LG Karlsruhe – Az.: 6 O 5/18 – Urteil vom 16.08.2018
1. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin 10.180,08 EUR zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten dem Basiszinssatz seit dem 09.03.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 12 % und der Beklagte 88 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Info: Was ist ein Anscheinsbeweis bei einem Verkehrsunfall?
Ein Anscheinsbeweis ist im Verkehrsrecht ein Beweis, der aufgrund typischer Geschehensabläufe und Erfahrungssätze vermutet wird, ohne dass ein konkreter Beweis dafür vorliegt. Es handelt sich dabei um eine Form des Indizienbeweises und kommt insbesondere bei Verkehrsunfällen zum Einsatz.
Ein typischer Fall, in dem ein Anscheinsbeweis angewendet wird, ist bei einer Kollision zwischen einem wartepflichtigen Fahrzeug und einem vorfahrtsberechtigten Fahrzeug, bei der es zu einer Vorfahrtsverletzung gekommen ist. In einem solchen Fall wird angenommen, dass der wartepflichtige Fahrer die Vorfahrt des anderen Fahrzeugs nicht beachtet hat. Es gilt jedoch zu beachten, dass ein Anscheinsbeweis erschüttert oder widerlegt werden kann, wenn konkrete Anhaltspunkte oder Beweise vorliegen, die die Vermutung widerlegen.
Im Falle eines Verkehrsunfalls kann ein Anscheinsbeweis zunächst gegen eine der beteiligten Parteien sprechen. Ein Fachanwalt für Verkehrsrecht kann jedoch durch eine sorgfältige Aufarbeitung des Unfallgeschehens und Argumentation eine Mithaftung des Gegners geltend machen. In diesem Zusammenhang kann auch die Vollkaskoversicherung eine Rolle spielen, da durch das sogenannte Quotenvorrecht eine schnelle Regulierung des Schadens erfolgen kann.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Schadensersatz aus Verkehrsunfall.
Am 22.6.2015 ereignete sich auf der BAB 5 bei K ein Verkehrsunfall an dem insgesamt fünf Fahrzeuge, u.a. vorausfahrend eine Sattelzugmaschine der Marke DB mit dem amtlichen deutschen Kennzeichen B, sowie dann folgend eine Sattelzugmaschine der Marke DA mit dem amtlichen tschechischen Kennzeichen 3 und dem Sattelauflieger der Marke K, amtl. deutsches Kennzeichen U, gefahren von dem Zeugen M, sowie als drittes Fahrzeug die von dem Zeugen K gefahrene Sattelzugmaschine der Marke S mit dem amtlichen tschechischen Kennzeichen 1, dessen Halter die Firma V aus VM, Tschechische Republik war, und daran anschließend die Sattelzugmaschine der Marke R der Firma A beteiligt waren. Die Beklagte ist als eingetragener Verein Vertreter der ausländischen Versicherung des an dritter Stelle fahrenden Fahrzeugs der Firma V.
Das erste Fahrzeug musste wegen einer Tagesbaustelle und einer kurzfristigen Behinderung bis zum Stillstand abbremsen. Der weitere Hergang des Kettenunfalls steht zwischen den Parteien im Streit.
An dem Auflieger U entstand auf der Rückseite ein Sachschaden mit Reparaturkosten i.H.v. 10.165,08 EUR.
Die Klägerin behauptet, zum Zeitpunkt des Unfalls sei sie Eigentümerin des beschädigten Sattelaufliegers der Marke K gewesen. Der an dem Auflieger geltend gemachte Schaden sei durch die von dem Zeugen K gefahrene Sattelzugmaschine der Marke S verursacht worden. Der Zeuge M habe sein vorausfahrendes Fahrzeug noch bis zum Stillstand abbremsen können, als der Beteiligte K aufgefahren sei. Der Hauptanstoß sei, wie sich aus dem Schadensbild ergebe, am Heck des Aufliegers erfolgt. An weiteren Schadensposition seien ihr die Kosten für das Gutachten zur Feststellung des Schadens i.H.v. 1.628,56 EUR, sowie eine Kostenpauschale von 30 EUR entstanden. Auch könne sie die Erstattung außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 926 EUR verlangen, die beglichen worden seien.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 11.563,62 EUR zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten dem Basiszinssatz seit dem 09.03.2016 zu bezahlen;
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 926 EUR zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, auf das stehende, nicht aufgefahrene Beklagtenfahrzeug der Marke S sei ein weiteres Fahrzeug der Marke R der Firma A aufgefahren, weshalb es auf den klägerischen Sattelzug der Marke DA aufgeschoben worden sei. Das klägerische Fahrzeug sei seinerseits wegen eines zu geringen Abstands auf das vorausfahrende Fahrzeug der Marke DB der Firma I aufgefahren. Im Anschluss daran seien weitere Anstöße auf die beteiligten Fahrzeuge von hinten erfolgt.
