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Beamter – Ruhestandversetzung bei noch ausstehender Anerkennung als Schwerbehinderter

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 2 A 10665/11 – Urteil vom 22.09.2011

Unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2011 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz wird der Beklagte unter teilweiser Aufhebung seines Bescheides vom 30. April 2010 sowie unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2010 verpflichtet, den Kläger mit Ablauf des 30. April 2010 gemäß § 59 Nr. 2 LBG in den Ruhestand zu versetzen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Auswechselung des Grundes seiner Versetzung in den Ruhestand.

Der am … Mai 1947 geborene Kläger ist Beamter des beklagten Landes. Im Februar 2002 beantragte er die Gewährung von Altersteilzeit im Blockmodell „für die Zeit vom 01.05.2003 bis zum Eintritt in den Ruhestand (§ 59 LBG) mit Ablauf des 30.04.2010.“ Ergänzend teilte er mit, er habe beim Amt für soziale Angelegenheiten einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt, über den noch nicht abschließend entschieden sei. Unter dem 28. Januar 2003 bewilligte der Beklagte die Altersteilzeit; diese ende „mit Versetzung in den Ruhestand vor Erreichen der Altersgrenze (§ 59 Satz 1 Nr. 2 LBG) mit Ablauf des 30.04.2010.“

Beim Kläger wurde zunächst im Jahr 2004 ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt. Aufgrund einer weiteren Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustands beantragte er Ende 2008 beim Amt für soziale Angelegenheiten erneut die Anerkennung als Schwerbehinderter. Nach Ablehnung des Antrags im April 2009 und Zurückweisung seines Widerspruchs erhob er im November 2009 Klage vor dem Sozialgericht.

Mit Schreiben vom 15. März 2010 bat ihn der Beklagte, den für eine Versetzung in den Ruhestand nach § 59 Nr. 2 Landesbeamtengesetz – LBG – erforderlichen Nachweis der Schwerbehinderung bis spätestens 30. April 2010 vorzulegen, andernfalls die Ruhestandsversetzung antragsgemäß nach § 59 Nr. 1 LBG erfolgen müsse. Unter dem 22. April 2010 teilte der Kläger dem Beklagten mit, das Verfahren vor dem Sozialgericht werde bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand nicht abgeschlossen sein. Daraufhin versetzte ihn der Beklagte mit Bescheid vom 30. April 2010 gemäß § 59 Nr. 1 LBG in den Ruhestand.

In seinem hiergegen eingelegten Widerspruch führte der Kläger aus, ein vom Sozialgericht in Auftrag gegebenes medizinisches Gutachten liege nunmehr vor und bestätige einen Grad der Behinderung von 50. Es sei daher von der Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft auszugehen, die bereits im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts vorgelegen habe. Er dürfe nicht dadurch benachteiligt werden, dass die Anerkennung aufgrund einer Fehlentscheidung des Amtes für soziale Angelegenheiten erst zu einem späten Zeitpunkt erfolgt sei. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 2010 mit der Begründung zurück, am 30. April 2010 hätten die Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung nach § 59 Nr. 2 LBG nicht vorgelegen. Eine nachträgliche sozialgerichtliche Entscheidung könne nicht zu einer Änderung des Bescheides führen, weil dieser gemäß § 62 Abs. 1 Satz 3 LBG nur bis zum Beginn des Ruhestands zurückgenommen werden könne.

Mit seiner am 20. September 2010 erhobenen Klage wies der Kläger ergänzend zu seinen vorherigen Ausführungen auf ein zwischenzeitliches Anerkenntnis des Landesamts für Soziales im sozialgerichtlichen Verfahren sowie darauf hin, der Beklagte habe selbst zu erkennen gegeben, er werde eine Ruhestandsversetzung nach § 59 Nr. 2 LBG vornehmen, wenn die Schwerbehinderung zu diesem Zeitpunkt nachgewiesen sei. Im Interesse der materiellen Gerechtigkeit sei auf den tatsächlichen Eintritt der Schwerbehinderung, nicht auf deren erst nachträgliche Anerkennung abzustellen. Sein Fall unterscheide sich zudem durch die fehlende Rechtskraft des Versetzungsbescheides von demjenigen, der einem die Auswechselung des Versetzungsgrundes ablehnenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde lag.

