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Anlagehaftung aufgrund sittenwidriger Schädigung

 OLG Hamburg

Az.: 4 U 170/01

Verkündet am 27.11.2002

Vorinstanz: LG Hamburg – Az.: 329 O 364/00


In dem Rechtsstreit hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 4. Zivilsenat,

nach der am 30. Oktober 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 25.7.2001 – Az.: 329 O 364/00 – geändert.

Der Beklagte wird unter Abweisung des weitergehenden Zinsantrages verurteilt, an die Klägerin € 47.720,57 (entspricht DM 93.333,33) nebst 4% Zinsen seit dem 22.11.2000 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 55.000,- abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Um Anleger als Kommanditisten für diesen Beteiligungsfonds zu werben, war mit Herausgabedatum vom 1.6.1996 von der B……… Internations! AG ein als Anlage eingereichter Prospekt „Beteiligungsangebot“ herausgegeben worden, der u.a. den Gesellschaftsvertrag (Seiten 58 bis 64), den Treuhandvertrag (Seiten 65 bis 70), eine Auflistung „Die Vertragspartner“ (Seite 56) sowie ein Kapitel „Chancen und Risiken“ (Seiten 48 bis 55) enthielt.

In § 3 Nr. 3 e) des Gesellschaftsvertrages der WA KG befindet sich eine Regelung, wonach die KG aus den eingegangenen Einlagen berechtigt ist, vorab, d.h. also nicht nur anteilig, die Kosten für Prospektherstellung, die Kaufnebenkosten einschließlich Notar- und Gerichtskosten für die anzuschaffenden Immobilien sowie die Maklergebühr zu begleichen, soweit diese Verbindlichkeiten der Gesellschaft entstanden und fällig sind (siehe Seite 58 des Prospektes „Beteiligungsangebotes“). Auf Seite 49 des Prospektes heißt es unter der Überschrift „Chancen und Risiken“ u.a.:

„Die Fondsgesellschaft ist berechtigt, aus den eingegangenen Einlagen vorab die Prospektherstellungs- und Gestaltungskosten, die Kaufnebenkosten einschl. Notar- und Gerichtskosten für die anzuschaffenden Immobilien sowie die Maklergebühr begleichen, soweit diese Verbindlichkeiten der Gesellschaft entstanden und fällig sind. Dies könnte unter Umständen dazu führen, daß theoretisch keine ausreichenden Mittel mehr für eine Investition vorhanden sein können.“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Prospektes wird vollumfänglich auf die nicht näher bezeichnete, 72 Seiten umfassende Anlage „Beteiligungsangebot“ verwiesen.

Am 6.11.1996 unterbreitete die Klägerin dem Treuhänder Dr. T…… ein Beteiligungsangebot zur WA KG mit einer Kommanditbeteiligung von DM 80.000,- zuzüglich 5% Agio (DM 4.000,-). Dieses Angebot wurde vom Treuhänder am 16.12.1996 angenommen. Die Klägerin finanzierte den Betrag zuzüglich eines Disagios über DM 9.333,33 bei der BHW Bank in Hameln, so dass sie insgesamt DM 93.333,33 aufwendete. Nach Einzahlung des Zeichnungsbetrages nebst Agio am 23.12.1996 bewirkte der Treuhänder am 27.12.1996 die Beteiligung der Klägerin an der WA KG. Er übernahm eine Haftungseinlage von DM 80.000,- und zahlte den Betrag zuzüglich Agio an die Fondsgesellschaft aus.

Wegen der nur schleppenden Platzierung des Fonds fand am 25.2.1997 ein Beratungsgespräch im Büro des Beklagten statt, an dem u.a. der Treuhänder Dr. T…… sowie der Beklagte selbst teilnahmen. Mit Schreiben vom 9.7.1997 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass der Fonds nicht platziert werden könne. Sie machte daraufhin von ihrem auf Seite 47 des Prospektes erwähnten Rücktrittsrecht Gebrauch und forderte die eingezahlte Zeichnungssumme nebst Agio zurück. Unter dem 10.12.1997 informierte die Klägerin den Treuhänder Dr. T……von ihrem Rücktritt und forderte ihn zur Rückzahlung der Einlage auf. Am 17.12.1997 teilte dieser ihr schriftlich mit, dass das Geld entsprechend der Regelung in § 3 Nr. 3 e) des Gesellschaftsvertrages vorab zur Tilgung der Verbindlichkeiten verwendet worden sei.

