CFD-Handelsgewinne: Anspruch auf Auszahlung unter der Lupe
Das Oberlandesgericht München wies die Berufung eines Klägers zurück, der von einer Bank die Auszahlung von Gewinnen aus CFD-Handel forderte. Der Kläger nutzte unerlaubt automatisierte Handelsprogramme (Expert Advisors), was laut AGB der Bank nicht gestattet war. Obwohl diese AGB-Klauseln als überraschend eingestuft wurden, wies das Gericht die Klage ab, da der Kläger bereits vor Kontoeröffnung individuell auf die Ungültigkeit solcher Geschäfte hingewiesen wurde.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Der Kläger forderte Auszahlung von CFD-Handelsgewinnen von der Bank.
- Er nutzte dabei automatisierte Handelsprogramme (Expert Advisors), was gegen die AGB der Bank verstieß.
- Das Landgericht München I und das OLG München wiesen die Klage ab.
- Die AGB-Klauseln der Bank wurden zwar als überraschend eingestuft, da sie dem Eindruck der Bankwerbung widersprachen.
- Jedoch wurde der Kläger vor Kontoeröffnung individuell informiert, dass der Einsatz von EAs nicht gestattet sei.
- Das Gericht entschied, dass die Bank berechtigt war, die Geschäfte rückabzuwickeln.
- Der Kläger erhielt seine Einzahlungen zurück, jedoch keine Gewinne.
- Die Interessen der Bank zum Schutz vor unkontrollierten Risiken wurden als berechtigt angesehen.
Übersicht:
Der Rechtsstreit um CFD-Handelsgewinne
In der Welt des Finanzhandels bieten Contracts for Difference (CFD) eine beliebte Möglichkeit, auf Preisänderungen in globalen Märkten zu spekulieren. Doch was geschieht, wenn Konflikte zwischen einem Anleger und einer Finanzinstitution entstehen, insbesondere hinsichtlich der Auszahlung von Handelsgewinnen? Ein solcher Fall wurde kürzlich vor dem Oberlandesgericht München verhandelt. Im Zentrum stand der Anspruch eines Klägers auf Auszahlung von Gewinnen aus dem CFD-Handel, der sich gegen eine deutsche Privatbank richtete. Kernfragen drehten sich um die Nutzung automatisierter Handelsprogramme (Expert Advisors) und die Auslegung der Geschäftsbedingungen für den CFD- und FOREX-Handel.
Diese rechtliche Auseinandersetzung beleuchtet die komplexen Wechselwirkungen zwischen individuellen Handelsstrategien, den AGB einer Finanzinstitution und dem deutschen Rechtssystem. Im Folgenden wird detailliert erörtert, wie das Gericht die Aspekte der Vertragsgestaltung, die Gültigkeit von Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Rechte des Einzelnen im Kontext des Online-Finanzhandels beurteilte. Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt des Finanzrechts, wo innovative Handelsmethoden auf traditionelle rechtliche Rahmenbedingungen treffen.
Der Streit um Gewinne aus dem CFD-Handel am OLG München
Im Fokus des Rechtsstreits am Oberlandesgericht München stand der Anspruch eines erfahrenen Spekulanten auf die Auszahlung von Gewinnen, die er durch den Handel mit Contracts for Difference (CFD) über eine deutsche Privatbank erwirtschaftet hatte. Die Bank, eine GmbH, die als Online-Broker für Devisen und Finanzderivate fungiert, warf dem Kläger vor, er habe die Handelsplattform zweckwidrig genutzt, indem er automatisierte Trading-Programme, sogenannte Expert Advisors (EAs), ohne ihre Zustimmung einsetzte.
Vertragsbedingungen und ihre Rolle im CFD-Handel
Die Auseinandersetzung drehte sich maßgeblich um die Interpretation und Gültigkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Bank. Diese schlossen die Verwendung von EAs ohne vorherige Zustimmung aus. Der Kläger argumentierte jedoch, dass die Klauseln in den AGB überraschend und somit unwirksam seien. Er stützte seine Argumentation auf die Tatsache, dass die Bank auf ihrer Website die Verwendung von EAs im Zusammenhang mit der Handelsplattform Meta Trader 4 aktiv beworben hatte.
Die Entscheidung des Gerichts und ihre Begründung
Das Landgericht München I wies die Klage des Anlegers ab, und das OLG München bestätigte diese Entscheidung. Das Berufungsgericht befand, dass die AGB-Klauseln der Bank rechtens seien und keine unangemessene Benachteiligung des Klägers darstellten. Interessant war hierbei die Feststellung des Gerichts, dass die Bank den Kläger bereits vor der Kontoeröffnung darauf hingewiesen hatte, dass der Einsatz von EAs nicht angeboten wird. Diese Information nahm den betreffenden AGB-Klauseln den Charakter einer Überraschung und machte sie damit wirksam.
Transparenz und Fairness im Finanzhandel
Das Gericht legte besonderen Wert auf die Transparenz der Geschäftsbedingungen. Es erklärte, dass die AGB der Bank trotz ihres Umfangs klar und verständlich seien. Das Gericht stellte auch fest, dass die Bank ein berechtigtes Interesse daran hatte, die Verwendung von EAs zu kontrollieren, um ihre eigenen Risiken zu steuern und die Sicherheit der Kundenmittel zu gewährleisten.
Insgesamt betonte der Fall die Wichtigkeit von Transparenz und Fairness im Bereich des Online-Finanzhandels. Sowohl für Anleger als auch für Finanzinstitute ist es entscheidend, sich der rechtlichen Rahmenbedingungen und der eigenen Verantwortlichkeiten bewusst zu sein. Der Fall zeigt auch, dass Gerichte bereit sind, die Rechte der Finanzinstitute zu schützen, sofern sie ihre Geschäftsbedingungen klar kommunizieren und im Einklang mit dem Gesetz handeln.
