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Anlageberatung – Schadensersatzanspruch gegen Erfüllungsgehilfen wegen Beratungsfehler

Schadensersatzansprüche bei Anlageberatung: Ein kritischer Blick auf die Verantwortlichkeit des Erfüllungsgehilfen

In diesem Urteil steht die rechtliche Beurteilung von Schadensersatzansprüchen gegen Erfüllungsgehilfen im Kontext von Anlageberatungsfehlern im Fokus. Die entscheidenden Fragen sind dabei: Wie definiert sich das Verhältnis zwischen dem Anlageinteressenten, dem Anlagevermittler und dem Angestellten, der als Erfüllungsgehilfe auftritt? Welche Rolle spielt die Vermittlung- und Beratungsleistung im spezifischen Fall?

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 O 562/19 >>>

Die Rolle des Anlagevermittlers und des Erfüllungsgehilfen

Nach der Rechtsprechung kommt ein Anlagevermittlungsvertrag mit Haftungsfolgen (vgl. § 676 BGB) zwischen Anlageinteressent und Anlagevermittler zumindest stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt. Im vorliegenden Fall war jedoch der Beklagte nicht als Anlagevermittler oder Berater, sondern als Angestellter der allein aufklärungspflichtigen H1 GmbH tätig.

Die Schwierigkeit der Beweisführung

Zentral für die Entscheidung des Gerichts war der Aspekt der Beweisführung. Nach dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung gehaltenen, überholten Vortrag des Klägers, dem der Vorzug vor dem schriftsätzlichen Vorbringen seines Prozessbevollmächtigten zu geben ist, weil dieser seine Informationen erst von jenem erhalten hat, stand zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger als Angestellter der H1 GmbH aufgetreten ist.

Der Aspekt des Vertretens und Verhandlungsgehilfen

Ein weiterer wesentlicher Aspekt des Urteils betrifft die gesetzlichen Schuldverhältnisse aus Vertragsverhandlungen eines Vertreters. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs treffen diese Verpflichtungen grundsätzlich den Vertretenen und nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen auch den Vertreter. In diesem Fall kamen vorvertragliche Schadensersatzansprüche gegen den Verhandlungsgehilfen nur dann in Betracht, wenn der Verhandlungsgehilfe ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Vertragsabschluss hat und er daher gleichsam in eigener Sache tätig wird.

Fazit: Keine Schadensersatzansprüche für den Kläger

Die Kammer kam zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall kein Schadensersatzanspruch für den Kläger besteht. Auch ein Zinsanspruch wurde ihm nicht zugestanden, und er konnte nicht die Feststellung des Annahmeverzugs verlangen. Die Urteilsbegründung macht deutlich, wie wichtig die genaue Kenntnis der gesetzlichen Grundlagen und eine differenzierte Betrachtung der individuellen Situation für die Beurteilung von Schadensersatzansprüchen bei Anlageberatungsfehlern sind. […]


Das vorliegende Urteil

LG Dortmund – Az.: 3 O 562/19 – Urteil vom 20.10.2020

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung.

Anlageberatung - Schadensersatzanspruch gegen Erfüllungsgehilfen wegen Beratungsfehler
Urteil klärt: Bei Fehlern in der Anlageberatung haftet nicht immer der Vermittler – individuelle Rollen und Beziehungen entscheidend (Symbolfoto: PeopleImages.com – Yuri A/Shutterstock.com)

Der Kläger beabsichtigte, für einen Zeitraum von etwa einem Jahr Geld anzulegen. Im Internet stieß er bei seiner Suche nach Anlagemöglichkeiten auf eine Anzeige der H1 GmbH (nachfolgend auch H1 GmbH). An diese wandte er sich anschließend per E-Mail. Bei der H1 GmbH waren ein Call Center und eine Koordinierungsstelle eingerichtet. Diese trug die von dem Beklagten zu führenden Kundentelefonate ebenso in einen Kalender ein wie den Termin für den Anruf bei dem Kläger.

