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Fahrverbot – Absehen hiervon – Arbeitsplatzverlust

Oberlandesgericht Köln

Az: 83 Ss-OWi 82/07

Beschluss vom 16.11.2007


Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit seinen dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht Wipperfürth zurückverwiesen.

Gründe

I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen „wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 1 StVG“ zu einer Geldbuße von 280 Euro verurteilt und ihm gemäß § 25 StVG für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge aller Art im Straßenverkehr zu führen. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Aufhebung des Fahrverbots erstrebt wird, rügt Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.
Die wirksam auf den Rechtfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde hat (vorläufigen) Erfolg. Sie führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält der Rechtsbeschwerde des Betroffenen nicht Stand.

Zur Rechtsfolgenseite heißt es im amtsgerichtlichen Urteil:
„Die nach dem Bußgeldkatalog vorgesehene Geldbuße von 250 € war entsprechend der Voreintragungen auf 280 € zu erhöhen. Von der Vorschrift des § 25 Abs. 1 S. 2 StVG, nach der in der Regel in einem solchen Falle ein Fahrverbot anzuordnen ist, sah das Gericht keine Veranlassung abzuweichen. Gem. § 25 Abs. II a S. 1 StVG war anzuordnen, dass das Fahrverbot wirksam wird mit Abgabe des Führerscheins, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten nach Eintritt der Rechtskraft.
Von der Verhängung des Fahrverbotes abzusehen, sah das Gericht keine Veranlassung. Wegen der besonderen Gefährlichkeit eines derartigen Verhaltens wird von einem Fahrverbot nur abgesehen, wenn
a. die Tatumstände so aus dem Rahmen üblicher Begehungsweise fallen, dass die Vorschrift über das Regelfahrverbot offensichtlich nicht darauf zugeschnitten ist oder
b. die Anordnung eine Härte ganz außergewöhnlicher Art bedeuten würde.
Beide Voraussetzungen liegen nicht vor. Vorliegend handelt es sich um eine Fahrt morgens um 5.04 Uhr, nachdem der Betroffene am Abend vorher Alkohol konsumiert hatte. Auch der Umstand, dass der Grenzwert von 0,25 mg pro Liter gerade nur erreicht ist, stellt nach der Rechtssprechung keinen Umstand dar, die von der Verhängung eines Regelfahrverbotes absehen lassen. Die Gefährdung seines Arbeitsverhältnisses wird zwar vom Betroffenen behauptet, ist aber nicht belegt worden. Nach dem Schreiben seines Arbeitgebers ist er seit dem 20.11.2006 dort beschäftigt und es ist nicht ersichtlich, warum sein Arbeitsplatz gefährdet sein sollte, falls er, nachdem er mindestens ein halbes Jahr dort beschäftigt ist, nicht einen entsprechenden Erholungsurlaub antreten kann: Sein Arbeitgeber hat keine Umstände dargetan, warum dem Betroffenen nicht statt nur eines 14-tägigen, 4-wöchiger Erholungsurlaub zugestanden werden kann. Es muss daher bei dem Regelfahrverbot bleiben. Insbesondere, da dem Betroffenen Vergünstigung des. § 25 II a StVG gewährt werden kann.“
Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Begründung des angeordneten Fahrverbots sind materiell-rechtlich fehlerhaft. Aufgrund der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße führt die Rechtsfehlerhaftigkeit der Entscheidung über das Fahrverbot zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs insgesamt.
Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass bei einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 Nr. 1 StVG nur dann von der Verhängung des Fahrverbots abgesehen werden darf, wenn entweder Tatumstände äußerer oder innerer Art eine Ausnahme rechtfertigen oder die Anordnung des Fahrverbots eine Härte außergewöhnlicher Art bedeuten würde, und dass bei der Prüfung, ob dies zutrifft, ein strenger Maßstab anzulegen ist.
Das Amtsgericht hat auch nicht verkannt, dass ein Fall außergewöhnlicher Härte vorliegen kann, wenn dem Betroffenen aufgrund des Fahrverbots der Verlust des Arbeitsplatzes droht (vgl. SenE v. 03.11.2006, 83 Ss-OWi 76/06 = ZfS 2007,173; Janiszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 19. Auflage, StVG § 25 Rn. 13a mit Nachweisen).
Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Frage einer Arbeitsplatzgefährdung lassen aber besorgen, dass es dem Betroffenen insoweit eine Beweislast auferlegt hat.
Nach § 77 Abs. 1 OWiG hat das Gericht von Amts wegen die Wahrheit zu erforschen. Die Aufklärungspflicht erstreckt sich auf alle Tatsachen, die für die Anwendung des sachlichen Rechts, auch in Bezug auf Art und Maß der Rechtsfolgen, erheblich sind, soweit die dem Gericht aus den Akten, durch Anträge oder Beweisanregungen oder auf sonstige Weise bekannt gewordenen Tatsachen Ermittlungen nahe legen (vgl. SenE v. 08.08.2000, Ss 306/00 B, VRS 99, 288 = DAR 2000, 583 = NZV 2001, 391). Von daher bedarf es in Fällen, in denen der Bußgeldkatalog ein Regelfahrverbot vorsieht, im Hinblick auf eine möglicherweise vorliegende Härte in Gestalt einer drohenden Arbeitsplatz- oder Existenzgefährdung umfassender Aufklärung durch das Tatgericht, sofern der Betroffene Anknüpfungstatsachen vorbringt. Eine weitergehende Darlegungs- oder Beweislast obliegt dem Betroffenen nicht (SenE v. 04.03.2003, Ss 124/03 B).
Hier hat der Betroffene ein Schreiben seines Arbeitgebers vorgelegt, das nach dem Zusammenhang der vom Amtsgericht insoweit getroffenen Feststellungen ersichtlich die Mitteilung enthält, dass der Betroffene im Falle der Anordnung eines Fahrverbots seinen Arbeitsplatz verliert. Damit hat der Betroffene zureichende Anknüpfungstatsachen im vorgenannten Sinne vorgebracht. Darüber hinaus belegen musste er die geltend gemachte Gefährdung seines Arbeitsplatzes nicht.
Ob das Amtsgericht das Schreiben rechtsfehlerfrei gewürdigt hat, kann das Rechtsbeschwerdegericht schon deshalb nicht nachprüfen, weil dessen näherer Inhalt im Urteil nicht nachvollziehbar mitgeteilt wird. Die Formulierungen im angefochtenen Urteil zu diesem Schreiben legen vielmehr zum einen den Schluss nahe, dass das Amtsgericht den Umfang der Darlegungslast des Betroffenen und seiner eigenen Aufklärungspflicht verkannt hat, und lassen zum anderen befürchten, dass das Amtsgericht trotz des nach seiner Ansicht durch das Schreiben nicht eindeutig geklärten Sachverhalts die Frage einer Arbeitsplatzgefährdung verneint hat, statt seiner Aufklärungspflicht durch Nachfrage beim Arbeitgeber nachzukommen.
Der Senat sieht davon ab, die Sache – wie von dem Beschwerdeführer und der Generalstaatsanwaltschaft beantragt – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.

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