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Arbeitsunfähigkeit entspricht nicht Verhandlungsunfähigkeit

Gerichtsurteil: Keine Ausreden! Arbeitsunfähigkeit gilt nicht als Entschuldigung für Versäumnisse

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) stellt klar, dass Arbeitsunfähigkeit nicht automatisch Verhandlungsunfähigkeit bedeutet. Die Klägerin, die wegen eines gesundheitlichen Zustands ihre Verhandlungstermine nicht wahrnehmen konnte, hatte keinen Erfolg mit ihrer Revision. Das Gericht betonte, dass ihre Anwesenheit nicht zwingend erforderlich war, da sie durch einen Anwalt vertreten wurde. Das Gericht wies somit ihre Revision gegen das Versäumnisurteil zurück.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: IX ZR 219/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Arbeitsunfähigkeit schützt nicht vor gerichtlichen Pflichten.
  2. Das Gericht verwirft die Revision der Klägerin gegen das Versäumnisurteil.
  3. Die Anwesenheit der Klägerin war nicht notwendig, da sie anwaltlich vertreten wurde.
  4. Eine Verhandlungsfähigkeit der Klägerin war nicht schlüssig nachgewiesen.
  5. Telefonischer Kontakt zwischen der Klägerin und ihrem Anwalt war möglich.
  6. Der Klägerin wurde ausreichend Zeit für die Vorbereitung des Termins gegeben.
  7. Das Urteil bezieht sich auf einen Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit einem Darlehen.
  8. Das Urteil betont die Wichtigkeit der Sorgfaltspflicht einer ordentlichen Prozesspartei.

Rechtliche Klärung: Arbeitsunfähigkeit und Verhandlungsunfähigkeit vor Gericht

In der Rechtsprechung wird oftmals zwischen Arbeitsunfähigkeit und Verhandlungsunfähigkeit unterschieden. Diese Differenzierung ist vor allem in gerichtlichen Verfahren von entscheidender Bedeutung, wo es darum geht, ob eine Partei trotz körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen in der Lage ist, an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen oder sich angemessen zu vertreten. Insbesondere bei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH), die sich auf Revisionen gegen Versäumnisurteile beziehen, kommt dieser Unterscheidung eine zentrale Rolle zu.

Im Fokus steht die Frage, unter welchen Umständen eine Partei als verhandlungsunfähig eingestuft werden kann und welche rechtlichen Konsequenzen dies für den Verlauf und die Entscheidungen in einem Gerichtsverfahren hat. Die rechtliche Einordnung und die daraus resultierenden Entscheidungen sind nicht nur für die beteiligten Parteien, sondern auch für die Auslegung und Anwendung des Rechts in ähnlichen Fällen von großer Bedeutung. Der nachfolgende Text wird einen konkreten Fall beleuchten, in dem diese Thematik eine entscheidende Rolle spielt und verdeutlicht, wie Gerichte in solchen Fällen urteilen. Er bietet damit einen aufschlussreichen Einblick in die Praxis der deutschen Rechtsprechung.

Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet über die Revision im Schadensersatzstreit

Am 14. September 2023 hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Schadensersatzstreit ein wegweisendes Urteil gefällt. Die Klägerin hatte gegen das zweite Versäumnisurteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. November 2022 Revision eingelegt. In dieser Entscheidung geht es darum, ob die Arbeitsunfähigkeit einer Partei gleichbedeutend mit ihrer Verhandlungsunfähigkeit ist und welche Konsequenzen dies für den Rechtsstreit hat.

Hintergrund des Rechtsstreits

Der Rechtsstreit entstand aus Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit der Gewährung eines Darlehens. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Klägerin legte Berufung ein, und das Oberlandesgericht setzte einen Verhandlungstermin an. Jedoch erschien niemand für die Klägerin, was zur Ablehnung der Berufung durch ein Versäumnisurteil führte. Die Klägerin legte Einspruch ein, woraufhin das Berufungsgericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmte.

In diesem Zusammenhang verlängerte das Berufungsgericht die Fristen mehrmals und lehnte schließlich einen Antrag auf weitere Verlängerung und Terminsverlegung ab. Im Verhandlungstermin erschien der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, nicht jedoch der Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin. Trotz eines Vertagungsantrags des Prozessbevollmächtigten wurde der Einspruch durch ein zweites Versäumnisurteil verworfen.