Zu Beginn des Telefonats mit dem Kläger stellte sich der Beklagte jedenfalls mit seinem Vor- und Nachnamen vor. In dem Gespräch wurde anschließend jedenfalls die Vergabe des Nachrangdarlehens besprochen.

In einer an den Kläger gerichteten und von der Adresse „E01 versandten E-Mail teilte der Beklagte dem Kläger verschiedene Darlehensmodelle vor. Die Signatur der E-Mail enthielt folgenden Text:

Textdarstellung wurde entfernt.

Entsprechend der mit dem Beklagten getroffenen Absprache erhielt Kläger einen vorausgefüllten „Zeichnungsschein für Nachrangdarlehen“ und ein Exposé (Anlage K1, Anlagenband Kläger) zugeschickt. Den Zeichnungsschein unterzeichnete der Kläger am 00.00.2015 und sandte ihn an die H1 GmbH zurück.

Der Zeichnungsschein, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K2, Anlagenband Kläger, verwiesen wird, sah die Vergabe eines Nachrangdarlehens in Höhe von 100.000,00 EUR an die H1 GmbH vor und nahm weiterhin Bezug auf die „Darlehens-Bedingungen (…) der Serie …“.

In der Kopfzeile des Zeichnungsscheins sind unter der Überschrift „Vertriebspartner“ der Vor- und Nachname des Beklagten eingetragen. Auf einer weiteren Seite des Zeichnungsscheins ist formularweise folgender Text eingetragen:

„Zur Zeichnung hat zwischen mir und H1 GmbH am 00.00.2015 ein persönliches Beratungsgespräch bzw. Vermittlungsgespräch stattgefunden“.

Im Nachgang zahlte der Kläger 100.000,00 EUR an die H1 GmbH.

Mit Schreiben vom 21.09.2015 bestätigte die H1 GmbH dem Kläger zur Vertragsnummer 0000 000000 die Annahme seines Antrags sowie den Eingang einer Zahlung in Höhe von insgesamt 100.000 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K5, Anlagenband Kläger, Bezug genommen.

Auf zwei Teilkündigungen des Klägers im Jahr 2016 zahlte die H1 GmbH insgesamt 90.000,00 EUR an den Kläger aus. Die Differenz von 10.000 EUR verlangt er mit seiner am 13.12.2019 zugestellten Klage von dem Beklagten.

Der Kläger behauptet, das Nachrangdarlehen habe er aufgrund einer Beratung durch den Beklagten gezeichnet. Diese sei indes weder objekt- noch anlegergerecht gewesen. Es sei ihm suggeriert worden, dass die H1 GmbH mit dem Kapital am Devisenmarkt spekulieren und hierdurch eine Jahresrendite von bis zu 7,5 % an die Anleger würde ausschütten können. Die versprochenen Renditen seien jedoch vollkommen unrealistisch. Auch habe der Beklagte ihm mitteilen müssen, dass die in den Darlehensverträgen enthaltene Nachrangklausel – wie das Oberlandesgericht Hamm durch Urteil vom 14.07.2017 (Az.: I-19 U 104/17) unstreitig festgestellt hat – unwirksam sei und die H1 GmbH erlaubnispflichtige Bankgeschäfte betreibe. Zudem habe er den Kläger nicht über die Person des D1 aufgeklärt. Ferner habe es der Beklagte unterlassen, das Anlagekonzept auf Plausibilität zu prüfen.

Er behauptet, das Nachrangdarlehen nicht gezeichnet zu haben, wenn er die gebotene Aufklärung erhalten hätte.

Der Kläger meint zudem, der Beklagte hafte ihm aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, weil er billigend in Kauf genommen habe, ein Darlehen ohne die erforderliche Erlaubnis zu vertreiben.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Rechte aus den mit der H1 GmbH geschlossenen Nachrangdarlehensvertrag Nr. # 0000 000000 ;

2. festzustellen, dass der Beklagte sich hinsichtlich der Übertragung sämtlicher Rechte aus dem im Antrag zu Ziff. 1 bezeichneten Nachrangdarlehensvertrag im Annahmeverzug befindet.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, er sei gegenüber dem Kläger nicht in eigenem, sondern ausschließlich im Namen seines ehemaligen Arbeitgebers, der H1 GmbH aufgetreten. Hierzu behauptet der Beklagte unter Vorlage der Kopie eines Anstellungsvertrages, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage BMS 1, Bl. 42-44 d.A., Bezug genommen wird, seit dem 01.08.2015 bei der H1 beschäftigt gewesen zu sein.

