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Zahnriemenwechsel – Verletzung der Aufklärungspflicht verursachten Motorschaden

Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 1 U 107/18 – Urteil vom 19.12.2018

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 6.903,97 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2017 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 337,07 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

1. Von den Kosten des Reststreits haben die Beklagte 79 % und die Klägerin 21 % zu tragen.

1. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

1. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gem. §§ 540 Abs. 3, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat nur teilweise Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht der Klägerin dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch wegen einer Aufklärungspflichtverletzung zuerkannt. Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs sind allerdings Abzüge zu machen.

Die von der Beklagten zu vertretende und für den Schaden der Klägerin kausal gewordene Aufklärungspflichtverletzung liegt bereits darin, dass die Beklagte die Klägerin nicht schon anlässlich der Inspektion bei einer Laufleistung von 180.000 km auf die Erforderlichkeit eines Zahnriemenwechsels hingewiesen hat. Die Pflichtverletzung räumt die Beklagte ein (Schriftsatz vom 10.10.2017, S. 3) weshalb sich weitere Ausführungen insoweit erübrigen. Auch an der Kausalität der unterlassenen Aufklärung für den eingetretenen Motorschaden kann kein Zweifel bestehen. Dass der Motorschaden auf den unterlassenen Zahnriemenwechsel zurückzuführen ist, hat das Landgericht festgestellt (S. 8 des erstinstanzlichen Urteils) und wird mit der Berufung der Beklagten auch nicht angegriffen. Ihr erstinstanzliches Bestreiten hat die Beklagte insoweit in der zweiten Instanz nicht weiter verfolgt, so dass hierauf nicht weiter einzugehen ist. Weiter hat die Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung vor dem Berufungsgericht angegeben, dass sie die von der Beklagten angeratenen erforderlichen Arbeiten stets – wenn auch teilweise anderenorts und billiger – hat durchführen lassen, weshalb hier davon auszugehen ist, dass die Klägerin bereits im Rahmen der Inspektion bei einer Laufleistung von 180.000 km oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit den Zahnriemenwechsel hätte durchführen lassen, wie sie es im Übrigen unstreitig auch nach dem tatsächlich dann bei der Inspektion bei einer Laufleistung von 200.000 km erteilten Hinweis vorgehabt hat. Aufgrund der in der Rechtsprechung anerkannten Beweislastumkehr, hätte bei dieser Sachlage die Beklagte nachweisen müssen, dass die Klägerin auch nach Hinweis auf die Notwendigkeit des Zahnriemenwechsels einen solchen Hinweis unbeachtet gelassen hätte (BGH, Urteil vom 19. Februar 1975 – VIII ZR 144/73 –, BGHZ 64, 46-52, Rn. 14). Auch auf den Hinweis des Gerichts vom 05.11.2018 hat die Beklagte einen derartigen Beweis jedoch nicht angetreten, weshalb aufgrund der „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“ (BGH, Urteil vom 08. Mai 2012 – XI ZR 262/10 –, BGHZ 193, 159-183, Rn. 28) davon auszugehen ist, dass die Klägerin den Zahnriemenwechsel bereits spätestens ein bis zwei Wochen nach der Inspektion bei einer Laufleistung von 180.000 km hätte durchführen lassen. Dann aber wäre es nicht zu dem Abspringen des alten Zahnriemens gekommen, weil dieser bereits zuvor ausgetauscht worden wäre.

Diese Kausalität im Sinne der „sine qua non-Formel“ ist der Beklagten auch zurechenbar. Insbesondere ist der Zurechnungszusammenhang nicht dadurch unterbrochen, dass der Zeuge B. die Klägerin – verspätet – auf die Notwendigkeit des Zahnriemenwechsels hingewiesen hat und die Klägerin hierauf den Zahnriemenwechsel nicht sofort hat durchführen lassen. Zwar hätte die Klägerin den Schadenseintritt durch ihr Verhalten noch abwenden können, dies ist indes keine Frage des Zurechnungszusammenhangs, sondern allenfalls eine Frage des Mitverschuldens nach § 254 BGB, der gerade die Fälle der Mitursächlichkeit eines schuldhaften Verhaltens des Geschädigten bzw. der unterlassenen Schadensabwendung betrifft.

Zahnriemenwechsel - Verletzung der Aufklärungspflicht verursachten Motorschaden
(Symbolfoto: Von Orlov Alexsandr/Shutterstock.com)

Ein Verschulden – für das die Beklagte beweispflichtig ist – ist der Klägerin nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt indes nicht vorzuwerfen. Unterstellt, die Gefahr eines Zahnriemenschadens war zum Zeitpunkt der Inspektion bei einer Laufleistung von 200.000 km so naheliegend, dass vernünftigerweise das Fahrzeug nicht mehr hätte bewegt werden sollen, hätte hierauf der Zeuge B. ausdrücklich und eindeutig hinweisen müssen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Klägerin aufgrund des Versäumnisses der Beklagten mit dem eigentlich bereits auszuwechselnden Zahnriemen noch 20.000 km gefahren war, ohne dass es zu Beeinträchtigungen am Fahrzeug gekommen war, macht es für den Laien nicht deutlich, dass damit die Gefahr eines Zahnriemenschadens nun so nahe lag, dass auch nicht mehr vergleichsweise wenige Kilometer mit dem Fahrzeug gefahren werden sollten. Ein Laie kann nicht einschätzen welche Sicherheitsmarge die Fahrzeughersteller bei dem Hinweis auf die Erforderlichkeit eines Zahnriemenwechsels einplanen. Der Hinweis des Zeugen B. „dass man das jetzt machen müsse“ (Protokoll vom 25.04.2018, S. 3) ist nicht ausreichend deutlich. Vor allem deshalb nicht, weil dem Zeugen bekannt war, dass die Klägerin nicht beabsichtigte, den Zahnriemen sofort bei der Inspektion wechseln zu lassen, sondern das Fahrzeug zunächst wieder abholen und also auch damit weiter fahren würde. Dem Zeugen war damit klar, dass die Klägerin ihn nicht so verstanden hatte, dass das Fahrzeug nicht mehr bewegt werden sollte. Nur wenn der Zeuge die Klägerin eindeutig darauf hingewiesen hätte, dass sie das Fahrzeug zur Vermeidung erheblicher Schäden sofort stehen lassen sollte, wäre der Klägerin ein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen, weil sie das Fahrzeug für etwa eine Woche weiter genutzt hat. Mangels eindeutigen Hinweises ist der Klägerin ein Mitverschulden nach § 254 BGB nicht anzulasten.