Die Entscheidung des BGH

Die Revision der Klägerin vor dem BGH hatte keinen Erfolg. Die Revision wurde bereits als unzulässig und zu verwerfen angesehen. Das BGH führte aus, dass die Klägerin nicht schlüssig dargelegt habe, dass der Termin unverschuldet versäumt wurde. Zudem wurde betont, dass die Arbeitsunfähigkeit einer Partei nicht zwangsläufig zu ihrer Verhandlungsunfähigkeit führt. Auch wurde festgestellt, dass die persönliche Anwesenheit der Klägerin im Termin nicht zwingend erforderlich war, da ihr Prozessbevollmächtigter die Sache angemessen vertreten konnte.

Die Revision erfüllte somit nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen, und das zweite Versäumnisurteil blieb bestehen.

Fazit

Das Urteil des BGH stellt klar, dass Arbeitsunfähigkeit nicht automatisch Verhandlungsunfähigkeit bedeutet. Die persönliche Anwesenheit einer Partei in einem Verhandlungstermin kann in bestimmten Fällen entbehrlich sein, wenn ein Prozessbevollmächtigter die Sache angemessen vertreten kann. Dieses Urteil hat Auswirkungen auf ähnliche Fälle, in denen Parteien die Versäumung von Terminen aufgrund von Krankheit oder anderen Umständen geltend machen. Es unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Vorbereitung und Vertretung in Gerichtsverfahren, um Rechtsnachteile zu vermeiden.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was unterscheidet Arbeitsunfähigkeit von Verhandlungsunfähigkeit im juristischen Kontext?

Arbeitsunfähigkeit und Verhandlungsunfähigkeit sind zwei verschiedene Konzepte im deutschen Recht, die sich auf unterschiedliche Aspekte beziehen.

Arbeitsunfähigkeit bezieht sich auf die Fähigkeit einer Person, ihre berufliche Tätigkeit auszuüben. Sie tritt ein, wenn eine Person aufgrund von Krankheit oder Unfall ihre bisherige Erwerbstätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung ihres Zustandes weiter ausüben kann. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die von einem Arzt ausgestellt wird, bestätigt die Arbeitsunfähigkeit und gibt an, wie lange die betreffende Person voraussichtlich arbeitsunfähig sein wird.

Verhandlungsunfähigkeit hingegen bezieht sich auf die Fähigkeit einer Person, ihre Interessen in oder außerhalb einer Gerichtsverhandlung vernünftig wahrzunehmen. Eine Person kann als verhandlungsunfähig angesehen werden, wenn sie aufgrund von körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen nicht in der Lage ist, ihre Interessen während einer Gerichtsverhandlung zu vertreten. Ein ärztliches Attest kann die krankheitsbedingte Verhandlungsunfähigkeit nachweisen.

Obwohl es Überschneidungen zwischen Arbeitsunfähigkeit und Verhandlungsunfähigkeit geben kann, sind die Anforderungen an die Verhandlungsunfähigkeit in der Regel höher als die an die Arbeitsunfähigkeit. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung allein reicht nicht aus, um die Verhandlungsunfähigkeit zu belegen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass Verhandlungsunfähigkeit ein Verfahrenshindernis darstellen kann und zur Einstellung des Verfahrens führen kann.


Das vorliegende Urteil

BGH – Az.: IX ZR 219/22 – Urteil vom 14.09.2023

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2023 für Recht erkannt:

Die Revision gegen das zweite Versäumnisurteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. November 2022 wird auf Kosten der Klägerin verworfen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Gewährung eines Darlehens. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt, in dem für die Klägerin niemand erschienen ist. Das Berufungsgericht hat die Berufung mit Versäumnisurteil vom 27. Oktober 2020 zurückgewiesen.

Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Klägerin Einspruch eingelegt. Das Berufungsgericht hat darauf am 17. August 2022 Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil und die Hauptsache für den 25. Oktober 2022 bestimmt, verschiedene Hinweise erteilt und der Klägerin Frist zur Stellungnahme bis zum 22. September 2022 gesetzt. Das Berufungsgericht hat die Stellungnahmefrist zweimal verlängert, zuletzt bis zum 10. Oktober 2022. Einen Antrag auf weitere Verlängerung und Terminsverlegung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. In dem Termin ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erschienen, nicht aber der seinerzeit ebenfalls als Rechtsanwalt zugelassene Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat eine Vertagung beantragt und keine Sachanträge gestellt. Das Berufungsgericht hat eine Vertagung abgelehnt und den Einspruch der Klägerin durch zweites Versäumnisurteil verworfen.

