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Wildschadensverfahren – Mängel des Vorverfahrens – Wildschadensmeldung per Fax

 LG Heilbronn – Az.: 1 S 52/11 Bn – Urteil vom 15.02.2012

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgericht Öhringen vom 15.7.2011 abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 892,50 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz hieraus seit dem 28.11.2010 zu bezahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf – bis 900 € – festgesetzt.

Gründe

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das angefochtene Urteil des Amtsgericht Öhringen vom 15.7.2011 Bezug genommen.

Der Kläger ist Landwirt und baut auf seinen Feldern u. a. Mais an. Der Beklagte ist Pächter des Jagdbezirks, zu welchem die Felder des Klägers gehören. Der Kläger meldete mit Fax vom 16.9.2010 bei der Streithelferin Wildschäden durch Wildschweine an mehreren Feldern an. Es wurde ein behördliches Wildschadensschätzungsvorverfahren durchgeführt. Der Beklagte hat dem hierauf gegen ihn ergangenen Vorbescheid, der zu einer Zahlungspflicht des Beklagten von 858 € an den Kläger gelangte, aus formalen Gründen widersprochen.

Das klageabweisende amtsgerichtliche Urteil wurde dem Prozessvertreter des Klägers am 22.8.2011 zugestellt. Der Kläger hat gegen dieses Urteil mit am 19.9.2011 eingegangenem Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese zum Teil bereits in diesem Schriftsatz und im übrigen mit Schriftsatz vom 5.10.2011, eingegangen am 6.10.2011 begründet.

Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung im wesentlichen vor, Ende August seien nicht die am 16.9.2010 angemeldeten Hauptschäden, sondern allenfalls geringste Vorschäden bzw. reine Laufspuren von Wildschweinen vorhanden gewesen. Kenntnis von den angemeldeten Schäden habe der Kläger erst am 12.9.2010 erhalten. Der Wildschadensschätzung sei korrekt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Öhringen aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 892,50 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz seit Klageerhebung zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Wochenfrist des § 34 BJagdG sei nicht eingehalten. Der Jagdaufseher des Beklagten, Herr …, habe bereits Ende August 2010 mit dem Sohn des Klägers, dem Zeugen …, an einem Maisschlag damals schon vorhandene Schäden besichtigt. Die Anmeldung erst am 16.9.2010 sei daher verspätet. Ferner werde die Schadenshöhe bestritten. Der Wildschadenschätzer habe nicht ordnungsgemäß gearbeitet. Es sei nicht nachvollziehbar, wie er auf „66 ar Totalschaden“ komme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt und insbesondere die gewechselten Schriftsätze sowie auf das Hauptverhandlungsprotokoll vom 25.1.2012 verwiesen.

Das Berufungsgericht hat den Bevollmächtigten des Beklagten, Herrn … angehört sowie Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … und des sachverständigen Zeugen …. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.1.2012 Bezug genommen. Das Gericht hat ferner die Akten der Stadt W. bzgl. des Wildschadenvorverfahrens beigezogen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

In der Sache hat sie auch Erfolg.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz seines Wildschadens gegen den Beklagten aus §§ 29 Abs. 1 S. 3, 31 BJagdG, 249 BGB in geltend gemachter Höhe zu.

a. Die behaupteten Formfehler des behördlichen Wildschadensschätzungsverfahrens und die hierauf gestützte Behauptung der Fehlerhaftigkeit des Vorbescheides der Streithelferin haben auf die Zulässigkeit der Klage keinen Einfluss. Die gerügten Formfehler liegen schon nicht vor. Jedenfalls würde selbst bei deren Vorliegen die Klage zulässig bleiben, sofern die Mängel des Vorverfahrens nicht so schwerwiegend sind, dass sie zu dessen Gesamtnichtigkeit führen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 12.1.2006, Jagdrechtliche Entscheidungen IX Nr. 156; AG Siegburg, Urteil vom 24.9.2010, Jagdrechtliche Entscheidungen IX Nr. 188). Derartiges ist hier nicht ersichtlich.