Mit Eingangsdatum vom 22.11.2000 erhob die Klägerin Klage beim Landgericht Hamburg. Sie hat erstinstanzlich vorgetragen, der Beklagte habe vor Zeichnung durch die Anleger auf Vertriebsschulungsveranstaltungen erklärt, er gewährleiste, dass die Zeichner ihr Geld zurückerhielten, falls der Fonds wider Erwarten nicht platziert werden könne. Dies sei auf konkrete Nachfrage der Vertriebsmitarbeiter bezüglich des Prospekthinweises „dies könnte unter Umständen dazu führen, dass theoretisch keine ausreichenden Mittel mehr für eine Investition vorhanden sein können“ geschehen.

Ferner habe der Beklagte eine solche Aussage auch gegenüber dem

Treuhänder Dr. T……während der Krisensitzung am 25.2.1997 gemacht.

Auf konkrete Nachfrage des Treuhänders habe der Beklagte erklärt, dass diejenigen Zeichner, die nicht in einen anderen Fonds wechseln wollten, in jedem Fall ihr Geld zurückerhielten.

Schließlich sei in dem herausgegebenen Prospekt nicht ausreichend ü-ber die bestehenden Risiken informiert worden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie DM 93.333,33 nebst 4% Zinsen seitdem 1.9.1997 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass allenfalls dem Treuhänder Vorwürfe zu machen seien, da er seine Überprüfungspflichten im Rahmen der Mittelverwendungskontrolle verletzt habe. Die von der Klägerin behaupteten Äußerungen auf den Schulungsveranstaltungen seien nicht gefallen. Garantieerklärungen habe es nicht, auch nicht am 25.2.1997, gegeben, solche wären im Übrigen auch nicht kausal für die Zeichnung des Fonds durch die Klägerin gewesen. Irgendwelche Hinweispflichten seien im Rahmen der Prospektherausgabe nicht verletzt worden. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.7.2001 als unbegründet abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Gegen dieses ihr am 3.8.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 3.9.2001 Berufung eingelegt und diese – nach Fristverlängerung bis zum 5.11.2001 – mit Schriftsatz vom 19.10.2001, eingegangen bei Gericht am 22.10.2001, begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens trägt die Klägerin weiter vor, es sei davon auszugehen, dass sich der

Treuhänder Dr. T…… in der Besprechung am 25.2.1997 selbst mit dem

Beklagten vertraglich geeinigt und dass Dr. T…… in der Folge einen solchen vertraglichen Garantieanspruch an die Klägerin – zumindest konkludent – abgetreten habe.

Jedenfalls sei der Anspruch aber nach den allgemeinen Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss – also im Wege der „uneigentlichen“ Prospekthaftung – begründet. Die Vertriebsbeauftragten W. und G hätten im Rahmen der sich insgesamt über drei Monate hinziehenden Verkaufsbemühungen immer wieder geäußert, die Fondsbeteiligung sei „was ganz Sicheres, Fonds für Beamte und Angestellte, kein Risiko, dahinter steht F….., deshalb kann nichts schiefgehen“. Diese Aussagen seien nicht aus eigenem Antrieb erfolgt, vielmehr seien die Vertriebsbeauftragten vom Beklagten entsprechend instruiert worden, weshalb er sich ihre Äußerungen und den dadurch bei der Klägerin geschaffenen Vertrauenstatbestand zurechnen lassen müsse. Die Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens der Klägerin folge aus der Tatsache, dass die Vertriebsbeauftragten im Rahmen der Verhandlungen mit dem Namen des Beklagten und dessen Zusage persönlichen Einstehenwollens geworben hätten, was von dem Beklagten bezweckt gewesen sei.

Die Klägerin stellt den Antrag, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin DM 93.333,33 nebst 4% Zinsen seit 1.9.1997 zu zahlen.

Der Beklagte stellt den Antrag, die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt, ebenfalls unter Vertiefung des bisherigen Vorbringens, weiter vor, er sei auf Schulungsveranstaltungen für Vertriebler als Geschäftsführer der WA GmbH aufgetreten, nicht etwa als Privatperson. Daher könne eigentlich niemand auf die Idee verfallen, dass die behaupteten Äußerungen des Beklagten auf den Schulungsveranstaltungen den Rechtsbindungswillen beinhalteten, er wolle persönlich mit den späteren Zeichnern des Fonds einen Garantievertrag abschließen. Auch im Rahmen der Krisensitzung vom 25.2.1997 sei eine entsprechende Äußerung des Beklagten – wenn sie denn tatsächlich so gefallen sein sollte wie die Klägerin behauptet – nicht geeignet, den Rechtsbindungswillen des Beklagten persönlich zum Abschluss eines Garantievertrages anzunehmen, und zwar weder mit dem Treuhandkommanditisten noch mit der Klägerin.