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Gründe:

Die Revision hat keinen Erfolg. Das Rechtsmittel ist bereits nicht zulässig und zu verwerfen.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei ordnungsgemäß zum Verhandlungstermin geladen gewesen. Die Einlassungsfrist sei angemessen gewesen und ein Vertagungsgrund habe nicht vorgelegen. Es sei nicht ersichtlich und nicht glaubhaft gemacht, dass der Geschäftsführer aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, den Termin zusammen mit dem weiteren Prozessbevollmächtigten der Klägerin hinreichend vorzubereiten. Es habe insoweit zumindest die Möglichkeit eines telefonischen Kontakts zwischen den beiden bestanden. Auch habe die Klägerin trotz des Unfalls ihres Geschäftsführers für das Anbringen des ersten Befangenheitsgesuchs einen dritten Rechtsanwalt mandatieren können, was ihre Handlungsfähigkeit beweise. Zudem begleite der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Rechtsstreit bereits seit 2017. Im Kern habe der Verhandlung außerdem der gleiche Sachverhalt wie in einem durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Bundesgerichtshof bereits rechtskräftig abgeschlossenen Parallelverfahren zugrunde gelegen, in welchem der Prozessbevollmächtigte den Geschäftsführer und dessen Ehefrau vertreten habe. Es komme hinzu, dass die vorgelegte Bescheinigung über eine fehlende Verhandlungsfähigkeit des Geschäftsführers nicht von einem Arzt unterzeichnet sei und die Diagnose einer Rippenfraktur für sich nicht genügend aussagekräftig sei, weshalb eine die Teilnahme an der Verhandlung hindernde Erkrankung des Geschäftsführers der Klägerin nicht glaubhaft gemacht sei. Damit lägen die Voraussetzungen für den Erlass eines zweiten Versäumnisurteils vor.

II.

Die Revision ist unzulässig.

1. Gegen ein zweites Versäumnisurteil eines Berufungsgerichts findet allerdings die Revision gemäß § 565 Satz 1, § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO ohne Zulassung und ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstands statt (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2021 – IX ZR 53/21, WM 2023, 196 Rn. 3 mwN).

2. Die Revision erfüllt aber nicht die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen der § 565 Satz 1, § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

a) Ein (zweites) Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch nicht statthaft ist, unterliegt nach § 565 Satz 1, § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO der Revision insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. Eine zulässige Revision setzt also die schlüssige Darlegung voraus, dass der Termin nicht schuldhaft versäumt worden ist. Wird die fehlende oder unverschuldete Säumnis nicht schlüssig dargelegt, ist die Revision als unzulässig zu verwerfen (BGH, Urteil vom 5. Juli 2018 – IX ZR 264/17, NJW 2018, 3252 Rn. 6; vom 2. Dezember 2021, aaO Rn. 5). So verhält es sich im Streitfall.

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b) Das Revisionsvorbringen der Klägerin ist unschlüssig. Es ergibt nicht, dass sie den Termin vom 25. Oktober 2022 vor dem Berufungsgericht ohne Verschulden versäumt hat.

aa) Eine Partei ist im Sinne der §§ 330 ff ZPO säumig, wenn sie trotz ordnungsgemäßer Bestimmung eines notwendigen Termins zur mündlichen Verhandlung nach Aufruf der Sache am hierzu bestimmten Ort nicht erscheint, bei notwendiger Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht durch einen beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten ist oder nicht zur Sache verhandelt. Nicht schuldhaft ist die Säumnis, wenn die Partei oder – bei notwendiger Vertretung – ihr Prozessvertreter an der Wahrnehmung des Verhandlungstermins unverschuldet verhindert war (§ 337 Satz 1, § 233 ZPO, § 276 Abs. 2 BGB), mithin die Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei gewahrt hat (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2021 – IX ZR 53/21, WM 2023, 196 Rn. 7 mwN). Die Verschuldensfrage richtet sich nach den gleichen Grundsätzen wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Bei seiner Bewertung ist das Revisionsgericht nicht an den Informationsstand gebunden, über den das Berufungsgericht bei Erlass seiner Entscheidung verfügte (BGH, Urteil vom 24. September 2015 – IX ZR 207/14, ZIP 2015, 2191 Rn. 5; vom 2. Dezember 2021, aaO).

bb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan, dass sie den Einspruchstermin vom 25. Oktober 2022 unverschuldet versäumt hat. Die Revision stellt nicht in Frage, dass die Klägerin ordnungsgemäß zum Verhandlungstermin geladen worden ist und in dem Termin trotz Erscheinens ihres Prozessbevollmächtigten keinen Sachantrag gestellt hat. Die Voraussetzungen für die von der Klägerin zunächst angestrebte Verlegung des Termins und später für die beantragte Vertagung der Verhandlung im Hinblick auf die geltend gemachte Erkrankung des Geschäftsführers ihrer Komplementärin (fortan: Geschäftsführer) hat das Berufungsgericht im Ergebnis rechtsfehlerfrei verneint.

