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Anspruchsvoraussetzungen für Baukindergeldauszahlung

OLG Frankfurt – Az.: 4 U 18/21 – Urteil vom 06.08.2021

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16.12.2020 (Az. 2-13 O 227/20) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.600 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Auszahlung von Baukindergeld in Anspruch. Zum Zeitpunkt der Antragstellung (20.09.2018) war der notarielle Vertrag über den Kauf des bereits vom Kläger als Mieter genutzten Wohneigentums noch nicht unterzeichnet worden. Dies geschah erst am 22.10.2018. Am 09.03.2019 schickte der Kläger einen Grundbuchauszug und weitere Nachweise an die Beklagte, die mit Schreiben vom 01.04.2019 die Auszahlung ablehnte.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es komme darauf an, dass er die Voraussetzungen für die Förderung, insbesondere die Eigentümerstellung, beim fristgerechten Hochladen der Nachweis am 09.03.2019 erfüllt habe. Die später von der Beklagten im Prozess erklärte Kündigung hat der Kläger für unwirksam, gehalten, weil er die Vollmacht gerügt habe, ohne dass die Beklagtenvertreter eine Beauftragung nachgewiesen hätten.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Es komme allein darauf an, ob der Kläger bei Antragstellung bereits Eigentümer gewesen sei oder zumindest eine vergleichbare Rechtsposition erlangt habe.

Für den erstinstanzlichen Sach- und Streitstand wird im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Anspruch scheitere daran, dass der Kläger bei Antragstellung nicht Eigentümer der Immobilie gewesen sei. Es könne dahinstehen, durch welche Handlungen der Vertrag zustande gekommen sei. In jeder denkbaren Konstellation habe die Beklagte entweder wirksam gekündigt, oder es sei schon gar kein Vertrag zustande gekommen. Die Rüge der Vollmacht sei unbeachtlich, weil sie sich nur auf § 174 BGB bezogen habe, obwohl die Vorschriften über die Prozessvollmacht vorrangig seien.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch unter Wiederholung, Ergänzung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens weiter. Das Landgericht hätte aus Sicht des Klägers ihn auf den Umstand hinweisen müssen, dass sein Vorgehen nach § 174 BGB nicht zu dem ausdrücklich gewollten Ziel führt. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Von einer Wiedergabe der Anträge wird abgesehen, weil gegen das Urteil angesichts eines Streitwerts von unter 20.000 EUR und mangels Zulassung der Revision unzweifelhaft kein Rechtsmittel gegeben ist, § 540 Abs. 2 i. V. m. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO und § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Ein vertraglicher Anspruch auf Baukindergeld kann grundsätzlich dann bestehen, wenn noch ausreichend Fördermittel vorhanden sind und wenn die Einhaltung der Förderbedingungen nachgewiesen wird. Die Aussage im Merkblatt, es bestehe kein Rechtsanspruch, ist in diesem Sinne – als Vorbehalt verfügbarer Mittel – zu verstehen. Im Einzelnen:

Ein Vertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten, aus dem sich ein Anspruch ergeben könnte, ist nicht zustande gekommen.

Die Eingangsbestätigung der Beklagten ist nach dem objektiven Empfängerhorizont entweder so zu verstehen, dass die Beklagte die Förderung unter der aufschiebenden Bedingung zahlen wird, dass der Kläger die Förderbedingungen einhält und dies nachweist, oder so, dass es sich lediglich um eine invitatio ad offerendum der Beklagten handelt. Es liegt auf der Hand, dass die Beklagte kein Interesse daran haben kann, sich gegenüber jemanden zur Auszahlung verbindlich zu verpflichten, der beispielsweise falsche Angaben gemacht hat und die Förderbedingungen unter keinem Gesichtspunkt erfüllt, nur um den Vertrag dann später wegen der falschen Angaben wie in den AGB vorgesehen kündigen zu müssen. Die Formulierung „Wenn Sie die Einhaltung der Förderbedingungen nachweisen, beträgt Ihr Zuschuss …“ besagt auch aus Empfängersicht eindeutig, dass eine von der Einhaltung der Förderbedingungen unabhängige Verpflichtung der Beklagten nicht in Frage kommt.

Weil der Kläger mit Übersendung der Nachweise erstmalig deutlich gemacht hat, dass er im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht Eigentümer des Hausgrundstücks war und damit die Förderbedingungen nicht eingehalten hat, ist je nach Sichtweise entweder die aufschiebende Bedingung nicht eingetreten, oder die Beklagte hat kein Vertragsangebot abgegeben. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, welche der beiden Sichtweisen zutreffend ist.

Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Übersendung der Nachweise unstreitig Eigentümer der Immobilie war und sein zu versteuerndes Einkommen unter der maßgeblichen Grenze lag.

Anders als die AGB der Beklagten unterliegen die Förderbedingungen im gerichtlichen Verfahren keiner eigenständigen Überprüfung. Es kommt allein darauf an, wie die zuständige Stelle die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 14. September 2020 – 6 ZB 20.1652 -, Rn. 9, juris unter Berufung auf BVerwG, Beschluss vom 11. November 2008 – 7 B 38/08 -, Rn. 9, juris). Diese Förderpraxis wiederum kann nur am Maßstab der Willkür überprüft werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 – 10 C 1/17 -, Rn. 18, juris). Sachbezogene Gesichtspunkte stehen dem Normgeber in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (BVerwG, a. a. O.).