Der Kläger hat beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 30. April 2010 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 17. August 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Kläger gemäß § 59 Nr. 2 LBG mit Ablauf des 30. April 2010 in den Ruhestand zu versetzen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat ausgeführt, der Kläger habe mit Vollendung des 63. Lebensjahrs unabhängig vom Vorliegen einer Schwerbehinderung in den Ruhestand treten wollen. Weil hierüber bis zum Ruhestandsbeginn keine Anerkennung vorgelegen habe, sei er – der Beklagte – an den ursprünglichen Antrag des Klägers gebunden gewesen. Der anschließende Eintritt in den Ruhestand sei unabdingbare Voraussetzung für die Bewilligung von Altersteilzeit, weshalb ein nachträgliches Hinausschieben der Pensionierung nicht möglich gewesen sei. Diese Rahmenbedingungen seien dem Kläger als vormaligem Personalreferenten bekannt gewesen. In Kenntnis dieser Rechtslage habe er unabhängig von der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft an seinem Antrag festgehalten. Die Differenz der Versorgungsbezüge des Klägers zu denjenigen im Falle einer Ruhestandsversetzung nach § 59 Nr. 2 LBG betrage monatlich 255,82 €.

Mit Urteil vom 24. Februar 2011 hat das Verwaltungsgericht Koblenz die Klage abgewiesen. Der Kläger habe seinen Antrag vom 19. Februar 2002 allein auf § 59 Nr. 1 LBG gestützt. Dies ergebe sich aus der beantragten Bewilligung von Altersteilzeit im Blockmodell, den in seinem Schreiben genannten Vorschriften sowie aus dem gewählten Zeitpunkt des Ruhestandsbeginns. Bei der Erwähnung des anhängigen Verfahrens auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft habe es sich hingegen um einen bloßen Hinweis gehandelt. An den vom Kläger benannten Versetzungsgrund sei der Beklagte gebunden gewesen, weil der Kläger seinen Antrag nachfolgend weder zurückgenommen noch geändert habe. Stattdessen habe er durch Bestätigung des Termins zur Aushändigung der Versetzungsurkunde bekräftigt, unabhängig von der Schwerbehinderteneigenschaft in den Ruhestand treten zu wollen.

Unter dem 24. März 2011 stellte das Amt für soziale Angelegenheiten rückwirkend zum 1. Dezember 2009 beim Kläger einen Grad der Behinderung von 50 fest.

In seiner vom Senat zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, es habe zwischen ihm und dem Beklagten während der Phase der Altersteilzeit viele Kontakte zu der Frage gegeben, ob eine Ruhestandsversetzung nach § 59 Nr. 2 LBG möglich sei. Die Vorschrift erfordere nicht die Anerkennung oder den Nachweis, sondern lediglich das Bestehen einer Schwerbehinderung. Das Verwaltungsgericht habe seinen Antrag zudem zu eng ausgelegt, dieser sei nicht auf § 59 Nr. 1 LBG beschränkt gewesen. Der Grundsatz der Ämterstabilität könne seinem Begehren nicht entgegen gehalten werden, weil die Versetzungsverfügung nicht bestandskräftig geworden sei und deshalb nicht zurückgenommen oder widerrufen werden müsse.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 24. Februar 2011 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 30. April 2010 sowie den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 17. August 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Kläger gemäß § 59 Nr. 2 LBG mit Ablauf des 30. April 2010 in den Ruhestand zu versetzen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze sowie die vorgelegten Verwaltungsakten (4 Hefte) verweisen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat Erfolg.

Der Kläger ist statt wegen Erreichens der vorgezogenen Altersgrenze nach § 59 Nr. 1 LBG gemäß § 59 Nr. 2 LBG wegen Schwerbehinderung in den Ruhestand zu versetzen. Der Bescheid vom 30. April 2010 sowie der Widerspruchsbescheid vom 17. August 2010 sind daher rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).

