde Last (Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG). In einem notariell beurkundeten „Schenkungsvertrag“ vom 16. August 1993 hatte die damals 84-jährige Tante der Klägerin ein Einfamilienhaus übertragen, das sie ihrerseits im März 1993 zum Kaufpreis von 320 000 DM erworben hatte. Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten waren ab dem 1. September 1993 auf die Klägerin übergegangen. Die Klägerin hatte sich im Vertrag verpflichtet, „aufgrund des ihr übertragenen Grundbesitzes an die Veräußerin zu deren Lebzeiten monatlich nachträglich, erstmals am 30. September 1993, einen Betrag von monatlich 3 000 DM“ zu zahlen. Ferner war vereinbart worden, dass „sowohl die Erwerberin als auch die Veräußerin eine Erhöhung oder Minderung der Rente entsprechend den Regeln des § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO)“ verlangen konnten. Vor Abschluss des Vertrages hatte die Tante das Einfamilienhaus für monatlich 1 200 DM vermietet. Die Klägerin ihrerseits vermietete das Grundstück nach Renovierung zu einem Mietzins von monatlich 1 500 DM zuzüglich Nebenkosten.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) versagte die steuerliche Anerkennung der als Sonderausgaben geltend gemachten Beträge in Höhe von 12 000 DM im Wesentlichen unter Hinweis darauf, dass der Vertrag nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Mit der hiergegen gerichteten Klage trugen die Kläger vor, die „Versorgungsleistungen“ stellten eine dauernde Last dar.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 27. November 1996  2 K 2677/95, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 1997, 658).

Der vorlegende Senat möchte der Revision des FA stattgeben und die Sache an das FG zurückverweisen.

III. Begründung der Vorlage

Nach Auffassung des vorlegenden Senats sind die Versorgungsleistungen nicht als dauernde Last abziehbar, weil sich das zugrunde liegende Rechtsgeschäft nicht als „Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen“ darstelle. Nach den Beschlüssen des Großen Senats vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) und vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78) könne von einer dauernden Last nur dann gesprochen werden, wenn die vereinbarten Leistungen als zurückbehaltene Erträge aus dem übergebenen Vermögen anzusehen seien. Das setze voraus, dass sie aus dessen Erträgnissen bezahlt werden könnten. An diesem Erfordernis fehle es im Streitfall.

Demgegenüber sei die Auffassung, dass Gegenstand einer Vermögensübergabe auch eine existenzsichernde und ihrem Wesen nach ertragbringende Wirtschaftseinheit sein könne, deren Erträge nicht ausreichten, um die wiederkehrenden Leistungen zu erbringen, sofern nur im Zeitpunkt der Übergabe der Wert des Vermögens bei überschlägiger und großzügiger Berechnung mindestens die Hälfte des Kapitalwertes der wiederkehrenden Leistungen betrage (sog. „50-v.H.-Grenze“), nicht verfassungsgemäß. Die „50-v.H.-Grenze“ könne nicht als „typusbildend“ anerkannt werden, ohne dass die Ausführungen des Großen Senats und ihre sinnstiftende und legitimierende Bedeutung für das Recht der privaten Versorgungsrente entwertet würden.

Die Vergleichsrechnung setze demnach voraus, dass überhaupt dem Typus nach eine Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vorliege.

Gerade eine Übertragung wie die hier zu beurteilende habe mit dem Typus des Hof- und Geschäftsübergabevertrages nichts gemein, weil sie darauf angelegt sei, die Substanz des geschenkten Vermögens unter Ausnutzung eines Progressionsgefälles in Unterhaltsansprüche „umzuwandeln“ und letztlich im Interesse des Übergebers zu verwerten. Um dieses wirtschaftlichen Effektes willen habe das Vermögen nicht zum Zwecke einer Vorwegnahme der Erbfolge übergeben werden müssen. Die steuerliche Privilegierung der Vermögensübergabe verlöre ihren Sinn und unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ihre gleichheitsrechtliche Rechtfertigung.

Demnach habe die Klägerin das Grundstück entgeltlich angeschafft. Es könne steuerlich nichts anderes gelten als bei einer Einmalzahlung; die zeitliche Streckung erfordere lediglich, den Zinsanteil steuerlich zutreffend zu behandeln. Wegen der weiteren Begründung der Vorlage wird auf den Vorlagebeschluss in BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188 Bezug genommen.

IV. Stellungnahme der Beteiligten

Die Kläger treten der Auffassung des vorlegenden Senats entgegen. Sie sind unter Hinweis auf das Urteil des XI. Senats des BFH vom 23. Januar 1992 XI R 6/87 (BFHE 167, 86, BStBl II 1992, 526) der Meinung, dass abziehbare Versorgungsleistungen auch dann vorlägen, wenn das übergebene Vermögen die rechtliche Möglichkeit biete, überhaupt Erträge zu erzielen, auch wenn sie tatsächlich nicht erwirtschaftet werden könnten.

