Landesarbeitsgericht Köln
Az: 9 Sa 284/07
Urteil vom 17.07.2007
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 01.12.2006 AZ: – 3 Ca 2183/06 G – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von insgesamt 5 Änderungskündigungen vom 26. Juli 2006.
Der Kläger, geboren am 27. Februar 1964, verheiratet, 2 Kinder, ist bei der Beklagten seit dem 24. Oktober 1988 als Transporter in der Abteilung Tiefziehen im Dreischichtbetrieb beschäftigt. Seine monatliche Bruttovergütung einschließlich freiwilliger Zulagen und Prämie betrug zuletzt EUR 1.769,15.
Die Beklagte, deren Komplementärin die J K -B -GmbH aus B ist, entwickelt und stellt Kunststoffverpackungen her, insbesondere für Molkereiprodukte, Fertiggerichte, Eis, Süßwaren und Feinkost. In ihrem Betrieb in B waren zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs 271 Arbeitnehmer beschäftigt, davon 196 Arbeiter und 75 Angestellte. Sie ist im Jahr 2001 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten. Der zum Zeitpunkt des Austritts geltende Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie in der Fassung vom 1. Januar 1997 ist zum 31. Dezember 2004 ausgelaufen.
Unter dem 24. Juli 2006 erstellte die Beklagte einen Sanierungsplan, in dem es heißt, operativ seien bis auf das Kalenderjahr 2004 Verluste erzielt worden. Es seien jedes Jahr Erhaltungsinvestitionen in Höhe von etwa EUR 1,0 Millionen notwendig. Sie – die Beklagte – müsse Bankkredite in Höhe von EUR 9,0 bis 10,0 Millionen voll ausschöpfen. Sämtliche Forderungen seien an die Kreditinstitute abgetreten. Die gesamten Warenbestände seien an sie verpfändet. Das Betriebsgrundstück sei voll belastet. Da sie – die Beklagte – über keine weiteren Sicherheiten verfüge, erhalte sie keine weiteren Kredite. Den größten Anteil an den Kosten hätten die Materialkosten sowie die Personalkosten. Der Anteil der Material- einschließlich Energiekosten sei von 43,7 % im Jahr 1999 auf 53,3 % im Jahr 2005 angestiegen. Mit einem weiteren erheblichen Anstieg der Materialkosten und der Energiekosten sei in dem Geschäftsjahr 2006 auf 53,5 % und in den Geschäftsjahren 2007 und 2008 auf 54,7 % zu rechnen. Dabei habe sie eine Erhöhung der Stromkosten im Jahr 2007 im Vergleich zum Vorjahr um etwa 31 % einplanen müssen, was allein eine Mehrbelastung von EUR 478.000,00 ergebe. Der Anteil der Personalkosten sei von 33,4 % im Jahr 2002 auf 28,1 % im Jahr 2005 gesunken und werde voraussichtlich im Jahr 2006 28,3 % betragen, um dann in den Jahren 2007 auf 27,0 % und 2008 auf 26,9 % weiter abzusinken. Er liege aber weiterhin erheblich über dem Durchschnittswert von 20 % bei vergleichbaren Betrieben. Zur Sicherung des Fortbestandes des Betriebes, insbesondere zur Vermeidung einer Stilllegung der Tiefziehlinie mit 60 Beschäftigten, müssten die Personalkosten gesenkt werden, zumal dies auch von den Banken, bei denen sie Kredite aufgenommen habe, vorgegeben worden sei und der eingeräumte Kreditrahmen ausgeschöpft sei. Ihre Tochtergesellschaften in E und in P seien nicht in der Lage, sie als Muttergesellschaft finanziell zu unterstützen.
Der Sanierungsplan sieht insgesamt 5 Personalmaßnahmen vor, und zwar die Änderung der Arbeitszeitdauer ohne Lohnausgleich, die Kürzung bzw. den Wegfall von Spätzulagen, Sonntags- und Feiertagszulagen, den Wegfall von Überstundenzuschlägen sowie die Ausgestaltung des Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung als erfolgsabhängige Vergütung.
Danach soll die Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer künftig 37,5 Stunden pro Woche betragen. Für die gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter galt bisher eine 35-Stunden-Woche. Hingegen hatte die Beklagte im Jahr 2002 mit den nicht organisierten Arbeitnehmern im Rahmen eines Bündnisses für Arbeit die Wochenarbeitszeit von 35 Stunden auf 40 Stunden angehoben. Die Beklagte ist der Ansicht, die Vereinheitlichung der Arbeitszeit bei gewerkschaftlich organisierten und nicht organisierten Arbeitnehmern werde neben dem Einspareffekt auch positive Auswirkungen auf das Betriebsklima haben.
Das bislang in Höhe von 2,3 % des regelmäßigen Bruttomonatslohns pro Urlaubstag gezahlte Urlaubsgeld soll künftig erfolgsabhängig gezahlt werden und dabei auf maximal 50 % eines regelmäßigen Bruttomonatslohns begrenzt werden. Danach soll Urlaubsgeld nur bei einem positiven operativen Ergebnis zu zahlen sein. Die Beklagte soll bezogen auf die Gesamtbelegschaft zusammen für Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung bis zu 30 % des operativen Ergebnisses einsetzen und zu einer anteiligen Kürzung berechtigt sein, wenn der einzusetzende Betrag nicht ausreicht.
Die bislang in Höhe von 95 % eines regelmäßigen Bruttomonatslohns gezahlte Jahressonderzahlung soll künftig in Höhe von maximal 100 % eines regelmäßigen Bruttomonatslohns entstehen, wobei die genaue Höhe, ebenso wie beim Urlaubsgeld, vom operativen Ergebnis abhängig ist.