Er meint, die rechtliche Würdigung des Oberlandesgerichts Hamm zur Wirksamkeit der Nachrangklausel habe ihm als Angestellten der H1 GmbH nicht bekannt sein müssen.

Die Kammer hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2020 persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29.09.2020, Bl. 112-115 d.A., Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.

Der Kläger hat gegen den Beklagten aus keinem Rechtsgrund Anspruch auf Zahlung von 10.000,00 EUR Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Rechte aus dem mit der H1 GmbH geschlossenen Nachrangdarlehensvertrag Nr. # 0000 000000.

a) Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus §§ 280 Abs. 1, 241 BGB, weil zwischen den Parteien weder ein Kapitalanlageberatungs- oder -vermittlungsvertrag noch ein gesetzliches Schuldverhältnis i.S.d. § 311 Abs. 2, Abs. 3 BGB zustande gekommen sind (vgl. LG Dresden, Urt. v. 14.08.2020 – 9 O 2450/19; Urt. v. 20.07.2020 – 9 O 2451/19, jeweils n.v.).

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aa) Zwischen den Parteien ist weder ein Anlageberatungs- noch ein Anlagevermittlungsvertrag zustande gekommen, weil der Beklagte nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der H1 GmbH aufgetreten ist, § 164 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BGB. Eine etwaige Beratung oder Aufklärung wurde von dem Beklagten daher allenfalls als Erfüllungsgehilfe der H1 GmbH durchgeführt; nur mit dieser ist eine vertragliche Beziehung zustande gekommen (vgl. LG Konstanz, Urt. v. 24.11.2015 – 2 O 143/15 = BeckRS 2015, 120138 Rn. 16; LG Dresden, a.a.O.).

Zwar kommt ein Aufklärungspflichten begründender Anlagevermittlungsvertrag mit Haftungsfolgen (vgl. § 676 BGB) zwischen Anlageinteressent und Anlagevermittler nach der Rechtsprechung zumindest stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt (BGH, Urt. v. 11.01.2007 – III ZR 193/05 = NJW 2007, 1362 (1363) Rn. 10).

Nach dem unstreitigen, jedenfalls aber gemäß § 286 ZPO erwiesenen Sachverhalt steht indes zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger nicht als Anlagevermittler oder Berater, sondern als Angestellter der allein aufklärungspflichtigen H1 GmbH aufgetreten ist.

(1) Nach dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung gehaltenen, überholten Vortrag des Klägers, dem der Vorzug vor dem schriftsätzlichen Vorbringen seines Prozessbevollmächtigten zu geben ist, weil dieser seine Informationen erst von jenem erhalten hat, vgl. auch § 137 Abs. 4 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 16.05.2019 – III ZR 176/18 = BeckRS 2019, 11447 Rn. 26; Urt. v. 01.03.1957 – VIII ZR 286/56 = BeckRS 1957, 31194675; Weber, in: Baumbach/Lauterbach u.a., ZPO, 78. Aufl. 2020, § 85 Rn. 6; Jacoby, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2016, § 85 Rn. 5), habe sich der Kläger bewusst auf eine Anzeige der H1 GmbH per E-Mail bei dieser gemeldet und sei daraufhin von dem Beklagten angerufen worden. Mit diesem habe er die Vergabe des Nachrangdarlehens besprochen und daraufhin den vorausgefüllten Zeichnungsschein zugeschickt bekommen. Diesen habe er anschließend an die H1 (und nicht an den Beklagten) zurückgeschickt. Dass der Beklagte ihm gegenüber in irgendeiner Weise erklärt habe, in eigener Sache tätig zu sein, hat der Kläger nicht behauptet. Vielmehr hat der Kläger angegeben, der Beklagte habe sich im Rahmen des mit ihm geführten Telefonats ganz normal mit seinem Namen vorgestellt und Bezug darauf genommen, dass sich der Kläger für eine Anlage bei der H1 interessiere.