Das BMF ist dem Verfahren beigetreten. Es teilt nicht die Auffassung des vorlegenden Senats. Nach seiner Meinung ist das Kriterium der ausreichenden Erträge in vielen Fällen nicht geeignet, um die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen von Anschaffungsvorgängen und Unterhaltszahlungen abzugrenzen. Gerade im betrieblichen Bereich wie z.B. der Hof- oder Betriebsübergabe, würde eine Abgrenzung nur nach dem Ertrag dazu führen, dass eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen in vielen Fällen nicht mehr möglich wäre. Insbesondere landwirtschaftliche Betriebe seien häufig nahezu ertraglos oder nicht ausreichend ertragbringend. Folge man der Auffassung des vorlegenden Senats, müsse man in diesen Fällen einen entgeltlichen Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang annehmen, der zur Aufdeckung stiller Reserven beim Übergeber führe. Das könne sich existenzgefährdend auswirken.

Aber auch existenzsicherndes Privatvermögen, wie z.B. Mietwohngrundstücke, könnten in vielen Fällen nicht mehr im Wege der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen übertragen werden. Wenn z.B. der Übernehmer bei Mietwohnraum größeren Erhaltungsaufwand mit Kredit finanziere, verhinderten die Schuldzinsen oft, dass ein Ertrag entstehe, aus dem im Fall der Vermögensübertragung die Versorgungsleistungen voll gezahlt werden könnten.

Die Auffassung des vorlegenden Senats führe zu zufälligen Ergebnissen. Es sei nicht zu erklären, warum die Übertragung eines Betriebs, dessen Erträge im Jahr der Übergabe und in den beiden vorangegangenen Jahren (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1996, 1508, Tz. 15) für die Zahlung der Versorgungsleistungen ausreichten, andere steuerliche Folgen nach sich ziehen solle als die Übertragung eines Betriebs, dessen Erträge –vielleicht nur vorübergehend– für die Zahlung der Versorgungsleistung nicht ausreichten. Unter diesem Gesichtspunkt könne keine Rede davon sein, dass der Typus des Hof- oder Geschäftsübergabevertrages durch die steuerliche Anerkennung des „Typus 2“ missbraucht werde.

B. Entscheidung des Großen Senats zu Verfahrensfragen

I. Vorlagegrund

Der vorlegende Senat hat die Anrufung des Großen Senats darauf gestützt, dass es sich um einen Fall von grundsätzlicher Bedeutung handle (§ 11 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Dass die vorgelegte Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist, liegt auf der Hand; die Auffassung des vorlegenden Senats widerspricht der in verschiedenen BMF-Schreiben (zuletzt vom 26. August 2002, BStBl I 2002, 893, Tz. 17 ff.) zum Ausdruck gekommenen Meinung der Finanzverwaltung. Diese Meinungsverschiedenheiten kennzeichnen auch die im Schrifttum vertretenen Auffassungen.

II. Entscheidungserheblichkeit

Die vorgelegte Rechtsfrage ist für die Entscheidung des X. Senats rechtserheblich. Der Große Senat hat nicht zu prüfen, ob der vorlegende Senat mit einer anderen Begründung zum gleichen Ergebnis kommen könnte. Die Entscheidung rechtlicher Vorfragen, deretwegen der Große Senat nicht angerufen worden ist, liegt in der Zuständigkeit des vorlegenden Senats (BFH-Beschluss vom 7. August 2000 GrS 2/99, BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632). Bei der Prüfung der Rechtserheblichkeit der Vorlagefrage ist daher die Auffassung des X. Senats zugrunde zu legen, dass eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen mit steuerlicher Wirkung auch im Verhältnis von Tante und Nichte und sogar unter Familienfremden stattfinden kann, dass ferner durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die Änderungsmöglichkeit nach § 323 ZPO die Abänderbarkeit der Zahlungen und damit eine dauernde Last vereinbart worden ist und dass schließlich die Unregelmäßigkeit der Zahlungen unter den gegebenen Umständen für sich allein die Anerkennung einer dauernden Last nicht hindert.

C. Entscheidung des Großen Senats über die vorgelegte Rechtsfrage

I. Rechtsentwicklung/bisheriger Meinungsstand

1. Die Entwicklung der Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung der privaten Versorgungsrente ist im Vorlagebeschluss in BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188 wiedergegeben (unter III. 1. bis 7. e).

