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Arbeitszeitänderung und wirksame Befristete Änderung derselben

BUNDESARBEITSGERICHT

Az.: 7 AZR 406/02

Urteil vom 04.06.2003


Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. April 2002 – 5 Sa 1853/01 – wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung einer veränderten Wochenarbeitszeit der Klägerin.

Die Klägerin ist seit dem 1. Juli 1979 bei dem Versorgungsamt B des beklagten Landes als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Sie arbeitete zunächst als Vollzeitkraft und nahm in der Abteilung 3 des Versorgungsamtes Aufgaben des mittleren Dienstes im Bereich des Schwerbehindertenrechts wahr. Durch Vertrag vom 11. Mai 1984 wurde ihre Arbeitszeit aus familiären Gründen unbefristet auf die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit reduziert. Am 28. Juni 1993 vereinbarten die Parteien eine befristete Vollzeitbeschäftigung der Klägerin. Diese beantragte am 22. September 1993 vergeblich, ihre Arbeitszeit ab dem 16. Juli 1994 dauerhaft auf ¾ der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zu reduzieren. Statt dessen verlängerten die Parteien die Vollzeitbeschäftigung der Klägerin durch den Abschluß mehrerer befristeter Verträge, zuletzt am 24. März 1995 bis zum 29. Februar 2000. Während der Laufzeit dieses Vertrags trafen die Parteien am 10. August 1998 folgende Vereinbarung:

„Frau K wird in der Zeit ab 01.01.1999 mit ¾ der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beschäftigt (für die Dauer der Beurlaubung der Frau W), längstens bis 31.12.2001. Ab 01.01.2002 wird Frau K wieder als nicht vollbeschäftigte Angestellte mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Angestellten auf unbestimmte Zeit angestellt.“

Die Arbeitszeit der Mitarbeiterin W war für die Zeit vom 10. August 1998 bis zum 31. Juli 2001 auf die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ermäßigt worden. Die Klägerin sollte nicht die Mitarbeiterin W, sondern die Mitarbeiterin Kö vertreten, die sich vom 17. Februar 1998 bis zum 17. Oktober 2003 im Erziehungsurlaub befindet. Diese nahm im Versorgungsamt B Aufgaben des gehobenen Dienstes im Bereich des Schwerbehindertenrechts wahr. Dabei handelte es sich zu 70 % um schwierige und zu 30 % um einfache Bearbeitung von Anträgen und Bescheiden. Im Rahmen der Vertretung sollte die Klägerin die einfachen Bearbeitungstätigkeiten übernehmen.

Mit der am 1. Juni 2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die befristete Veränderung ihrer Arbeitszeit gewandt. Sie hat die Auffassung vertreten, für die Befristung in dem Arbeitsvertrag vom 10. August 1998 fehle ein sachlicher Grund. Die Beteiligung des Personalrats sei mangelhaft gewesen, da ihm als Grund für die Befristung die Beurlaubung der Mitarbeiterin W genannt worden sei.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Dezember 2001 hinaus zu ¾ der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten fortbesteht.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, die Verkürzung der Arbeitszeit der Klägerin ab 1. Januar 1999 sei auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin erfolgt. Außerdem habe die Klägerin die Mitarbeiterin Kö unmittelbar vertreten. Eine Beteiligung des Personalrats sei nicht erforderlich gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land sein Ziel der Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht entsprochen. Die am 10. August 1998 vereinbarte Änderung der Arbeitszeit der Klägerin hat nicht auf Grund Befristung am 31. Dezember 2001 geendet.

I. Die als Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO anzusehende Klage ist zulässig.

1. Die Klägerin wendet sich nicht gegen die Befristung ihres Arbeitsvertrags, sondern gegen die Befristung einer einzelnen Vertragsbedingung. Auf die Kontrolle der Befristung einzelner Vertragsbedingungen ist § 17 TzBfG nicht anwendbar. Das hat der Senat zu § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG 1996 bereits entschieden (BAG 23. Januar 2002 – 7 AZR 563/00 – AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 12 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 29, zu I 1 der Gründe). Diese Regelung ist seit dem 1. Januar 2001 unverändert in § 17 TzBfG übernommen worden.