Das vorliegende Urteil beleuchtet somit nicht nur die spezifischen Umstände dieses Falles, sondern gibt auch Aufschluss über die generellen rechtlichen Rahmenbedingungen im CFD-Handel und die Bedeutung von AGB in Online-Handelsplattformen.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was genau sind Contracts for Difference (CFD) im Finanzhandel?
Contracts for Difference (CFD) sind im Finanzhandel rechtlich bindende Vereinbarungen, die zwischen zwei Parteien, typischerweise als „Käufer“ und „Verkäufer“ bezeichnet, geschlossen werden. Sie legen fest, dass der Käufer dem Verkäufer die Differenz zwischen dem aktuellen Wert eines Vermögenswerts und seinem Wert zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zahlt.
CFDs sind derivative Finanzinstrumente, was bedeutet, dass ihr Wert von der Preisbewegung eines zugrunde liegenden Vermögenswerts abgeleitet wird. Der Handel mit CFDs ermöglicht es Anlegern, auf die Preisbewegung von Wertpapieren zu spekulieren, ohne diese tatsächlich besitzen zu müssen.
Ein wesentlicher Aspekt des CFD-Handels ist der Einsatz von Hebeln (Leverage). Dies bedeutet, dass Sie ohne den Gesamtwert einer Position hinterlegt zu haben, mit dieser handeln können. Dies ermöglicht es den Anlegern, größere Positionen zu eröffnen, als ihr investiertes Kapital normalerweise zulassen würde.
CFDs können auf eine Vielzahl von Vermögenswerten gehandelt werden, darunter Aktien, Indizes, Rohstoffe und Währungen. Sie werden in der Regel außerbörslich (Over the Counter, OTC) gehandelt, was bedeutet, dass sie nicht an großen Börsen wie der New Yorker Börse gehandelt werden. Stattdessen wird der Handel direkt zwischen dem Anleger und dem Broker abgewickelt.
In Deutschland unterliegen Gewinne aus dem CFD-Handel der Abgeltungssteuer, die pauschal 25% beträgt, zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer.
Trotz der potenziellen Vorteile des CFD-Handels ist es wichtig zu betonen, dass dieser mit erheblichen Risiken verbunden ist. Aufgrund der Hebelwirkung können Verluste schnell das eingesetzte Kapital übersteigen. Daher ist der CFD-Handel eher für gut informierte und erfahrene Anleger geeignet.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 19 U 3350/22 – Beschluss vom 02.01.2023
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 26.04.2022, Az. 40 O 11418/21, wird gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 39.584,01 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Auszahlung mittels Online-Finanzgeschäften erzielter Gewinne.
Die Beklagte ist eine 2016 gegründete deutsche Privatbank in der Rechtsform einer GmbH mit Sitz in …. Im Kern fungiert sie als Online-Broker bezüglich des Handels mit Devisen und Finanzderivaten.
Der Kläger ist ein erfahrener Spekulant.
Am 27.12.2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Einrichtung eines Online-Handelskontos (Anlagen K 1, B 1), das unter der Kontonummer … eingerichtet wurde. Am 28.12.2020 zahlte der Kläger jeweils 45.000 € und 5.000 € auf dieses Konto ein (s. Anlage K 4). Später eröffnete der Kläger zudem Unterkonten. Er beabsichtigte, in der Folge davon mit dem Abschluss sog. Contracts for Difference (im Folgenden: CFD) Spekulationsgewinne zu erwirtschaften.
CFD sind ursprünglich aus dem Investmentbanking stammende, derivative Finanzinstrumente, die originär dazu dienen, schwankende Preise beispielsweise für Aktien oder Rohstoffe abzusichern. Sie können aber auch spekulativ eingesetzt werden. Dafür wird zwischen dem Verkäufer und dem Käufer ein Preis (sog. Strike Price) für ein bestimmtes Produkt zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinbart. Liegt zu diesem Zeitpunkt der Strike Price unter dem momentanen Marktpreis, muss der Käufer die Differenz zwischen vereinbartem Preis und Marktpreis an den Verkäufer bezahlen. Liegt der Marktpreis über dem Strike Price, verhält es sich genau anders herum: Der Verkäufer muss die Differenz an den Käufer bezahlen.
Die Beklagte tritt beim Handel mit CFD auch als sog. Market Maker auf, d.h. sie steht ihren Kunden als Anbieter von CFD und Kontrahent zur Verfügung. Dann wetten die Kunden hinsichtlich der Preisentwicklung gegen die Beklagte und umgekehrt. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Gewinn- und Verlustentwicklungen der Kunden und der Beklagten stets entgegengesetzt laufen.
Die CFD-Geschäfte mit der Beklagten werden über die elektronische Handelsplattform „Meta Trader 4“ (im Folgenden: MT4) abgewickelt, welche kostenlos im Internet zur Verfügung steht und auch über die Website der Beklagten heruntergeladen werden kann.
Sog. Expert Advisors (im Folgenden: EAs) – auch als automatisierte Trading-Roboter bezeichnet – sind Computerprogramme, welche einen automatisierten oder algorithmischen Handel von Wertpapieren über eine elektronische Handelsplattform ermöglichen. EAs tätigen – nach vorheriger Programmierung durch den Nutzer – selbsttätig eine Analyse des Marktes, sorgen für eine automatische Berechnung einer Handelsstrategie und geben den Nutzern Empfehlungen oder treffen sogar selbständig in Sekundenschnelle Kauf- und Verkaufsentscheidungen. Es gibt eine große Anzahl verschiedener EAs für den MT4, welche teils kostenpflichtig, teils kostenlos angeboten werden.
Auf der Website der Beklagten (s. zum Folgenden Anlage K 3) wird unter der Überschrift „Leistungsstarke Funktionen“ ausgeführt:
„Der MT4 bietet Ihnen auch erweiterte Möglichkeiten (…), damit Sie selbst automatisierte Handelsprogramme (Expert Advisor), Skripte und Indikatoren entwickeln und anwenden können.“
Unter der Überschrift „Ihre Vorteile auf einen Blick“ wird genannt:
„Automatisierter Handel“.