Zu diesen Förderbedingungen gehört auch die Voraussetzung, dass der Antragsteller bereits bei Antragstellung Eigentümer sein muss (S. 1 des Merkblattes; das Merkblatt ist Teil der Förderbedingungen). Dies geht aus der Frage „Wer kann Anträge stellen?“ und der Antwort „Jede natürliche Person, die (Mit-)Eigentümer von selbstgenutztem Wohneigentum geworden ist …“ zweifelsfrei hervor, abgesehen davon, dass es wie gezeigt nicht auf diese Auslegung, sondern auf eine willkürfreie Förderpraxis ankommt. Da explizit auf die Antragstellung abgestellt wird und da im Perfekt formuliert wird, ist dem Verständnis, dass es ausreicht, wenn Bedingungen nach Antragstellung eintreten, der Boden entzogen. Dasselbe gilt für die Formulierungen im Online-Portal, die der Kläger im Rahmen der Antragstellung ausdrücklich bestätigt hat. Er hat damit – wenn auch offensichtlich nicht in böser Absicht – objektiv falsche Angaben gemacht, sich nämlich als Eigentümer eines Hausgrundstücks bezeichnet, nicht nur bevor er nach den Regeln des Sachenrechts Eigentümer wurde, was bei einem Laien noch verständlich sein könnte, sondern bevor er den notariellen Vertrag unterzeichnet hatte und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem er auch aus Sicht eines durchschnittlich informierten Laien keinerlei gesicherte Rechtsposition hatte.

Dem Kläger ist zuzugeben, dass die Beklagte sicherlich die technischen Möglichkeiten gehabt hätte, die weitere Voraussetzung, dass der notarielle Kaufvertrag zwischen dem 01.01.2018 und dem 31.12.2020 unterzeichnet worden sein muss, in dem Online-Formular so anzupassen, dass der Zeitraum nicht in die Zukunft reicht, sondern immer am Tag der Antragstellung endet, um so der Interpretation entgegenzuwirken, dass auch künftige Abschlüsse förderfähig sind. Verbindlich ist aber nicht die Online-Maske, sondern das Merkblatt, in dem eine solche Möglichkeit nicht besteht. Zudem wäre, selbst wenn die Förderbedingungen der Auslegung zugänglich wären, die Eröffnung einer solchen Interpretationsmöglichkeit viel zu schwach, um die völlig unmissverständliche, hier bereits zitierte Formulierung in Frage zu stellen.

Dasselbe gilt für den Umstand, dass ausdrücklich ein spätester Zeitpunkt (drei Monate nach Unterzeichnung) genannt wird, ohne dass klargestellt wird, dass eine Antragstellung vor Unterzeichnung (bzw. vor Einzug in der anderen Konstellation) nicht akzeptiert wird. Auch hier steht eine zwar durchaus nachvollziehbare, aber eher spitzfindige, nämlich aus einem Schweigen bzw. einer Auslassung Schlussfolgerungen ziehende Interpretationsmöglichkeit der völlig eindeutigen Aussage gegenüber, dass nur derjenige einen Antrag stellen darf, der bereits Eigentümer geworden ist. Dass die Beklagte dies in späteren Förderbedingungen für den Fall des Erwerbs eines bislang nicht als Mieter genutzten Wohneigentums dahingehend ergänzt hat, dass eine Antragstellung vor Einzug nicht zulässig ist, nutzt dem Kläger nichts. Diese neuen, erst nach Ablehnung des Antrags aufgestellten Förderbedingungen sind nicht maßgeblich. Dass die Beklagte das Merkblatt weiterentwickelt und häufig vorkommende Fehlvorstellungen der Adressaten durch Ergänzungen zu vermeiden sucht, kann nicht als Eingeständnis dafür gewertet werden, dass die Förderbedingungen vor der Änderung eine abweichende Aussage getroffen haben (oder gar als Fiktion einer solchen Aussage). Wollte man – wie nicht – maßgebliche Schlüsse aus der Änderung ziehen, könnte dies auch zu Lasten des Klägers geschehen: indem die Beklagte die Änderung nur in Bezug auf den Einzug vornahm, nicht aber in Bezug auf die Fälle bereits als Mieter genutzter Häuser und Wohnungen, hat sie verdeutlicht, dass aufgrund der klaren Bedingung – Antragstellung nur nach Erwerb des Eigentums – eine entsprechende Ergänzung („Eine Antragstellung vor Unterzeichnung des notariellen Vertrages ist nicht zulässig.“) überflüssig ist.

Die Förderung von solchen Anforderungen abhängig zu machen, ist auch nicht willkürlich. Es kann nicht davon die Rede sein, dass mit den Förderbedingungen eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse vorgenommen worden wäre. Der Bund und die Beklagte haben ein nachvollziehbares Interesse daran, dass es nicht attraktiv wird, Anträge gewissermaßen auf Vorrat oder auf Verdacht zu stellen. Solche Anträge sind mit erheblichen Aufwänden verbunden. Würden die Anträge immer dann positiv beschieden, wenn die Voraussetzungen später eintreten, würde jeder Anreiz fehlen, den Antrag nur bei Vorliegen aller Voraussetzungen zu stellen.

Ein Anspruch wegen einer Selbstbindung der Beklagten durch eine abweichende Förderpraxis besteht nicht. Der Kläger hat nicht behauptet, dass die Beklagte in anderen Fällen, in denen der notarielle Vertrag noch nicht unterzeichnet war, den Zuschuss ausgezahlt hat.

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Nach alledem kommt es auf die Frage der Kündigung und einer etwaigen Hinweispflicht des Landgerichts nicht an.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren war nach § 97 Abs. 1 ZPO zu treffen.

Die Revision war mangels des Vorliegens der Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Da der Streitwert 20.000 EUR nicht übersteigt und weil die Revision nicht zugelassen wurde, liegen die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil möglich ist, unzweifelhaft nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, §§ 47, 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO; anzusetzen waren aus den vom Landgericht ausgeführten Gründen 80 % der begehrten Fördersumme von 12.000 EUR.

 

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