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Antrag auf Todeserklärung – Ablauf der einjährigen Frist des § 7 VerschG

Tod im Bergparadies: Antrag auf Todeserklärung nach tragischem Bergunfall

Das OLG Karlsruhe hob den Beschluss des Amtsgerichts Freiburg auf, der einen Antrag auf Todeserklärung zurückgewiesen hatte. Es wurde entschieden, dass die Antragsteller glaubhaft machten, dass der Verschollene unter Umständen verschwand, die eine Todeserklärung nach § 7 VerschG rechtfertigen. Der Fall bezieht sich auf einen Bergsteiger, der in der Schweiz als verschollen gilt und dessen vermuteter Tod aufgrund einer Bergtour angenommen wird.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 14 W 86/23 (Wx   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Freiburg: Das OLG Karlsruhe setzt den früheren Beschluss außer Kraft.
  2. Begründung der Beschwerde: Die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Todeserklärungsantrags wurde als begründet angesehen.
  3. Glaubhaftmachung der Verschollenheit: Die Antragsteller haben glaubhaft gemacht, dass der Betroffene unter den Bedingungen des § 7 VerschG verschollen ist.
  4. Bewertung der Lebensgefahr: Der Betroffene geriet in Lebensgefahr durch einen unvorhergesehenen Umstand während einer Bergtour.
  5. Ermittlungen der Kantonspolizei: Die Polizei lieferte überzeugende Beweise für den wahrscheinlichen Tod des Betroffenen.
  6. Rechtsgrundlage für den Antrag: Der Antrag auf Todeserklärung ist gemäß § 16 Abs. 2c VerschG zulässig.
  7. Notwendigkeit weiterer Ermittlungen: Das Amtsgericht muss weitere Ermittlungen durchführen, um die Voraussetzungen für eine Todeserklärung festzustellen.
  8. Kostenentscheidung: Die Kostenentscheidung basiert auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG.

Das Recht auf Todeserklärung: Ein juristischer Blick auf § 7 VerschG

Antrag auf Todeserklärung
(Symbolfoto: Geartooth Productions /Shutterstock.com)

In der rechtlichen Betrachtung des Erbrechts und des Verwaltungsrechts nimmt der Antrag auf Todeserklärung eine besondere Stellung ein. Dieser Antrag, eng verbunden mit der einjährigen Frist des § 7 des Verschollenheitsgesetzes (VerschG), stellt eine komplexe Herausforderung für die Rechtsprechung dar. Bei der Beurteilung, ob ein Mensch offiziell für tot erklärt werden kann, spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle, insbesondere dann, wenn es um unklare oder gefährliche Umstände des Verschwindens geht.

Die Rechtsprechung in solchen Fällen erfordert eine sorgfältige Abwägung der Beweislage und der Umstände, unter denen eine Person verschollen ist. Hierbei ist insbesondere die Frage nach dem Vorliegen einer Lebensgefahr im Sinne von § 7 VerschG entscheidend. Die Rolle des OLG Karlsruhe und die darauf folgenden Entscheidungen in einem konkreten Fall bieten tiefe Einblicke in die Mechanismen und Überlegungen, die hinter solchen Entscheidungen stehen. Die Beschwerde gegen frühere Urteile und die darauf basierende Rechtsauslegung geben ein interessantes Bild davon, wie die deutsche Rechtsprechung mit derart sensiblen und emotional aufgeladenen Themen umgeht.

Wir laden Sie ein, tiefer in die Materie einzutauchen und zu entdecken, wie die juristische Welt auf einen der kompliziertesten und menschlichsten Aspekte des Lebens reagiert – das unausweichliche Ende und seine rechtlichen Konsequenzen.

Der Weg zum Antrag auf Todeserklärung

Der Fall, der vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe verhandelt wurde, dreht sich um den Antrag auf Todeserklärung einer vermissten Person. Im Zentrum steht ein Bergsteiger, der seit dem 6. September 2021 in der Schweiz verschollen ist. Er unternahm eine Bergwanderung vom Furkapass zum Galenstock, kehrte jedoch nicht zurück. Nach intensiver Suche durch die Schweizer Polizei und der Auswertung der vorliegenden Beweise, wurde angenommen, dass der Bergsteiger verunglückt ist. Die Familie des Vermissten, vertreten durch die Ehefrau (Beteiligte Ziffer 1) und seine Mutter (Beteiligte Ziffer 2), stellte daraufhin den Antrag, ihn für tot zu erklären, da sie von einem Unfalltod ausgingen.