2. Die Finanzverwaltung unterscheidet im sog. Rentenerlass (BMF-Schreiben in BStBl I 1996, 1508) im Gegensatz zum vorlegenden Senat zwischen ausreichend ertragbringenden Wirtschaftseinheiten („Typus 1“) und existenzsichernden Wirtschaftseinheiten, deren Erträge nicht ausreichen, um die wiederkehrenden Leistungen zu erbringen („Typus 2“). Auch die Übergabe solcher Wirtschaftseinheiten soll als Vermögensübergabe anzusehen sein (Urteil des XI. Senats des BFH in BFHE 167, 86, BStBl II 1992, 526). Voraussetzung für eine Vermögensübergabe in derartigen Fällen ist nach Tz. 18 des BMF-Schreibens, dass der Wert des Vermögens im Zeitpunkt der Vermögensübergabe bei überschlägiger und großzügiger Berechnung mindestens die Hälfte des Kapital- oder Barwerts der wiederkehrenden Leistungen beträgt. In Übereinstimmung mit dem Urteil des vorlegenden Senats vom 16. Dezember 1993 X R 67/92 (BFHE 173, 152, BStBl II 1996, 669) ist in Tz. 38 des BMF-Schreibens bestimmt, dass derartige Versorgungsleistungen regelmäßig nicht als abänderbar angesehen werden könnten, so dass sie nur mit ihrem Ertragsanteil steuerbar bzw. absetzbar seien. Anders sei es nur, wenn die Vertragsparteien ausdrücklich auf § 323 ZPO oder eine gleichwertige Änderungsklausel Bezug genommen hätten (Tz. 39).

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In der Neufassung des BMF-Schreibens in BStBl I 2002, 893 wird der jüngeren Rechtsprechung des X. Senats insoweit Rechnung getragen, als dem ertraglosen Vermögen auch ein Grundstück mit aufstehendem Rohbau (BFH-Urteil vom 27. August 1997 X R 54/94, BFHE 184, 337, BStBl II 1997, 813) sowie eine vom Übernehmer zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung (BFH-Urteil vom 10. November 1999 X R 10/99, BFHE 190, 413, BStBl II 2002, 653) zugerechnet werden (Tz. 10). Außerdem vertritt die Finanzverwaltung –anders als zuvor– nunmehr die Auffassung, dass der sachliche Zusammenhang der wiederkehrenden Leistungen mit der Vermögensübergabe endet, wenn der Übernehmer das übernommene Vermögen auf einen Dritten überträgt (Tz. 20 bis 21.13).

3. In der Literatur sind die Auffassungen darüber, ob der Rechtsfigur der vorbehaltenen Erträge die vom vorlegenden Senat geforderte Bedeutung zukommt, insbesondere, ob sie den „Typus 2“ ausschließt, geteilt.

Hinsichtlich des Meinungsstandes bis zum Ergehen des Vorlagebeschlusses wird auf den Vorlagebeschluss in BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188 Bezug genommen.

In ihren Stellungnahmen zum Vorlagebeschluss wenden sich insbesondere Weber-Grellet (Finanz-Rundschau –FR– 2000, 401), Spiegelberger (Deutsches Steuerrecht –DStR– 2000, 1073 ff., und Die Steuerberatung –Stbg– 2001, 253 ff.) und Groh (FR 2001, 277) gegen die vom vorlegenden Senat vertretene Rechtsfigur der vorbehaltenen Erträge. Sie vertreten die Auffassung, der Große Senat des BFH habe in seinem Beschluss in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 lediglich darauf hingewiesen, dass bei Übergabeverträgen typischerweise Erträge des übergebenen Vermögens vom Vermögensübergeber vorbehalten würden. „Typischerweise“ sei im Sinne von „regelmäßig“ zu verstehen. Dagegen handle es sich nicht um eine notwendige Bedingung für die Behandlung der Versorgungsleistungen als dauernde Last.

Andere Autoren hingegen stimmen der Ablehnung des „Typus 2“ im Vorlagebeschluss zu (Wacker in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 22 Rz. 80; Sonneborn, Steuer & Studium, 2001, 427; P. Fischer, z.B. Deutsche Steuer-Zeitung –DStZ– 2000, 885, 892, und FR 2001, 397; Hipler, Vermögensübergabe gegen private Versorgungsleistungen im Einkommensteuerrecht; Diss. Augsburg, 2001, S. 116, und DStR 2001, 1918). Diese Autoren vertreten –wie der vorlegende Senat– die Theorie der vorbehaltenen Erträge. Eine andere Gruppe von Autoren verwirft sowohl die Theorie der vorbehaltenen Erträge als auch die „50-v.H.-Regel“. Sie ist der Meinung, Versorgungsleistungen stellten Entgelt für das übernommene Vermögen dar. Soweit ihr Barwert über dem Wert des übertragenen Vermögens liege, handele es sich um nicht abziehbare Unterhaltsleistungen (vgl. z.B. Paus, DStZ 2001, 398).