Nach dem Sanierungskonzept sollen sich die Personalkosten im Jahr 2006 um etwa EUR 808.000,00, im Jahr 2007 um etwa EUR 969.000,00 und im Jahr 2008 um etwa EUR 969.000,00 reduzieren. Im Einzelnen soll die Änderung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich zu Einsparungen in Höhe von EUR 76.726,00 im Jahr 2006 und von jeweils EUR 112.721,00 in den Jahren 2007 und 2008 führen. Die Kürzung bzw. der Wegfall von Spätzulagen sowie von Sonntags- und Feiertagszulagen soll Einsparungen in Höhe von EUR 89.452,00 im Jahr 2006 und von jeweils EUR 100.376,00 in den Jahren 2007 und 2008 zur Folge haben. Der Wegfall der Überstundenzuschläge soll Einsparungen in Höhe von jeweils EUR 36.453,00 in den Jahren 2006 bis 2008 zur Folge haben. Die Umgestaltung des Urlaubsgeldes soll zu einer Reduzierung der Kosten in Höhe von EUR 174.437,00 im Jahr 2006 und von jeweils EUR 307.411,00 in den Jahren 2007 und 2008 führen. Schließlich soll die Umgestaltung der Jahressonderzahlung zu Einsparungen in Höhe von EUR 304.787,00 im Jahr 2006 und von jeweils EUR 260.760,00 in den Jahren 2007 und 2008 führen. Das operative Ergebnis soll sich im Jahr 2006 negativ in Höhe von EUR 1.023.000,00, im Jahr 2007 negativ in Höhe von EUR 440.000,00 und im Jahr 2008 positiv in Höhe von EUR 119.000,00 darstellen.
Den Sanierungsmaßnahmen haben 93 % aller Beschäftigten zugestimmt und mit der Beklagten entsprechende Änderungen ihrer Arbeitsverträge vereinbart, nachdem die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat Einvernehmen über die Kürzungen erzielt hatte und einen „Rahmenvertrag zur 37,5 Stundenwoche – Änderung der einzelvertraglichen Regelungen“ am 7. April 2006 (Bl. 214 – 216 in dem Verfahren 9 Sa 37/07) abgeschlossen hatte, der später noch modifiziert worden war. Gegenüber den Mitarbeitern, die nicht ihr Einverständnis erklärt haben, hat die Beklagte ordentliche Änderungskündigungen ausgesprochen, wobei sie für jede Änderung eine gesonderte Kündigung erklärte. In jedem Schreiben heißt es, das Arbeitsverhältnis werde ordentlich gekündigt und gleichzeitig werde die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einer der genannten Änderungen (z. B. Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich) angeboten. Weiter wird ausgeführt, die sonstigen Arbeitsvertragsbedingungen blieben unverändert. Der Arbeitnehmer erhalte allerdings weitere 4 bzw. 3 Änderungskündigungen.
Mit Schreiben vom 24. Juli 2006 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigten Änderungskündigungen. Der Betriebsrat teilte unter dem 25. Juli 2006 mit, er stimme den Kündigungen zu.
Die Beklagte erstattete unter dem 25. Juli 2006 bei der Bundesagentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige.
Der Kläger hat alle in den 5 Änderungskündigungen enthaltenen Änderungsangebote unter dem Vorbehalt einer gerichtlichen Überprüfung angenommen.
Mit der vorliegenden Klage, die am 16. August 2006 beim Arbeitsgericht Siegburg eingegangen ist, wendet sich der Kläger gegen die Änderung seiner Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigungen.
Er ist der Ansicht, die Kündigungen seien unklar und unbestimmt. Insbesondere bleibe offen, was gelten solle, wenn einige Änderungen vorbehaltlos angenommen, andere unter Vorbehalt angenommen und andere abgelehnt werden sollten. Die Beklagte habe zudem ihn und andere Arbeitnehmer, zum Teil ausländischer Herkunft, unnötig der Gefahr ausgesetzt, durch eine fehlerhafte oder unvollständige Kündigungsschutzklage ihren Arbeitsplatz zu verlieren.
Zudem sei die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial gerechtfertigt. Er bestreitet die Richtigkeit der Angaben in dem Sanierungsplan über die Kostenstruktur und die künftige Entwicklung der Kosten, insbesondere auch hinsichtlich der Material- und Energiekosten. Durch die Änderungen reduziere sich die monatliche Bruttovergütung der Arbeitnehmer im Durchschnitt um EUR 248,46 im Jahr 2006 und um EUR 297,97 in den Jahren 2007 und 2008. Er meint, auch ohne die mit den Kündigungen angestrebten Änderungen bei den Personalkosten werde die Beklagte im Jahr 2008 ein positives Betriebsergebnis erzielen. Mit dem Bestreben, die Arbeitszeit bei allen Arbeitnehmern zu vereinheitlichen, könne die Änderungskündigung, die eine Änderung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich zur Folge haben solle, nicht gerechtfertigt werden. Im Übrigen handle die Beklagte widersprüchlich, wenn sie einerseits geltend mache, eine Sanierung sei nur durch alle Änderungen zu erreichen, andererseits aber für jede Änderung eine gesonderte Kündigung erkläre, um zumindest einen Teil der Änderungen durchzusetzen.
Er rügt, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß vor Ausspruch der Änderungskündigungen angehört worden. Er habe davon ausgehen müssen, dass gegenüber jedem Arbeitnehmer nur eine Kündigung mit einem alle Änderungen beinhaltenden Angebot auf Fortführung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen werden solle. Zudem sei der Betriebsrat nicht hinreichend über das Sanierungskonzept unterrichtet gewesen.