Anders als das Landgericht meint, sind der Klägerin die wegen des Zahnriemenschadens entstandenen Reparaturkosten jedoch nicht vollen Umfangs zu erstatten. Zunächst sind die Kosten eines Zahn- und Keilriemenwechsels als Sowieso-Kosten abzuziehen, weil die Klägerin bei rechtzeitiger und zutreffender Aufklärung durch die Beklagte einen solchen Zahn- und Keilriemenwechsel ohnehin bereits bei einem Kilometerstand von ca. 180.000 hätte durchführen lassen und diese Kosten aufgewandt hätte. Gem. § 287 ZPO schätzt das Gericht die Kosten einer solchen Maßnahme auf 860,– €. Dem liegt zugrunde, dass der Zeuge B. ausgesagt hat, dass er die Kosten der Maßnahme auf diesen Betrag berechnet hat. Soweit die Klägerin einwendet, sie hätte die erforderlichen Arbeiten günstiger durchführen lassen, trägt sie weder vor, in welcher Höhe ihr ein bereits eingeholtes Angebot gemacht worden ist, noch trägt sie vor, welche Positionen der Reparaturrechnung (Anlage K 3) auf diese Arbeiten entfallen. Dem Gericht ist es allein anhand der genannten Anlage nicht möglich, einzuschätzen, welche Materialien und wieviel Arbeitszeit auf die ohnehin erforderlichen Arbeiten entfallen, so dass sich hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine Reduzierung der vom Zeugen genannten Summe nicht ergeben.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist ferner ein moderater Abzug „neu für alt“ für den eingebauten Austauschmotor zu machen. Richtig ist zwar, dass es sich bei dem Austauschmotor nicht um ein Neuteil handelt. Austauschmotoren sind aber generalüberholt und daher ist davon auszugehen, dass der eingebaute Austauschmotor eine längere Lebenszeit und weniger Reparaturbedarf haben wird, als sie der Motor im Fahrzeug der Klägerin, der bereits 200.000 km gelaufen war, ohne das Schadensereignis gehabt hätte. Andererseits bedeutet eine längere Lebenszeit des Motors nicht automatisch auch eine längere Nutzbarkeit des Fahrzeuges, denn auch Schäden an anderen Teilen können bei einem viel gefahrenen Fahrzeug wie dem der Klägerin schnell dazu führen, dass sich eine Reparatur nicht mehr lohnt und das Fahrzeug trotz noch intakten Motors ersetzt werden muss. Der Markt bewertet den Umstand, dass ein Fahrzeug mit einem Austauschmotor ausgestattet ist ambivalent. Einerseits wird der Umstand, dass der Austausch des Motors erforderlich geworden ist, als negativ bewertet, weil dies als Hinweis auf einen nicht sachgerechten Umgang mit dem Fahrzeug gedeutet werden kann, andererseits wird der Umstand, dass ein Austauschmotor generalüberholt ist, positiv gewertet. Insgesamt sind bei der Frage der Bewertung eines Austauschmotors als Wertverbesserung des Fahrzeuges viele Aspekte zu berücksichtigen, die auch ein Fahrzeugsachverständiger nicht alle beantworten kann, weil es insofern auch auf Wertungen ankommt. Vor diesem Hintergrund und angesichts der relativ geringen Höhe des von der Beklagten geltend gemachten Vorteilsausgleichs von etwa 4.380 € und dem Umstand, dass es sich nicht um eine zentrale Rechtsfrage des Rechtsstreites handelt, erscheint dem Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Verursachung der damit verbundenen Kosten nicht geboten. Das Gericht schätzt daher die Wertverbesserung des Fahrzeuges der Klägerin durch den Einbau des Austauschmotors unter Berücksichtigung der o.g. Aspekte gem. § 287 ZPO und unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Austauschmotor selber lediglich 3.650 € gekostet hat (vgl. Anlage k 3) auf 1.000 €.

Als Schaden, der der Klägerin von der Beklagten zu erstatten ist, ergibt sich daher ein Betrag von 6.903,97 €. Nur dieser Betrag kann Grundlage der Berechnung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin sein, so dass sich auch insoweit ein geringerer als der vom Landgericht zugesprochene Betrag ergibt.

Zwar erschließt sich dem Berufungsgericht der vom Landgericht ausgeurteilte Zinsbeginn nicht, da Rechtshängigkeit am 05.09.2017 eingetreten ist. Die insoweit beschwerte Klägerin hat aber keine Berufung eingelegt, so dass es insoweit bei der Entscheidung des Landgerichtes verbleibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

 

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