Rechtliche Herausforderungen des Falles

Das Amtsgericht Freiburg hatte diesen Antrag ursprünglich zurückgewiesen. Die Begründung basierte darauf, dass die erforderliche Frist von zehn Jahren gemäß § 3 VerschG noch nicht verstrichen sei und die Voraussetzungen des § 7 VerschG nicht erfüllt seien. Das Gericht sah keine ausreichenden Belege dafür, dass der Bergsteiger in eine Lebensgefahr geraten war, welche die Annahme eines Unglücks rechtfertigen würde. Dies führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung über die Interpretation von Lebensgefahr und Gefahrverschollenheit nach dem VerschG.

Entscheidung des OLG Karlsruhe

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hob den Beschluss des Amtsgerichts auf und wies das Amtsgericht an, das Verfahren fortzusetzen. Das OLG stellte fest, dass die Antragstellerinnen glaubhaft gemacht hatten, dass die Verschollenheit des Betroffenen auf einem Grund beruht, der unter § 7 VerschG fällt. Dieser Paragraph sieht vor, dass eine Person für tot erklärt werden kann, wenn sie in eine Lebensgefahr geraten ist, auch wenn keine konkreten Beweise für den Tod vorliegen. Die Ermittlungen der Kantonspolizei und die vorgelegten Beweise wurden als ausreichend erachtet, um die Annahme zu stützen, dass der Bergsteiger verunglückt sein könnte.

Bedeutung der Entscheidung und weiteres Vorgehen

Diese Entscheidung des OLG Karlsruhe hat eine wichtige Bedeutung für die Auslegung des Verschollenheitsgesetzes. Sie zeigt, dass bei der Beurteilung von Verschollenheit die individuellen Umstände des Einzelfalls entscheidend sind. Das Gericht betonte, dass nicht nur die objektiven Gefahren der Bergtour, sondern auch die spezifischen Umstände, unter denen der Betroffene verschwand, zu berücksichtigen sind. Dieser Fall verdeutlicht die Komplexität juristischer Entscheidungen im Bereich des Erbrechts und stellt einen bedeutsamen Präzedenzfall für ähnliche Fälle dar. Nun liegt es am Amtsgericht, das Aufgebot gemäß §§ 19 ff. VerschG zu erlassen und zu prüfen, ob die erforderlichen Tatsachen als erwiesen erachtet werden können.

Das Urteil des OLG Karlsruhe in diesem Fall ist ein wegweisender Schritt in der Rechtsprechung und zeigt die Bedeutung einer detaillierten und umfassenden Bewertung in Fällen der Todeserklärung aufgrund von Gefahrverschollenheit.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was beinhaltet ein Antrag auf Todeserklärung?

Ein Antrag auf Todeserklärung beinhaltet mehrere Elemente. Zunächst muss der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Todeserklärung haben. Dieses Interesse kann beispielsweise von Ehepartnern, Kindern oder gesetzlichen Vertretern der vermissten Person ausgehen.

Der Antrag sollte auch die Umstände des Verschwindens der Person und mögliche Beweise für eine Lebensgefahr zum Zeitpunkt des Verschwindens enthalten. Wenn der Tod einer Person nicht mit Sicherheit beweisbar ist, aber sie sich zum Zeitpunkt ihres Verschwindens nachweislich in Lebensgefahr befand (z.B. wenn sie sich in einem Katastrophengebiet aufgehalten hat), kann eine Todeserklärung nach einem Jahr Abwesenheit ohne Nachricht beantragt werden.

Für den Zeitpunkt der Todeserklärung gelten verschiedene Mindestfristen, die von den Umständen, durch welche die Person verschollen ist, und von ihrem Alter abhängig sind.

Im Interesse der Rechtssicherheit kann das Gericht nach den Verfahrensgrundsätzen, die für die Todeserklärung gelten, in einem Beschluss den Todeszeitpunkt feststellen.

