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Anlageberatungsvertrag – Voraussetzungen für das Zustandekommen

LG Frankfurt – Az.: 2-21 O 40/11 – Urteil vom 16.11.2012

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 149.538,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.03.2011 Zug um Zug gegen Übertragung der treuhänderischen Beteiligung an der … zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine längjährige Kundin der Beklagten. Seit dem Jahre 2002 besteht zwischen den Parteien ein Vermögensverwaltungsvertrag.

Anlageberatungsvertrag - Voraussetzungen für das Zustandekommen
Symbolfoto: Von Rido /Shutterstock.com

Die Klägerin hatte im Jahre 2007 Verluste im Aktienfondsbereich erlitten. Vor diesem Hintergrund fand im Herbst 2007 ein Gespräch mit dem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen …, der Klägerin, dem Sohn der Klägerin … und dem Steuerberater der Familie im Hause der Klägerin in … statt. Über den genauen Inhalt des dort geführten Gespräches besteht zwischen den Parteien Streit. Jedenfalls meldete sich der Mitarbeiter der Beklagten … am 06.12.2007 bei dem Zeugen … und sandte ihm im Anschluss an das Telefongespräch eine E-Mail, in der er auf eine  Schiffsfondsbeteiligung an der … (im Folgenden: …“) hinwies. In dieser E-Mail heißt es unter anderem:

„… Wie eben besprochen, melde ich mich auf diesem Wege bei Ihnen, um Sie auf eine attraktive Anlageidee aufmerksam zu machen. Wir hatten darüber ja schon bei unserem letzten Treffen gesprochen. Eventuell auch interessant für Ihre Mutter …“.

Im Weiteren listete der Zeuge … sodann die Vorteile für die Investoren auf und erklärte die Beteiligungsmöglichkeiten.

Am Ende der E-Mail heißt es sodann:

„… Es würde mich sehr freuen, wenn wir gemeinsam mit Herrn … das Beteiligungsangebot telefonisch besprechen könnten. Insbesondere die Chancen / Risiken und die Kosten …“.

Wegen des weiteren Inhalts dieser E-Mail wird auf die Anlage B 5 Bezug genommen.

Nach Erhalt der E-Mail setzte sich der Zeuge … mit Herrn … in Verbindung und es kam zu einem Gespräch zwischen den beiden, an dem außerdem der Wertpapierspezialist der Beklagten, Herr …, teilnahm. Über den Inhalt dieses Gespräches besteht ebenfalls zwischen den Parteien Streit.

Die Klägerin erhielt in der Folge die Unterlagen für die Beteiligung an der … .  Wegen des genauen Inhalts des Prospekts wird auf die Anlage B 2 Bezug genommen. Unter dem 13.12.2007 zeichnete die Klägerin sodann eine Treuhandkommanditbeteiligung an der … in Höhe von 150.000,00 € zuzüglich eines Agios von 5 %. Auf die Anlage K 1 (Bl. 14 d. A.) wird verwiesen. Ihre Söhne, der Zeuge … sowie ihr Sohn … zeichneten gleichfalls eine Beteiligung in Höhe von 100.000,- € (Anlage B7) und in Höhe von 50.000,- € (Anlage B8).

Die Beklagte erhielt für die Vermittlung der Beteiligung an die Klägerin nicht nur das Agio in voller Höhe, sondern darüber hinaus eine Eigenkapitalvermittlungsprovision von 6,7 %. Darüber wurde die Klägerin nicht unterrichtet.

Am 12.11.2007 hatte die Klägerin eine Rahmenvereinbarung über Geschäfte in Finanzinstrumenten unterzeichnet. Auf die Anlage B 1 wird verwiesen. Die wirtschaftliche Entwicklung des Schifffonds verlief negativ. An Ausschüttungen erhielt die Klägerin einen Gesamtbetrag von 7.461,40 €.

Sie behauptet, vor dem Hintergrund ihrer erheblichen Verluste im Aktienfondsbereich habe sie von der Beklagten eine Umstrukturierung ihres Anlagevermögens gewünscht. Dabei habe insbesondere die Sicherung des Kapitals erfolgen sollen. Herr … habe während des Telefonats am 06.12.2007 ihrem Sohn gegenüber erklärt, dass der streitgegenständliche Schifffonds von der … mehrfach überprüft und für absolut sicher erachtet worden sei. Das Fondsangebot sei zusätzlich mit erheblichen Steuersparmöglichkeiten sowie fantastischen Renditeaussichten verbunden gewesen. Das eingesetzte Kapital sei durch Versicherungen zu 100 % abgesichert.

Die Klägerin behauptet, wenn sie gewusst hätte, dass die Beklagte für die Vermittlung der Beteiligung insgesamt 11,7 % Provisionen erhält, hätte sie diese Beteiligung nicht gezeichnet. Ein Einverständnis ihrerseits mit der Provision und deren Höhe könne auch nicht aus der Rahmenvereinbarung vom 11.12.2007 über Geschäfte in Finanzinstrumenten hergeleitet werden. Diese Vereinbarung beziehe sich nämlich nur auf Wertpapieremissionen und nicht auf unternehmerische Beteiligungen.