Im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Prospekthaftung vertrete er – der Beklagte – weiterhin die Auffassung, dass der Prospekt nicht unzutreffend sei, sondern auch im Hinblick auf einen möglichen Totalverlust eine ausreichende Aufklärung über die Risiken des Investments beinhalte, was sich insbesondere aus Blatt 49 des Prospektes ergebe.

Im Übrigen trage die Klägerin selbst vor, dass ihr Vertriebler ihr bedeutet habe, der Beklagte stehe im Falle des Scheiterns des Fonds für die Rückzahlung der Einlagebeträge ein. Das bedeute, dass der Klägerin sehr wohl bewusst gewesen sei, dass ein Totalverlust möglich sei und dass sie sich in Kenntnis dieses Umstandes auf das Investment eingelassen habe, weil sie den Bekundungen ihres Vertrieblers über Aussagen des Beklagten vertraut habe.

Schließlich halte er – der Beklagte – auch für falsch, dass er persönlich das typisierte Prospektvertrauen in Anspruch genommen haben soll. An keiner Stelle sei er persönlich als Initiator oder sonstwie prospektverantwortliche Person hervorgetreten und an keiner Stelle des Prospektes könne darauf geschlossen werden, dass der Beklagte persönlich hinter den Prospektangaben stehe. Auch wenn der für die Klägerin zuständige Vertriebler über den Beklagten und dessen Auftritte auf den Schulungsveranstaltungen gesprochen und die Klägerin mit diesen Hinweisen beworben haben sollte, ergebe sich nichts anderes. Allein ein klangvoller Name könne nicht dazu führen, die Haftung des Namensträgers zu begründen.

Wegen der weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung der Klägerin vom 19.10.1991 und auf die Berufungserwiderung des Beklagten vom 5.4.2002 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Vorinstanz ist zwar darin zuzustimmen, dass der Klägerin im Ergebnis weder Ansprüche aus Garantievertrag noch solche unter dem Gesichtspunkt der eigentlichen Prospekthaftung zustehen. Ob die Klägerin den von ihr geltend gemachten Anspruch demgegenüber auf die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur uneigentlichen Prospekthaftung stützen kann, kann hier dahingestellt bleiben.

2. Der Klägerin steht nämlich unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung ein Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. € 47.720,57 (entspricht DM 93.333,33) gemäß § 826 BGB gegen den Beklagten zu.

a) Der Kläger hat in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise der Beklagten vorsätzlich einen Schaden zugefügt, indem er zumindest mit veranlasst hat, dass sie im Rahmen ihrer Anlageentscheidung über wesentliche Umstände unrichtig informiert und damit getäuscht wurde. Der als Anlage zur Akte gereichte 72-seitige Prospekt „Beteiligungsangebot“ enthält unvollständige Angaben zu den Risiken der Beteiligung (dazu sogleich aa), für die der Beklagte im Rahmen des eigenen Handelns einzustehen hat (dazu unten bb). Dieses ist als sittenwidrig und vorsätzlich im Sinne des § 826 BGB zu qualifizieren (dazu unten cc).

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aa) Prospekte, die zur Anwerbung von Beteiligungen an einer Publikums-KG herausgegeben werden, müssen inhaltlich richtig und vollständig sein und insbesondere über solche Umstände und Risiken aufklären, die für die Anlageentscheidung potentieller Interessenten von maßgeblichem Interesse sein können.