II. Auffassung des Großen Senats

Der Große Senat ist der Auffassung, dass im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarte wiederkehrende Leistungen, die nicht aus den erzielbaren Nettoerträgen des übernommenen Vermögens gezahlt werden können, nicht als dauernde Last abziehbar sind. Sie sind Entgelt für das übernommene Vermögen. Die Verwaltungsanweisung in Tz. 17 und 18 des BMF-Schreibens in BStBl I 1996, 1508 (jetzt BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 893) –„Typus 2“– beruht insoweit nicht auf einer zutreffenden Auslegung des geltenden Rechts.

1. Wie schon in seinem Beschluss in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 folgt der Große Senat nicht der Auffassung, derzufolge Versorgungsleistungen von vornherein stets als Entgelt (ggf. Teilentgelt) für die Vermögensübergabe anzusehen sind.

Hierfür ist nach wie vor maßgeblich, dass die steuerrechtliche Rechtsprechung einen Übergabevertrag, in dem Versorgungsleistungen bedungen sind (auch als Leibgedinge oder Altenteil bezeichnet), seit jeher nicht als entgeltliches Veräußerungsgeschäft betrachtet hat (Beschluss in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C. II. 1. b). Dies steht im Einklang mit der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (StNOG) 1954. Ihr ist jedenfalls zu entnehmen, dass Altenteilsleistungen und sonstige bei Betriebsübergaben jeder Art vereinbarte Versorgungslasten in der Regel ganz oder teilweise abziehbar sein sollen (BFH-Urteil vom 16. September 1965 IV 67/61 S, BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706, vorletzter Absatz). Selbst wenn man die Meinung vertreten wollte, der Gesetzgeber des StNOG 1954 habe die Frage, ob Altenteilsleistungen als Sonderausgaben oder als Betriebsausgaben abzuziehen seien, offen gelassen, wäre es Aufgabe der Rechtsprechung, die vom Gesetzgeber offen gelassene Lücke zu füllen. Die Gerichte haben nicht nur Lücken zu füllen, die durch planwidrige Unvollkommenheiten des Gesetzes entstanden sind, sondern auch solche, in denen das Gesetz keine Regelung enthält, weil sie von den Gerichten gefunden werden soll (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 10. März 1988  1 BvR 894/87, Betriebs-Berater –BB– 1988, 2469; Ossenbühl in Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Bd. 3 § 61, Rz. 41; P. Fischer, Steuerliche Vierteljahresschrift –StVj– 1992, 3, 22; Kruse/Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 4 AO 1977 Tz. 349 a.E., m.w.N.). Das hat der Große Senat in seinem Beschluss in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 getan. Das BVerfG hat die darauf beruhende Rechtsprechung des BFH zur Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen von Verfassungs wegen nicht beanstandet (BVerfG vom 17. Dezember 1992  1 BvR 4/87, DStR 1993, 315, FR 1993, 157).

2. Der Große Senat hält weiterhin daran fest, dass wiederkehrende Leistungen nur dann als Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG abgezogen werden können bzw. als wiederkehrende Bezüge i.S. des § 22 Nr. 1 EStG zu versteuern sind, wenn die hiermit zusammenhängende Übertragung des Vermögens als unentgeltlicher Vorgang anzusehen ist. Die wiederkehrenden Leistungen dürfen sich nicht als Gegenleistung für das übertragene Vermögen darstellen.

Für diese Beurteilung spricht die Entwicklung der Rechtsprechung.

a) Im Urteil vom 23. Januar 1964 IV 8/62 U (BFHE 79, 516, BStBl III 1964, 422) hatte der BFH eine Versorgungsrente als Gegenleistung für das übernommene Vermögen angesehen. Auf diese Weise ließ sich vermeiden, dass die Versorgungsleistungen dem Abzugsverbot für Unterhaltsleistungen nach § 12 Nr. 2 EStG unterlagen. Etwas anderes sollte nur bei Nichterreichen der –damals erstmalig erwähnten– „50-v.H.-Grenze“ gelten.