(2) Dessen ungeachtet, dass die Kammer davon überzeugt ist, dass sich der Beklagte entsprechend seiner Angabe im Rahmen seiner persönlichen Anhörung, er habe sich in dem Telefonat als D2 von der H1 vorgestellt, geäußert hat, konnte sich dem Kläger aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Empfängers nach seiner E-Mail an die H1 GmbH nach den Umständen nicht der Eindruck aufdrängen, er würde in eine vertragliche Beziehung zu dem Beklagten treten. Denn aufgrund der vorausgehenden Kontaktaufnahme allein mit der H1 GmbH lag offenkundig ein unternehmensbezogenes Geschäft vor. Daran ändert nichts, dass in der Kopfzeile des Zeichnungsscheins der Name des Beklagten angegeben ist. Denn den Zeichnungsschein hat der Kläger nach seinem Vortrag erst erhalten und mithin zur Kenntnis nehmen können, nachdem er bereits die Vergabe des Nachrangdarlegens mit dem Beklagten besprochen hatte. Selbst wenn der Kläger behaupten würde, den Vertriebspartnervermerk überhaupt zur Kenntnis genommen zu haben – was er ausdrücklich nicht behauptet -, könnte dies im Hinblick auf einen etwaigen Beratungs- oder Vermittlungsvertrag keine Wirkung mehr zeitigen, weil die „Vermittlungs- und Beratungsleistung“ zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt war und die Vertragsparteien daher festgelegt gewesen sind.

Aber auch ohne Berücksichtigung der zeitlichen Verhältnisse war das Formular vor dem Hintergrund der vorausgegangenen Kontaktaufnahme allein zu der H1 GmbH nicht geeignet, dem Kläger den Eindruck zu vermitteln, die persönliche Sachkunde des Beklagten in Anspruch zu nehmen. Darauf dass das „Beratungs- und Vermittlungsgespräch“ nach dem Aufdruck auf Seite zwei des Zeichnungsscheins ausdrücklich mit der H1 GmbH geführt wurde und der Beklagte für seine Korrespondenz mit dem Kläger eine zumindest auf die H1 hinweisende E-Mailadresse („H1…“) und Signatur der H1 GmbH verwendet hat, kommt es daher nicht an. Diese Umstände lassen in einer Gesamtbetrachtung jedenfalls nur den Schluss zu, dass der Beklagte als Angestellter und mithin Erfüllungsgehilfe der H1 GmbH und nicht im eigenen Namen aufgetreten ist. Diese Beurteilung entspricht auch – worauf es aufgrund des maßgeblichen Empfängerhorizontes des Klägers indes nicht ankommt – dem im Innenverhältnis zwischen dem Beklagten und der H1 GmbH bestehenden Anstellungsverhältnis.

bb) Zwischen den Parteien ist auch kein gesetzliches Schuldverhältnis im Sinne des § 311 Abs. 2, Abs. 3 BGB zustande gekommen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs treffen die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen eines Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB grundsätzlich den Vertretenen und nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen auch den Vertreter (BGH, Urt. v. 17.06.1991 – II ZR 171/90 = NJW-RR 1991, 1241 (1242) m.w.N.).