Der Entschluss, einer Publikums-KG beizutreten, ist für den einzelnen Interessenten regelmäßig von weittragender wirtschaftlicher Bedeutung und im Regelfall mit nicht unerheblichen Risiken verbunden. Der Interessent hat im allgemeinen keine eigenen Unterrichtungsmöglichkeiten, sondern ist vielmehr darauf angewiesen, sich anhand des Prospektes über das zu finanzierende Vorhaben zu informieren. Dieser bildet im Regelfall die Grundlage für den Beitrittsentschluss. Unabhängig davon, dass der Beitretende ein Risikogeschäft eingeht und ihm das wirtschaftliche Risiko seiner Beteiligung verbleibt, darf er erwarten, dass er ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt erhält. Demnach hat der Prospekt ihn über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten, insbesondere über die Tatsachen, die den Vertragszweck vereiteln können. Damit soll dem Beitretenden nicht das Risiko des Geschäfts abgenommen werden. Vielmehr soll der Prospekt über den Umfang des ohnehin bestehenden Risikos vollständig und richtig aufklären (vgl. BGHZ 79, 337, 344 f., BGHZ 123, 106, 111). Zu den nach Treu und Glauben zu offenbarenden Tatsachen gehören daher insbesondere deutliche Warnhinweise auf die Gefahr eines wirtschaftlichen Totalverlustes der geleisteten Einlage.

Diesen Anforderungen genügt der hier in Rede stehende Prospekt nicht. Er erweckt falsche Vorstellungen über die tatsächlichen Risiken einer Beteiligung an der WA KG. Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass der Prospekt hinsichtlich der Gefahr des vollständigen Verlustes der Einlagen bei Nichtplatzierung des Fonds durch Vorabverwendung der Mittel für Anlaufkosten unvollständig ist.

Bereits im Inhaltsverzeichnis des Prospektes werden „Die Vorteile auf einen Blick“ gleich zu Beginn an präsenter Stelle hervorgehoben, es folgen in der Gliederung Verweise auf die Kapitel „Konzeption der Fondsimmobilien und deren Ausstattung“, „Konzeption der Anlagen in Aktien und festverzinslichen Wertpapiere“, auf die Investitionskalkulation, die voraussichtliche Geschäfts- und Liquiditätsentwicklung. Erst an sechsletzter Stelle des Inhaltsverzeichnisses wird auf das Kapitel „Chancen und Risiken“ auf Seite 48 des Prospektes verwiesen.

Auf Seite 49 des Prospektes findet sich dann der im Tatbestand angeführte Hinweis, der mit der Formulierung endet:

„Dies könnte unter Umständen dazu führen, daß theoretisch keine ausreichenden Mittel mehr für eine Investition vorhanden sein können.“

Auf derselben Seite steht dann gegenüber in der Spalte „Chancen“ Folgendes:

„Aufgrund der Gestaltung dieses Vermögens- und Vorsorgefonds sieht die Fondsgesellschaft nicht die Gefahr einer so geringen Plazierung, daß keine Investitionen vorgenommen werden können. Sollte dennoch dieser unwahrscheinliche Fall eintreten, trägt der persönlich haftende Gesellschafter für die Rückzahlung der dadurch vorab anteilig zu hoch ausgezahlten Nebenkosten Sorge.“

Diese Angaben, die zudem an vergleichsweise versteckter – und nicht besonders hervorgehobener- Stelle auftauchen, verharmlosen das Risiko einer Nichtplatzierung in eklatanter Weise. Formulierungen wie „unter Umständen“, „theoretisch“, „dieser unwahrscheinliche Fall“ erwecken den Eindruck, dass das damit angesprochene Risiko bei realistischer Betrachtung nahezu ausgeschlossen ist. Hinzu kommt, dass nach den Prospektangaben der persönlich haftende Gesellschafter für die Rückzahlung Sorge trage, so dass bei dem Beitrittsinteressenten der Eindruck entstehen muss, mit seiner Anlageentscheidung tatsächlich überhaupt kein Risiko einzugehen.

Unabhängig davon findet sich an keiner Stelle des Prospektes – auch nicht einmal andeutungsweise – ein Hinweis darauf, dass die Kapitalanleger bei nicht ausreichenden Mitteln für eine Investition mit einem Totalverlust ihrer Einlage zu rechnen haben, was hier besonders schwer wiegt. Auch in dem vom Prospekt umfassten Gesellschaftsvertrag, der unter § 3 e) die Vorabverwendung von Mitteln für Anlaufkosten im Einzelnen vorsieht, findet sich insoweit nichts.

Die Aufmachung des Prospektes zielt nach allem entgegen den tatsächlichen Risiken zum Zeitpunkt des Beitritts der Klägerin darauf ab, das Bild einer besonderen Sicherheit und Stabilität des Fonds zu vermitteln, die es tatsächlich jedoch nicht gab. Dass das Risiko eines Totalverlustes tatsächlich bestand, hat sich im Falle der hiesigen Klägerin eindrucksvoll gezeigt.

bb) Der Beklagte hat für die unvollständigen Angaben im Prospekt im Rahmen seiner Haftung nach § 826 BGB einzustehen. Er gehört zu dem Kreis der Verantwortlichen, die den Anlegern gegenüber wegen der Prospektfehler haften.