Gemäß § 59 LBG kann der Beamte ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit auf Antrag in den Ruhestand versetzt werden. Dabei hat er nach Vollendung des 63. Lebensjahres die Wahl, ob er die Versetzung in den Ruhestand auf sein Alter oder auf seine Schwerbehinderung stützt. Vorliegend war der für den Grund der Zurruhesetzung maßgebliche Antrag des Klägers auf eine Pensionierung vorrangig wegen Schwerbehinderung und nur hilfsweise wegen Erreichens des 63. Lebensjahres gerichtet (1.). Weil feststeht, dass der Kläger im Zeitpunkt der Zurruhesetzung schwerbehindert war, musste ihn der Beklagte nach § 59 Nr. 2 LBG in den Ruhestand versetzen (2.). Der Umstand, dass die Anerkennung der Schwerbehinderung erst nach Ruhestandsbeginn ausgesprochen wurde, steht dem nicht entgegen, weil sie rückwirkend und noch vor Bestandskraft des Bescheides vom 30. April 2010 erfolgte (3.)

1. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht angenommen, der Kläger habe die Zurruhesetzung allein nach § 59 Nr. 1 LBG beantragt.

Der Inhalt seines Antragsschreibens vom 19. Februar 2002 ist gemäß §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen. Danach kann die Erklärung, zum 1. Mai 2010, d. h. mit Vollendung des 63. Lebensjahres, in den Ruhestand treten zu wollen, angesichts des Hinweises auf ein laufendes Verfahren auf Anerkennung als Schwerbehinderter sinnvollerweise nur so verstanden werden, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall in den Ruhestand treten wollte, allerdings zur Vermeidung eines Versorgungsabschlags möglichst nach § 59 Nr. 2 LBG und nur für den Fall einer fehlenden Schwerbehinderung nach § 59 Nr. 1 LBG. Gegen eine derartige Verbindung mehrerer Zurruhesetzungsgründe als Haupt- und Hilfsantrag bestehen keine rechtlichen Bedenken (vgl. Plog/Wiedow, BBG, § 42 Rn. 18).

In diesem Sinne hat auch der Beklagte den Antrag verstanden. Dies ergibt sich sowohl aus einem Aktenvermerk vom 20. Januar 2003 (Bl. 53 der Verwaltungsakte) als auch der Bewilligung der Alterszeit mit Bescheid vom 28. Januar 2003, dem zufolge „[d]ie Altersteilzeit […] vor Erreichen der Altersgrenze (§ 59 Satz 1 Nr. 2 LBG) mit Ablauf des 30.04.2010“ endete. Dementsprechend wies der Beklagte den Kläger in seinem Schreiben vom 15. März 2010 (Bl. 69 der Verwaltungsakte) darauf hin, eine Ruhestandsversetzung „gemäß § 59 Satz 1 Nr. 2 LBG“ könne nur nach Vorlage eines entsprechenden Nachweises und müsse andernfalls „gemäß § 59 Satz 1 Nr. 1 LBG“ erfolgen.

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2. Der Antrag bestimmt den Rechtsgrund, aus dem der Beamte vorzeitig in den Ruhestand treten möchte, und legt damit zugleich – für die Statusbehörde bindend – den Gegenstand der Statusentscheidung fest (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 – 2 C 22.06 –, NVwZ-RR 2008, 193 [194]). Mit Bescheid des Amtes für soziale Angelegenheiten vom 24. März 2011 wurde festgestellt, dass der Kläger seit dem 1. Dezember 2009 – und damit bereits bei seinem Eintritt in den Ruhestand – schwerbehindert war. Dementsprechend war der Beklagte verpflichtet, den Kläger gemäß § 59 Nr. 2 LBG in den Ruhestand zu versetzen.