b) Waren die im Rahmen einer Vermögensübergabe zugesagten Versorgungsleistungen als Gegenleistung anzusehen, so stellte sich allerdings die Frage nach dem Erfordernis der sog. Wertverrechnung. Dieses Erfordernis war im BFH-Urteil vom 28. Juni 1963 VI 321/61 U (BFHE 77, 287, BStBl III 1963, 424) erstmalig für den Fall eines sog. Unterhaltkaufs aufgestellt worden. Es beinhaltet, dass ein Abzug der Vorsorgungsleistungen als Sonderausgaben erst von dem Zeitpunkt ab in Betracht kommt, ab dem die Summe der einzelnen Leistungen die Gegenleistung übersteigt. Diese Rechtsprechung wurde in der Folgezeit auch auf Unternehmensübertragungen angewandt (BFH-Urteile vom 21. Februar 1964 IV 295/59, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 1964, 335; Steuerrechtsprechung in Karteiform –StRK–, Einkommensteuergesetz, § 22 Ziff. 1, Rechtsspruch 56, und vom 27. Mai 1964 I 379/61 U, BFHE 80, 1, BStBl III 1964, 475). Mit Urteil in BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706 entschied der BFH jedoch, dass der Gedanke der Verrechnung der Werte von Leistung und Gegenleistung nur auf kauf- und darlehensähnliche Vorgänge anzuwenden sei, nicht jedoch auf Betriebs- und sonstige Vermögensübergaben im Wege der wechselseitigen Schenkung oder der Schenkung unter Auflage. Der BFH sah damals zwar die Unstimmigkeit seiner Auffassung. Insbesondere verwies er darauf, dass schwer einzusehen sei, weshalb ein Steuerpflichtiger, der Zuwendungen an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person leiste, diese nur deshalb solle abziehen können, weil er vom Empfänger Vermögen erhalten habe, wohingegen dies einem Unterhaltsverpflichteten, der keine Gegenleistung erhalten habe, nach § 12 Nr. 2 EStG versagt sei. Der BFH lehnte gleichwohl die Wertverrechnung in den Fällen, die nicht als kauf- oder darlehensähnlich einzustufen waren, mit der Begründung ab, dass sie in der Mehrzahl der Fälle, z.B. bei der Übergabe landwirtschaftlicher Betriebe, fast ausnahmslos zur –vom Gesetzgeber des StNOG 1954 nicht gewollten– Nichtabzugsfähigkeit der Leistungen des Übernehmers führen würde. Er war der Meinung, dass nur der Gesetzgeber sich hieraus ergebende Ungerechtigkeiten und Unstimmigkeiten beseitigen könne.

c) Der Große Senat löste diesen Widerspruch, indem er in seinem Beschluss in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 Versorgungsleistungen, die im Gegenzug zur Vermögensübergabe erbracht werden, wegen ihrer Eigenschaft als vorbehaltene Erträge nicht mehr als Gegenleistung beurteilte. Wörtlich heißt es (unter C. II. 1. c): „Denn die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den wiederkehrenden Bezügen und Sonderausgaben beruht auf dem Umstand, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen.“ Der Entscheidung liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Übergeber das Vermögen –ähnlich wie beim Nießbrauchsvorbehalt– ohne die vorbehaltenen Erträge, die ihm nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen, übertragen hat. Da mithin die Versorgungsleistungen keine Gegenleistung des Übernehmers beinhalten, entfällt –wie der Große Senat ausdrücklich feststellt– das Erfordernis der Wertverrechnung.

d) Die Abziehbarkeit von wiederkehrenden Leistungen als Sonderausgaben und ihre Steuerbarkeit als wiederkehrende Bezüge lassen sich somit nur mit der Unentgeltlichkeit der Vermögensübertragung rechtfertigen. Demgegenüber kann die gleiche Rechtsfolge nicht mit dem Hinweis auf ein Korrespondenzprinzip begründet werden. Der Gegenmeinung liegt die Vorstellung zugrunde, dass wiederkehrende Leistungen beim Empfänger nach § 22 Nr. 1 EStG steuerpflichtig seien, weshalb sie korrespondierend beim Zahlenden als Sonderausgaben abziehbar sein müssten (so z.B. Weber-Grellet, FR 2000, 401). Dem EStG lässt sich allerdings die generelle Geltung eines solchen Prinzips für wiederkehrende Bezüge nicht entnehmen (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121, unter II. 1. c dd, m.w.N.).

3. Versorgungsleistungen stellen jedoch nur dann kein Entgelt für das im Gegenzug überlassene Vermögen dar, wenn die erzielbaren Nettoerträge des überlassenen Wirtschaftsgutes im konkreten Fall –soweit bei überschlägiger Berechnung vorhersehbar– ausreichen, um die Versorgungsleistungen abzudecken.