Dabei ist unerheblich, dass der Beklagte weder persönlich haftender Gesellschafter oder Gründungskommanditist der WA KG war. Zu den Prospektverantwortlichen gehören nämlich neben den Initiatoren, Gründern und Gestaltern der Gesellschaft – soweit sie das Management bilden oder beherrschen – auch die Personen, die hinter der Gesellschaft stehen und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss ausüben (vgl. dazu etwa BGH NJW 1995, 1025 [ständige Rechtsprechung]).

Diese Voraussetzungen liegen beim Beklagten vor. Er war Initiator des gesamten Beteiligungsfonds und übte maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der WA KG und den damit zusammenhängenden Unternehmen

aus. Er war Mehrheitsaktionär der B……… International AG, die den

Prospekt herausgegeben hat und verantwortlich war für Konzeption, Marketing, Vertriebskoordination und Finanzierungsvermittlung (Seite 55 des Prospektes). Daneben war er Geschäftsführer der WA GmbH, die die Führung der Vertriebsorganisation für die WA KG übernehmen sollte. Weiterhin war er persönlich haftender Gesellschafter der F…..-M….- R…. & Co. oHG, der Gesellschaft, der die Objektverwaltung oblag (Seite 56 des Prospektes). Schon diese Einbindung in den Unternehmensverbund macht ihn für die Herausgabe des Prospektes mitverantwortlich.

Hinzu kommt, dass der Beklagte sich durch die Einsetzung des Herrn N….. als persönlich haftenden Gesellschafter der WA KG den entscheidenden Einfluss auch innerhalb dieses Unternehmens gesichert hatte. Der Beklagte ist dem Vorbringen auf Seite 4 der Klagschrift vom 20.11.2000 nicht entgegengetreten, wonach Herrn N….. lediglich die Rolle eines „Befehlsempfängers“ seitens des Beklagten zukam. Dies gilt

auch hinsichtlich der Position des Herrn N….. als Einzelprokurist der

B……… International AG. Daher war der Beklagte nicht nur Mehrheitsaktionär dieses Unternehmens, sondern er konnte darüber hinaus über die Person des Herrn N…..unmittelbaren Einfluss auf die Geschicke und das Geschäftsgebaren der WA KG ausüben. Unstreitig hat der Beklagte in der Korrespondenz der B……… International AG zudem mit seinem Namen gezeichnet und u.a. auch Arbeitsverträge unterschrieben, so dass sein maßgeblicher Einfluss auf die konzeptionell hinter der WA. KG stehenden B………International AG umfassend dokumentiert ist.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte ein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Erfolg der gesamten Konzeption hatte, was zum einen aus seinem weitreichenden Engagement innerhalb der genannten Unternehmen folgt und zum anderen aus dem Umstand, dass die Bestandsimmobilien zu 80% aus „F…..eigentum“ stammten, wie die Klägerin unbestritten auf Seite 4 der Klagschrift hat vortragen lassen.

Alle Aspekte zusammen genommen lassen die herausragende Stellung des Beklagten erkennen, die ihm innerhalb des Unternehmensgeflechtes zukam. Dies rechtfertigt es, den Beklagten als maßgeblich mitverantwortlich für den streitgegenständlichen Prospekt anzusehen.

Dabei kann es dahinstehen, ob der Beklagte an der Abfassung des Prospektes persönlich beteiligt war oder nicht (letzteres behauptet der Beklagte auf Seite 7 des nicht nachgelassenen und nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatzes vom 11.11.2002). Entscheidend ist vielmehr allein, dass der Prospekt mit seiner Kenntnis in Verkehr gebracht wurde (vgl. dazu BGHZ 72, 382).

cc) Die Herausgabe des Prospektes zum Zwecke der Anwerbung von Kommanditisten der WA KG stellt sich als ein vorsätzliches und sittenwidriges Verhalten im Sinne des § 826 BGB dar.