3. Die Anerkennung der Schwerbehinderung des Klägers erst nach Ruhestandsbeginn führt zu keiner hiervon abweichenden Betrachtung. Vielmehr folgt aus § 59 LBG (a) wie auch aus höherrangigem Recht (b), dass – bei fehlender Bestandskraft des Zurruhesetzungsbescheides – eine nachträgliche, aber rückwirkende Anerkennung als schwerbehindert ebenso zu berücksichtigen ist wie diejenige, die bereits bei Ruhestandsbeginn vorlag. Berechtigte Interessen des Dienstherrn stehen einer solchen Auslegung nicht entgegen (c).

a) Gemäß § 59 Nr. 2 LBG kann der Beamte in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden, wenn er schwerbehindert ist. Die Regelung setzt damit schon nach ihrem Wortlaut nicht die förmliche Anerkennung, sondern lediglich das Vorliegen einer Schwerbehinderung voraus. Dies ergibt sich zusätzlich daraus, dass sie den Begriff des Nachweises zwar eingangs hinsichtlich der Dienstunfähigkeit, nicht jedoch in Bezug auf die Schwerbehinderung verwendet.

Darüber hinaus soll § 59 Nr. 2 LBG den besonderen Erschwernissen der Betroffenen Rechnung tragen. Diese bestehen jedoch nicht erst aufgrund der förmlichen Anerkennung, sondern bereits infolge der Schwerbehinderung. Auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift kommt es mithin allein darauf an, dass die Schwerbehinderung des Beamten feststeht, nicht aber darauf, wann diese Feststellung erging.

Die Regelung des § 62 Abs. 1 Satz 3 LBG, der zufolge die Verfügung über die Versetzung in den Ruhestand (nur) bis zum Beginn des Ruhestandes zurückgenommen werden kann, steht der vorgenannten Auslegung nicht entgegen. Sie schließt zunächst lediglich die nachträgliche Aufhebung der Pensionierung durch einseitiges Handeln des Dienstherrn aus und dient damit vorrangig dem Vertrauensschutz des Beamten. Dementsprechend findet sie keine Anwendung, wenn der Beamte selbst – etwa, weil er die Annahme seiner Dienstunfähigkeit bestreitet – seine Zurruhesetzung anficht. Soweit damit auch der Planungssicherheit bzw. dem Vertrauensschutz des Dienstherrn Rechnung getragen werden soll, kann dies nur hinsichtlich des Ausscheidens aus dem aktiven Dienst, nicht jedoch für den Grund hierfür gelten. Insoweit ist die vorübergehende Ungewissheit, die aus der Möglichkeit einer nachträglichen rückwirkenden Anerkennung der Schwerbehinderung folgt, auf die Frage beschränkt, ob die Versorgungsbezüge des Beamten nach § 14 Abs. 3 Beamtenversorgungsgesetz vermindert sind. Sie beschränkt sich folglich auf die finanziellen Folgen der Pensionierung, ohne den Dienstbetrieb zu beeinträchtigen, und geht damit nicht über eine allein finanzielle Unsicherheit hinaus, die mit der Führung eines jeden besoldungs- oder versorgungsrelevanten Rechtsstreits verbunden ist. Aus diesem Grund steht der Berücksichtigungsfähigkeit einer nachträglichen rückwirkenden Anerkennung auch nicht die – gleichfalls im Interesse des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit geltende – grundsätzliche Bedingungsfeindlichkeit statusändernder Akte entgegen.

b) Hinzu kommt, dass die Vorschriften des Landesbeamtengesetzes keine eigenen Regelungen der Schwerbehinderteneigenschaft enthalten, sondern an diejenigen des Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs – SGB IX – anknüpfen. Danach bedarf die Schwerbehinderteneigenschaft keines statusbegründenden Rechtsakts, weshalb der Feststellung der Schwerbehinderung durch Verwaltungsakt keine konstitutive, sondern lediglich eine deklaratorische Bedeutung zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 1988 – 12 RK 44/87 –, juris Rn. 12; Ritz, in: Cramer/Fuchs/Hirsch/Ritz, SGB IX, 6. Aufl. 2011, § 69 Rn. 14). Infolgedessen beschränkt sich die Anerkennung nicht auf den Zeitraum ab dem Erlass des Bescheides, sondern wirkt auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurück. Der Gesetzgeber vermeidet hierdurch nicht zuletzt unvertretbare Folgen in den Fällen, in denen sich die Feststellung der Schwerbehinderung – etwa wegen umfangreicher ärztlicher Begutachtung oder großer Arbeitsbelastung der Sozialbehörden – verzögert und möglicherweise sogar erst im Gerichtsverfahren getroffen werden kann.