Nachdem die Klägerin die Klage in Höhe von 7.461,40 € zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an sie 149.538,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Übertragung der Anteile der treuhänderischen Beteiligung an der … zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die Klägerin sei eine risikobewusste Anlegerin. Bereits in dem Gespräch, das die Klägerin im Herbst 2007 im Beisein ihres Sohnes … und dem Steuerberater der Familie in … mit Herrn … führte, sei das grundsätzliche Interesse geäußert worden, den im Depot befindlichen Werten auch unternehmerische Beteiligungen beizumischen. Nach dem Telefongespräch vom 06.12.2007 habe ihr Mitarbeiter … Herrn … zunächst die Kurzinformation zum streitgegenständlichen Schifffonds übersandt. In dem danach geführten Telefonat habe ihr Mitarbeiter … dem Sohn der Klägerin die Grundzüge der Funktionsweise sowie die Chancen und Risiken einer Anlage in einem Schifffonds erläutert.

Herr … habe sodann um Übersendung eines Beteiligungsprospektes gebeten und erklärt, dass er diesen anschließend mit dem Steuerberater der Familie durchgehen und dessen Urteil einholen würde.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin auch dann die Schifffondsbeteiligung gezeichnet hätte, wenn sie gewusst hätte, dass ihr – der Beklagten – eine Provision in Höhe von insgesamt 11,7 % zufließe. Außerdem ist die Beklagte der Meinung, dass zwischen ihr und der Klägerin kein Anlageberatungsvertrag, sondern lediglich ein Anlagevermittlungsvertrag zustande gekommen sei. Bei dem Gespräch mit dem Zeugen … habe sie keine Kenntnis von der Person des potentiellen Anlegers oder der potentiellen Anlegerin gehabt. Sie habe auch keine Empfehlung ausgesprochen. Eine verbindliche Beratung sei auch daran gescheitert, dass sie von der Höhe der von der Klägerin beabsichtigten Investitionen keine Kenntnis gehabt habe.

Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 20.09.2012 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen …, … und …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 20.09.2012 (Bl. 204 bis 214 d. A.) Bezug genommen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst den beigefügten Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und, soweit sie nicht zurückgenommen wurde, auch begründet.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Anlageberatung (§ 280 Absatz 1 BGB) im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitgegenständlichen Schiffsfondsbeteiligung zu.

Die Klägerin und die Beklagte haben einen Anlageberatungsvertrag geschlossen, wobei die Klägerin durch ihren Sohn, den Zeugen …, vertreten wurde. Ein solcher Anlageberatungsvertrag kommt regelmäßig zumindest stillschweigend zustande, wenn im Zusammenhang mit der Anlage eines Geldbetrages tatsächlich eine Beratung stattfindet. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist eine Haftung aus einem (stillschweigend abgeschlossenen) Beratungsvertrag immer dann zu bejahen, wenn Auskünfte erteilt werden, die für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung sind und die dieser zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse oder Maßnahmen machen will. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Auskunftsgeber für die Erteilung der Auskunft sachkundig ist oder wenn bei ihm ein eigenes wirtschaftliches Interesse im Spiel ist. Das Fehlen sonstiger vertraglicher Beziehungen schließt einen solchen haftungsbegründenden Auskunftsvertrag nicht aus. Dieser kommt gerade mit der Erteilung der Auskunft zustande (BGHZ 74, 103; juris).

Nach dem Vortrag der Klägerin, der Vorlage der E-Mail-Korrespondenz und dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen ist. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin und nach dem Inhalt der E-Mail vom 06.12.2007 wurde sie hinsichtlich der Beratung für die streitgegenständliche Beteiligung von ihrem Sohn, dem Zeugen …, vertreten. Dies war auch der Beklagten bewusst, denn in der genannten E-Mail wird einerseits die Schiffsfondsbeteiligung als „eventuell auch interessant für Ihre Mutter“ empfohlen und in der Folge werden die Vorteile für die Investoren und die Beteiligungsmöglichkeiten aufgeführt. Allein die schon in dieser E-Mail genannten Parameter sind von erheblicher Bedeutung für die Interessenten und jedenfalls auch Grundlage für Investitionsentscheidungen.

Das nach Erhalt der E-Mail sich anschließende Gespräch zwischen dem Zeugen …, Herrn … und dem Wertpapierspezialisten der Beklagten, dem Zeugen …, war erkennbar von dem Interesse des Zeugen … geprägt, Informationen über die Schiffsfondsbeteiligung zu erhalten und sie zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen. Nochmals hat Herr … dem Zeugen … die Ausstattung des Fonds und die technische Abwicklung erläutert sowie auf die Risiken der Anlage hingewiesen. Dies ergibt sich nicht nur aus der Aussage des Zeugen …, sondern auch aus den Ausführungen des Zeugen …, der sich zwar an den Inhalt des mit dem Zeugen … geführten Gesprächs nicht mehr konkret erinnern konnte, jedoch nachvollziehbar erläuterte, wie im Regelfall die Aufklärung gestaltet war. Da die Beklagte nach dem Gespräch mit dem Zeugen … den Zeichnungsschein unmittelbar an die Klägerin sandte, war hinreichend klar, dass bei Annahme dieses Angebots durch die Klägerin die Informationen ausschlaggebend waren, die die Beklagte über den Zeugen … der Klägerin, ihrer langjährigen Kundin, zuteil werden ließ.