(1) Nach § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin nur aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens als auch den Anspruch beider Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2008 – VI ZR 317/07, NJW 2009, 687 Rn. 8 mwN; vom 24. Januar 2019 – VII ZR 123/18, BauR 2019, 858 Rn. 22). Erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO sind regelmäßig solche, die zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern. Liegen solche Gründe vor, verdichtet sich das Ermessen des Gerichts zu einer Rechtspflicht, den Termin zu verlegen, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2019, aaO).

(a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass dann, wenn eine Partei anwaltlich vertreten ist, die Erkrankung der Partei selbst – bei einer juristischen Person die ihres Vertretungsorgans – nicht zu einer Terminsverlegung zwingt, wenn und weil ihr Prozessbevollmächtigter zur Wahrnehmung des Termins zur Verfügung steht. Durch ihn kann die Partei ihre Rechte im Verfahren in der Regel angemessen und effektiv wahrnehmen. Etwas anderes gilt nur, wenn gewichtige Gründe die persönliche Anwesenheit der Partei erfordern (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2021 – IX ZR 53/21, WM 2023, 196 Rn. 17 mwN). Die Partei hat die gewichtigen Gründe substantiiert vorzutragen, weshalb ihre persönliche Anwesenheit in der Verhandlung erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – AnwZ (Brfg) 45/14, Rn. 6; BVerwG, DÖV 1983, 247, 248). Hinreichend gewichtige Gründe ergeben sich nicht schon aus der Bedeutung, welche der Prozess für die Partei hat. Das bloße Anwesenheitsinteresse einer anwaltlich vertretenen Partei ist durch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht geschützt (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2021, aaO mwN).

(b) Die mangelnde Terminvorbereitung ist nach § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO kein Verlegungs- und Vertagungsgrund, solange sie nicht ihrerseits entschuldigt ist. Für eine genügende Entschuldigung kommt es zunächst darauf an, zu welchen Punkten die Partei eine zusätzlich erforderliche Vorbereitung geltend macht. Die Partei muss sodann substantiiert darlegen, aus welchen Gründen sie an einer ausreichenden Vorbereitung gehindert war und dass sie alles Zumutbare und Mögliche unternommen hat, um sich und ihren Anwalt im Hinblick auf den Verhandlungstermin ausreichend vorzubereiten (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2022 – VII ZB 58/21, WM 2023, 1040 Rn. 19).

(2) Daran gemessen hat die Klägerin erhebliche Gründe für eine Verlegung des Termins oder eine Vertagung der Verhandlung nicht hinreichend vorgetragen.

(a) Die Klägerin legt nicht schlüssig dar, dass eine Verlegung oder Vertagung deshalb geboten war, weil ihr Geschäftsführer gehindert war, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Die Klägerin zeigt weder schlüssig auf, dass ihr Geschäftsführer ohne Verschulden am Erscheinen verhindert war, noch hat sie substantiiert dargelegt, dass eine Anwesenheit ihres Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung erforderlich war.

Bereits eine seine Verhandlungsunfähigkeit begründende Erkrankung ihres Geschäftsführers zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2022 hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Erscheint die Partei in der mündlichen Verhandlung nicht, ist dies nicht schon durch eine Arbeitsunfähigkeit ausreichend entschuldigt (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 227 Rn. 6 mwN). Erforderlich ist vielmehr, dass die Partei krankheitsbedingt verhandlungsunfähig ist (Stein/Jonas/Roth, aaO). Die Revision legt dies nicht schlüssig dar. Soweit das Berufungsgericht die von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen vom 3. und 7. Oktober 2022 für unzureichend hält, nimmt die Revision diese Würdigung hin. Das ärztliche Attest vom 18. Oktober 2022, auf das sich die Revision beruft, ist ebenfalls nicht geeignet, das Ausbleiben des in München wohnhaften Geschäftsführers zu entschuldigen. Daraus ergibt sich allein, dass der Geschäftsführer aufgrund des am 2. Oktober 2022 erlittenen dreifachen Rippenbruchs wegen ausgeprägter Schmerzen und notwendiger regelmäßiger Schmerzmitteleinnahme bis 31. Oktober 2022 arbeitsunfähig ist; es ist nicht erkennbar, warum dies einer Teilnahme an der Verhandlung entgegensteht oder gar eine Verhandlungsunfähigkeit am 25. Oktober 2022 begründet. Unabhängig davon lässt die Revision unwidersprochen, dass der Geschäftsführer nach der Behauptung der Beklagten im Oktober 2022 am Wochenende vor der mündlichen Verhandlung mit dem eigenen Fahrzeug in sein Haus an den Gardasee gefahren ist. Jedenfalls ist damit der Glaubhaftmachung einer krankheitsbedingten Verhinderung des Geschäftsführers im Verhandlungstermin die Grundlage entzogen.