Das Gericht hat am 02.07.2018 verhandelt, in dieser Verhandlung den Zeugen B vernommen und zu den von der Beklagten angebotenen Zeugen auf § 296 ZPO und eine Zurückweisung als verspätet hingewiesen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
1. Der Beklagte haftet für den der Klägerin durch das Unfallgeschehen vom 22.6.2015 auf der BAB 5 bei K entstandenen Heckschaden an ihrem zum Unfallzeitpunkt gehörenden Sattelauflieger mit einer Haftungsquote von 100% in Höhe von insgesamt 10.180,08 EUR (§§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, 6 Abs. 1 AuslPflVG, 249 BGB).
a. Da der Unfall sich in Deutschland ereignet hat, gilt nach dem Tatortgrundsatz (Art. 40 Abs. 1 EGBGB) für Grund und Höhe des Schadensersatzanspruchs deutsches Recht.
b. Bei einer Haftpflichtdeckung über den Verein Grüne Karte ist das Deutsche Büro Grüne Karte e.V. passivlegitimiert und kann auf Grund des Verweises in § 6 Abs. 1 AuslPflVG nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG direkt in Anspruch genommen werden (vgl. OLG München, Urteil vom 18. November 2011 – 10 U 1146/11 -, juris).
c. Der Klägerin ist der Nachweis gelungen, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls Eigentümerin des streitgegenständlichen Aufliegers war.
Für den Nachweis des Eigentums der Klägerin an dem streitgegenständlichen Auflieger genügte nicht ihr Hinweis auf ihr Betriebsvermögen. Bei Gewerbetreibenden, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§4 Abs.1 Satz1 EStG), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung auszuweisen ist (§5 Abs.1 EStG). Handelsrechtlich hat der Kaufmann nur „seine“ Vermögensgegenstände auszuweisen (§§240, 242 HGB). Es ist allgemein anerkannt, dass Bestandteil des Vermögens des Kaufmanns nicht nur die ihm zivilrechtlich gehörenden Vermögensgegenstände, sondern auch solche sind, die zivilrechtlich zwar einer anderen Person gehören, die aber nach der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zu dem zivilrechtlichen Rechtsinhaber und nach den tatsächlichen Verhältnissen wirtschaftlich Bestandteil seines Vermögens sind – sog. wirtschaftliche Vermögenszugehörigkeit (BFH, Urteil vom 14.05.2002 – VIII R 30/98, BFHE 199, 181, BStBl II 2002, 741, mwN.). Der in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2018 vernommene Zeuge B hat jedoch für das Gericht nachvollziehbar und überzeugend, auch anhand von vorgelegten und als Anlagen 2-6 zum Protokoll genommenen Unterlagen dargelegt, wie die Klägerin durch die Übernahme der Spedition H auch Eigentümerin des streitgegenständlichen Aufliegers wurde. Anlass, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln hat, das Gericht nicht; Umstände hierfür wurden auch nicht vorgetragen.
d. Die volle Haftung der Beklagten folgt dem Grunde nach aus den §§ 7 StVG, 823 BGB.
aa. Der streitgegenständliche Unfall hat sich beim Betrieb der in der Tschechischen Republik haftpflichtversicherten Sattelzugmaschine der Marke S ereignet, für dessen Schadensregulierung der Beklagte eintritt. Höhere Gewalt i. S. d. § 7 Abs. 2 StVG liegt nicht vor. Ein unabwendbares Ereignis wurde von keiner Partei behauptet oder dargelegt.
bb. Danach hängt der Umfang der Haftung von der gem. § 17 Abs. 1, 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ab. Dabei können zu Lasten der jeweiligen Partei nur unstreitige oder bewiesene Umstände berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 10.01.1995 – VI ZR 247/94 -, juris). Daraus folgt nach allgemeinen Beweisgrundsätzen, dass im Rahmen der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung jeweils der eine Halter die Umstände zu beweisen hat, die dem anderen zum Verschulden gereichen (BGH, Urteil vom 13.02.1996 – VI ZR 126/95 -, juris). Das führt zu einer Haftung des Beklagten in voller Höhe.