a) Allerdings vertritt der XI. Senat des BFH die Auffassung, dass der Große Senat in seinem Beschluss in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 das Kriterium der vorbehaltenen Erträge, das er zur Begründung für die Unentgeltlichkeit der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen herangezogen hat, nicht als notwendige Bedingung für die Behandlung der Versorgungsleistungen als Sonderausgaben bzw. wiederkehrende Bezüge angesehen habe. Wenn der Große Senat davon spreche, dass sich der Vermögensübergeber „typischerweise“ die Erträge seines Vermögens vorbehalte, sei „typischerweise“ als „regelmäßig“, also „nicht immer“, zu verstehen (Urteil in BFHE 167, 86, BStBl II 1992, 526; Drenseck, Steuerberater-Jahrbuch –StbJb– 1993/1994, 187, 197; Spiegelberger, DStR 2000, 1073, 1077, und Stbg 2001, 253, 257; Groh, FR 2001, 277, 278). Diese Auffassung konnte sich darauf berufen, dass der Beschluss in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 zu einem Fall ergangen war, in dem die aus der Vermietung des übergebenen Hauses erzielbaren Mieten nicht ausreichten, um die zugesagten wiederkehrenden Leistungen zu erbringen. Es handelte sich um denselben Fall, in dem später der zwischenzeitlich zuständig gewordene XI. Senat entschied, die zugesagte Versorgungsrente stelle im Falle der vorweggenommenen Erbfolge auch dann kein Entgelt dar, wenn sie nicht in voller Höhe aus den Erträgen des übertragenen Vermögens geleistet werden könne (Urteil in BFHE 167, 86, BStBl II 1992, 526).

b) Bei dieser Auslegung verlöre der Beschluss des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 jedoch seine Folgerichtigkeit. Die dem Beschluss zugrunde liegende Annahme, die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen stelle ein unentgeltliches Geschäft dar, weil sich der Übergeber die Erträge vorbehalte, wäre nicht mehr gerechtfertigt, wenn man die Verwendung des Wortes „typischerweise“ in dem Sinne verstehen wollte, dass wiederkehrende Leistungen auch dann kein Entgelt im Rechtssinne seien, wenn sie im Einzelfall nicht aus den Nettoerträgen des übergebenen Vermögens entrichtet werden könnten (Engelhardt, Steuer und Wirtschaft –StuW– 1997, 235, 238; Hipler, DStR 2001, 1918, 1925). Der Rechtfertigungsgrund der vorbehaltenen Vermögenserträge trägt nur in den Fällen, in denen er tatsächlich vorliegt. Auch das BVerfG stellt in seiner Entscheidung in DStR 1993, 315, FR 1993, 157 auf diesen Gesichtspunkt ab, wenn es den Verzicht auf eine an sich nahe liegende Wertverrechnung mit der Erwägung rechtfertigt, es sei gerade nicht Kennzeichen der Übergabeverträge, dass das übergebene Vermögen ggf. durch Verkauf dazu dienen solle, die vereinbarten Versorgungsleistungen abzudecken.

4. Ein Wertvergleich, wie er der „50-v.H.-Grenze“ zugrunde liegt, kann nichts darüber aussagen, ob eine wiederkehrende Leistung als Entgelt oder als unentgeltliche Versorgungsleistung anzusehen ist. Beträgt beispielsweise der Kapital- oder Barwert der Versorgungsleistungen 100 v.H. des Wertes des übernommenen Vermögens, so würde dieser Fall bei nicht ausreichenden Nettoerträgen an sich dem „Typus 2“ entsprechen. Gleichwohl hat der BFH entschieden, dass in einem solchen Fall eine Vermutung für das Vorliegen einer Veräußerungsrente spricht, weil Leistung und Gegenleistung ausgeglichen sind (BFH-Urteile vom 21. Januar 1986 VIII R 238/81, BFH/NV 1986, 597; vom 29. Januar 1992 X R 193/87, BFHE 167, 95, BStBl II 1992, 465).

5. Auch die Argumente, die in der Stellungnahme des BMF und in der Literatur gegen die Rechtsfigur der vorbehaltenen Erträge geltend gemacht werden, lassen die Anerkennung des „Typus 2“ nicht als notwendig erscheinen.

Das BMF hält die Anerkennung des „Typus 2“ insbesondere deshalb für notwendig, weil es befürchtet, dass andernfalls eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen in vielen Fällen nicht mehr möglich wäre (vgl. auch Brandenberg, Freundesgabe für Haas, 1996, S. 39, 42). Ferner wird darauf hingewiesen, dass die zukünftigen Erträge nicht zuverlässig vorausgesagt werden könnten (Spiegelberger, DStR 2000, 1073, 1075; ähnlich Groh, FR 2001, 277 ff.). Es bestehe auch die Gefahr, dass es zu einer unbeabsichtigten und möglicherweise existenzvernichtenden Aufdeckung stiller Reserven kommen könne, wenn sich herausstelle, dass die Erträge wider Erwarten nicht ausreichten, um die versprochenen wiederkehrenden Leistungen zu erbringen (Spiegelberger, DStR 2000, 1073, 1076).