Weiter heißt es dort unter „FAQ Meta Trader“:
„Erfahrene Trader können mit Expert Advisors erfolgreiche Strategien automatisieren und den Handel dadurch deutlich erleichtern.“
Zudem wird auf der Website der Beklagten bei der Fragestellung „Was ist ein VPS (Virtual-Private-Server)?“ unter anderem geantwortet:
„Vereinfacht ausgedrückt läuft Ihr Computer auf einem externen Server (…).
Als (…) CFD-Trader können Sie damit automatische Handelsprogramme, Algorithmen, Strategien sowie Expert Advisors rund um die Uhr laufen lassen. (…).“
Unter dem Titel „FAQ Expert Adviser“ steht:
„Was ist ein Expert Adviser?
Bei einem EA (Expert Adviser) handelt es sich um eine programmierte Handelsstrategie bzw. ein Handelssystem, welches nach fest definierten Regeln (Einstieg, Ausstieg, Risikomanagement) abläuft. Entscheidungen trifft also der EA, der strikt die Regeln einhält und keinerlei „Bauchentscheidungen“ trifft. Sie benötigen EAs zum automatisierten Handel. Der Meta Trader ist ein exzellentes Handelsprogramm, um EAs zu entwickeln und anzuwenden.
Was ist automatisierter Handel?
Unter dem automatisierten Handel versteht man Öffnen und Schließen von Positionen durch einen Expert Adviser nach vom Nutzer definierten Handelskriterien. (…) Diese Art des Tradings eignet sich bevorzugt für private Händler, die nicht ständig am Rechner sein können, um den Verlauf des Charts zu beobachten. (…)“
In den „Geschäftsbedingungen für den CFD- und FOREX-Handel“ der Beklagten (im Folgenden: AGB) ist unter anderem folgendes ausgeführt:
„3.6. Eine zweckwidrige Nutzung der Handelsplattform ist dem Kunden untersagt. Die Bank ist zur Sperrung der Handelsplattform bei Verdacht einer zweckwidrigen Nutzung berechtigt. Als zweckwidrige Nutzung gilt
(…)
3.6.3. die Ausnutzung von Abweichungen zwischen der Quotierung der Bank und den Referenzkursen unter Ausschluss des Marktpreisänderungsrisikos insbesondere durch Nutzung eigener, auch nicht an die Handelsplattform angeschlossener Computerprogramme und Referenzmarkt-Datenbezugsquellen (arbitragegetriebener Handel),
3.6.4. das automatische Öffnen, Ändern oder Schließen von Positionen im Forex- oder CFD-Handel durch Software oder andere automatisierte Aufträge, soweit die Bank dem nicht zugestimmt hat,
(…)
Im Falle einer zweckwidrigen Nutzung der Handelsplattform ist die Bank zur Rückabwicklung der durch die zweckwidrige Nutzung zustande gekommenen Geschäfte berechtigt. Die Erklärung der Aufhebung bzw. Rückgängigmachung erfolgt über einen elektronischen Kommunikationsweg.“
Unstreitig ist auf der Website der Beklagten nirgends die Rede davon, dass beim beabsichtigten Einsatz von EAs durch die Kunden diese zuvor von der Beklagten zu prüfen sind und sie deren Benutzung zustimmen muss.
Im Kontoeröffnungsantrag (Anlage B 1, S. 4) machte der Kläger hinter folgenden Passus unter der Überschrift „Gelesen und akzeptiert“ ein Kreuz:
„Grundlage für die Geschäftsbeziehung sind die Geschäftsbedingungen für den CFD- und FOREX-Handel“ (nachfolgend „Geschäftsbedingungen“).“
Darunter war ein Link: „DOWNLOAD PDF Geschäftsbedingungen“.
Nach Angaben des erstinstanzlich am 22.02.2022 vom Landgericht informatorisch angehörten Klägers habe er die AGB der Beklagten „überflogen“, bevor er „einen Haken gesetzt“ habe (Prot. v. 22.02.2022, S. 6 = Bl. 44 R d.A.).
Nach den Feststellungen des Landgerichts (S. 10 f. d. Urteils v. 26.04.2022 = Bl. 69 R, 70 d.A.) antwortete der Zeuge … – ein Mitarbeiter der Beklagten – im September 2020 und damit vor Kontoeröffnung auf eine E-Mail-Anfrage des Klägers zum Thema „EAs und Scalping“ auf die konkrete Frage des Klägers, ob der Einsatz von EAs erlaubt sei, mit der als Anlage B 5 vorgelegten E-Mail vom 22.09.2020, dass die Beklagte das leider nicht anbietet.
Einen Antrag auf Zustimmung der Verwendung von EAs an die Beklagte hat der Kläger nicht gestellt.
In der Zeit vom 28.12.2020 bis 12.01.2021 erwirtschaftete der Kläger mit CFD-Handel unbestritten einen Gesamtgewinn von 39.584,01 € (s. nicht bezeichnete Übersicht über die einzelnen Geschäfte im klägerischen Anlageheft).
Für die vom Kläger über die Plattform MT4 abgewickelten Geschäfte verwendete er unstreitig einen EA.
Mit E-Mail vom 03.02.2021 (Anlagen K 6, B 3) meldete sich die Beklagte beim Kläger. Sie habe aufgrund ungewöhnlicher Handelsaktivitäten Überprüfungen vornehmen müssen. Der Kläger habe Transaktionen in der Weise durchgeführt, dass er Abweichungen zwischen der Quotierung der Beklagten und den Referenzkursen unter Ausschluss des Marktpreisänderungsrisikos insbesondere durch Nutzung eigener, auch nicht an die Handelsplattform angeschlossener Computerprogramme und Referenzmarkt-Datenbezugsquellen ausgenutzt habe. Dies sei ein Verstoß gegen die AGB der Beklagten. Daher sei sein Konto auf einen sog. „Close Only“-Status gesetzt worden. Die Eröffnung neuer Positionen sei bis auf Weiteres nicht möglich.
