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Widerrufsrecht bei Kauf von Goldbarren im Internet

AG Borken – Az.: 15 C 290/13 – Urteil vom 26.02.2014

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 144,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkte über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.07.2013 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte sich mit der Rücknahme der Kaufsache 11x Goldbarren 24 Karrat 1 Grain 999,9 Feingold Gold Barren Neu Aurum (F Artikel-Nr. XXX) in Annahmeverzug befindet.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung eines Kaufpreises.

Unter dem Pseudonym F1 annoncierte der Beklagte über die Internetplattform F „Goldbarren 24 Karat 1 Grain 999,9 Feingold Gold Barren Neu Aurum Au“ (F Artikel-Nr. XXX; im weiteren Artikel) zu einem Preis von 8,39 EUR zzgl. 1,00 EUR Versandkosten. Die Annonce umfasste 51 Artikel, wovon insgesamt 47 Artikel im Zeitraum vom 03.06.2013 bis zum 10.07.2013 zu entsprechendem Preis veräußert wurden. Die Offerte enthielt dabei einen Hinweis auf das gesetzliche Widerrufsrecht des § 312d Abs.1 BGB sowie einen Hinweis auf die Ausnahmeregelung des § 312 d Abs.4 Ziff.6 BGB. Der Beklagte handelte als Unternehmer, mit mehr als 3000 Kundenbewertungen und unter Anmeldung als gewerblicher Händler mit eigenem „Shop“ bei F.

Der Kläger bestellte, als Verbraucher, unter dem Pseudonym Q bei dem Beklagten am 18.06.2013 um 22:54 Uhr und um 23:06 Uhr insgesamt 11 der oben bezeichneten Artikel zu einem Verkaufspreis von 8,39 EUR sowie den zweimalig anfallenden Versandkosten zu 1,00 EUR per Sofortkaufoption. Er unterlag dabei dem Irrtum, dass es sich bei dem Artikel nicht um jeweils ein Gramm Gold, sondern um ein Grain (0,06479891 Gramm) Gold handelte.

Die Bezahlung wurde über das Bezahlsystem Q abgewickelt. Eine Versendung der Artikel sollte erst nach Zahlungseingangsbestätigung bei Q vorgenommen werden. Der Beklagte versandte die Ware bereits vor Zahlungseingang. Die 11 Artikel erhielt der Kläger am 21.06.2013.

Widerrufsrecht bei Kauf von Goldbarren im Internet
(Symbolfoto: Djohan Shahrin/Shutterstock.com)

Der Kläger erklärte den Widerruf des Kaufvertrages per Benachrichtigung über die Internetplattform F am 18.06.2013 um 23:39 Uhr. Hierauf reagierte der Beklagte nicht. Der Beklagte forderte den Betrag im System Q ab. Eine nochmalige Widerrufserklärung, einhergehend mit separater Rücksendung der 11 Artikel per Einschreiben fand am 21.06.2013 statt. Gleichzeitig forderte der Kläger den Beklagten dazu auf, den Kaufpreis an ihn zurückzuzahlen. Der Beklagte nahm das Einschreiben mit den Artikeln nicht entgegen. Er antwortete per Nachricht über die Internetplattform F mit Hinweis auf § 312d Abs.4 Ziff.6 BGB.

Eine nochmalige Aufforderung zur Abholung des Einschreibens bei der Post fand per 02.07.2013 und 06.07.2013 durch den Kläger statt. Eine entsprechende Aufforderung und eine solche in Bezug auf die Rückzahlung des Kaufpreises und der weiteren Auslagen fanden durch den Prozessbevollmächtigten per 12.07.2013 unter Fristsetzung bis zum 26.07.2013 statt.

Der Kläger behauptet, bei dem gelieferten Gold handle es sich um solches mit einem Marktwert pro Artikel von 2,0246875 EUR, Stand 12.07.2013.

Der Kläger ist der Ansicht, es handele sich um eine Festpreisabsprache. Er ist der Ansicht, es handele sich um ein Wuchergeschäft, was die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäftes und damit die Nichtigkeit auslöse.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 97,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.07.2013 zu zahlen sowie 46,41 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 27.07.2013 zu zahlen und festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme der Kaufsache 11x Goldbarren 24 Karat 1 Grain 999,9 Feingold Fold Barren Neu Aurum (F Artikel-Nr. 230990651482) in Annahmeverzug befindet.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, ein höherer Wert käme durch die kleine abgenommene Menge und die Verpackung zustande. Er ist der Ansicht, die Ausnahme des Widerrufsrechtes gemäß § 312 d Abs.4 Ziff.6 BGB greife durch.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 97,79 EUR gemäß §§ 355, 357 Abs.1, 2 i. V. m. § 346 Abs.1 BGB.

In Höhe von 94,29 EUR ergibt sich der Anspruch aus §§ 355, 357 Abs. 1 iVm. § 346 Abs.1 BGB.

Der Kaufvertrag wurde durch den Kläger am 18.06.2013 wirksam widerrufen. Eine entsprechende Erklärung ist dem Beklagten zugegangen. Durch Erklärung vom 18.06.2013 um 23:39 Uhr ist der Widerruf auch fristgerecht erklärt.

Dem Kläger steht ein Widerrufsrecht aus § 312d Abs.1 BGB zu. Er ist Verbraucher im Sinn des § 13 BGB. Bei dem über die Internetplattform F abgeschlossenen Kaufvertrag handelt es sich um ein Fernabsatzgeschäft.