Insbesondere ist das Formerfordernis bei der Anmeldung des Schadens mit Fax vom 16.9.2010 eingehalten. Gemäß § 17 Abs. 1 LJagdG DVO BW genügt die Anmeldung zur Niederschrift der Behörde. Der Geschädigte muss hierbei nicht selbst unterschreiben. Es reicht aus, wenn wie geschehen der Geschädigte bei der Behörde den Schaden per Fax anmeldet und die Behörde auf das Faxschreiben ihren Eingangsstempel und die Unterschrift des Sachbearbeiters anbringt. Es sind insofern keine übertriebenen formellen Anforderungen zu stellen, da es sich lediglich um ein behördliches Vorverfahren nicht um ein gerichtliches Verfahren handelt.

b. Die Anmeldefrist von einer Woche ab Kenntnisnahme vom Schaden gemäß § 34 BJagdG ist eingehalten. Dies steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der Anhörung des Herrn … und der Vernehmung des Zeugen … zur vollen Überzeugung der Kammer fest.

aa. Der Zeuge … hat glaubhaft und plausibel geschildert, dass er unmittelbar nach Entdeckung der Wildschäden an den streitgegenständlichen Grundstücken diese dem Kläger angezeigt und der Kläger daraufhin maximal 3 Tage später die Schadensmeldung erstellt und an die Streithelferin per Fax versandt habe. Der Zeuge hat nachvollziehbar dargelegt, dass sie nicht lange mit der Schadensmeldung zugewartet hätten, zumal der Kläger aufgrund eines vorherigen Schadens, auf den der Kläger keine Zahlung durch den Beklagten erhalten habe, misstrauisch gewesen sei. Dies deckt sich auch mit den Angaben in der Schadensmeldung selbst, in welchen von einer Kenntnisnahme vom Schaden am 12.9.2010 die Rede ist.

Der Zeuge hat weiterhin glaubhaft ausgesagt, er selbst habe mit Herrn … keine Begehung der streitgegenständlichen Felder durchgeführt, insbesondere nicht im August. Er sei kurz vor dem 16.9.2010 erstmals durch die streitgegenständlichen Maisfelder gelaufen. Dies hat der Zeuge nachvollziehbar damit begründet, dass man aufgrund der Fruchtreife erst um diese Zeit mit Wildschäden habe rechnen müssen. Der Zeuge hat glaubhaft bekundet, hierbei frische Schäden gesehen zu haben. Er hat insoweit auch eine Komplikationen und ein originelles Detail geschildert, indem er erklärt hat, man habe noch gerochen, dass die Schweine gerade da gewesen seien.

Bezüglich einer etwaigen Begehung des Klägers mit Herrn … könne sich der Zeuge nur vorstellen, dass sein Vater mit Herrn … Wiesen abgelaufen sei. Eine Begehung Ende August könne sich der Zeuge nicht vorstellen, da zu diesem Zeitpunkt noch keine „Teigreife“ eingetreten sei.

bb. Die Aussage des Herrn … ist nicht geeignet, diese Würdigung in Zweifel zu ziehen.

Herr … hat zum einen ausgesagt, man habe Ende August, als der Mais noch in der Milchreife gestanden sei, zwar schon Schäden festgestellt. Dies seien aber nicht so gravierend gewesen. Es habe sich um ca. 1/4 der Schäden gehandelt, die dann später gemeldet worden seien. Es seien Stängel umgedrückt und Kolben angefressen gewesen.

Ferner hat Herr … ausgesagt, die Begehung Ende August habe sich nur auf ein Maisfeld im bzw. am Ort bezogen. Es habe sich um ein Feld gehandelt, welches der Wildschadensschätzer … geschätzt habe. Herr … könne aber nicht sagen, um welchen Schlag es sich gehandelt habe.

Danach kann die Kammer nicht davon ausgehen, dass dem Kläger bereits Ende August Schäden an den streitgegenständlichen Feldern bekannt waren.

Zum einen handelt es sich in der Schadensmeldung um zwei Maisfelder bzw. Schläge. Nach Aussage des Herrn … wurde jedoch Ende August nur ein Maisfeld begangen, sodass bzgl. des anderen zu dieser Zeit mangels Begehung noch keine Schäden festgestellt worden sein können.