Vorvertragliche Schadensersatzansprüche gegen einen Verhandlungsgehilfen sind insoweit denkbar, wenn der Verhandlungsgehilfe ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Vertragsabschluss hat und er daher gleichsam in eigener Sache tätig wird (BGH, a.a.O.; LG Konstanz, Urt. v. 24.11.2015 – 2 O 143/15 = BeckRS 2015, 120138 Rn. 17). Ein nur mittelbares wirtschaftliches Interesse, wie z.B. das Provisionsinteresse des Handelnden oder der jeder wirtschaftlichen Tätigkeit innenwohnende Wunsch nach Folgegeschäften, genügt für ein eigenes wirtschaftliches Interesse im Sinne des § 311 Abs. 3 BGB indes nicht (BGH, a.a.O.; Emmerich, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, BGB § 311 Rn. 190). Dass ein solches erhebliches über ein etwaiges Provisionsinteresse hinausgehendes, wirtschaftliches Eigeninteresse des Beklagten bestanden hat, hat der Kläger nicht dargelegt (vgl. für das insoweit gleichgelagerte Parallelverfahren auch LG Dresden, Urt. v. 14.08.2020 – 9 O 2450/19, Seite 4, n.v.).

Auch hat der Kläger nicht dargelegt, dass ihm der Beklagte eine zusätzliche, gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung der Aufklärungspflichten oder für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärungen, die für seinen Willensentschluss bedeutsam waren, geboten oder ihm den Eindruck vermittelt hat, persönlich mit seiner Sachkunde für die ordnungsmäßige Aufklärung einzustehen.

b) Der Kläger kann von dem Beklagten Zahlung auch nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 1 S. 1 u. 2 Nr. 1, 32 Abs. 1 S. 1, 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG i.V.m. § 27 StGB verlangen.

aa) In objektiver Hinsicht erfordert die Beihilfe im Sinne von § 27 StGB eine Hilfeleistung entweder physischer oder aber psychischer Art. Die insoweit allein in Rede stehende physische Beihilfe verlangt dabei objektiv Handlungen, bei denen eine äußere, der Verwirklichung der Haupttat dienliche Bewirkungshandlung vorliegt. In subjektiver Hinsicht setzt die Beihilfe den so genannten doppelten Gehilfen-Vorsatz voraus, d. h. der eigene – zumindest bedingte – Vorsatz des Gehilfen muss sich auf eine vorsätzliche Haupttat beziehen und der Gehilfe muss den für die Haupttat erforderlichen Vorsatz des Haupttäters zumindest billigend in Kauf nehmen. Der Gehilfe muss die Handlung des Täters fördern und damit zur Tatbestandsverwirklichung beitragen wollen. Hierbei muss er die wesentlichen Merkmale, d. h. insbesondere die Unrechts- und Angriffsrichtung der Haupttat erkennen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05.01.2009 – III-5 Ss 265/08-178/08 IV Rn. 21, juris), von deren Einzelheiten braucht er hingegen keine bestimmte Vorstellung zu haben (vgl. im Einzelnen Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 27 Rn. 9 ff., 20 ff.).

bb) Diese Voraussetzungen liegen – wie die Instanzgerichte in den gerichtsbekannten Parallelverfahren einhellig angenommen haben (vgl. LG Bochum, Urt. v. 26.03.2020, Az. I-1 O 54/19; LG Dresden, a.a.O., jeweils n.v.) – ersichtlich nicht vor.

Dass dem Beklagten die durch das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 14.07.2017 (Az. 19 U 104/17) festgestellte Unwirksamkeit der Nachrangklausel bekannt war, behauptet der Kläger nicht. Vielmehr macht er dem Beklagten zum Vorwurf, dieser habe erkennen müssen, dass die Nachrangklausel an einem nicht auflösbaren Widerspruch leide und dieser habe damit billigend in Kauf genommen, ein Darlehen ohne die erforderliche Erlaubnis zu vertreiben.