Auch sei die Massenentlassungsanzeige nicht wirksam erstattet worden, da darin angegeben worden sei, es würden 26 Kündigungen gegenüber 26 Arbeitnehmer erklärt. Tatsächlich seien 4 bzw. 5 Änderungskündigungen pro Arbeitnehmer ausgesprochen worden.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 26. Juli 2006 (Änderungskündigung Nr. 1, Änderung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit sozial ungerechtfertigt ist,
2. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 26. Juli 2006 (Änderungskündigung Nr. 2, Änderung der Spät-, Sonntags- und Feiertagszulagen) sozial ungerechtfertigt ist,
3. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 26. Juli 2006 (Änderungskündigung Nr. 3, Änderung des Urlaubsgeldes) sozial ungerechtfertigt ist,
4. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 26. Juli 2006 (Änderungskündigung Nr. 4, Wegfall der Überstundenzuschläge) sozial ungerechtfertigt ist,
5. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 26. Juli 2006 (Änderungskündigung Nr. 5, Änderung der Jahressonderzahlung) sozial ungerechtfertigt ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Änderungskündigungen seien weder unklar noch unbestimmt. Sie habe für jede Änderung eine gesonderte Kündigung erklärt, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Änderungskündigung mit mehreren Änderungsmaßnahmen bereits dann unwirksam sei, wenn nur eine dieser Änderungsmaßnahmen nicht sozial gerechtfertigt sei. Für den Kläger und die anderen Arbeitnehmer sei durch den Hinweis in jedem Kündigungsschreiben auf die weiteren Änderungskündigungen erkennbar gewesen, dass nur bei Annahme aller Änderungsmaßnahmen das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werde.
Die Änderungen der Arbeitsbedingungen seien ausweislich des Sanierungsplans zur Sicherung des Fortbestandes des Betriebes erforderlich und damit sozial gerechtfertigt. Insbesondere bestünden keine anderen Einsparmöglichkeiten, da weder niedrigere Einkaufspreise noch höhere Verkaufspreise am Markt durchgesetzt werden könnten und weitere Kredite von den Banken nicht gewährt würden. Sie müsse spätestens im Geschäftsjahr 2008 ein positives operatives Ergebnis erzielen, um eine – teilweise – Stilllegung des Produktionsbetriebes zu vermeiden, von dem insbesondere die Mitarbeiter des Bereichs Tiefziehen betroffen wären.
Der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigungen ordnungsgemäß angehört worden. Ihm sei durch das Sanierungskonzept und ein am 24. Juli 2006 geführtes Gespräch bekannt gewesen, dass gegenüber den Arbeitnehmern 4 bzw. 5 Änderungskündigungen ausgesprochen werden sollten. Für den Betriebsrat habe die Möglichkeit bestanden, zu jeder beabsichtigten Änderungskündigung eine Stellungnahme abzugeben. Er habe sämtlichen Änderungskündigungen zugestimmt, ohne dazu weiter auszuführen.
Die Massenentlassung sei ordnungsgemäß der Bundesagentur für Arbeit angezeigt worden, da es nach § 17 KSchG nur auf die Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer ankomme, dagegen nicht auf die Anzahl der gegenüber diesen erklärten Änderungskündigungen.
Das Arbeitsgericht Siegburg hat durch Urteil vom 1. Dezember 2006 den Änderungsschutzklagen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestünden bereits Bedenken gegen die Wirksamkeit der Kündigungen wegen nicht hinreichender Bestimmtheit der Änderungsangebote. Jedenfalls ergebe sich aus der Verfahrensweise und dem Vorbringen der Beklagten nicht, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt seien. Wenn alle 5 Änderungen zur Sanierung erforderlich wären, hätte die Beklagte eine einheitliche Änderungskündigung ausgesprochen und nicht für jede Vertragsänderung eine gesonderte Änderungskündigung. Im Übrigen habe die Beklagte bereits die erforderlichen Einsparungen dadurch realisiert, dass 93 % der Arbeitnehmer den Änderungen freiwillig zugestimmt hätten. Auch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz könne nicht begründet werden, dass gegenüber den restlichen 7 % der Arbeitnehmer die Einschnitte durch Änderungskündigungen ebenfalls durchgesetzt werden müssten. Schließlich strebe die Beklagte auf Dauer die Änderungen an, obwohl nach ihrem eigenen Sanierungsplan bereits ab dem Jahr 2008 wieder ein positives Ergebnis zu erwarten sei.
Das Urteil ist der Beklagten am 21. Dezember 2006 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 12. Januar 2007 Berufung einlegen und diese am 16. Februar 2007 begründen lassen.
Die Beklagte verweist auf ihr Sanierungskonzept. Die Belegschaft werde ohne Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen um 14,3 % durch Pensionierungen und Altersteilzeitregelungen abgebaut. Die sich dadurch ergebende Kostenersparnis sei in die Ergebnisberechnungen für die Jahre 2006 bis 2008 einbezogen worden. Sie ändere nichts an der Erforderlichkeit der anderen Einsparmaßnahmen. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen hätten nur etwa 80 % aller Mitarbeiter den damals vorgeschlagenen Änderungen zugestimmt. Erst nach weiteren Zugeständnissen, die bei den Änderungskündigungen berücksichtigt worden seien, habe sich ein Anteil von 93 % der Belegschaft ergeben, der freiwillig zugestimmt habe. Es gehe nicht an, ohne sachlichen Grund 7 % der Mitarbeiter von den Kürzungen auszunehmen, nur weil sie nicht freiwillig damit einverstanden seien. Sie sei berechtigt gewesen, die Änderungen auf Dauer anzustreben, weil sie zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen keine verlässliche Ertragsprognose für die Zeit nach 2008 habe stellen können. Die Entwicklung der Material- und Energiepreise, aber auch der Auftragslage und Wettbewerbssituation sei ungewiss. Im Übrigen werde eine positive Ertragslage durch die erfolgsabhängige Ausgestaltung des Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung auch den Arbeitnehmern zugute kommen. Vorsorglich habe sie am 19. Dezember 2006 erneut Änderungskündigungen gegenüber dem Kläger erklärt, nach denen die Änderungen befristet bis zum 31. Dezember 2008 und danach wieder die bisherigen Arbeitsbedingungen gelten sollten.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegburg vom 1. Dezember 2006 – 3 Ca 2183/06 G – die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.