c) Wo es hingegen wegen gegenläufiger – schützenswerter – Interessen Dritter ausnahmsweise nicht auf die Schwerbehinderung, sondern auf ihre förmliche Anerkennung ankommt, hat der Gesetzgeber dies – wie beispielsweise in § 90 Abs. 2a SGB IX – ausdrücklich angeordnet. Das Landesbeamtengesetz enthält jedoch nicht nur – insbesondere in § 59 Nr. 2 und § 62 Abs. 1 Satz 3 LBG – keine derartige Regelung. Für eine Beschränkung des § 59 Nr. 2 LBG auf die im Zeitpunkt der Zurruhesetzung rechtsförmlich anerkannte Schwerbehinderteneigenschaft streiten zudem auch keine schutzwürdigen Belange des Dienstherrn, welche diejenigen des betroffenen Beamten überwiegen.

Dies wurde hinsichtlich der organisatorischen und finanziellen Planungssicherheit bereits dargelegt, gilt jedoch auch in Bezug auf die praktische Umsetzung einer Berücksichtigung der nachträglichen, aber rückwirkenden Feststellung der Schwerbehinderung. Soweit der Beamte dem Dienstherrn seine Anerkennung als Schwerbehinderter oder ein diesbezügliches laufendes Verfahren nicht mitgeteilt hat, ist dieser schon dadurch hinreichend geschützt, dass der Antrag auf Zurruhesetzung in diesem Fall nicht dahingehend ausgelegt werden kann, er umfasse (auch) eine Pensionierung wegen Schwerbehinderung nach § 59 Nr. 2 LBG. Hat der Beamte hingegen rechtzeitig auf das Verfahren hingewiesen, ist dieses jedoch im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand noch nicht abgeschlossen, hat der Dienstherr dem dadurch Rechnung zu tragen, dass die Pensionierung hinsichtlich ihres Grundes zunächst nur vorläufig – vorbehaltlich einer späteren Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft im laufenden sozialbehördlichen oder -gerichtlichen Verfahren – nach § 59 Nr. 1 LBG ergeht. Ein seinem Wortlaut nach auf § 59 Nr. 2 LBG beschränkter Antrag auf vorzeitige Zurruhesetzung wiederum, der trotz fehlender Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft im Zeitpunkt des gewählten Ruhestandseintritts – bei gleichzeitigem Vorliegen der Voraussetzungen des § 59 Nr. 1 LBG – aufrechterhalten wird, ist dahingehend auszulegen, dass er hilfsweise auch auf diesen Zurruhesetzungsgrund gestützt ist. Liegen dessen Voraussetzungen hingegen im Zeitpunkt des gewählten Ruhestandsbeginns nicht vor, ist der Antrag insgesamt abzulehnen.

Dem Beamten, der bereits vor Anerkennung seiner Schwerbehinderung die vorzeitige Pensionierung beantragt, kann andererseits nicht entgegengehalten werden, mit der Pensionierung nach § 59 Nr. 1 statt nach § 59 Nr. 2 LBG habe sich lediglich das Risiko realisiert, welches er bei Stellung seines – in Verbindung mit der Entscheidung für eine Altersteilzeit unwiderruflichen – Antrags bewusst eingegangen sei. Dem Beamten zurechenbar ist lediglich, wenn sich letztlich herausstellt, dass sein Grad der Behinderung weniger als 50 beträgt, nicht jedoch die zeitliche Verzögerung der förmlichen Feststellung. Mit Ausnahme der – hier gegebenen – Rechtzeitigkeit seines Antrags beim Amt für soziale Angelegenheiten hat der Betroffene keinen Einfluss auf die Dauer des behördlichen und möglicherweise gerichtlichen Anerkennungsverfahrens. Die Höhe seiner Versorgungsbezüge hinge daher von Zufällen wie dem Arbeitsanfall bei Behörden, Gutachtern und Sozialgerichten ab. Dies wäre mit dem Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, Art. 17 Abs. 2 Verfassung für Rheinland-Pfalz unvereinbar.

4. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 6.139,68 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG).

 

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