Mit der Todeserklärung wird vermutet, dass die betreffende Person zu dem darin bezeichneten Zeitpunkt verstorben ist. Da die Todeserklärung die Sterbeurkunde ersetzt, kann das Nachlassverfahren beginnen und ein Erbschein beantragt werden.

Es ist auch zu beachten, dass wenn die Todeserklärung falsch war, eine Aufhebung der Todeserklärung beantragt werden muss.

Der Antrag auf Todeserklärung sollte bei dem zuständigen Amtsgericht eingereicht werden.

Wie wird die einjährige Frist im Rahmen des § 7 VerschG definiert?

Gemäß § 7 des Verschollenheitsgesetzes (VerschG) kann eine Person, die unter anderen als den in den §§ 4 bis 6 bezeichneten Umständen in eine Lebensgefahr gekommen und seitdem verschollen ist, für tot erklärt werden. Die einjährige Frist, die in diesem Zusammenhang erwähnt wird, bezieht sich auf die Zeitspanne, die ab dem Ende der Lebensgefahr oder ab dem Zeitpunkt des letzten Lebenszeichens der verschollenen Person verstreichen muss, bevor ein Antrag auf Todeserklärung gestellt werden kann.

Es ist zu beachten, dass diese Frist nicht in allen Fällen gilt. Beispielsweise darf eine Person, die das fünfundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nicht vor dem Ende des Jahres, in dem sie das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet hätte, für tot erklärt werden.

Die genaue Definition und Anwendung der einjährigen Frist kann je nach den spezifischen Umständen des Einzelfalls variieren. Es wird daher empfohlen, sich bei Bedarf rechtlichen Rat einzuholen.

Unter welchen Umständen ist eine Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Todeserklärungsantrags zulässig?

Eine Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Todeserklärungsantrags ist unter bestimmten Umständen zulässig. Die genauen Bedingungen können je nach Gerichtsbarkeit und spezifischen Umständen variieren, aber einige allgemeine Prinzipien gelten.

Erstens muss die Beschwerde in der Regel schriftlich eingereicht werden und bestimmte Informationen enthalten, wie die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet, eine Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird, eine Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, eine Begründung und die Unterschrift des Beschwerdeführers.

Zweitens ist die Beschwerde in der Regel nur zulässig, wenn sie innerhalb einer bestimmten Frist nach der Entscheidung eingereicht wird. Diese Frist kann unter bestimmten Umständen, wie z.B. bei Krankheit des Beschwerdeführers, verlängert werden.

Drittens kann die Beschwerde nur dann Erfolg haben, wenn sie auf einer soliden rechtlichen Grundlage beruht. Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer in der Lage sein muss, zu argumentieren, dass das Gericht bei der Zurückweisung des ursprünglichen Antrags einen Fehler gemacht hat oder dass neue Beweise oder Umstände eine Überprüfung der Entscheidung rechtfertigen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Beschwerde in der Regel keine aufschiebende Wirkung hat, d.h. die ursprüngliche Entscheidung bleibt in Kraft, bis die Beschwerde entschieden ist.

Bitte beachten Sie, dass dies allgemeine Informationen sind und die genauen Anforderungen und Verfahren je nach Gerichtsbarkeit und spezifischen Umständen variieren können. Es wird dringend empfohlen, rechtlichen Rat einzuholen, wenn Sie eine Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Todeserklärungsantrags in Betracht ziehen.

Wie wird Lebensgefahr im Kontext des Verschollenseins juristisch bewertet?

Lebensgefahr im Kontext des Verschollenseins wird juristisch bewertet, indem sie als ein entscheidender Faktor für die Anwendung bestimmter Fristen bei der Beantragung einer Todeserklärung betrachtet wird. Im Verschollenheitsgesetz (VerschG) ist festgelegt, dass eine Todeserklärung nach einem Jahr Abwesenheit ohne Nachricht beantragt werden kann, wenn der Tod der vermissten Person nicht mit Sicherheit beweisbar ist, aber sie sich zum Zeitpunkt ihres Verschwindens nachweislich in Lebensgefahr befand (z.B. wenn sie sich in einem Katastrophengebiet aufgehalten hat). Die einjährige Frist beginnt in der Regel ein Jahr nach dem Ende der Lebensgefahr. Die Bewertung der Lebensgefahr kann von Fall zu Fall variieren und hängt von den Umständen und Beweisen ab, die dem Gericht vorgelegt werden.


Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 14 W 86/23 (Wx) – Beschluss vom 01.12.2023

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Freiburg im Breisgau vom 27.09.2023, Az. 735 II 1/23, aufgehoben.

Das Amtsgericht wird angewiesen, das Verfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats fortzusetzen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Todeserklärung gemäß §§ 2, 7 VerschG.

A ist am 19.04.1966 geboren. Die Beteiligte Ziffer 1 ist seine Ehefrau, die Beteiligte Ziffer 2 seine Mutter.

Die Beteiligte Ziffer 1 hat beantragt, A für tot zu erklären; die Beteiligte Ziffer 2 ist diesem Antrag beigetreten. Die Antragstellerinnen tragen zur Begründung vor, dass sich der Betroffene am 06.09.2021 in der Schweiz zu einer Bergwanderung aufgemacht habe. Der beabsichtigte Weg habe vom Furkapass zum Galenstock oberhalb des Sidelengletschers geführt. Nachdem der Betroffene sich nicht mehr gemeldet habe und nicht nach Hause zurückgekehrt sei, habe eine intensive Suche der Schweizer Polizei stattgefunden. Diese sei zu dem Schluss gekommen, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit 200 Meter tief in einen Bergschrund gestürzt und zu Tode gekommen sei. Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, dass aufgrund der objektiven Gefährlichkeit des Gebiets, in dem der Betroffene gewandert sei, ein Fall der Gefahrverschollenheit im Sinne von § 7 VerschG vorliege, weshalb eine Frist von einem Jahr für die Todeserklärung gelte.

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Das Amtsgericht hat über die Polizeidirektion F die Ermittlungsakten der Kantonspolizei U beigezogen, auf deren Inhalt verwiesen wird.

Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 16.05.2023, auf deren Inhalt verwiesen wird, die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen der Gefahrverschollenheit seien nicht hinreichend dargetan, da der Betroffene gut ausgerüstet und nach den Angaben der Beteiligten Ziffer 1 ein erfahrener und besonnener Bergsteiger gewesen sei. Nachdem die Beteiligte Ziffer 1 mit Schriftsatz vom 29.06.2023, auf dessen Inhalt verwiesen wird, auf die von der Kantonspolizei U ermittelte, konkrete Situation verwiesen hatte, hielt die Staatsanwaltschaft nicht an dieser Auffassung fest; auf deren Stellungnahme von 22.08.2023 wird verwiesen.

Mit Beschluss vom 27.09.2023 hat das Amtsgericht den Antrag auf Todeserklärung zurückgewiesen. Zur Begründung führt es aus, dass die gemäß § 3 VerschG erforderliche Frist von zehn Jahren noch nicht verstrichen sei. Die Voraussetzungen des § 7 VerschG würden nicht vorliegen, denn der Betroffene habe sich nicht in einer Lage befunden, in der der Eintritt eines lebensgefährlichen Unglücks wahrscheinlich gewesen sei. Die gewählte Tour habe keine besondere Gefahr begründet und die Wetterverhältnisse seien gut gewesen. Es komme darauf an, dass sich der Betroffene bei Antritt der Bergtour in keine konkrete Lebensgefahr begeben habe.

Die Beteiligte Ziffer 2 hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt.

Mit Beschluss vom 24.10.2023 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen. Auf den Inhalt der Akten wird verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet; dies führt zu einer Aufhebung des Beschlusses und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Das Aufgebotsverfahren ist durchzuführen, da die Antragstellerinnen die Voraussetzungen hierfür gemäß § 18 VerschG glaubhaft gemacht haben.

1. Glaubhaft gemacht ist, dass der Betroffene im Sinne von § 1 VerschG verschollen ist. Aus den Darlegungen der Antragstellerinnen und den polizeilichen Ermittlungen ergibt sich, dass seit dem 06.09.2021 Zweifel an seinem Fortleben bestehen. Die Kantonspolizei hat in nachvollziehbarer Weise ausgeführt, dass der Betroffene mit hoher Wahrscheinlichkeit an diesem Tag durch einen Bergunfall zu Tode gekommen ist. Zugleich genügen die polizeilichen Feststellungen derzeit nicht, um im Sinne von § 1 Abs. 2 VerschG ohne jeden Zweifel vom Tod des A auszugehen.