Ein Ausschlussgrund gemäß § 312d Abs.4 Ziff.6 BGB ist nicht gegeben; es handelt sich insoweit nicht um eine Spekulationen unterliegende Kaufsache.

Der § 312d Abs.4 Ziff.6 BGB nimmt solche Kaufsachen von dem Widerrufsrecht des § 312d Abs.1 BGB aus, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können. Um eine ausufernde Anwendung, insbesondere mit Hinblick auf den Verbraucherschutz zu verhindern, ist eine enge Auslegung geboten. Als Kriterium für die Auslegung ist dabei auf den aleatorischen Charakter des Vertrages abzustellen. Nur für das Rechtsgeschäft, dem der Charakter eines Spekulationsgeschäftes inne wohnt, greift der § 312d Abs.4 Ziff.6 BGB. Sinn und Zweck ist es, dem Verkäufer nicht einseitig das Risiko einer volatilen Drittpreisbildung aufzuerlegen. Der Käufer soll sich bei günstigen Kursentwicklungen innerhalb der Widerrufsfrist nicht zu Lasten des Verkäufers einseitig von dem Vertrag lösen können. Diese Gefahr besteht jedoch nicht, wenn der Preis der Kaufsache nicht unmittelbar und wesentlich von Kursschwankungen abhängt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Preis der Kaufsache so maßgeblich vom Verkäufer bestimmt wird, dass das einseitige Auferlegung des Risikos der volatilen Drittpreisbildung nicht auftreten kann.Die streitgegenständliche Kaufsache besteht aus Goldplättchen zu je einem Grain. Gold wird als solches an der Börse gehandelt. Es handelt sich auch nicht etwa um Goldschmuck oder Zahngold, sondern „Goldbarren“. Der, durch den Beklagten festgesetzte Preis von 8,39 EUR pro Artikel stellt jedoch ein Vielfaches des Wertes an Gold, welcher durch den Goldkurs bestimmt wird, dar. Auf Grundlage des Goldpreises vom 18.06.2013 von 1.368,00 US$ pro Feinunze (480 Grain) ergibt sich ein Goldpreis von rund 2,13 EUR pro Artikel, bei einem Wechselkurs am 18.06.2013 von 1,3395 EUR/US$. Selbst mit einem zugrundegelegten erhöhten Goldpreis für Kleinmengen, bezüglich dessen der Beklagte nicht substantiiert vorgetragen hat, ergibt sich eine große Divergenz zwischen Preis und Goldwert. Der Beklagte annoncierte insgesamt 51 dieser Artikel. Hiervon wurden im Zeitraum vom 03.06.2013 bis zum 10.07.2013 insgesamt 47 Artikel zu jeweils einem Preis von 8,39 EUR verkauft. Im gleichen Zeitraum sank der Goldpreis um rund 11 %, ohne dass der Beklagte den Preis den Kursschwankungen anpasste. Insofern fehlt es hier an dem Risiko, der einseitigen Auferlegung von Kursschwankungen. Eine unmittelbare und wesentliche Abhängigkeit von den Goldkursen wird nicht nachgewiesen, vielmehr handelt es sich um einen durch den Beklagten diktierten Festpreis.

In Höhe von 3,50 EUR ergibt sich der Anspruch aus §§ 355, 357 Abs.2 S.3 BGB für die gezahlten Portokosten. Diese hat der Verkäufer zu tragen, soweit es sich um eine versandfähige Sache handelt. Die Kostenauferlegung durch den Verkäufer auf den Käufer ist möglich, soweit es sich um eine Kaufsache handelt, die den Preis von 40,00 EUR nicht übersteigt.

Der Beklagte versendete hier Ware im gesamt Wert von 94,29 EUR in einem Paket. Dass zunächst eine Bestellung über einen Artikel zu einem Preis von 8,39 EUR und sodann eine weitere über zehn weitere Artikel zu einem Preis von insgesamt 83,90 EUR abgesandt wurde, ist unerheblich. Die Bestellungen wurden insoweit durch den Beklagten zusammengefasst.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 46,41 EUR aus vorgerichtlichen anwaltlichen Tätigkeiten gemäß §§ 286, 355, 357 Abs.1 BGB. Der Anspruch ergibt sich auf Grund der Mahnung spätestens seit dem 21.06.2013.

Der Zinsanspruch besteht in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.07.2013 gemäß §§ 286, 288 BGB (§308 Abs.1 ZPO).

Der Beklagte befindet sich mit der Annahme der 11 Artikel („Goldbarren 24 Karat 1 Grain 999,9 Feingold Gold Barren Neu Aurum Au (F Artikel-Nr. 230990651482)“ im Verzug. Der Annahmeverzug wird gemäß § 293 BGB durch die Nichtannahme einer angebotenen Leistung begründet. Die Leistung muss entweder tatsächlich erfolgen oder wörtlich, soweit der Gläubiger erklärt, die Leistung nicht anzunehmen oder er die erforderliche Handlung unterlässt. Der Kläger hat die Artikel per Einschreiben an den Beklagten versendet. Dieser unterließ die Entgegennahme. Die erforderliche Handlung, das Päckchen bei der Poststelle abzuholen, nahm er auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht vor.

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

II.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs.1 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr.11, 711, 713 ZPO.

 

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