Mit E-Mail von 08.02.2021 (Anlage K 7) verlangte der Kläger von der Beklagten die Auszahlung seines Gesamtgewinns von 39.584,01 € abzüglich Abgeltungssteuer und Solidaritätszuschlag.
Mit Anwaltsschreiben vom 11.02.2021 (Anlage K 5) kündigte die Beklagte die vom Kläger bei ihr geführten Konten außerordentlich und mit sofortiger Wirkung. Zudem wurde dem Kläger mitgeteilt, dass eine kostenfreie Rückabwicklung der von ihm getätigten Geschäfte erfolge und ihm seine Einzahlungen wieder erstattet würden.
Am 16.02.2021 erhielt der Kläger einen Betrag von 50.000 € zurück.
Mit Anwaltsschreiben vom 02.03.2021 (Anlage K 8) verlangte der Kläger weiterhin die Zahlung von 39.584,01 € abzüglich Abgeltungssteuer und Solidaritätszuschlag, was die Beklagte verweigert.
Das Landgericht hat die diesbezügliche Leistungsklage des Klägers abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Auszahlung von Handelsgewinnen in dieser Höhe nach §§ 667, 675 BGB. Aufgrund zweckwidriger Nutzung der Handelsplattform durch Verwendung eines EA ohne Zustimmung der Beklagten sei diese nach Ziffer 3.6. Ihrer AGB zur Rückabwicklung der durch den Kläger vorgenommenen Geschäfte berechtigt gewesen. Die Ziffern 3.6.3 und 3.6.4 der AGB der Beklagten seien weder überraschend noch benachteiligten sie den Kläger unangemessen. Daher stünden ihm auch keine Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten zu.
Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 07.06.2022 (Bl. 81 f. d.A.) eingelegte und mit Schriftsatz vom 03.08.2022 (Bl. 90 ff. d.A.) begründet Berufung des Klägers. Die AGB der Beklagten seien bei Vertragsschluss nicht wirksam einbezogen worden. Die darin geregelte Genehmigungsbedürftigkeit des Einsatzes von EAs sei darüber hinaus eine überraschende Klausel, mithin unwirksam. Immerhin werbe die Beklagte auf ihrer Website aktiv mit der Möglichkeit der Nutzung von EAs bei Verwendung des MT4. Außerdem seien die AGB insoweit unbestimmt und stellten eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar. Schließlich sei der Beklagten eine Berufung darauf nach § 242 BGB verwehrt. Die Angaben des Zeugen … seien nicht glaubhaft.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts abzuändern und stattdessen zu erkennen wie folgt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 39.584,01 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die vorgerichtliche Inanspruchnahme seines Prozessbevollmächtigten einen Betrag i.H.v. 2.283,49 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 07.06.2022 (Bl. 81 f. d.A.), die Berufungserwiderung vom 20.10.2022 (Bl. 112 ff. d.A.) sowie die weiteren Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 25.10.2022 (Bl. 121 ff. d.A.) gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen. Darauf hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27.12.2022 (Bl. 143 ff. d.A.) Stellung genommen.
II.
Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts ist weit überwiegend und insbesondere im Ergebnis richtig. Dessen Urteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Vielmehr rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat im Rahmen des durch § 529 ZPO festgelegten Prüfungsumfangs der Beurteilung des Streitstoffes zugrunde zu legen hat, keine andere Entscheidung. Die Ausführungen der Klagepartei in der Berufungsinstanz vermögen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen, da sie das Ersturteil, auf das Bezug genommen wird, nicht erschüttern.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auszahlung der erzielten Gewinne nach §§ 667, 675 BGB. Ungeachtet der Frage der Wirksamkeit der beklagtenseits ausgesprochenen Kündigung durfte die Beklagte die streitgegenständlichen CFD-Geschäfte zumindest gemäß Ziffer 3.6 letzter Absatz ihrer AGB rückabwickeln, weil der Kläger bei deren Durchführung unerlaubt einen EA einsetzte.
1. Die AGB der Beklagten wurden nach § 305 Abs. 2 BGB Bestandteil der als Zahlungsdiensterahmenvertrag i.S.v. § 675f Abs. 2 BGB einzustufenden (Grund-)Vereinbarung der Parteien über die Eröffnung und Führung eines Online-Handelskontos des Klägers zum Zwecke des darüber abzuwickelnden CFD-Handels.
Dieser Rahmenvertrag erfüllte eine lenkende und inhaltssetzende Funktion für die nachfolgenden, einzelnen CFD-Abschlüsse (s. Foerster in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.07.2022, 675f Rz. 26; vgl. allg. für Rahmenverträge BGH, Urteil v. 30.04.1992, Az. VII ZR 159/91, juris Rz. 23 ff.) und legte dabei bestimmte Einzelheiten der erst künftig abzuschließenden CFD fest (vgl. auch OLG Köln, Urteil v. 22.04.1994, Az. 19 U 145/93, juris Rz. 44; Bork in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2020, Updatestand: 30.04.2022, Vorbem. z. §§ 145 ff. Rz. 54).
a) Erfolgt der Vertragsschluss – wie hier – über eine Plattform des Verwenders, so reicht es aus, wenn auf der Internetseite oder dem Online-Antragsformular in gut lesbarer Form ein ausdrücklicher Hinweis nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 BGB auf die AGB erscheint. Für die Möglichkeit der Kenntnisnahme nach § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB reicht es aus, falls die AGB über einen gut sichtbaren und deutlich gestalteten Hyperlink aufgerufen und gegebenenfalls ausgedruckt werden können (insg. hierzu BGH, Urteil v. 29.07.2021, Az. III ZR 179/20, Rz. 36; Urteil v. 14.06.2006, Az. I ZR 75/03, Rz. 16).
Der Anbieter kann sich die Kenntnisnahme des Hinweises auf die AGB durch den Kunden (Jandt in: Bräutigam/Rücker, E-Commerce, 1. Aufl., 10. Teil, Kap. C, Rz. 68) und dessen Einverständnis damit (BGH, Urteil v. 29.07.2021, Az. III ZR 179/20, Rz. 39 ff.) mit einem Mausklick oder durch Setzen eines Hakens oder Kreuzes auf einer Schaltfläche bestätigen lassen
b) Dies ist vorliegend erfolgt.