6. Der Große Senat ist der Auffassung, dass die mit der Anerkennung der Rechtsfigur der vorbehaltenen Erträge verbundenen praktischen Probleme lösbar sind, wenn nach den nachfolgenden Grundsätzen verfahren wird.

a) Art des übergebenen Vermögens

Sieht man –wie vorstehend dargestellt– wiederkehrende Leistungen nur unter der Voraussetzung als Sonderausgaben bzw. als wiederkehrende Bezüge i.S. des § 22 Nr. 1 EStG an, dass sie aus den Nettoerträgen des überlassenen Vermögens bestritten werden können, so kann auch die Übertragung von Geldvermögen, Wertpapieren und typischen stillen Beteiligungen in gleicher Weise berücksichtigt werden wie die Übertragung der bisher unter der Bezeichnung „existenzwahrend“ zusammengefassten Vermögensarten. Hierauf hat der vorlegende Senat im Vorlagebeschluss in BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188 zutreffend hingewiesen (unter VI. 3., 3. Spiegelstrich).

Maßgebendes Kriterium für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer unentgeltlichen Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein kann, ist die Vergleichbarkeit mit dem Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe muss sich so darstellen, dass die vom Übernehmer zugesagten Leistungen –obwohl sie von ihm erwirtschaftet werden müssen– als zuvor vom Übergeber vorbehaltene –abgespaltene– Nettoerträge vorstellbar sind.

Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt bei ihrer Art nach ertraglosen Wirtschaftsgütern, wie häufig bei unbebauten Grundstücken, Kunst- oder Sammlerobjekten. Indes kann der Übergeber solche Objekte veräußern und mit dem Erlös ertragbringendes Vermögen erwerben, das er dann dem Übernehmer unter Vorbehalt der Erträge überlässt. Der Übergeber muss das ertraglose Wirtschaftsgut nicht notwendigerweise in eigener Person durch ein ertragfähiges ersetzen. Daher kann eine unentgeltliche Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen auch dann vorliegen, wenn der Übernehmer sich im Übergabevertrag verpflichtet, das übertragene ertraglose Objekt zu veräußern und vom Erlös eine ihrer Art nach bestimmte Vermögensanlage zu erwerben, die einen zur Erbringung der zugesagten Versorgungsleistungen ausreichenden Nettoertrag abwirft.

b) Nettoertrag
aa) Der erzielbare Nettoertrag ist nicht notwendigerweise mit den steuerlichen Einkünften identisch. Es liegt auf der Hand, dass die Bruttoerträge die zugesagten Versorgungszahlungen nicht abdecken können, wenn sie durch zu hohe laufende Aufwendungen gemindert werden. In Übereinstimmung mit der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 893, Tz. 14) geht der Große Senat davon aus, dass den nach steuerlichen Regeln ermittelten Einkünften Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen sowie außerordentliche Aufwendungen dem Nettoertrag hinzuzurechnen sind. Zinsen sind dem Nettoertrag hingegen nur dann hinzuzurechnen, wenn außerbetriebliche Schulden übernommen werden, deren Umfang geringer ist als der Wert des übertragenen Vermögens (so auch BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 893, Tz. 16). Die Übernahme solcher Schulden stellt sich als Teilentgelt dar. Die auf sie gezahlten Zinsen lassen den unentgeltlichen Teil der Übertragung unberührt.

Ein Unternehmerlohn ist nicht abzusetzen. Er spielt nur dort eine Rolle, wo es –wie etwa im Fall des Beschlusses vom heutigen Tag GrS 2/00– darauf ankommt, ob das übergebene Unternehmen überhaupt „Vermögen“ darstellt.

bb) Da der maßgebliche Nettoertrag nicht mit den steuerlichen Einkünften identisch sein muss, kann –abweichend vom BFH-Urteil in BFHE 190, 413, BStBl II 2002, 653, sowie vom BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 893, Tz. 13– auch ein Nutzungsvorteil berücksichtigt werden. Ein solcher Nutzungsvorteil kann als Einkommen im finanzwirtschaftlichen Sinn angesehen werden (Biergans/Koller, DStR 1993, 741, 748; P. Fischer in Wiederkehrende Bezüge und Leistungen, Rz. 340; Strahl, Stbg 1996, 263; Wendt, Harzburger Steuerprotokoll 1996, 205). Somit können beispielsweise Versorgungsleistungen, die im Gegenzug zur Übertragung eines durch den Übernehmer genutzten Einfamilienhauses oder einer Eigentumswohnung erbracht werden, als Sonderausgaben (Rente oder dauernde Last) abgezogen werden, wenn die ersparte Nettomiete nicht niedriger ist als die versprochenen Leistungen. Ähnliches gilt, wenn der Übernehmer vereinbarungsgemäß Geldvermögen zur Tilgung von Schulden verwendet und dadurch Zinsaufwendungen erspart, die nicht geringer sind als die zugesagten Versorgungsleistungen.