II. Die Berufung ist aber nicht begründet.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht Siegburg den Änderungsschutzklagen stattgegeben.
Der Kläger ist länger als 6 Monate bei der Beklagten beschäftigt (§ 1 Abs. 1 KSchG). Für die Beklagte sind in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer tätig (§ 23 Abs. 1 KSchG). Da der Kläger auch binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigungen Kündigungsschutzklage erhoben hat (§ 4 S. 1 KSchG), sind sie darauf zu überprüfen, ob die Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam sind.
1. Die Änderungskündigungen sind nicht bereits wegen Unbestimmtheit des Änderungsangebots unwirksam.
Bei der Änderungskündigung kommt neben der Kündigungserklärung als zweites Element ein Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen hinzu, das im Sinne von § 145 BGB eindeutig aus der Sicht des Erklärungsempfängers bestimmt bzw. bestimmbar sein muss. Dem gekündigten Arbeitnehmer muss ersichtlich sein, welche (wesentlichen) Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen. Dabei genügt eine „Bestimmbarkeit“ des Angebots nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 16. September 2004 – 2 AZR 628/03 -). Aus Gründen der Rechtssicherheit muss zweifelsfrei klargestellt sein, zu welchen neuen Arbeitsbedingungen das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Arbeitgebers fortbestehen soll (vgl. BAG, Urteil vom 21. September 2006 – 2 AZR 120/06 -). Ist das Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt oder bestimmbar, so führt dies zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (vgl. BAG, Urteil vom 16. September 2004 – 2 AZR 628/03 -).
In allen 5 Änderungskündigungsschreiben ist die jeweils angestrebte Vertragsänderung eindeutig bezeichnet. Dies wird von den klagenden Parteien in den gleich gelagerten Verfahren auch nicht beanstandet. Vielmehr wird gerügt, es sei nicht klargestellt worden, dass nur bei Annahme aller 5 Änderungen das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werde. Es bestehe ein Widerspruch zwischen der jeweils unter Ziff 2 der Änderungskündigungen abgegebenen Erklärung, die sonstigen Arbeitsvertragsregelungen blieben unverändert, und dem daran anschließenden Hinweis auf 4 weitere Änderungskündigungen, die die klagende Partei gleichzeitig erhalte. Diesen Widerspruch sieht das Gericht nicht. Durch die Nummerierung der Änderungskündigungen (Nr. 1 – Nr. 5) und den Hinweis in jedem Kündigungsschreiben auf die weiteren Änderungskündigungen war hinreichend deutlich, dass nach dem Willen der Beklagten das Arbeitsverhältnis nur mit allen 5 Änderungen fortgesetzt werden sollte.
2. Die Änderungskündigungen sind auch nicht wegen Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis nach § 623 BGB unwirksam.
Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB erstreckt sich nicht nur auf die Kündigung, sondern auch auf das Änderungsangebot als deren Bestandteil. Es ist aber ausreichend, wenn der Inhalt des Änderungsangebots im Kündigungsschreiben hinreichenden Anklang gefunden hat. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille des Erklärenden in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat (vgl. BAG, Urteil vom 16. September 2004 – 2 AZR 628/03 -).
Soweit aufgrund des Schriftformerfordernisses der Zusammenhang aller 5 Änderungen in den Kündigungsschreiben zum Ausdruck gebracht werden musste, ist dem Genüge getan worden durch die Nummerierung der Kündigungen und den Hinweis auf die 4 weiteren Änderungskündigungen. Es reicht aus, wenn in jeder Urkunde jeweils Bezug auf die ergänzenden Urkunden genommen worden ist (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 126 Rdn. 4).
3. Die Änderungen der Arbeitsbedingungen sind jedoch nicht sozial gerechtfertigt.
a. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung kann nur dann wirksam sein, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen der §§ 1, 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist. Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder – wie hier – unter Vorbehalt angenommen hat. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung, d. h.: Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, zuletzt: Urteil vom 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 -).
b. Besteht die vom Arbeitgeber angebotene Vertragsänderung allein in der Absenkung der bisherigen Vergütung, so gelten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgende Grundsätze: Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist zulässig, wenn durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebes oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind. Zu berücksichtigen ist, dass der Arbeitgeber nachhaltig in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreift, wenn er die vereinbarte Vergütung reduziert. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-/Lohngefüge, wie es die Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Lohnsenkung darstellt, ist nur dann begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebes führen. Regelmäßig setzt deshalb eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigen Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft. Als solche milderen Mittel können etwa Rationalisierungsmaßnahmen und sonstige Einsparungen in Betracht kommen, wobei auch die Sanierungsfähigkeit des Betriebes und eigene Sanierungsbeiträge des Arbeitgebers bzw. Dritter (Banken) zu bewerten sind. Vom Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang zu verlangen, dass er die Finanzlage des Betriebes, den Anteil der Personalkosten, die Auswirkung der erstrebten Kostensenkungen für den Betrieb und für die Arbeitnehmer darstellt und ferner darlegt, warum andere Maßnahmen nicht in Betracht kommen (vgl. zuletzt: BAG, Urteil vom 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 -).
c. Die Änderungskündigung Nr. 1 betrifft eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit ohne Lohnausgleich bzw. eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit unter ersatzlosem Wegfall von Zulagen.