Im Kontoeröffnungsantrag (Anlage B 1, S. 4) wies der Passus „Grundlage für die Geschäftsbeziehung sind die Geschäftsbedingungen für den CFD- und FOREX-Handel (nachfolgend „Geschäftsbedingungen“)“ ausdrücklich unter farblicher Hervorhebung durch graue Unterlegung auf die AGB der Beklagten hin.
Direkt darunter war fettgedruckt und unterstrichen ein Hyperlink: „DOWNLOAD PDF Geschäftsbedingungen“. Durch dessen Anklicken konnten offensichtlich die AGB der Beklagten abgerufen werden, hatte der Kläger diese doch nach eigenen Angaben „überflogen“, bevor er unter der Überschrift „Gelesen und akzeptiert“ hinter dem o.g. Passus ein Kreuz setzte.
2. Im Gegensatz zum Landgericht und insoweit in Übereinstimmung mit dem Kläger stuft der Senat aber die Ziffern 3.6.3 und 3.6.4. der AGB der Beklagten grundsätzlich als überraschende Klauseln i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB ein.
a) Nach § 305c Abs. 1 BGB werden AGB-Klauseln nicht Vertragsbestandteil, wenn sie so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht.
§ 305c Abs. 1 BGB zielt auf Vertrauensschutz ab. Der Kunde soll in jedem Fall, mag er die AGB gelesen haben oder nicht, darauf vertrauen dürfen, dass sich die einzelnen Regelungen im Großen und Ganzen im Rahmen dessen halten, was nach den Umständen bei Abschluss des Vertrages redlicherweise erwartet werden kann (vgl. bspw. BGH, Urteil v. 20.02.2014, Az. IX ZR 137/13, Rz. 12; Urteil v. 11.12.2003, Az. III ZR 118/03, juris Rz. 20; s. schon zur Vorgängernorm § 3 AGBG a.F.: Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen [AGB-Gesetz] vom 06.08.1975, BT-Drs. 7/3919, S. 19; BGH, Urteil v. 08.10.1975, Az. VIII ZR 81/74, juris Rz. 18).
Gehen die AGB über diese Grenze hinaus, werden sie als überraschende Klauseln nicht Vertragsinhalt (stRspr., vgl. z.B. BGH, Urteil v. 13.07.2004, Az. KZR 10/03, juris Rz. 102; OLG Köln, Urteil v. 04.07.2006, Az. 22 U 40/06, juris Rz. 10; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 19.10.2009, Az. I-24 U 129/08, juris Rz. 26; s. auch Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 305c Rz. 2).
Für die Frage, welche Vorstellungen und Erwartungen der Kunde vom Inhalt des Vertrages hatte und haben durfte, kommt es auf die gesamten, bei Vertragsschluss obwaltenden Umstände des Einzelfalles an (vgl. bspw. BGH, Urteil v. 18.05.1995, Az. IX ZR 108/94, juris Rz. 16; Urteil v. 15.10.1991, Az. XI ZR 192/90, juris Rz. 10; Urteil v. 30.10.1987, Az. V ZR 174/86, juris Rz. 19; BAG, Urteil v. 15.02.2007, Az 6 AZR 286/06, Rz. 22). Maßgeblich ist nicht nur der Inhalt des ausdrücklich Vereinbarten und der vorausgegangenen Verhandlungen, sondern darüber hinaus der Eindruck, den der Kunde nach der – z.B. im Internetauftritt enthaltenen – Werbung des Verwenders von dem zu erwartenden Vertragsinhalt gewinnen konnte (Fornasier in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 305c Rz. 7; Bonin in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.09.2022, § 305c BGB Rz. 34; Kollmann in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl., § 305c Rz. 10).
b) Nach den vorgeschilderten Maßstäben handelt es sich bei den Ziffern 3.6.3 und 3.6.4. der AGB der Beklagten um grundsätzlich unzulässige Überraschungsklauseln i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB.
Nach den werblichen und erläuternden Aussagen auf der Website der Beklagten (s. Anlage K 3) sind die darin enthaltenen Regelungen so ungewöhnlich, dass ihre Kunden damit nicht zu rechnen brauchen.
So preist die Beklagten dort die elektronische Handelsplattform MT4 auch damit werbend an, dass diese „erweiterte Möglichkeiten“ biete, damit Kunden „selbst automatisierte Handelsprogramme (Expert Advisor) (…) entwickeln und anwenden können.“ Als einer der „Vorteile“ für die Kunden der Beklagten wird ausdrücklich herausgestellt: „Automatisierter Handel“. Dazu wird erläutert, dass „(e)rfahrene Trader (…) mit Expert Advisors erfolgreiche Strategien automatisieren und den Handel dadurch deutlich erleichtern“ können.
Bei der Erklärung von „Virtual-Private-Server(n)“ wird ausgeführt, dass „CFD-Trader“ über diese „automatische Handelsprogramme (…) sowie Expert Advisors rund um die Uhr laufen lassen“ können. Zudem wird die Funktionsweise von EAs und automatisiertem Handel ausführlich erläutert.
Dadurch wird der Eindruck vermittelt, der Einsatz von EAs durch Kunden sei für die Beklagte ohne Weiteres jedenfalls selbstverständlich, wenn nicht sogar erwünscht. Immerhin werden die Vorteile von EAs und des automatisierten Handels in verschiedenen Kontexten betont und ihr Einsatz geradezu empfohlen. Keinesfalls wird irgendwo nur im Ansatz ersichtlich, dass die Beklagte sich die vorherige Prüfung und Zustimmung zu EAs, welche ihre Kunden einzusetzen gedenken, vorbehalten will.