c) Ertragsprognose

Die Ertragsprognose muss auf die Verhältnisse bei Vertragsschluss abstellen (Martin, BB 1993, 1773, 1778). Sind in der Vergangenheit ausreichende Überschüsse erwirtschaftet worden, so bieten diese einen gewichtigen Anhaltspunkt. Unter diesem Gesichtspunkt hält es der Große Senat daher für zutreffend, wenn die Finanzverwaltung –in Anlehnung an R 99 der Erbschaftsteuer-Richtlinien– der Ertragsprognose den durchschnittlichen Nettoertrag des Jahres der Übergabe und der beiden vorangegangenen Jahre zugrunde legt (BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 893, Tz. 15). Wenn sich die im Zeitpunkt der Übergabe vorhandenen, nach objektiven Kriterien zu beurteilenden Gewinnerwartungen nicht erfüllt haben, darf das nicht dazu führen, dass nachträglich von einem entgeltlichen Geschäft ausgegangen wird und die stillen Reserven des übertragenen Vermögens aufgedeckt werden müssen. Es bleibt bei der steuerlichen Einordnung als Versorgungsleistungen.

Es ist aber auch denkbar, dass das übergebene Vermögen beim Übergeber –etwa wegen dessen fortgeschrittenen Alters– nur geringe Erträge abwarf, beim Übernehmer jedoch ausreichende Erträge erwarten lässt. In einem solchen Fall obliegt es demjenigen, der sich darauf beruft, nachzuweisen, dass im Zeitpunkt der Vermögensübergabe für die Zukunft ausreichend hohe Nettoerträge zu erwarten waren. Insoweit kann insbesondere auch die tatsächliche spätere Entwicklung als Beweisanzeichen herangezogen werden.

d) Beweiserleichterungen bei Unternehmensübertragungen

aa) Im Bereich der Vermietung und Verpachtung dürfte die Prognose der zu erwartenden Nettoerträge keine Schwierigkeiten aufwerfen, die über das hinausgehen, was auch in anderem Zusammenhang von Finanzbehörden und Steuerpflichtigen verlangt wird (z.B. Feststellung der ortsüblichen Miete i.S. des § 21 Abs. 2 EStG oder der Jahresrohmiete i.S. des § 79 des Bewertungsgesetzes).

bb) Im Falle der Übertragung eines gewerblichen Unternehmens gegen wiederkehrende Bezüge im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge besteht eine nur in seltenen Ausnahmefällen widerlegliche Vermutung dafür, dass die Beteiligten im Zeitpunkt der Übertragung angenommen haben, der Betrieb werde auf die Dauer ausreichende Gewinne erwirtschaften, um die wiederkehrenden Leistungen abzudecken. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Betrieb tatsächlich vom Erwerber fortgeführt wird.

Gleiches gilt für die Übertragung von Unternehmen, mit denen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt werden sowie für die Übertragung landwirtschaftlicher Betriebe. Bei Letzteren ist es unerheblich, ob der Gewinn nach § 13a EStG oder nach allgemeinen Grundsätzen ermittelt wird. Auch bei der Übertragung von GmbH-Anteilen kann in gleicher Weise verfahren werden, wenn sowohl Übergeber als auch Übernehmer als Geschäftsführer tätig waren bzw. sind.

e) Nachträgliche Umschichtung des übergebenen Vermögens

Nach Auffassung des vorlegenden Senats endet die Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen, wenn das übergebene existenzsichernde Vermögen vom Übernehmer später veräußert wird (BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 X R 104/94, BFHE 186, 280, BStBl II 2002, 646). Das soll auch dann gelten, wenn der Übernehmer mit dem Veräußerungserlös ein Ersatzgrundstück erwirbt (BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 X R 129/96, BFH/NV 1999, 294). Die Finanzverwaltung hat zunächst eine andere Meinung vertreten, sich jedoch im BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 893, Tz. 20, 21 der Auffassung des vorlegenden Senats angeschlossen.

Der Große Senat lässt offen, ob er dem folgen könnte. Die Vorlagefrage erfordert eine Stellungnahme hierzu nicht.

D. Der Große Senat beantwortet die vorgelegte Rechtsfrage wie folgt:

Im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarte abänderbare Versorgungsleistungen sind dann nicht als dauernde Last (Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG) abziehbar, wenn sie nicht aus den erzielbaren laufenden Nettoerträgen des übergebenen Vermögens gezahlt werden können.

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