Für eine Haftung im Rahmen des § 826 BGB reicht bereits ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten aus (vgl. BGH NJW 1990, 389, 390), verbunden mit einem bedingten Schädigungsvorsatz, wobei hierfür lediglich erforderlich ist, dass der Handelnde die Entstehung eines Schadens für möglich gehalten und in Kauf genommen hat (vgl. BGH NJW 1990, 389, 390 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des Beklagten vor. Ihm war

als Initiator und aufgrund seiner beherrschenden Stellung in der B………

International AG die Konzeption des Fonds bestens bekannt. Ihm war damit bewusst, dass die von den Kommanditisten eingelegten Mittel zunächst nicht für investive Zwecke, sondern zur Tilgung von Verbindlichkeiten verwendet werden sollten und dass dies im Falle einer nicht ausreichenden Platzierung zu einem Totalverlust der Einlage führen konnte. Indem der Beklagte in Kenntnis dieses Risikos in bedenkenloser Weise den fehlerhaften Prospekt in Verkehr hat bringen lassen, hat er billigend in Kauf genommen, dass zukünftige Anleger hinsichtlich ihrer Komman-ditbeteiligung einen wirtschaftlichen (Total-)Verlust und damit einen nicht unerheblichen Schaden erleiden können.

Zwar mag die Schädigung der Anleger nicht in der Absicht des Beklagten gelegen haben, der in erster Linie an dem Zustandekommen der geplanten KG interessiert war. Eine Schädigung potentieller Anleger wurde von dem Beklagten jedoch billigend in Kauf genommen.

Mit der Gestaltung des § 3 Nr. 3e) des Gesellschaftsvertrages wurde das Risiko im Falle ausbleibender Platzierung ausschließlich auf die Anleger verlagert, so dass für den Beklagten bzw. die von ihm beherrschten Gesellschaften die Chance eines Gewinnes ohne Risiko bestand. Diese Risikoverlagerung zugunsten der Initiatoren war gewollt und wurde durch den Prospekt verschleiert.

b) Der der Klägerin zustehende Anspruch aus § 826 BGB ist noch nicht verjährt. Ersatzansprüche aus unerlaubter Handlung verjähren gemäß § 852 Abs. 1 BGB in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt.

Der Verjährungsfrist begann im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt des Eingangs des von der Klägerseite als Anlage eingereichten Schreibens des

Herrn Dr. T…… an die Klägerin vom 17.12.1997. Hierin wird mitgeteilt,

dass die Fondsgesellschaft trotz Aufforderung und verschiedener Nachfragen die Gelder noch nicht zurückgezahlt habe, obwohl der Beklagte mehrfach erklärt habe, die Zeichner erhielten ihr Geld zurück, wenn der Fonds nicht zustande komme. Daneben heißt es, dass sich entgegen der Annahme der Klägerin kein ihr gehörender Betrag mehr auf dem Treuhandkonto befinde. Mit diesem Schreiben erhielt die Klägerin somit erstmals Kenntnis von Eintritt und Umfang des Schadens.

Die am 22.11.2000 bei Gericht eingegangene Klage vom 20.11.2000 ist demzufolge in unverjährter Zeit erhoben worden, da die Verjährung erst ab 17.12.2000 eintreten konnte.

c) Der Klägerin steht der Höhe nach ein Schadensersatzanspruch über €47.720,57 (entspricht DM 93.333,33) zu. Sie ist als Anlegerin gemäß §§ 249 ff. BGB so zu stellen, als ob sie der Gesellschaft nicht beigetreten wäre (vgl. BGHZ 74, 103, 113).

Neben den von der Klägerin eingezahlten DM 84.000,- (Beteiligungsbetrag DM 80.000,- zzgl. 5% Agio i.H.v. DM 4.000,-) ist somit auch der für die Finanzierung bei der BHW Bank aufgewendete Betrag von DM 9.333,33 zu erstatten.

3. Die Klagforderung ist gemäß §§ 284 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB a.F. mit 4% seit dem 22.11.2000 (Eingang der Klagschrift) zu verzinsen. Der von der Klägerin weitergehend geltend gemachte Zinsanspruch – sie begehrt Zinsen bereits für den Zeitraum ab 1.9.1997 – ist hingegen unbegründet. Das Schreiben vom 19.7.1997, mit dem sie die Rückzahlung des klagweise geltendgemachten Betrages innerhalb von 30 Tagen nach Zugang des Schreibens begehrt hatte, ist nicht an den Beklagten gerichtet, so dass insoweit die Verzugsvoraussetzungen des § 284 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. nicht dargelegt sind.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1. S. 1 ZPO a.F. (§ 26 Nr. 5 EGZPO) und aus § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F. (§ 26 Nr. 7 EGZPO). Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil weder erkennbar ist, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

 

 

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