Dass dies in Ziffer 3.6.3 und vor allem Ziffer 3.6.4. der AGB der Beklagten dann an relativ unscheinbarer Stelle und weder drucktechnisch noch in sonstiger Weise hervorgehoben reglementiert wird, ist aus Sicht des Erwartungshorizonts der Kunden der Beklagten überraschend. Wenn durch werbende und erläuternde Angaben an vielen Stellen auf der Website avisiert wird, der Einsatz von EAs sei ohne Weiteres möglich, ist ein dann in den AGB gleichsam „versteckter“, dem zuwiderlaufender Zustimmungsvorbehalt als überraschende Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB zu behandeln.
Es ist der Beklagten nur dringend anzuraten, diesen wesentlichen Gesichtspunkt künftig deutlich in ihren werblichen Aussagen im Internet oder in sonstigen Medien herauszustellen, um dem AGB-rechtlichen Überrumpelungsvorwurf insoweit zu entgehen.
3. Gleichwohl ist der klägerische Anspruch ausgeschlossen, weil die Beklagte konkret im vorliegenden Fall den Überraschungseffekt der o.g. AGB-Bestimmungen durch einen entsprechenden Hinweis an den Kläger bereits über drei Monate vor Kontoeröffnung und Beginn der Aufnahme des CFD-Handels beseitigte.
Danach musste der Kläger sogar davon ausgehen, dass die Verwendung von EAs ausnahmslos ausgeschlossen war.
a) Der Verwender hat die Möglichkeit, einer AGB-Klausel den Überraschungseffekt durch individuellen Hinweis auf die ungewöhnliche Gestaltung zu nehmen (BGH, Urteil v. 21.06.2001, Az. IX ZR 69/00, juris Rz. 18; Urteil v. 04.10.1995, Az. XI ZR 215/94, juris Rz. 21; Urteil v. 30.10.1991, Az. VIII ZR 51/91, juris Rz. 13; OLG Düsseldorf, Urteil v. 04.06.2020, Az. I-2 U 61/19, juris Rz. 48; OLG Celle, Urteil v. 24.10.2007, Az. 3 U 97/07, juris Rz. 24; Schmidt in: BeckOK BGB, 63. Ed., Stand: 01.08.2022, § 305c Rz. 19; Bonin in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.09.2022, § 305c BGB Rz. 50).
b) aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der Kläger vom Zeugen … auf seine konkrete Frage hin, ob der Einsatz von EAs erlaubt sei, mit E-Mail vom 22.09.2022 (Anlage B 5) – somit mehr als drei Monate vor der Kontoeröffnung des Klägers und dem Beginn des CFD-Handels – darauf hingewiesen, dass die Beklagte das nicht anbietet. Damit wurde der durch den Internetauftritt der Beklagten erzeugte, gegenteilige Anschein (s.o.) im vorliegenden Einzelfall individuell gegenüber dem Kläger beseitigt.
Das Landgericht hat die diesbezüglichen Feststellungen in seinem Urteil getroffen, weil es die Angaben des Zeugen … für nachvollziehbar und glaubhaft erachtete. Den gegensätzlichen Vortrag des Klägers, dass der Zeuge … gegenüber dem Kläger in Namen der Beklagten der Verwendung eines EA zum automatisierten Handel zugestimmt habe, hat es nach durchgeführter Beweisaufnahme dagegen für widerlegt erachtet. Das Landgericht begründet seine Überzeugung davon ausführlich, nachvollziehbar und rechtsfehlerfrei.
bb) Daran ist der Senat gebunden.
(1) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.
Die zivilrechtliche Berufung ist keine vollwertige zweite Tatsacheninstanz, sondern dient in erster Linie der Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils auf korrekte Anwendung des materiellen Rechts sowie auf Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen und Beseitigung etwaiger Fehler. Die Konzentration der Tatsachenfeststellungen in erster Instanz wird dadurch bewirkt, dass das Berufungsgericht grundsätzlich an die fehlerfrei gewonnenen Erkenntnisse der ersten Instanz gebunden ist (BGH, Beschluss v. 24.11.2009, Az. VII ZR 31/09, Rz. 8).
Der Senat hat insbesondere diejenigen Tatsachen als festgestellt anzusehen, zu denen das Landgericht aufgrund einer freien Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO die Entscheidung getroffen hat, dass sie als wahr oder nicht wahr zu erachten seien (BGH, Urteil v. 19.03.2004, Az. V ZR 104/03, juris Rz. 14).
Die Wiederholung der Beweisaufnahme steht nicht im reinen Ermessen des Berufungsgerichts. Sie ist im Sinne eines gebundenen Ermessens vielmehr nur dann zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen (OLG Schleswig, Beschluss v. 10.02.2021, Az. 7 U 200/20, juris Rz. 6). Zweifel i.S.v. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind dann begründet, wenn aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, Beschluss v. 21.03.2018, Az. VII ZR 170/17, Rz. 15; Urteil v. 03.06.2014, Az. VI ZR 394/13, Rz. 10; Urteil v. 15.07.2003, Az. VI ZR 361/02, juris Rz. 6). Konkrete Anhaltspunkte hierfür lägen etwa vor, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich wäre oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen würde (OLG Koblenz, Beschluss v. 25.01.2018, Az. 2 U 664/16, juris Rz. 24; OLG Karlsruhe, Urteil v. 21.10.2008, Az. 17 U 212/07, juris Rz. 20; KG, Beschluss v. 30.05.2014, Az. 6 U 54/14, juris Rz. 4).
(2) Solche konkreten Anhaltspunkte werden weder vom Kläger mit der Berufung vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich.
Er legt lediglich dar, dass aus seiner Sicht die Erklärungen des Zeugen … nicht glaubhaft seien und das Landgericht stattdessen seiner Einlassung hätte folgen müssen.
Allein die vom Kläger angeführte Tatsache, dass die Beklagte im Vorfeld der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Kontakt mit dem Zeugen gehabt habe, vermag keine Fehler in der Beweiswürdigung des Landgerichts aufzuzeigen. Dass dabei eine „Besprechung von zu bekundenden Tatsachen stattgefunden“ habe, die sich „negativ auf die Durchsetzung des Anspruchs“ des Klägers „ausgewirkt“ habe, ist reine Mutmaßung.
