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Verkehrsunfall – Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten bei einem reparierten Vorschaden

LG Hamburg – Az.: 323 O 188/17 – Urteil vom 28.02.2019

1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Hamburg vom 20.03.2018 wird aufrechterhalten.

2. Der Kläger trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur fortgesetzt werden, wenn diese Sicherheit geleistet ist.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aufgrund eines behaupteten Verkehrsunfalls geltend.

Der Kläger ist Halter des Pkw Infinity mit dem amtlichen Kennzeichen … . Die Beklagte zu 1) ist Halterin und die Beklagte zu 2) Haftpflichtversicherer des Pkw Mercedes mit dem amtlichen Kennzeichen … . Der Kläger und die Beklagte zu 1) sind über das Internetportal X. miteinander als Kontakt verbunden.

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten aus einem von ihm behaupteten, von der Beklagten zu 2) vollumfänglich bestrittenen Unfallereignis geltend, welches sich am 07.05.2017 auf dem W. Weg in Richtung S. Bogen ereignet haben soll.

Der Pkw Infinity des Klägers hatte zuvor am 09.06.2016 bei einem Verkehrsunfall Schäden im Bereich vorne rechts erlitten. Die Reparaturkosten beliefen sich gemäß Gutachten auf netto EUR 9.046,55. Darüber hinaus kam es am 27.06.2016 zu einem weiteren Vorschaden an dem Klägerfahrzeug.

Der Kläger behauptet unter Vorlage einer Rechnung (Anlage K 7) und Übereignungsbestätigung (Anlage K 11), dass er Eigentümer des Klägerfahrzeuges gewesen sei. Der Kläger trägt weiter vor, er habe am 07.05.2017 gegen 22.30 Uhr den linken Fahrstreifen auf dem W. Weg in Richtung S. Bogen befahren. Die Beklagte zu 1) habe in der gleichen Fahrtrichtung den rechten Fahrstreifen befahren. Aus der Richtung A. habe sich ein Rettungsfahrzeug unter Einsatz von Sonderrechten genähert. Nach Passieren der Kreuzung habe die Beklagte zu 1) für ihn plötzlich und unvermittelt auf den linken, von ihm befahrenen Fahrstreifen gewechselt. Er habe noch versucht nach links auszuweichen und habe mit den beiden linken Reifen den dortigen Kantstein überfahren. Gleichwohl sei es zur Kollision mit dem von der Beklagten zu 1) gelenkten Fahrzeug gekommen.

Er habe die Beklagte zu 1) erst durch die Klageerwiderung und erhebliches „Kramen im Gedächtnis“ im weiteren Sinne einordnen können. Er habe sich einmal mit ihr in Verbindung gesetzt um zu klären, wie die Arbeitsbedingungen bei der Firma der Beklagten zu 1) gewesen seien.

Etwaige Vorschäden aus den Verkehrsunfällen vom 09.06.2016 und vom 27.06.2016 seien vor dem streitgegenständlichen Unfall sach- und fachgerecht beseitigt worden. Dies ergebe sich aus der Reparaturbestätigung des Sachverständigenbüros S. vom 23.06.2016 (Anlage K 5) und aus der Reparaturbestätigung des Sachverständigenbüros S1 vom 13.07.2016 (Anlage K 6).

Der Kläger macht aufgrund des behaupteten Verkehrsunfallereignisses zwischen den beiden genannten Fahrzeugen einen Schaden in Höhe von insgesamt EUR 19.656,80 geltend, der sich wie folgt zusammensetzt:

– Fahrzeugschaden gem. Gutachten (Anlage K 1)  (Wiederbeschaffungswert brutto abzgl. Restwert)

EUR 17.900,00

– Sachverständigengebühren gem. Rechnung (K 2) EUR 1.558,30

Abschleppkosten gem. Rechnung (K 3) EUR 178,50

– Auslagenpauschale EUR 20,00

Der Kläger hat in der Sitzung vom 20.03.2018 keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte zu 2) hat – auch in ihrer Eigenschaft als Nebenintervenientin der Beklagten zu 1) – beantragt, die Klage abzuweisen und ein Versäumnisurteil zu erlassen.

Daraufhin ist die Klage mit Versäumnisurteil vom 20.03.2018 abgewiesen worden. Das Versäumnisurteil ist dem Kläger am 22.03.2018 zugestellt worden. Der Kläger hat mit einem am 05.04.2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Der Kläger beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil vom 20.03.2018 aufzuheben und

1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger € 19.656,80 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.07.2017 zu zahlen;

2. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.171,67 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte zu 2) beantragt – auch in ihrer Eigenschaft als Nebenintervenientin für die Beklagte zu 1) -, das Versäumnisurteil vom 20.03.2018 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte zu 2) bestreitet die Aktivlegitimation und das behauptete Unfallereignis. Der Kläger sei nicht Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeuges. Die Beklagte zu 2) stellt zudem in Abrede, dass es zwischen den streitgegenständlichen Fahrzeugen an der genannten Örtlichkeit unter Beteiligung der genannten Personen zu einem Unfallgeschehen gekommen ist, auch, dass es überhaupt zu einer Kollision gekommen ist. Die Beklagte zu 2) trägt zudem vor, dass es sich jedenfalls um keine unfreiwillige Berührung der beiden Fahrzeuge, sondern um einen gestellten Schadensfall gehandelt habe. Sie verweist insofern insbesondere auf die Bekanntschaft des Klägers und der Beklagten zu 1), den Unfallzeitpunkt auf einem Sonntagabend zur „Nachtzeit“ unter Abwesenheit unabhängiger Zeugen, die zwischen den Beteiligten bestehende Eindeutigkeit in Bezug auf den von ihnen geschilderten Unfallhergang und die Verschuldensfrage, die dennoch erfolgte Meldung bei der Polizeidienststelle, die erst kurzzeitige Zulassung des Klägerfahrzeuges, den Zustand der beteiligten Fahrzeuge sowie den Versuch des Klägers im Jahr 2016, das Klägerfahrzeug über ein Internetportal zu veräußern.