2. Das Feststellungsinteresse der Klägerin iSd. § 256 Abs. 1 ZPO ist auf einen Teil ihrer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beschränkt. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, daß die Klägerin seit dem 11. Mai 1984 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Angestellten steht. Der Streit der Parteien beschränkt sich darauf, ob die Erhöhung der Arbeitszeit der Klägerin um ¼ auf Grund Befristung zum 31. Dezember 2001 geendet hat. Diesem Umstand hat das Landesarbeitsgericht Rechnung getragen und den Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils zu Recht entsprechend klargestellt.

II. Die Klage ist begründet. Die am 10. August 1998 vereinbarte Änderung der Arbeitszeit der Klägerin hat nicht auf Grund Befristung am 31. Dezember 2001 geendet. Die Befristung war unwirksam, da sie nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt war. Ob der Befristung auch personalvertretungsrechtliche Gründe entgegenstanden, bedarf daher keiner Entscheidung.

1. Die Befristung der veränderten Arbeitszeit bedurfte zu ihrer Rechtfertigung eines sachlichen Grundes.

a) Die Befristung einzelner Vertragsbedingungen kann den gesetzlichen Änderungskündigungsschutz objektiv umgehen. Sie bedarf dann, ebenso wie die Befristung des Arbeitsverhältnisses selbst, eines die Befristung rechtfertigenden Sachgrundes. Das gilt jedenfalls für solche Vertragsbedingungen, die im Fall der unbefristeten Vereinbarung dem Änderungskündigungsschutz nach § 2 KSchG unterlägen, weil sie die Arbeitspflicht nach Inhalt und Umfang in einer Weise ändern, die sich unmittelbar auf die Vergütung auswirkt, und damit das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung maßgeblich beeinflussen (BAG 23. Januar 2002 – 7 AZR 563/00 – AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 12 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 29, zu II 2 a der Gründe).

b) Bei der Arbeitszeit handelt es sich um eine Vertragsbedingung, die den Umfang der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung betrifft und deren Änderung sich unmittelbar auf die Vergütung auswirkt. In dem Vertrag vom 10. August 1998 wurde eine Arbeitszeit der Klägerin von ¾ der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2001 vereinbart. Dadurch wurde die zuvor maßgebliche Arbeitszeit der Klägerin bis zum 29. Februar 2000 zunächst um ¼ reduziert. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte die am 24. März 1995 vereinbarte Vollzeitbeschäftigung der Klägerin dauern. Gleichzeitig wurde die Arbeitszeit der Klägerin ab 1. März 2000 bis zum 31. Dezember 2001 um ¼ erhöht. Denn sie stand bereits seit dem 11. Mai 1984 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten.

2. Die Befristung der veränderten Arbeitszeit ist nicht auf Grund eines entsprechenden Wunsches der Klägerin sachlich gerechtfertigt.

a) Grundsätzlich ist die Befristung eines Arbeitsvertrags wirksam, wenn sie auf Wunsch des Arbeitnehmers zustande kommt. Dazu müssen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektive Anhaltspunkte für ein Interesse des Arbeitnehmers an der Befristung vorliegen. Entscheidend ist dabei, ob der Arbeitnehmer auch bei einem Angebot des Arbeitgebers auf Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrags nur ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart hätte (BAG 6. November 1996 – 7 AZR 909/95 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 188 = EzA BGB § 620 Nr. 146, zu 3 der Gründe; 26. August 1998 – 7 AZR 349/97 – BAGE 89, 345 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 203, zu III 3 b der Gründe).