2. Die Antragstellerinnen sind gemäß § 16 Abs. 2c VerschG berechtigt, den Antrag auf Todeserklärung zu stellen.

3. Der Antrag ist vor Ablauf der zehnjährigen Frist des § 3 VerschG zulässig, denn die Antragstellerinnen haben glaubhaft gemacht, dass die Verschollenheit des Betroffenen auf einem Grund beruht, der unter § 7 VerschG fällt. Dabei genügt es für die Glaubhaftmachung, dass mehr für die behaupteten Tatsachen spricht als dagegen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.03.2020 – 7 W 45/19, Rn. 24, beck-online).

a) § 7 VerschG setzt voraus, dass der Betroffene – außerhalb der Tatbestände der §§ 4 – 6 VerschG – in eine Lebensgefahr geraten ist; darunter ist jeder Zustand und jedes Ereignis zu verstehen, durch die das Leben eines Menschen in ungewöhnlichem Maße bedroht wird, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Gefahr durch ein plötzliches Ereignis ausgelöst wird oder es sich um einen länger anhaltenden Zustand handelt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 24.07.1986 – BReg 3 Z 3/86, beck-online; OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.03.2020 – 7 W 45/19, Rn. 22, beck- online; beck-onlineGK/Boiczenko, Stand: 01.10.2023, § 7 VerschG Rn. 7). Ebenso kommt es nicht darauf an, ob sich der Betroffene selbst in diese Gefahr begeben hat (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.03.2020 – 7 W 45/19, Rn. 22, beck-online; Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 7 VerschG Rn. 2; Staudinger/Fritzsche, Neubearbeitung 2018, § 7 VerschG Rn. 4). Maßgeblich sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, wozu auch die Fähigkeiten, die Widerstandskraft und die Ausrüstung der betroffenen Person gehören (vgl. beck- onlineGK/Boiczenko, a. a. O., § 7 VerschG Rn. 7; Burandt/Rojahn, a. a. O., § 7 VerschG Rn. 2).

b) Es ist im gegebenen Fall für die Prüfung einer Gefahr im Sinne von § 7 VerschG nicht ausschließlich darauf abzustellen, ob die geplante Bergwanderung, deren Verlauf aufgrund der umfangreichen polizeilichen Ermittlungen zweifelsfrei feststeht, grundsätzlich besonders gefahrenträchtig war. Das Amtsgericht verweist zwar zutreffend darauf, dass der Betroffene gut ausgerüstet und erfahren war; auch die Bewertung des Schwierigkeitsgrades der Tour spricht unter Berücksichtigung der Fähigkeiten des Betroffenen gegen eine ungewöhnliche Bedrohung für das Leben. Nach der Berg- und Hochtourenskala des Schweizer Alpen-Club ist bei Touren mit dem Schwierigkeitsgrad WS nur erhöhte Trittsicherheit notwendig, Kletterstellen sind übersichtlich und problemlos; eine Sicherung ist nicht notwendig. Eine das Leben bedrohende Gefahr kann sich jedoch auch im Rahmen eines weniger gefahrvollen Unternehmens durch weitere, hinzutretende Umstände im Verlauf eines an sich wenig gefährlichen Vorhabens ergeben.

c) Eine solche auf einem unvorhersehbaren, möglicherweise spontanen Entschluss des Betroffenen während der Bergtour beruhende Gefahr ergibt sich aus den Ermittlungen der Kantonspolizei U, auf die sich die Antragstellerinnen beziehen.