Die Beklagte zu 2) bestreitet zudem, dass die geltend gemachten Schäden durch den Unfall verursacht worden sind. Insbesondere stellt die Beklagte zu 2) die ordnungsgemäße Reparatur der bei den Unfällen vom 09.06.2016 und 27.06.2016 entstandenen Schäden am Klägerfahrzeug in Abrede. Vorsorglich stellt die Beklagte zu 2) die Höhe der Klageforderung in Abrede und verweist auf die Firma P. A. GmbH. Dem Kläger stünden allenfalls die erforderlichen Reparaturkosten zu den von der Verweisungswerkstatt aufgeführten Stundenverrechnungssätzen zu.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Mit Einverständnis der Parteien ist das Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren fortgeführt worden, wobei als Termin, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, der 14.02.2019 bestimmt worden ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1.

Der Kläger hat gegen das Versäumnisurteil vom 20.03.2018 form- und fristgemäß Einspruch eingelegt, §§ 339, 340, 341 ZPO. Durch den zulässigen Einspruch ist der Prozess gemäß § 342 ZPO in die Lage vor Eintritt der Säumnis zurückversetzt worden.

2.

Dem Kläger stehen gegen die Beklagten keine Ansprüche auf Schadensersatz aus §§ 7, 18 StVG, § 823 BGB i. V. m. § 115 Abs. 1 VVG aus einem Verkehrsunfall vom 07.05.2017 zu.

Ob der Kläger aktivlegitimiert ist und die Beklagten dem Grunde nach haften, kann letztlich dahinstehen. Der Kläger kann die Erstattung der geltend gemachten Fahrzeugschäden auf der Grundlage des von ihm eingereichten Gutachtens nicht verlangen.

Es ist durch den Kläger nicht hinreichend dargelegt worden, dass bzw. in welchem Umfang die darin ausgewiesen Fahrzeugschäden auf das streitgegenständliche Verkehrsunfallereignis zurückzuführen sind. Eine Zuordnung der einzelnen Schäden zu dem streitgegenständlichen Unfall ist nicht möglich, da die vorhandenen Schäden ihre Ursache auch in einem zeitlich früheren Geschehen haben können.

Lag in dem vom dem Unfall betroffenen Schadensbereich ein Vorschaden vor, hat der Kläger Art, Ursache, Umfang und Einzelheiten der Behebung dieses Schadens darzulegen. Es ist sonst nämlich nicht auszuschließen, dass auch kompatible Schäden durch das frühere Ereignis verursacht worden sind oder dass der Vorschaden jedenfalls nicht vollständig und fachgerecht instandgesetzt wurde. Es kann dann letztlich nicht festgestellt werden, welche Schäden und notwendigen Reparaturmaßnahmen in welchem Umfang auf welches Ereignis zurückzuführen sind. Bleibt es möglich, dass der kompatible Schaden auch bereits durch einen der Vorschäden verursacht worden ist, scheidet ein Schadenersatz selbst der kompatiblen Schäden aus (OLG Hamburg, MDR 2001, 1111; OLG Frankfurt, NZV 2007, 313, 315).

Vorliegend hatte das Fahrzeug des Klägers unstreitig am 09.06.2016 und am 27.06.2016 unter anderem auch im streitgegenständlichen Schadensbereich Vorschäden erlitten. Der Kläger hat auch auf die gerichtlichen Hinweise in der mündlichen Verhandlung vom 20.03.2018 (siehe dazu das Protokoll vom 20.03.2018, Bl. 71 d. A.) und in der Verfügung vom 10.04.2018 (siehe Bl. 88 f.) nicht hinreichend zu den Einzelheiten dieser Schadensfälle, der konkreten Lage und der Behebung der Schäden vorgetragen. Es bleibt mangels jeglichen Vortrags zu diesen Unfällen unklar, welche konkreten Schäden durch die früheren Ereignisse entstanden sind. Schon unter diesem Gesichtspunkt lässt sich anhand der nunmehr vorgelegten Reparaturbescheinigungen (Anlage K 5 und Anlage K 6) nicht beurteilen, ob die Vorschäden vollumfänglich beseitigt worden sind. Darüber hinaus enthalten diese Bescheinigungen aber auch keine detaillierte Beschreibung des Reparaturwegs und -umfangs, so dass die Frage einer sach- und fachgerechten Schadensbehebung in jedem Fall offen bleibt.

Der Kläger kann auch nicht die Erstattung von Sachverständigengebühren, Abschleppkosten, einer Auslagenpauschale und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen. Aufgrund des fehlenden Nachweises eines konkreten Fahrzeugschadens waren die von dem Kläger geltend gemachten Folgekosten nicht für eine sachgerechte Rechtsverfolgung erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 und 3 ZPO.

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