Zudem hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt, dass gewichtige Gründe die persönliche Anwesenheit der Partei erforderten. Sie zeigt nicht auf, dass der Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht nicht von ihrem weiteren Prozessbevollmächtigten allein hätte sachgerecht wahrgenommen werden können. Dieser hat die Klägerin im Rechtsstreit seit der Klageerhebung 2017 ebenso umfassend vertreten wie im inzwischen rechtskräftig abgeschlossene Parallelverfahren mit zumindest deutlichen Bezügen zum Sachverhalt des Streitfalls. Auch wenn er hierbei auf Vor- und Zuarbeiten des Geschäftsführers zurückgegriffen hat, folgt daraus kein gewichtiger Grund für die Anwesenheit der Partei in der mündlichen Verhandlung. Vor diesem Hintergrund fehlt es an substantiierten Vorbringen dazu, weswegen die Anwesenheit des Geschäftsführers im Termin unabdingbar gewesen sein soll. Das gilt auch mit Blick auf den pauschalen Hinweis der Revision auf den Umfang der Sache. Es bleibt offen, was von dem Streitstoff aus Sicht der Klägerin überhaupt problematisch und erörterungsbedürftig gewesen wäre.

(b) Ebenso wenig ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin, dass sie unverschuldet nicht in der Lage gewesen ist, die mündliche Verhandlung ausreichend vorzubereiten. Zwischen der Ladung und dem Termin zur mündlichen Verhandlung lagen über zwei Monate. Das Berufungsgericht gab mit seiner Terminsverfügung vom 17. August 2022 konkrete Hinweise auf den Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Die Klägerin zeigt nicht auf, warum ihr Geschäftsführer nicht in der Lage gewesen ist, ihren mit der Sache ebenfalls seit langem befassten Prozessbevollmächtigten innerhalb dieses Zeitraums ausreichend zu instruieren. Dass der Geschäftsführer hierzu wegen der Folgen seines am 2. Oktober 2022 erlittenen Unfalls nicht, insbesondere nicht fernmündlich, in der Lage gewesen ist, ist nicht schlüssig dargelegt. Das Berufungsgericht hat frühzeitig auf eine etwaige Anpassung der Anträge an die geänderte prozessuale Lage und auf die Unvollständigkeit der Anlagen hingewiesen. Trotz seiner geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigung hat der Geschäftsführer im Übrigen wenige Tage vor dem Termin eine weitere Anwaltskanzlei mit der Einreichung eines von ihm selbst formulierten siebenseitigen Befangenheitsgesuchs im Namen der Klägerin an das Berufungsgericht betrauen können. Dies lässt es als möglich erscheinen, dass er sich trotz seiner Erkrankung hinreichend mit der inhaltlichen Vorbereitung des Verhandlungstermins hätte beschäftigen und den Prozessbevollmächtigten entsprechend und genügend unterrichten können, um eine sachgerechte Vorbereitung der mündlichen Verhandlung sicherzustellen.

(c) An dieser Würdigung ändert sich nichts dadurch, dass zwischen dem Erlass des ersten Versäumnisurteils am 27. Oktober 2020 und dem Termin zur Verhandlung über den Einspruch am 25. Oktober 2022 ein Zeitraum von annähernd zwei Jahren liegt. Dieser Umstand begründet weder für sich noch unter Berücksichtigung der weiteren Gesichtspunkte des Falls einen erheblichen Grund im Sinne von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

(d) Ein Verlegungsgrund, der einer schuldhaften Säumnis der Klägerin entgegenstünde, ergab sich auch nicht im Hinblick auf die Frage, welche Anlagen zu den Schriftsätzen der Parteien in den Gerichtsakten fehlten. Die Verfahrensweise des Berufungsgerichts, diese Frage in der mündlichen Verhandlung klären zu wollen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

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