Auf Seiten des Beklagten ist die Betriebsgefahr der von dem Zeugen K gefahrenen Sattelzugmaschine der Marke S zu berücksichtigen. Diese Betriebsgefahr ist durch ein Verschulden dieses Fahrers erhöht. Insbesondere spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass dieser Fahrer gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO verstoßen und einen zu geringen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug eingehalten hat oder entgegen § 1 Abs. 1 StVO unaufmerksam gefahren ist oder zu spät reagiert hat. Demgegenüber ist dem Fahrer des Sattelzuges der Marke DA ein Fehlverhalten nicht vorzuwerfen. Vielmehr verdrängt der der Beklagtenseite zuzurechnende Verschuldensvorwurf die Betriebsgefahr des klägerischen Pkw vollständig (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 01.07. 2010 – 12 U 15/10 -, juris; Greger/Zwickel Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 22 Rn. 164). Die Klägerin muss nach § 286 ZPO nachweisen, dass der Betrieb des tschechischen Fahrzeugs ihren Schaden (mit-)verursacht hat. Diesen Nachweis hat sie geführt.
1) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei Auffahrunfällen, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, der erste Anschein dafür sprechen kann, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVO), unaufmerksam war (§ 1 StVO) oder aber mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist. Denn der Kraftfahrer ist nach § 3 Abs. 1 StVO verpflichtet, seine Fahrweise so einzurichten, dass er notfalls rechtzeitig anhalten kann, wenn ein Hindernis auf der Fahrbahn auftaucht (BGH, Urteile vom 13.12.2016 – VI ZR 32/16 -, NJW 2017, 1177, vom 13.12.2011 – VI ZR 177/10 -, BGHZ 192, 84, vom 30.11.2010 – VI ZR 15/10 -, NJW 2011, 685, vom 16.01.2007 – VI ZR 248/05 -, NJW-RR 2007, 680, vom 18. 10.1988 – VI ZR 223/87 -, NJW-RR 1989, 670, vom 06.04.1982 – VI ZR 152/80 -, NJW 1982, 1595).
2) Das „Kerngeschehen“ – hier also der sog. Kettenauffahrunfall – reicht als solches allerdings als Grundlage eines Anscheinsbeweises dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die – wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs – als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Denn es muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den getroffenen Feststellungen ergeben (BGH, Urteil vom 13.12.2011 – VI ZR 177/10 -, BGHZ 192, 84). Bei Kettenauffahrunfällen versagt jedenfalls hinsichtlich der Verursachung des Frontschadens an dem Fahrzeug, auf das das Fahrzeug des Hintermanns aufgefahren ist, in der Regel der für ein Verschulden des Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis, weil regelmäßig gerade kein ausreichend typischer Geschehensablauf feststellbar ist (OLG Hamm, Urteile vom 24.03.2010 – 13 U 125/09 -, Schaden-Praxis 2010, 351, vom 06.02.2014 – 6 U 101/13 -, NJW 2014, 3790). Ein solcher Frontschaden wird jedoch vorliegend nicht geltend gemacht.
cc. Der Beklagte ist für seine Behauptung, auf das Beklagtenfahrzeug sei aus einer stehenden Position ein weiteres Fahrzeug der Marke R der Firma A aufgefahren, ohne dass zuvor das klägerische Fahrzeug berührt worden sei, weshalb das Beklagtenfahrzeug auf das Klägerfahrzeug aufgeschoben worden sei, das klägerische Fahrzeug sei seinerseits wegen eines zu geringen Abstands auf das vorausfahrende Fahrzeug der Firma I GmbH aufgefahren, beweisfällig geblieben.
Die Nennung der Polizeibeamten mit Schriftsatz vom 02.07.2018 war ebenso verspätet, wie die des Zeugen K mit Schriftsatz vom 23.05.2018 (§§ 296 Abs. 1, 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO) oder die Angabe von dessen ladungsfähiger Anschrift mit Beklagtenschriftsatz vom 25.06.2018 (§ 356 ZPO), weshalb diese Verteidigungsmittel zurückzuweisen waren. Ebenso beruht diese verspätete Nennung der Zeugen zugleich auf einer so groben Nachlässigkeit, sodass sie auch nach §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen waren.