b) Die Befristung der am 10. August 1998 vereinbarten Arbeitszeit von ¾ der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beruhte nicht auf dem Wunsch der Klägerin. Zwar hatte sie bereits am 22. September 1993 beantragt, ihre Arbeitszeit ab dem 16. Juli 1994 dauerhaft auf ¾ der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zu reduzieren. Auch in diesem Zeitpunkt stand die Klägerin schon in einer befristeten Vollzeitbeschäftigung. Der damals geäußerte Wunsch der Klägerin zielte aber auf eine dauerhafte Minderung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit. Es fehlt an objektiven Anhaltspunkten dafür, daß sich die Klägerin im Gegensatz zu ihrem früher geäußerten Wunsch am 10. August 1998 mit einer auf drei Jahre befristeten Reduzierung ihrer Arbeitszeit einverstanden erklärt und ein Angebot des beklagten Landes ausgeschlagen hätte, ab 1. Januar 1999 unbefristet mit ¾ der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beschäftigt zu werden.

3. Die Befristung der veränderten Arbeitszeit der Klägerin ist auch nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt.

a) Grundsätzlich kann ein Arbeitnehmer zur Vertretung eines zeitweilig ausfallenden Mitarbeiters befristet eingestellt werden. Der sachliche Rechtfertigungsgrund für diese Befristung liegt darin, daß der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis (BAG 21. Februar 2001 – 7 AZR 200/00 – BAGE 97, 86 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 226, zu II 1 der Gründe). Die Verrichtung der Tätigkeiten eines zeitweilig ausfallenden Mitarbeiters durch eine Ersatzkraft hat nichts mit einer Vertretung im Rechtssinne gemein. Der Befristungsgrund liegt in diesen Fällen nicht in der Vertretung als solcher, sondern darin, daß der Arbeitgeber seinen Arbeitskräftebedarf an sich bereits durch den Arbeitsvertrag mit dem Vertretenen abgedeckt hat und deshalb an der Arbeitskraft des Vertreters von vornherein nur ein vorübergehender, zeitlich durch die Rückkehr des Vertretenen begrenzter Bedarf besteht (BAG 24. September 1997 – 7 AZR 669/96 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 192 = EzA BGB § 620 Nr. 147, zu II 2 der Gründe).

b) Hiernach war die vorliegende Befristung der veränderten Arbeitszeit der Klägerin sachlich nicht gerechtfertigt. Zwar war durch den Erziehungsurlaub der Mitarbeiterin Kö vom 17. Februar 1998 bis zum 7. Oktober 2003 vorübergehend ein Mehrbedarf an Arbeitskräften aufgetreten. Dieser Mehrbedarf konnte durch die am 10. August 1998 mit der Klägerin vereinbarte Befristung aber nicht gedeckt werden. Denn zu Beginn dieser Befristung am 1. Januar 1999 wurde die bis dahin maßgebliche Arbeitszeit der Klägerin um ¼ reduziert. Dadurch wurde der Bedarf an Arbeitskräften nicht verringert, sondern vergrößert. Denn ursprünglich war für die Klägerin auf der Grundlage des Vertrags vom 24. März 1995 eine befristete Vollzeitbeschäftigung bis zum 29. Februar 2000 vorgesehen. Wie die Klägerin trotz ihrer reduzierten Arbeitszeit zusätzlich die Arbeitsaufgaben der vorübergehend ausgefallenen Mitarbeiterin Kö hätte wahrnehmen können, ist nicht ersichtlich. Ob, in welchem Umfang und auf welche Weise sich der Arbeitskräftebedarf im Versorgungsamt B zum 1. Januar 1999 derart verändert haben könnte, daß die Klägerin trotz ihrer um ¼ reduzierten Arbeitszeit zusätzliche Arbeitsaufgaben hätte übernehmen können, läßt sich dem Vorbringen des beklagten Landes nicht entnehmen. Ihm obliegt es aber, die Tatsachen darzulegen, die den Schluß auf den Sachgrund zulassen. Dazu gehört bei dem Sachgrund der Vertretung nicht nur der zeitlich begrenzte Bedarf an der Arbeitskraft des Vertreters, sondern auch die Möglichkeit, diesen Bedarf durch die befristete Einstellung des Vertreters oder die befristete Änderung seiner Arbeitsbedingungen abzudecken.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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