Die Kantonspolizei hat aufgrund der Vermisstenmeldung außerordentlich intensiv nach dem Verbleib des Betroffenen geforscht. Die Ermittler fanden aussagekräftige Hinweise, insbesondere Spuren am vermutlichen Unfallort, die es ihnen ermöglichten, den Ablauf eines tödlichen Unglücks mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rekonstruieren. Aus den Darlegungen der Kantonspolizei und der beigefügten Fotodokumentation ergibt sich ohne vernünftige Zweifel, dass die im Verlauf der vermutlichen Absturzstelle (von der Kantonspolizei als „logische Sturzbahn vom Galengrat zum Sidelengletscher“ bezeichnet) geborgenen Ausrüstungsgegenstände – Reepschnurschlinge, Mobiltelefon, Eispickel, Rucksack, Portemonnaie und Steigeisen – dem Betroffenen gehörten. Weitere Gegenstände, die nicht geborgen werden konnten, insbesondere der beschädigte Helm, stützen ebenfalls die Darstellung eines „möglichen Szenarios“, wie es die Kantonspolizei in ihrem Bericht in überzeugender Weise schildert. Es wurde insbesondere schlüssig erklärt, dass der Betroffene vorhatte, sich von einer Stelle etwa 7 m unterhalb des Grates abzuseilen. Dies ergibt sich aus dem Fund einer Reepschnur- bzw. Zackenschlinge, die dort um einen Felsblock gelegt worden war; es besteht kein Zweifel, dass diese einen Fixpunkt für das Abseilen bilden sollte, denn ein anderer Zweck ist nicht ersichtlich. Auch die Annahme, dass sich der Betroffene wegen eines in die Tiefe gefallenen Gegenstandes zum Abseilen entschloss, liegt nach den Schilderungen des Ermittlungsberichts nahe. Vor allem die sorgfältig dokumentierte Lage der Fundgegenstände im Verlauf der Felsrinne (“Couloir“) unterhalb der Reepschnurschlinge (Bild 5 der Fotodokumentation) stützt den von den fachkundigen Ermittlern mit „höchst anzunehmender Wahrscheinlichkeit“ angenommenen Ablauf, wonach der Betroffene nach Anbringen der Schlinge über 200 m an der Ostwand des Galengrats abstürzte und danach in den Bergschrund des Sidelengletschers stürzte. Die Ermittler legen zudem nachvollziehbar dar, aus welchen Gründen zwar die Endlage des Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, eine Bergung aber dennoch nicht möglich, da zu gefährlich, war und ist.

Eine andere Erklärung für die von der Kantonspolizei festgestellte Spurenlage – vor dem Hintergrund der geplanten Bergtour – liegt fern. Es ist danach nicht nur im Sinne der Glaubhaftmachung überwiegend wahrscheinlich, sondern zweifelsfrei erwiesen, dass sich der Betroffene in Abweichung von seinem ursprünglichen Plan, nämlich eine für ihn wenig riskante Bergtour zu unternehmen, entschloss, sich im Alleingang an einer gefährlichen Stelle abzuseilen. Mit der als weniger anspruchsvoll geschilderten Beschreibung der geplanten Tour ist dieser Vorgang nicht in Einklang zu bringen. Es ergab sich daher – noch bevor es zu dem Abseilvorgang kam – durch das Abweichen von der eigentlichen Wanderroute eine gefährliche, das Leben bedrohende Situation, die den Absturz des Betroffenen nach sich zog. Aufgrund der von der Kantonspolizei dargestellten Umstände, insbesondere der Geländebeschaffenheit, war ein Kontrollverlust des Betroffenen in der geschilderten Lage unmittelbar mit der Gefahr eines tödlichen Absturzes verbunden, die nicht mehr durch geeignete Ausrüstung oder Bergerfahrung kompensiert werden konnte.

d) Die Glaubhaftmachung führt dazu, dass der Antrag zulässig ist und das Amtsgericht von Amts wegen zu ermitteln hat, ob die Voraussetzungen für eine Todeserklärung vorliegen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28.07.1999 – 3 Z BR 204/99, Rn. 7, juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.03.2020 – 7 W 45/19, Rn. 20, beck-online). Da das Amtsgericht in der Sache nicht entschieden hat, ist das Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG zurückzuverweisen.

Das Amtsgericht hat vor einer Todeserklärung das Aufgebot gemäß §§ 19 ff. VerschG zu erlassen und zu prüfen, ob die erforderlichen Tatsachen als erwiesen erachtet werden. Inwieweit das Amtsgericht unter Berücksichtigung der bisherigen Beweislage weitere Ermittlungen von Amts wegen anzustellen hat, steht in seinem Ermessen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG.

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