1) Das Gericht hatte mit Verfügung vom 19.01.2018 dem Beklagten Frist zur Klageerwiderung von zwei Wochen nach Ablauf der Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klageschrift gesetzt und den Beklagten über die Folgen einer Fristversäumung belehrt. Die Klage wurde am 24.01.2018 zugestellt. Das Gericht hat am 02.05.2018 Termin bestimmt. Die Ladung wurde dem Beklagten am 08.05.2018 zugestellt. Danach benannte der Beklagte im Schriftsatz vom 23.05.2018 für den Hergang des Unfalls den Zeugen K mit dem Zusatz, dass dessen ladungsfähige Anschrift auf Anforderung mitgeteilt werde. Mit Verfügung vom 04.06.2018 hat das Gericht dem Beklagten Frist zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift für den Zeugen K bis zum 14.06.2018 gesetzt. Nach Ablauf dieser Frist hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 25.06.2018 eine ladungsfähige Anschrift des Zeugen K in der Tschechischen Republik mitgeteilt, woraufhin der Zeuge mit Verfügung vom 26.06.2018 zum Termin am 02.07.2018 geladen wurde. Er ist nicht erschienen. Weiterhin hat der Beklagte am Tag der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 02.07.2018 zwei Polizeibeamte zum Unfallgeschehen als Zeugen benannt.
2) Die Zeugen wurden von dem Beklagten nicht mit der Klageerwiderung und damit nicht rechtzeitig innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist (§ 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO) benannt. Die individualisierende Benennung eines Zeugen – hier: des Zeugen K – ist zwar auch ohne Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift ein den Anforderungen des § 373 ZPO genügender beachtlicher Beweisantritt (BGH, Urteile vom 08.12.1988 – III ZR 107/87, NJW 1989, 1732, 1733 und 05.11.1973 – II ZR 165/72, NJW 1974, 188). Die Anschrift des aus oben dargelegten Gründen nicht rechtzeitig benannten Zeugen K hatte der Beklagte auch zunächst in dem nach Zustellung der Terminsladung eingereichten Schriftsatz vom 23.05.2018 nicht angegeben, sodass der Zeuge auch nicht nachträglich zum Verhandlungstermin vom 02.07.2018 geladen werden konnte. Selbst wenn der Zeuge K rechtzeitig benannt worden wäre, ist dieses Verteidigungsmittel als verspätet zurückzuweisen. Kann dem rechtzeitig benannten Zeugen wegen eines behebbaren Hindernisses, wozu auch das Fehlen der ladungsfähigen Anschrift eines Zeugen gehört, nicht ohne weiteres nachgegangen werden, so darf er nur unter den in der Zivilprozessordnung speziell für diesen Fall bestimmten Voraussetzungen unberücksichtigt bleiben. Das sind die des § 356 ZPO (BGH, Urteil vom 31.03.1993 – VIII ZR 91/92 -, NJW 1993, 1926 mwN; OLG Hamm, Urteil vom 17.08.2016 – 20 U 86/12 -, juris; OLG München, Urteil vom 02.08.2016 – 18 U 3489/15 -, juris). Danach ist das Gericht erst dann berechtigt, von einer Beweiserhebung abzusehen, wenn es zur Behebung des Hindernisses fruchtlos eine Frist gesetzt hat und nach seiner freien Überzeugung die später mögliche Berücksichtigung des Beweismittels das Verfahren verzögern würde. Vorliegend hat das Gericht diese Frist mit Verfügung vom 04.06.2018 auf den 14.06.2018 gesetzt. Die ladungsfähige Anschrift des Zeugen K wurde dem Gericht jedoch erst nach Ablauf dieser Frist mit Beklagtenschriftsatz vom 25.06.2018 mitgeteilt. Der Versuch des Gerichts, den Zeugen dennoch zum Termin vom 02.07.2018 zu laden, blieb erfolglos.
3) Aus oben dargelegten Gründen hat der Beklagte auch grob nachlässig gehandelt (§§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO). Die von dem Beklagten vorgelegten Unterlagen der polizeilichen Unfallaufnahme mit den daraus ersichtlichen Angaben zu Zeugen und Polizeibeamten lagen dem Beklagten bzw. der vertretenen Haftpflichtversicherung, der HC, seit Jahren vor, wie sich unzweifelhaft aus dem Schriftverkehr ergibt. Warum diese Zeugen nicht bereits in der Klageerwiderung oder so vor dem Termin genannt wurden, dass eine rechtzeitige Ladung durchzuführen war, ist nicht ersichtlich.