aa. Die Beklagte strebt eine einheitliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden pro Woche für alle Arbeitnehmer an. Zu diesem Zweck hat sie gegenüber Arbeitnehmern mit einer bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden das Arbeitsverhältnis gekündigt mit dem Angebot, künftig 37,5 Stunden pro Woche ohne Lohnausgleich zu arbeiten. Gegenüber Arbeitnehmern, die im Rahmen eines früheren Bündnisses für Arbeit einer Anhebung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden zugestimmt hatten, hat sie das Arbeitsverhältnis gekündigt mit dem Angebot, künftig 37,5 Stunden pro Woche unter Wegfall der bisherigen Zulagen für eine Erhöhung der Arbeitszeit auf 37, 39 und 40 Stunden beschäftigt zu bleiben.
bb. Die Beklagte hat schon nicht dargetan, inwiefern die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit bei einem Teil der Arbeitnehmer und die gleichzeitige Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit bei anderen Arbeitnehmern dem bei Ausspruch der Kündigung prognostizierten künftigen Beschäftigungsbedarf entsprach. Eine derartige Darlegung konnte nur dann entfallen, wenn für jede zu verrichtende Aufgabe im Betrieb durch die Änderungskündigungen das Gesamtarbeitszeitvolumen der dafür beschäftigten Arbeitnehmer sich nicht änderte, d.h. den Erhöhungen in gleichem Umfang Verkürzungen gegenüberstanden. Darauf ist in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts am 17. Juli 2007 hingewiesen worden. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Ausnahmekonstellation vorlag. Es ist nicht einmal dargetan, dass vor Abschluss der Änderungsverträge und Ausspruch der Kündigungen jeweils die Hälfte der Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und die andere Hälfte mit einer von 35 Stunden arbeiteten.
Eine Änderung der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit ist aber nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich der Bedarf an Arbeitsleistungen der geschuldeten Art entsprechend geändert hat. Diese Änderung des Bedarfs kann sich aufgrund externer Umstände wie Auftragssteigerungen oder Auftragsrückgang ergeben. Sie kann auch aufgrund interner Umstände wie Rationalisierungsmaßnahmen oder organisatorische Veränderungen bestehen (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 22. April 2004 – 2 AZR 385/03 -; KR-Rost, 8. Aufl., § 2 KSchG Rdn. 112).
Dazu fehlt jeglicher Vortrag der Beklagten, obwohl bereits erstinstanzlich in einem Teil der gleich gelagerten Verfahren die klagenden Parteien als Erwiderung auf das Vorbringen der Beklagten ausdrücklich gerügt hatten, es fehle eine Darlegung, „aufgrund welcher unternehmerischer Konzeption eine Arbeitszeiterhöhung erforderlich sei.“ (z. B. Bl. 82 d. A. in dem Verfahren 9 Sa 37/07). In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte das Personal um 14,3 % durch Pensionierungen und Altersteilzeitregelungen abgebaut hat und auch dies bei der Planung, wie das Gesamtarbeitszeitvolumen bewältigt werden kann, einbeziehen muss.
cc. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass mit der von der Beklagten im Sanierungsplan hervorgehobenen „positive Auswirkung auf das Betriebsklima“ die Veränderungen der Arbeitszeit nicht gerechtfertigt werden können. Das Berufen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz stellt für sich allein kein dringendes betriebliches Bedürfnis für eine Änderungskündigung dar (vgl. BAG, Urteil vom 12. Januar 2006 – 2 AZR 126/05 – und vom 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 -; Bröhl in BB 2007, S. 437, 440 f.).
dd. Die Arbeitszeitänderung ohne Lohnausgleich durch die Änderungskündigung Nr. 1 ist aber auch deshalb als sozial ungerechtfertigt anzusehen, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, dass sie sich bei den Änderungen auf das beschränkt hat, was zur Vermeidung einer – teilweisen – Betriebsstilllegung erforderlich ist.
aaa. Zunächst kann weder die Zustimmung des Betriebsrats noch des weit überwiegenden Teils der Belegschaft als ein aussagekräftiger Umstand dafür gelten, dass die angebotenen Änderungen zur Sanierung des Betriebes notwendig sind (so aber Hromadka DB 2002, 1322, 1326). Dafür gibt es nach der derzeitigen Gesetzlage keine Grundlage (vgl. dazu auch: BAG, Urteil vom 23. Juni 2005 – 2 AZR 642/04 -).
bbb. Es kann allerdings auch nicht die Erforderlichkeit der Änderungen mit der Begründung verneint werden, da bereits 93 % der Arbeitnehmer die Änderungen freiwillig akzeptiert hätten, sei das Sanierungsziel bereits erreicht und es habe der Änderungskündigungen gegenüber den verbleibenden 7 % der Arbeitnehmer nicht bedurft. Dabei wird verkannt, dass nach dem Vorbringen der Beklagten die vorgesehenen Kürzungen nur dann ausreichen, wenn sie bei allen Arbeitnehmern zum Zuge kommen. Zum anderen wird die Beklagte nur dann ein Nachverhandeln des Betriebsrats und der Arbeitnehmer, die zunächst zugestimmt hatten, vermeiden können, wenn sie durch Änderungskündigungen versucht, die Arbeitsbedingungen auch der Arbeitnehmer zu ändern, die nicht zugestimmt haben.