Dass die Beklagte nicht wusste, in welcher Höhe die Klägerin ihre Beteiligung zu zeichnen beabsichtigte, ändert an dem konkludenten Zustandekommen eines Beratungsvertrages nichts.

Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei kann es im vorliegenden Fall dahinstehen, ob der Mitarbeiter der Beklagten … dem Zeugen … die 100 %ige Sicherheit des eingesetzten Kapitals zusicherte und darauf hinwies, dass bei der Investition in den Schiffsfonds kein Risiko bestünde. Denn die Beklagte hat es versäumt, den Zeugen … auf die ihr zufließende Rückvergütung von insgesamt 11,7 % hinzuweisen.

Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Bank aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, über die von ihr vereinnahmte Rückvergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind – regelmäßig umsatzabhängige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie z.B. Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen (BGH Urteil vom 08.05.2012, Az.: XI ZR 262/10, Randnr. 17).

Dass die Mitarbeiter der Beklagten den Zeugen … im Rahmen der geführten Gespräche auf die Tatsache des Rückvergütungsflusses und dessen Höhe hingewiesen haben, wird von der Beklagten selbst nicht behauptet. Aber auch wenn der Klägerin mit Übersendung der Beteiligungsunterlagen auch der Prospekt (Anlage B 2) zugesandt worden und sie damit Gelegenheit gehabt haben sollte, diesen zu studieren, ergibt sich daraus zwar auf Seite 36, dass Vergütungen für „Platzierung, Werbung, Marketing“ in Höhe von 6,7 % des Eigenkapitals anfallen sowie das Agio in Höhe von 5 %, jedoch wird mit keinem Wort erwähnt, dass diese umsatzabhängigen Vergütungen der Beklagten zufließen.

Steht eine Aufklärungspflichtverletzung fest, streitet für den Anleger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, die zu einer Beweislastumkehr führt. Der Aufklärungspflichtige muss beweisen, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung erworben hätte, weil er den richtigen Rat oder Hinweis nicht befolgt hätte. Diesen Beweis hat die Beklagte nicht erbracht. Vielmehr hat sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung am 20.09.2012 erklärt, dass sie dann, wenn sie gewusst hätte, dass die Beklagte Vergütungen in Höhe von 11,7 % erhält, wahrscheinlich die Beteiligung nicht unterzeichnet, sondern eine andere Lösung gesucht hätte. Zwar hat die Beklagte die Parteivernehmung der Klägerin beantragt, jedoch war vor dem Hintergrund der persönlichen Anhörung der Klägerin diesem Antrag nicht zu folgen. Dieser käme nämlich einer reinen Ausforschung gleich, da die Beklagte keinerlei weitere Umstände vorgetragen hat, die eine andere Entscheidung der Klägerin nahegelegt hätten.

Für ihre Behauptung, die Klägerin hätte auch bei Kenntnis der Rückvergütungen die Beteiligung gezeichnet, kann sich die Beklagte nicht auf die Rahmenvereinbarung vom 12.11.2007 berufen. Diese bezieht sich nämlich nur auf Wertpapiergeschäfte. Wie der Bundesgerichtshof (BGH a.a.O. Randnr. 23) bereits entschieden hat, kann aus dem Einverständnis der Klägerin mit Provisionszahlungen bei Wertpapiergeschäften nicht auf ein Einverständnis bei Rückvergütungen geschlossen werden.

Grundlage für den Schadensersatzanspruch der Klägerin ist die von ihr geleistete Bareinlage in Höhe von 150.000,00 € zuzüglich des Agios von 5 %. Von dem Gesamtbetrag von 157.500,00 € sind die der Klägerin zugeflossenen Ausschüttungen über 7.461,40 € in Abzug zu bringen, so dass sich ein zu zahlender Betrag von 149.538,60 € ergibt. Diese Zahlung kann nur, wie beantragt, Zug um Zug gegen Übertragung der streitgegenständlichen Anteile erfolgen.

Auf die Klagesumme kann die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.03.2011, dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage, verlangen (§ 291 BGB). Zwar hat die Klägerin einen konkreten Zinsbeginn nicht genannt, jedoch ist ihr Klageantrag dahingehend auszulegen, dass Zinsen jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit geltend gemacht werden sollen.

Da die Zuvielforderung der Klägerin relativ geringfügig war, hat die Beklagte gemäß §§ 92 Absatz 2, 269 Absatz 3 ZPO die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

 

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