4) Diese Verteidigungsmittel, würden sie zugelassen werden, würden eine erneute mündliche Verhandlung mit Zeugenvernehmungen erforderlich machen und den Rechtsstreit damit verzögern. Entschuldigungsgründe sind durch den Beklagten nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Auch hat der Beklagte nach dem Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2018 hierzu weder ergänzend vorgetragen, noch ein Schriftsatzrecht beantragt. Eine nochmalige Terminierung unter nochmaliger Ladung der Zeugen kam daher nicht in Betracht. Die von dem Beklagten benannten Zeugen bleiben daher für die vorliegende Entscheidung unbeachtet.
dd. Bestreitet der Vorausfahrende die vom Auffahrenden behaupteten Besonderheiten eines Kettenunfalls und kann der Auffahrende diese Besonderheiten des Vorausfahrenden nicht beweisen, so bleibt – in Abwesenheit weiterer festgestellter Umstände des Gesamtgeschehens – allein der Auffahrunfall, der typischerweise auf einem Verschulden des Auffahrenden beruht. Es ist nicht Aufgabe des sich auf den Anscheinsbeweis stützenden Vorausfahrenden zu beweisen, dass bestimmte Besonderheiten eines Auffahrunfalls wie zum Beispiel eine Bremswegverkürzung durch Auffahren des Vorausfahrenden nicht stattgefunden hat (vgl. zum Spurwechsel BGH, Urteil vom 13.12.2016 aaO). Bleibt bei einem Serienauffahrunfall ungeklärt, ob das mittlere Fahrzeug seinerseits aufgefahren war oder aufgeschoben wurde, so kann der Fahrer des dritten Fahrzeugs zwar nicht für den Schaden im Frontbereich des mittleren Fahrzeugs haltbar gemacht werden. Hinsichtlich der – hier allein streitgegenständlichen – Heckbeschädigung des mittleren Fahrzeugs, des Sattelaufliegers der Marke Ker, ist er jedoch zum vollen Schadensersatz verpflichtet. Die Betriebsgefahr des mittleren Fahrzeugs tritt völlig zurück, da der Fahrer der auffahrenden Sattelzugmaschine S aus oben dargelegten Gründen durch sein Auffahrverschulden die entscheidende Ursache für diesen Heckschaden gesetzt hat (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.6.1995 – 1 U 145/94 -, NZV 1995, 486).
e. Die Klägerin kann folgende Schadenspositionen erstattet verlangen:
aa. Reparaturkosten sind – unstreitig – in Höhe von 10.165,08 EUR unfallursächlich entstanden.
bb. Die Sachverständigengebühren i.H.v. 1.628,56 EUR hat die Klägerin weder als tatsächlich gefordert noch als beglichen nachgewiesen. Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden besteht allein in ihrer Belastung mit einer Verbindlichkeit. Der zunächst auf Befreiung von dieser Schuld gerichtete Anspruch geht gemäß § 250 Satz 2 BGB zwar in einen Zahlungsanspruch über, wenn der Schädiger die Leistung ernsthaft und endgültig abgelehnt hat. Das setzt aber voraus, dass die Klägerin tatsächlich mit einer Verbindlichkeit beschwert ist, die Forderung also erfüllen muss (BGH, Urteil vom 16.11.2006 – I ZR 257/03 -, NJW 2007, 1809 mwN). Wann eine Rechnung des Sachverständigen gefordert oder beglichen wurde hat sie ebenso wenig vorgetragen, wie sie hierfür keinen Beweis angeboten hat.
cc. Für den vorgerichtlichen Aufwand kann pauschal 15 EUR verlangt werden (§ 287 ZPO).
2. Die Zinsforderung rechtfertigt sich aus §§ 286, 288 BGB. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind der Klägerin nicht zu erstatten. Der Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin eine mit dem Klageantrag insoweit korrespondierende Rechnung für Rechtsverfolgungskosten erhalten und hierauf Zahlungen geleistet hat. Die Klägerin hat daraufhin weder dargelegt, dass ihr Rechtsanwalt für seine vorgerichtliche Tätigkeit eine Rechnung gestellt hat, noch dass sie eine solche Rechnung zu begleichen verpflichtet wäre oder gar beglichen hat. Auf die Ausführungen zu oben 1 e. bb. wird verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.