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Gerichtsstand bei Persönlichkeitsrechtsverletzung im Internet

OLG Jena –  Az.: 1 U 511/13 –  Urteil vom 07.11.2013

1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 14.05.2013,  Az. 2 O 415/13, wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Gera ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Gerichtsstand bei Persönlichkeitsrechtsverletzung im Internet
Symbolfoto: Von SWKStock /Shutterstock.com

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß §§ 540Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die Berufung der Verfügungsklägerin ist zulässig, sie ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519,520 Abs. 3 ZPO).

Das Landgericht hat zutreffend den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als unzulässig zurückgewiesen mit der Begründung, dass die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Gera nicht gegeben sei.

In Literatur und Rechtsprechung ist allerdings umstritten, ob bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch in das Internet eingestellte Inhalte der Gerichtsstand des § 32 ZPO an jedem Ort eröffnet ist, an dem der persönlichkeitsrechtsverletzende Beitrag abgerufen werden kann, oder ob dies allein nicht ausreicht, weil ansonsten die Wahl des Gerichtsstandes (§ 35 ZPO) praktisch beliebig möglich und damit nicht nur die Regelung des § 32 ZPO sinnentleert, sondern auch die Gefahr eines Missbrauchs bei der Wahl des Gerichtsstandes eröffnet wäre (vergleiche zum Meinungsstand BGH Urteil vom 2. März 2010, VI ZR 23/09, Rn. 12, zitiert nach juris).

Der Senat folgt insoweit der im Urteil des 6. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs  vom 2. März 2010 für die Frage der internationalen Zuständigkeit vorgenommenen Grenzziehung, die, soweit ersichtlich, auch allgemein auf Zustimmung gestoßen ist (vergleiche Hoffmann, NJW 2010, 2706, 2711). Die in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze sind ohne Weiteres für die Bestimmung des Anwendungsbereich des § 32 ZPO bei mehreren in Deutschland in Betracht kommenden Gerichtsständen heranzuziehen, gelten doch die Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO) für die Grenzziehung zwischen der Zuständigkeit deutscher und ausländischer Gerichte lediglich mittelbar (vergleiche BGH aaO Rn. 7; so auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.02.2011 –25 W 41/10, juris).

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist der Gerichtsstand des § 32 ZPO nicht an jedem Ort eröffnet, an dem die beanstandete Internetveröffentlichung abrufbar ist und deshalb die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Dies allein reicht nach Sinn und Zweck des § 32 ZPO, der einen vom Gerichtsstand des Beklagten abweichenden Wahlgerichtsstand wegen der durch den Handlungsort oder den Erfolgsort begründeten besonderen Beziehung der Streitigkeit gerade zu dem insoweit zuständigen Gericht eröffnet und damit diese besondere Beziehung voraussetzt (vergleiche BGH aaO Rn. 17 m.w.N.), nicht aus, um an jedem Ort der Abrufbarkeit einen Begehungsort im Sinne des § 32 ZPO bejahen zu können. Hinzukommen zu der Abrufbarkeit muss vielmehr, dass die als rechtsverletzend beanstandete Internetveröffentlichung einen deutlichen Bezug zu dem Ort des angerufenen Gerichts in dem Sinne aufweist, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen – Persönlichkeitsrecht des Betroffenen auf der einen Seite, Recht der Freiheit der Berichterstattung andererseits – nach den Umständen des konkreten Falles tatsächlich bereits eingetreten sein kann oder noch eintreten kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Veröffentlichung nach den Umständen des konkreten Falles an dem betreffenden Gerichtsort erheblich näher liegt als dies aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre, und die vom Betroffenen behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung auch an diesen Ort eintreten würde.

In Anwendung dieser Grundsätze ist für den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht gegeben. Es handelt sich um eine Veröffentlichung mit einem eindeutigen Bezug zu München; diese ist auf der Webseite der Verfügungsklägerin auch unstreitig unter dem Button „Lokales“ zu lesen gewesen. Eine konkrete Beziehung zum Landgerichtsbezirk Gera ist nicht zu finden. Diese entsteht auch nicht dadurch, dass die Verfügungsklägerin auch in Thüringen Mitgliederverbände hat. Der Artikel richtet sich gerade nicht an ein überregionales Publikum. Es reicht angesichts der zitierten Entscheidungen gerade nicht aus, wenn irgendein Bezug herstellbar ist. Eine gezielte Diffamierung von Mitgliedern der Verfügungsklägerin in Thüringen ist ebenfalls nicht ersichtlich. Es reicht insoweit auch nicht aus, wenn der Artikel in dem Thüringer Mitgliedsverband der Verfügungsklägerin diskutiert wird.

Auch dass der Artikel über die Suchmaschine „Google“ jederzeit und an jedem Ort abgerufen werden kann, reicht nach den dargelegten Grundsätzen nicht aus, um die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Gera zu begründen.

Da die Verfügungsklägerin auch nicht hilfsweise gemäß § 281 ZPO einen Verweisungsantrag gestellt hat, war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708Nr. 10, 711 oder 713 ZPO.

Gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO findet gegen dieses Urteil die Revision nicht statt.

Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf  §§ 3 ZPO, 47Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG.

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