ccc. Auf die mit der Änderungskündigung Nr. 1 angestrebten Änderungen müssen ebenso wie auf die Änderungen durch die weiteren Änderungskündigungen die hohen Maßstäbe angewandt werden, die für Änderungskündigungen zur Entgeltsenkung gelten. Es handelt sich um ganz gravierende unmittelbare Eingriffe in das gegenseitige Leistungsverhältnis und nicht nur um eine bloße Anpassung vertraglicher Nebenabreden, die nur Randbereiche berührt (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 27. März 2003 – 2 AZR 74/02 – ; KR-Rost, a.a.O., § 2 KSchG Rdn. 107 f.). Durch die Änderungen werden Bruttomonatsverdienste ab EUR 1.673,00 um weit mehr als EUR 200,00 brutto gesenkt, was bei den teilweise im 3-Schicht-Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern – nach deren nachvollziehbaren Bekundungen in der Berufungsverhandlung – zu existenziellen Sorgen geführt hat. Bereits in diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass eine „Gegenleistung“ in Form eines für einen bestimmten Zeitraum vereinbarten Verzichts auf betriebsbedingte Kündigungen nicht Inhalt des mit dem Betriebsrat vereinbarten „Rahmenvertrages zur 37,5 Stundenwoche – Änderung der einzelvertraglichen Regelungen“ vom 7. April 2006 ist, und eine solche auch nicht im Zusammenhang mit den Änderungskündigungen zugesagt worden ist.
ddd. Die Beklagte hat, um die Erforderlichkeit der Änderungen darzulegen, ein von ihr selbst erstelltes Sanierungskonzept vorgelegt.
Jedoch fehlt ein detaillierter Vortrag zur Reduzierung des Personalkostenaufwandes durch die einzelnen Änderungen (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 27. September 2001 – 2 AZR 236/00 -). So ist weder für den Kläger noch für das Gericht nachvollziehbar dargelegt worden, inwiefern sich durch die Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich bei einem Teil der Arbeitnehmer und die gleichzeitige Reduzierung der Arbeitszeit bei anderen Arbeitnehmern unter Wegfall von Zulagen nur die von ihr behaupteten Einspareffekte in den Jahren 2006 bis 2008 ergeben. Es ist nicht einmal dargetan worden, bei wie vielen Arbeitnehmern eine Erhöhung und bei wie vielen eine Reduzierung vorzunehmen war, geschweige denn wie sich bei jedem Arbeitnehmer die Entgelteinsparung berechnet.
Festzuhalten ist auch, dass ausweislich der von der Beklagten für die Jahre 2006 bis 2008 vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen ohne die in den Änderungskündigungen vorgesehenen Einschnitte die Personalkosten um fast 2 % (bezogen auf die Gesamtkosten) sinken werden, nachdem sie sich bereits in den Jahren 2002 bis 2005 um 5,3 % verringert hatten. Dies mag auf den Abbau des Personalbestandes um 14,3 % zurückzuführen sein. Zu berücksichtigen ist aber, dass dieser Personalabbau einhergeht mit Umsatzerhöhungen und einem damit verbundenen Anstieg des Arbeitsanfalls, der von den Arbeitnehmern ohnehin zu bewältigen ist und bereits einen erheblichen Sanierungsbeitrag darstellt.
Der Reduzierung der Personalkosten stehen erhebliche Erhöhungen oder zumindest ein Gleichstand bei den anderen Kostenpositionen gegenüber bis auf die Position „Mieten, Lizenzen, Umlagen“, die nach einer Erklärung der Beklagtenvertreter in der Berufsverhandlung insbesondere Verpflichtungen aus Leasingverträgen hinsichtlich der bei der Beklagten eingesetzten Produktionsmaschinen betrifft.
Zurecht ist in den gleich gelagerten Verfahren von klagenden Parteien gerügt worden, dass die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen hat, inwiefern der ganz erhebliche Anstieg der Material- und Stromkosten nicht an die Kunden weitergegeben werden kann. Der Anstieg der Materialkosten für die Rohstoffe Polypropylen und Polystyrol trifft ebenso wie ein Anstieg der Energiekosten nicht nur die Beklagte, sondern auch ihre Mitbewerber, so dass der Hinweis auf den harten Wettbewerb in der Verpackungsindustrie insoweit nicht überzeugen kann. Im Übrigen hat die Beklagte auch in der Klageerwiderung eingeräumt, dass sie die erhöhten Materialkosten an die Kunden „bedingt“ und mit „Zeitverzug“ weitergeben kann, wobei diese beiden Einschränkungen aber nicht konkretisiert wurden.
Weiter ist zurecht gerügt worden, dass nicht nachvollziehbar ist, inwiefern jährlich Erhaltungsinvestitionen in Höhe von etwa 1 Mio. EUR auch in einer vorübergehenden schwierigen wirtschaftlichen Situation unbedingt getätigt werden müssen. In der Berufungsverhandlung konnte der Hinweis auf die Notwendigkeit einer Erneuerung des Maschinenparks nicht konkretisiert werden. Die sehr hohen Abschreibungsbeträge von um die 1,8 Mio. EUR pro Jahr konnten ebenfalls nicht erläutert werden.
Aus dem vorgelegten Sanierungskonzept und den Gewinn- und Verlustrechnungen ergibt sich zudem nicht, welchen Sanierungsbeitrag die Gesellschafter der Beklagten und die Banken erbringen. In der Klageerwiderung werden die von den klagenden Parteien nicht bestrittenen unternehmerischen Fähigkeiten des geschäftsführenden Gesellschafters der Beklagten und dessen hoher persönlicher Einsatz hervorgehoben. Ob damit auch das Einbringen von finanziellen Mitteln gemeint ist, bleibt unklar. Auch ist nicht ausgeführt worden, ob der Beitrag der Banken mehr als in einem bloßen Stillhalten durch Prolongation von bereits gewährten Krediten besteht.
Schließlich ist zu beanstanden, dass die Änderungen bei der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich auf Dauer gelten sollen, obwohl sie mit nur vorübergehenden wirtschaftlichen Verlusten begründet werden (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 20. August 1998 – 2 AZR 84/98 – und vom 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 -; KR-Rost, a.a.O., § 2 KSchG Rdn. 107 c; Bröhl in BB 2007, S. 437, 441).