Ferner ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass diese behauptete Begehung eines der streitgegenständlichen Felder umfasste. Denn aus der Schadensmeldung vom 16.9.2010 geht hervor, dass es sich bei den streitgegenständlichen Feldern zum einen um das so genannte „S feld“ mit 318 ar Mais im Schlag 1 und zum anderen um die so genannten „Päcker“ mit 274 ar Mais im Schlag 4 handelte. Daneben gibt es im Schlag 2 diverse Felder, die als „Im Ort“ bezeichnet sind und insgesamt 212 ar Mais und 107 ar Wiese umfassen. Diese weisen somit sowohl einen anderen Namen als auch andere Flächen auf und können daher nicht mit den beiden streitgegenständlichen Feldern in der Schadensmeldung in Übereinstimmung gebracht werden.

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c. Die Schadensverursachung durch Wildschweine und nicht etwa durch andere Umstände ist unstreitig, wie es auch das Amtsgericht zu Recht im gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für die Berufung maßgeblichen Tatbestand des angefochtenen Urteils festgestellt hat. Das Vorbringen des Beklagtenvertreters im Schriftsatz vom 28.3.2011 (dort Seite 3 Mitte; Bl. 48 d. A.) stellt kein relevantes Bestreiten dar. Ferner konnte der sachverständige Zeuge … eine Verursachung der Schäden durch Maiszünsler ausschließen, da der Mais neben den geschädigten Früchten nicht von diesem Schädling befallen war.

d. Die Höhe des Wildschadens schätzt die Kammer unter Zugrundelegung der sich in den Akten der Stadt W. befindlichen Wildschadensschätzung und der Aussage des sachverständigen Zeugen … gemäß § 287 ZPO auf 858,– Euro. Herr … hat nachvollziehbar begründet, wie er zu diesem Ergebnis gelangt. Er habe im Rahmen seiner Schätzung die streitgegenständlichen Felder komplett abgeschritten und hierbei Totalschäden auf insgesamt 66 ar festgestellt. Die Stängel seien umgedrückt gewesen.

Der angenommene Wert erklärt sich durch den damaligen Marktpreis für Mais mittleren Bestandes, der um 1.300 € pro Hektar oder 13 € pro ar gelegen habe. Herr … habe insbesondere anhand der Stoppel in den streitgegenständlichen Äckern gesehen, dass es sich um einen Bestand mittlerer Güte gehandelt habe. Den Marktpreis kann man als Größe zur Berechnung des ersatzfähigen Schadens deshalb zugrunde legen, weil der Kläger den Mais als Futter für seine Kühe anbaut. Er musste daher den Verlust an Mais durch den Wildschaden durch Nachkauf am Markt ersetzen.

2. Daneben besteht ein Anspruch auf Erstattung der dem Kläger auferlegten Kosten des Wildschadensschätzungsvorverfahrens in Höhe von 34,50 Euro aus § 249 Abs. 1 BGB. §§ 29 ff. BJagdG ergänzen lediglich die allgemeinen Schadensersatznormen der §§ 249 ff. BGB, verdrängen diese jedoch nicht (vgl. BGH NJW 2011, 852).

Hierbei handelt es sich um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung. Die Ersatzpflicht erstreckt sich auch auf die durch die Geltendmachung und Durchsetzung des Schadensersatzanspruches verursachten Kosten. Es besteht insoweit als Teil des Schadensersatzanspruches ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch (vgl. Palandt: BGB. 71. Auflage 2012. § 249 Rn. 56). Diese Kosten des Wildschadensschätzungsvorverfahren, wobei es sich insbesondere um die Auslagen für den Wildschadensschätzer und die Kosten des Vorbescheides der Streithelferin gemäß § 20 Abs. 1 LJagdG DVO BW handelt, musste der Kläger zur Rechtsverfolgung aufwenden, da die Durchführung des behördlichen Vorverfahrens zur Geltendmachung des Schadens gemäß §§ 35 BJagdG, 32 LJagdG Baden-Württemberg, 17 Abs. 1, 19 Abs. 3, 23 LJagdG DVO BW obligatorisch ist. Der Kläger musste insbesondere gemäß §§ 34 BJagdG, 17 Abs. 1 LJagdG DVO BW seinen Wildschaden binnen einer Woche ab Kenntnisnahme bei der zuständigen Gemeinde anmelden, worauf gemäß § 17 Abs. 2 LJagdG DVO BW die Durchführung des obligatorischen Vorverfahrens durch die Behörde folgt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Streitwertfestsetzung erfolgte gemäß §§ 47 Abs. 1 und 2 GKG, 3 ZPO.

 

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