Damit legt der Kläger indes keinen Gehilfenvorsatz dar. Denn er verkennt bei seinem Rekurs auf die Genussscheine betreffende Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.05.2017 (Az.: VI ZR 266/16), dass der rechtliche Ausgangspunkt für die Prüfung des Teilnehmervorsatzes im Falle – hier vorliegender – neutraler bzw. berufstypischer Handlungen, bei denen die Tatbeiträge untergeordneter Angestellter in der Regel straflos sind (Gercke/Stirner, in: Park, HK-Kapitalmarktstrafrecht, 5. Aufl. 2019, KWG § 54 Rn. 13), die Aufgabenverteilung zwischen dem als Teilnehmer in Anspruch genommenen Angestellten und dem gewerbsmäßig unerlaubte Bankgeschäfte betreibenden Prinzipal in den Blick zu nehmen hat (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.2012 – VI ZR 166/11 = BeckRS 2012, 14187 Rn. 30). Denn der Beklagte hatte als Angestellter der H1 GmbH nach der arbeitsvertraglichen Aufgabenbeschreibung und dem im Arbeitsverhältnis durch § 106 GewO abgesicherten Hierarchieverhältnis keine Pflicht, zu kontrollieren, ob die H1 GmbH oder eine mit ihr gerichtsbekannt verflochtene Gesellschaft die ihr nach § 32 Abs. 1 S. 1 KWG obliegenden Pflichten erfüllt (vgl. BGH, a.a.O.), mithin auch nicht, ob die dem Anlagemodell zugrunde liegende Nachrangregelung wirksam war. Dies gilt umso mehr als zum Zeitpunkt des Kontaktes mit dem Kläger noch nicht einmal die der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vorausgehende Entscheidung des Landgerichts Dortmund vom 28.03.2017 ergangen war. Selbst wenn also die Anstellungskörperschaft des Beklagten verpflichtet gewesen wäre, die Nachrangregelung auf ihre Wirksamkeit hin zu prüfen, – was nicht ersichtlich ist – hatte jedenfalls der Beklagte keinen Anlass, an der Rechtmäßigkeit des Anlagemodells zu zweifeln und diesbezüglich Erkundigungen einzuholen.

2.

Mangels Hauptanspruchs steht dem Kläger auch kein Zinsanspruch zu und kann dieser nicht die Feststellung des Annahmeverzugs verlangen.

II.

Die Kammer war nicht gehalten, dem Kläger vor einer Entscheidung in der Sache, eine Frist zur Stellungnahme auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 24.09.2020 zu gewähren, weil dieser Schriftsatz keinen entscheidungserheblichen Vortrag enthält.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 u. 2 ZPO.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Bank- und Kapitalmarktrecht: Dies ist das zentrale Rechtsgebiet in diesem Fall, da es sich um eine Anlageberatung und die daraus resultierenden Schadensersatzansprüche dreht. Dieses Rechtsgebiet befasst sich mit der Regulierung des Finanzsektors und dem Schutz der Anleger. Spezifisch in diesem Fall ist die Frage der Haftung für fehlerhafte Beratung bei Finanzanlagen im Fokus.
  2. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Verschiedene Regelungen des BGB sind in diesem Fall betroffen. Zum einen § 676 BGB, der die Grundlagen eines Anlagevermittlungsvertrags regelt und unter bestimmten Umständen Haftungsfolgen begründet. Zum anderen ist auch § 286 ZPO relevant, der in Bezug auf die Beweisführung in dem Fall angewendet wurde.
  3. Deliktsrecht: Im vorliegenden Fall ist das Deliktsrecht relevant, da es um Schadensersatzansprüche geht. Der Schadensersatz ist ein zentraler Aspekt desDeliktsrechts und bezieht sich auf die Verpflichtung, den Schaden, der einem anderen durch eine rechtswidrige Handlung zugefügt wurde, zu ersetzen.
  4. Arbeitsrecht: In diesem Fall ist das Arbeitsrecht insofern relevant, als dass der Beklagte als Angestellter der H1 GmbH auftrat und daher sein Status und seine Verantwortung im Rahmen seiner Beschäftigung zu berücksichtigen sind.
  5. Zivilprozessrecht (ZPO): Das Zivilprozessrecht regelt das Verfahren in Zivilprozessen. Im vorliegenden Fall ist insbesondere § 286 ZPO relevant. Diese Regelung betrifft die freie Beweiswürdigung durch das Gericht. Diese Norm ermöglichte es dem Gericht, den Beklagten als Angestellten der H1 GmbH und nicht als Anlagevermittler oder Berater zu betrachten.

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