Zum Inhalt eines „umfassenden Sanierungsplans“ , der „alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft“ (so bereits: BAG, Urteil vom 20. August 1998 – 2 AZR 84/98 -), hätte es gehört, von vornherein zu allen hier aufgeworfenen Fragen Erläuterungen zu geben, d. h. jede Ertrags- und Kostenposition eingehend darzustellen. Es ist prozessual unzulässig, diese Punkte erst durch eine Vernehmung von Zeugen zu klären, da eine solche Beweisaufnahme auf die unzulässige Erhebung eines Ausforschungsbeweises hinausliefe (vgl. dazu: Thomas-Putzo-Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 284 Rdn. 3).
Nach alledem ist die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung Nr. 1 nicht sozial gerechtfertigt.
d. Die Änderungskündigung Nr. 2 betrifft den Wegfall von Spätzulagen und die Reduzierung der Sonntags- und Feiertagszulagen und stellt sich damit ausschließlich als Maßnahme zur dauerhaften Kostensenkung dar.
Auch sie ist als sozial ungerechtfertigt anzusehen, da die Unzulänglichkeit des Sanierungskonzepts in gleicher Weise zum Tragen kommen muss.
e. Die Änderungskündigung Nr. 3 betrifft die Umgestaltung des Urlaubsgeldes als vom Betriebsergebnis abhängiger Vergütungsbestandteil und stellt sich ebenfalls ausschließlich als Maßnahme zur Kostensenkung dar.
Auch sie ist wegen der aufgezeigten Mängel des Sanierungskonzepts als sozial ungerechtfertigt zu werten.
Soweit hier anders als bei den Änderungskündigungen Nr. 1 und 2 die angestrebte Änderung nicht auf Dauer zum Wegfall des Anspruchs führen soll, ist auf Folgendes hinzuweisen:
Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 – ausgeführt, es spreche vieles dafür, dass die klagende Partei des dortigen Rechtsstreits die Änderung der Vertragsbedingungen hinnehmen müsse, weil die beklagte Partei dem Umstand, dass nur vorübergehende wirtschaftliche Verluste zu überwinden seien, durch die Erfolgsabhängigkeit der Jahresvergütung Rechnung getragen habe, wobei sogar eine höhere Vergütung als nach den alten Konditionen erzielt werden könne.
Im vorliegenden Verfahren hat es die Beklagte aber nicht nur bei der Umgestaltung des Urlaubsgeldes von einer fixen Vergütung auf eine erfolgsabhängige belassen, sondern durch die Begrenzung auf maximal 50 % eines regelmäßigen Bruttomonatslohns eine Absenkung auf Dauer vornehmen wollen. Denn nach der bisherigen Regelung erhalten die Arbeitnehmer pro Urlaubstag 2,3 % ihres regelmäßigen Bruttomonatslohns, was bereits bei einem Urlaubsanspruch von 22 Tagen zu einem Anspruch führt, der höher ist als 50 % des Bruttomonatslohns.
f. Die Änderungskündigung Nr. 4 betrifft den Wegfall der Überstundenzuschläge und stellt sich damit ausschließlich als Maßnahme zur dauerhaften Kostensenkung dar.
Auch sie ist wegen der Unzulänglichkeiten des Sanierungskonzepts als sozial ungerechtfertigt anzusehen.
g. Die Änderungskündigung Nr. 5 betrifft die Umgestaltung der Jahressonderzahlung als vom Betriebsergebnis abhängiger Vergütungsbestandteil und stellt sich ebenfalls als Maßnahme zur Kostensenkung dar.
Sie ist wegen der aufgezeigten Mängel des Sanierungskonzepts als sozial ungerechtfertigt anzusehen.
Zwar hat die Beklagte die maximale Höhe der erfolgsabhängigen Jahressonderzahlung im Vergleich zur bisherigen Regelung von 95 % auf 100 % eines regelmäßigen Bruttomonatslohns erhöht. Allerdings ist nicht erkennbar, ob die weitere Bestimmung, wonach für Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung bezogen auf die Gesamtbelegschaft zusammen bis zu 30 % des operativen Ergebnisses eingesetzt werden, in absehbarer Zeit eine Zahlung in Höhe eines vollen Bruttomonatslohn überhaupt zulässt.
Schließlich ist festzuhalten, dass die Beklagte gegenüber den Arbeitnehmern, die im Rahmen eines Bündnisses für Arbeit im Jahr 2002 einem Änderungsvertrag zugestimmt hatten, keine Änderungskündigung hinsichtlich der Jahressonderzahlung erklärt hat. Für sie gilt weiter die in dem damaligen Änderungsvertrag vereinbarte Regelung, wonach eine Jahressonderzahlung in Höhe von 100 % eines Monatslohns als freiwillige Leistung und ohne Rechtsanspruch gewährt wird (vgl. Bl. 217 – 219 d. A. in dem Verfahren 9 Sa 37/07). Inwiefern dies mit dem zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat vereinbarten „Rahmenvertrag zur 37,5 Stundenwoche – Änderung der einzelvertraglichen Regelungen“ vereinbar ist, wonach die Jahressonderzahlung erfolgsabhängig an alle Mitarbeiter gezahlt werden soll, ist in den vorliegenden Verfahren nicht Streitgegenstand.
h. Unabhängig von den aufgezeigten Mängeln des Sanierungskonzepts hält die Kammer die Änderungen der Arbeitsbedingungen aber auch deshalb für sozial ungerechtfertigt, weil der Ausspruch von 5 gesonderten Änderungskündigungen gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstößt.
aa. Mit der Kündigung greift der Arbeitgeber in das Arbeitsverhältnis ein, das für den Arbeitnehmer regelmäßig die Grundlage für seine Lebensgestaltung bedeutet. Wegen dieses schwerwiegenden Eingriffs muss der Arbeitgeber in Beachtung des sozialen Schutzprinzips auf die Interessen des gekündigten Arbeitnehmers soweit wie möglich Rücksicht nehmen. Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots. Deshalb muss der Arbeitgeber, falls er kündigt, immer nur von dem nach dem Sachverhalt mildesten, ihm noch zumutbaren Mittel Gebrauch machen. Die Beachtung der Verhältnismäßigkeit ist Bestandteil der nach § 1 KSchG vorzunehmenden Interessenabwägung. Die Missachtung ist darüber hinaus als unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB zu berücksichtigen (vgl. KR-Griebeling, a.a.O., § 1 KSchG Rdn. 214).