Dass der Zeuge „nervös gewirkt“ und sich bei Fragen des Klägervertreters „stets angegriffen gefühlt“ habe, ist der subjektive Eindruck der Klageseite.
Damit setzt der Kläger aber schlicht seine eigene Beweiswürdigung anstelle derjenigen des Landgerichts.
cc) Die Einvernahmen der vom Kläger angebotenen Zeugen … (auch als „…“ oder „…“ bezeichnet) und … sind nicht angezeigt, können sie doch nach Angaben des Klägers zu einem individuellen Hinweis der Beklagten an ihn zwecks (Un-)Zulässigkeit des EA-Einsatzes nichts aussagen.
Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass auch den Zeugen Gewinne nicht ausbezahlt wurden, kann zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellt werden (BVerfG, Kammerbeschluss v. 28.02.1992, Az. 2 BvR 1179/91, juris Rz. 10; BGH, Beschluss v. 13.04.2005, Az. IV ZR 62/04, juris Rz. 6). Offen bleibt nach dem Klagevorbringen völlig, worin dies in den dortigen Fällen seinen Grund hatte.
4. In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Landgerichts halten die Ziffern 3.6.3. und 3.6.4. der AGB der Beklagten einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, 2 BGB stand.
a) Diese AGB-Bestimmungen sind kontrollfähig.
aa) Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB unterliegen nur solche AGB der offenen Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB, durch die eine Regelung getroffen wird, welche von Rechtsvorschriften entweder abweicht oder diese ergänzt.
Grundsätzlich sollen jede AGB der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB unterworfen sein. Da Ausnahmevorschriften regelmäßig eng auszulegen sind, kann aus der Systematik des Gesetzes daher eher eine Haltung im Zweifel pro Inhaltskontrolle abgelesen werden (Schmidt in: BeckOK BGB, 63. Ed., Stand: 01.08.2022, § 307 Rz. 71).
Der Inhaltskontrolle werden durch § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ausnahmsweise in zweierlei Hinsicht Schranken gesetzt (s. hierzu Wurmnest in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 307 Rz. 1): Zum einen sollen durch die §§ 307 ff. BGB Vorschriften anderer Gesetze nicht modifiziert werden; deklaratorische Klauseln, die lediglich den Inhalt gesetzlicher Regelungen wiedergeben, sind daher nicht kontrollfähig. Zum anderen sollen vertragliche Leistungsangebote und Preise einer Inhaltskontrolle entzogen werden; denn für die Kontrolle solcher Leistungsbeschreibungen würde es schon an einem gesetzlichen Maßstab fehlen.
bb) Mit den o.g. Ziffern der AGB der Beklagten wurden Regelungen getroffen, welche von Rechtsvorschriften abweichen.
Hier schränkt die Bestimmung, dass der Einsatz von EAs beim CFD-Handel durch die Kunden nur nach Zustimmung der Beklagten erfolgen darf, die sowohl in § 145 BGB als auch § 311 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG zu verortende Freiheit ein, zu entscheiden, ob man diesbezügliche Willenserklärungen und Vertragsschlüsse manuell oder aufgrund entsprechender vorheriger Programmierung durch eine Software automatisiert vornehmen lassen will. Dies ist ein Teil des Grundsatzes der Privatautonomie, namentlich in seiner Ausprägung als Vertragsfreiheit (vgl. allg. zu automatisierten Erklärungen: Möslein in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.05.2019, § 145 BGB Rz. 71 m.w.N.).
b) Die Ziffern 3.6.3. und 3.6.4. benachteiligen den Kläger nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
aa) Für die Feststellung der unangemessenen Benachteiligung ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich, welche die insgesamt begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten gegenüberstellt und die widerstreitenden Interessen zu einem angemessenen Ausgleich bringen soll (BVerfG, Kammerbeschluss v. 23.11.2006, Az. 1 BvR 1909/06, Rz. 53; BGH, Urteil v. 01.02.2005, Az. X ZR 10/04, juris Rz. 20 f.; Urteil v. 17.12.2002, Az. X ZR 220/01, juris Rz. 16).
Dabei sind die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise und die Verkehrssitte zu berücksichtigen (BGH, Urteil v. 14.07.2004, Az. VIII ZR 339/03, juris Rz. 16; Rechtsentscheid v. 30.10.1984, Az. VIII ARZ 1/84, juris Rz. 18). Dies aber auf der Ebene der Typisierung: Nicht die Interessen des hiesigen Klägers sind maßgeblich, sondern die des typischen Durchschnittskunden des Verwenders (Kollmann in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl., § 307 Rz. 8).
bb) Gemessen daran liegt keine unangemessene Benachteiligung der Interessen der Kunden der Beklagten vor.
(1) Die Beklagte hat plausibel und nachvollziehbar zur ratio des Zustimmungserfordernisses zur Verwendung von EAs durch ihre Kunden folgendes vorgetragen:
Bei den streitgegenständlichen CFD-Geschäften nehme sie die Gegenposition zu den Kunden ein. Gewinnen auf Seiten der Kunden stünden daher zwangsläufig Verluste auf Seiten der Beklagten gegenüber. Daher müsse sie die Entscheidungsmöglichkeit haben, ob sie dieses Risiko tragen will oder nicht. Falls von Kunden Software zum sekundenschnellen Handel eingesetzt werde, müsse sie sich gegen das Risiko absichern, dass hierdurch ihre eigene Risikosteuerung unterlaufen und gegebenenfalls damit ihre Bonität und die Sicherheit der Mittel der übrigen Kunden gefährdet würden.