Auch die Änderungskündigung unterliegt – wie bereits ausgeführt – nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, zuletzt Urteil vom1. März 2007 – 2 AZR 580/05 -; KR-Rost, a.a.O., § 2 KSchG Rdn. 106 a; Bröhl in BB 2007, 437, 440). Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht nur zu prüfen, ob es der Änderungen bedarf, sondern auch, ob die vom Arbeitgeber gewählte Verfahrensweise zu beanstanden ist.
bb. Die Beklagte hat für jede Änderung eine gesonderte Kündigung erklärt, obwohl mit allen ausschließlich ein Ziel erreicht werden soll, und zwar der Fortbestand des Betriebes. Dieser soll nur dann gesichert sein, wenn die Änderungen gemeinsam greifen.
Trotz dieses inneren wirtschaftlichen Zusammenhangs hat sie nicht gegenüber jedem Arbeitnehmer (nur) eine Kündigung mit dem Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei Annahme aller 5 Änderungen ausgesprochen. Sie begründet dies mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine Änderungskündigung, durch die mehrere Vertragsbestimmungen abgeändert werden sollen, insgesamt unwirksam ist, wenn auch nur eine der angestrebten Änderungen nicht mit dringenden betrieblichen Erfordernissen begründet werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 6. März 1986 – 2 ABR 15/85 – BAGE 51, 200, 217, vom 23. Juni 2005 – 2 AZR 95/05- EzA Nr. 55 zu § 2 KSchG und vom 21. September 2006 – 2 AZR 120/06 -; Bröhl BB 2007, S. 437, 440).
Sie will erreichen, dass bei Unwirksamkeit einer der angestrebten Änderungen jedenfalls die anderen Änderungen zum Zuge kommen.
Dabei übersieht sie, dass bei einer isolierten Betrachtung jeder Änderungskündigung die Feststellung getroffen werden muss, dass mit ihr (allein) das erstrebte Sanierungsziel nicht erreicht werden kann und sie daher nicht sozial gerechtfertigt sein kann.
Zutreffend haben klagende Parteien in den gleich gelagerten Verfahren auf den sich daraus ergebenden Widerspruch zu der Erklärung der Beklagten hingewiesen, nur bei einer Realisierung sämtlicher Änderungen innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens könne die Betriebsstilllegung vermieden werden. Die Erklärung der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, die Beklagte werde, wenn nicht alle Änderungen durchgeführt werden könnten, im Jahr 2008 auf der Grundlage der dann gegebenen Ergebnisse neu entscheiden, ob sie den Betrieb nicht – teilweise – stilllege, löst diesen Widerspruch nicht auf. Vielmehr zeigt sie das hohe Risiko für die Arbeitnehmer auf, trotz der Akzeptanz der Änderungen und der damit verbundenen Einkommensverluste doch noch ihren Arbeitsplatz zu verlieren.
cc. Zudem muss die Feststellung in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. März 1986 – 2 ABR 15/85 – BAGE 51, 200, 217, das Gericht könne bei einer mehrere Vertragsänderungen beinhaltenden Änderungskündigung nicht in Anwendung des § 315 BGB die Änderung der Arbeitsbedingungen teilweise für wirksam erklären, auch hier durchgreifen. Sofern das Gericht zu der Feststellung kommt, dass bereits geringere Einsparungen bei den Personalkosten zur Sanierung ausreichen, kann es nicht in Anwendung von § 315 BGB unter den mehreren Änderungskündigungen die heraussuchen, die Bestand haben sollen, jedenfalls dann nicht, wenn – wie hier – die Änderungsmaßnahmen nicht von vornherein in ein Rangverhältnis gestellt worden sind.
dd. Unabhängig davon, dass die von der Beklagten gewählte Verfahrensweise nicht den von ihr angestrebten Erfolg haben kann, ist sie als Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz anzusehen, weil sie die Arbeitnehmer einem erhöhten Risiko aussetzt, weit schwerwiegendere Nachteile zu erleiden als die Entgeltreduzierung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch Fehlinterpretationen der Kündigungsschreiben sowie durch Fehler bei der Annahmeerklärung oder auch bei der Klageerhebung erhebliche Nachteile bis zum Verlust des Arbeitsverhältnisses entstehen. Ein solcher Verlust tritt beispielsweise ein, wenn ein Arbeitnehmer irrig meint, er brauche nur eine der vorgeschlagenen Änderungen anzunehmen, diese erklärt und hinsichtlich der weiteren Änderungskündigungen keine Kündigungsschutzklage erhebt. Er ergibt sich auch, wenn ein Arbeitnehmer, der die Änderungen nicht akzeptiert, gegen eine der Änderungskündigungen versehentlich keine Klage erhebt.
Nach alledem hat das Arbeitsgericht zurecht festgestellt, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigungen sozial ungerechtfertigt sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits, insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an das Sanierungskonzept und der von der Beklagten gewählten Vorgehensweise mit gesonderten Änderungskündigungen für jede Vertragsänderung, war die Revision zuzulassen.