(2) Mit Blick auf dieses anerkennenswerte Interesse der Beklagten an vorheriger Prüfung und Zustimmung zum Einsatz von EAs ist die dadurch bewirkte Beschränkung der Freiheit der Kunden, auf welche Weise sie CFD abschließen wollen – manuell oder automatisiert – relativ untergeordnet. Zunächst ist zu sehen, dass sich die Beklagte nicht an Kunden durchschnittlicher Geschäftserfahrung, sondern Anleger mit zumindest Vorkenntnissen, wenn nicht sogar Spezialwissen, mithin einen (semi)professionellen Kundenkreis richtet. Auch der Kläger gehört unstreitig hierzu. Weiterhin ist in Blick zu nehmen, dass ein manueller CFD-Handel jederzeit ohne Weiteres möglich ist und selbst ein automatisierter mittels EAs nach zuvoriger Prüfung und Zustimmung durch die Beklagte. Schließlich hat selbst ein unerlaubter Handel mit ungeprüften EAs lediglich zur Folge, dass die getätigten CFD rückabgewickelt werden. Eine Gefährdung des auf CFD-Handelskonten bei der Beklagten eingezahlten Kundenvermögens ist nicht zu besorgen, lediglich die Nichtausschüttung eventuell erzielter Gewinne. Auch der Kläger erhielt vorliegend seine 50.000 € wieder zurück.
(3) Dass die Beklagte durch die o.g. AGB-Regelungen ein unfaires System dahingehend zu etablieren versucht, dass sie ihr unliebsame Geschäfte rückabwickelt, solche aber, bei denen sie Gewinne erwirtschaftet, unberührt lässt, konnte der Kläger nicht substantiiert darlegen und ist auch sonst nicht indiziert. Die diesbezüglichen klägerischen Ausführungen basieren auf reinen Vermutungen und erscheinen aus der Luft gegriffen.
Daher war dem diesbezüglichen Beweisangebot auf Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten … nicht nachzukommen. Zwar ist es dem Kläger grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die er selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die er aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält (BGH, Beschluss v. 28.01.2020, Az. VIII ZR 57/19, Rz. 8; Beschluss v. 09.11.2010, Az. VIII ZR 209/08, Rz. 15; Beschluss v. 04.04.2006, Az. 4 StR 30/06, juris Rz. 6). Die Beweisaufnahme über eine beweiserhebliche Tatsache ist aber abzulehnen, falls die unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung „aufs Geratewohl“, gleichsam „ins Blaue“ aufgestellt wird (BGH, Urteil v. 03.05.2011, Az. XI ZR 373/08, juris Rz. 66; Urteil v. 01.07.1999, Az. VII ZR 202/98, juris Rz. 8; Urteil v. 13.03.1996, Az. VIII ZR 186/94, juris Rz. 19; Urteil v. 08.11.1995, Az. VIII ZR 227/94, juris Rz. 9).
c) Die Klauseln genügen zudem dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Danach kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass AGB-Bestimmungen nicht klar und verständlich sind.
aa) Das Transparenzgebot enthält das Gebot, den Klauselinhalt möglichst weitgehend zu konkretisieren, so dass der Vertragspartner seine Rechte und Pflichten dem Vertragstext mit größtmöglicher Bestimmtheit entnehmen kann (Bestimmtheitsgebot). Demnach hat der Verwender Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Klausel möglichst eindeutig und nachvollziehbar darzustellen, so dass dem Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BGH, Urteil v. 20.07.2005, Az. VIII ZR 121/04, juris Rz. 9; Urteil v. 05.11.2003, Az. VIII ZR 10/03, juris Rz. 26). Ferner muss die Klausel dem Verständlichkeitsgebot (Gebot der angemessenen Klarheit und Durchschaubarkeit) genügen (BGH, Urteil v. 13.01.2016, Az. IV ZR 38/14, Rz. 24).
bb) Die Ziffern 3.6.3. und 3.6.4. der AGB der Beklagten sind in diesem Sinne hinreichend transparent.
Soweit der Kläger darauf rekurriert, dass die AGB insgesamt 31 Seiten umfassen, ist dies unbehelflich. Es kommt auf die Bestimmtheit und Verständlichkeit der konkreten AGB-Klauseln an. Dazu ist wiederum zu konstatierten, dass sich die Beklagte nur an gut informierte und erfahrene Anleger wendet.
Soweit klageseits beanstandet wird, die Klauseln machten keinen Unterschied zwischen Geschäften, die „händisch“ vorgenommen und solche, die mittels eines Roboters durchgeführt wurden, geht dies fehl. Ausdrücklich werden dort nur Geschäfte geregelt, die mittel Computerprogrammen, Software oder anderweitig automatisiert getätigt werden.
III.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 2, 711 S. 1, 2 i.V.m. 709 S. 2 ZPO.
IV.
Der Streitwert ergibt sich aus den Wertansätzen der Berufungsbegründung.
Der mittels Berufungsantrags Ziffer 2 geltend gemachte Anspruch auf den Ersatz vorprozessualer Rechtsanwaltskosten erhöht nach § 4 Abs. 1, Hs. 2 ZPO als Nebenforderung nicht den Streitwert, da er neben dem Hauptanspruch geltend gemacht wird, für dessen Verfolgung Rechtsanwaltskosten angefallen sind (BGH, Beschluss v. 13.02.2019, Az. IV ZB 8/18, Rz. 6).
V.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats als Berufungsgericht oder die Zulassung der Revision (§§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).
Wie dargestellt, liegen den vorstehenden Ausführungen die von der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Leitlinien zugrunde.
Außerdem handelt es sich hier um eine Einzelfallentscheidung (vgl. BGH, Beschluss v. 14.08.2013, Az. XII ZB 443/12, Rz. 6), über welche hinaus die Interessen der Allgemeinheit nicht nachhaltig berührt werden, weswegen eine höchstrichterliche Leitentscheidung notwendig wäre (s. dazu BGH, Beschluss v. 25.05.2003, Az. VI ZB 55/02, juris Rz. 8; Beschluss v. 29.05.2002, Az. V ZB 11/02, juris Rz. 10).
Dazu ist keine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO), da keine besonderen Gründe vorgetragen oder sonst ersichtlich sind, bei denen nur die Durchführung einer mündlichen Verhandlung der prozessualen Fairness entspräche.