Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 14 O 13/19 – Urteil vom 22.12.2022
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.04.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (14 O 13/19) abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Zusammenfassung
Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, verlangt von den Beklagten, den Eltern eines in einen Autounfall verwickelten Kindes, Schadensersatz. Das Kind wurde angefahren, als es mit seinem Dreirad die Straße überquerte, und erlitt schwere Verletzungen. Der Kläger versucht, die Beklagten für den Unfall mitverantwortlich zu machen, da sie ihre Sorgfaltspflicht als Eltern verletzt hätten, was zu den Verletzungen des Kindes beigetragen habe. Die Beklagten streiten jegliches Fehlverhalten ab und behaupten, der Unfall sei durch den Fahrer des Wagens verursacht worden, der zu schnell gefahren sei und kein angemessenes Ausweichmanöver eingeleitet habe. Die Vorinstanz entschied zugunsten der Klägerin und verurteilte die Beklagten zur Zahlung von Schadenersatz. Die Beklagten haben gegen das Urteil Berufung eingelegt und argumentieren, das Gericht habe die Rechtslage falsch ausgelegt und wichtige Beweise nicht berücksichtigt. Der Fall wirft die Frage auf, inwieweit Eltern bei Unfällen mit ihren Kindern haften und nach welchen Kriterien die Schuld in solchen Fällen bestimmt wird.
Die Beklagten argumentieren, das Gericht hätte das Familienprivileg des § 116 Abs. 6 SGB X a.F. berücksichtigen müssen. 6 SGB X a.F. im Hinblick auf die Heilbehandlungskosten berücksichtigen müssen. Sie machen geltend, dass etwaige Schadensersatzansprüche des Sohnes des Klägers gegen seine Eltern zunächst nach § 116 Abs. 1 Satz 1, 1. 1 Satz 1, 1. Alt. SGB X und erst dann auf den Kläger nach § 86 Abs. 1 VVG. Allerdings ist §116 Abs.. 6 SGB X in der zur Zeit des Unfalls geltenden Fassung schließe jedoch den Übergang von Ansprüchen des Geschädigten auf die gesetzliche Krankenkasse aus, wenn ein unfreiwilliger Schaden durch im gleichen Haushalt lebende Familienangehörige verursacht worden sei. Der Kläger macht geltend, dass die Vorinstanz zu Recht geurteilt habe und dass die Beklagten ihre Sorgfaltspflicht gegenüber ihrem Sohn verletzt hätten. Das Berufungsgericht kommt zu dem Schluss, dass die Vorinstanz zu Unrecht eine Verletzung der Sorgfaltspflicht durch die Beklagten festgestellt hat, so dass der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagten hat.
Das Gericht kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Beklagten ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt haben, da sie keine besonderen Vorkehrungen treffen mussten und keine Anhaltspunkte hatten, dass ihr Sohn aus dem Haus gehen würde. Der Beklagte, der in diesem Fall am Telefon war, als der Unfall passierte, hat seine Aufsichtspflicht ebenfalls nicht verletzt, da er davon ausgegangen war, dass das Kind im Wohnzimmer bleiben würde. Da keine Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht festgestellt wurde, sind weitere Streitfragen wie die Haftungsquote irrelevant. Die Entscheidung ist endgültig und kann nicht angefochten werden. […]
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 09.04.2017 in St. Wendel-Leitersweiler ereignet hat. Die Beklagten sind die Eltern des unfallbeteiligten, am 27.01.2013 geborenen Kindes I.A.. Der Kläger ist Haftpflichtversicherer des am Unfall beteiligten und von dem Zeugen K. gefahrenen Pkw Peugeot 206, amtliches Kennzeichen xxx.
Der Zeuge K. befuhr am Unfalltag gegen 16.25 Uhr die L309 aus Richtung Oberkirchen kommend in Fahrtrichtung St. Wendel. Der Sohn der Beklagten überquerte kurz nach dem Ortseingangsschild Leitersweiler mit seinem Dreirad die Straße, aus der Sicht des Zeugen K. von links kommend. Es kam zur Kollision mit dem Pkw, bei der das Kind erheblich verletzt wurde. Das Kind war in Begleitung seines damals 7jährigen Bruders B.A. und eines Freundes, des damals achtjährigen Zeugen J.H., der mit seinem Fahrrad die Straße bereits zuvor überquert hatte.
Das gegen den Zeugen K. wegen fahrlässiger Körperverletzung eingeleitete Ermittlungsverfahren (Az. 65 Js 1616/17) wurde vom Amtsgericht Ottweiler gem. § 153a Abs. 2 StPO nach Erfüllung der ihm als Auflage auferlegten Ableistung von 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit eingestellt (Bl. 145-157 der Beiakte 65 Js 1616/17). In dem Ermittlungsverfahren wurde ein verkehrstechnisches Sachverständigengutachten des Büros Dr. P. eingeholt (Bl. 45 ff. sowie 114 ff. der Beiakte 65 Js 1616/17).
Das geschädigte Kind I.A., vertreten durch seine Eltern, nahm den Zeugen K., die Halterin des Pkw und den hiesigen Kläger als Haftpflichtversicherer vor dem Landgericht Saarbrücken, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch (Az. 1 O 51/18). Mit Anerkenntnisurteil vom 25.04.2018 (Bl. 79 der Beiakte 1 O 51/18) gab das Landgericht Saarbrücken der Klage in vollem Umfang statt und verurteilte die dortigen Beklagten zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgelds von 12.000 €, einer Unkostenpauschale von 25 € sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten abzüglich bereits vorgerichtlich gezahlter 3.000 €. Ferner stellte es fest, dass die dortigen Beklagten verpflichtet sind, dem Kind I.A. sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden aufgrund des Unfallereignisses zu ersetzen (Bl. 80 der Beiakte 1 O 51/18).
Der im vorliegenden Rechtsstreit klagende Haftpflichtversicherer zahlte nach Abschluss des Verfahrens 1 O 51/18 weitere 10.417 € an das Kind I.A.. Mit Schreiben vom 28.05.2018 und 09.07.2018 forderte er dessen Eltern, die hiesigen Beklagten, zur Zahlung eines Betrags von 10.043,63 € auf. Zur Begründung berief er sich auf eine Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht, aufgrund derer die Beklagten ihm entsprechend einer Haftungsquote von 30 % im Wege des Gesamtschuldnerregresses zum teilweisen Ausgleich der unfallbedingt geleisteten Zahlungen verpflichtet seien. Die Beklagten wiesen mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 03.08.2018 eine Einstandspflicht zurück.
Der Kläger hat zum Unfallhergang behauptet, der Zeuge K. habe kurz vor dem Ortseingangsschild Leitersweiler seine Geschwindigkeit auf die ab dort geltende Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h reduziert. Das Kind I.A. habe plötzlich und überraschend aus einem Feldweg kommend versucht, den auf der anderen Seite der Straße gelegenen Feldweg zu erreichen. Trotz sofort eingeleiteter Vollbremsung habe der Zeuge eine Kollision nicht mehr verhindern können.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe gem. §§ 840, 426 BGB sowie aus § 1664 BGB ein Anspruch gegen die Beklagten auf Gesamtschuldnerausgleich zu, weil diese ihre elterliche Aufsichtspflicht gegenüber dem unfallbeteiligten Kind verletzt und dadurch zu dem Unfallereignis beigetragen hätten. Ein vierjähriges Kind bedürfe außerhalb der Wohnung oder eines umfriedeten Grundstücks in der Regel der unmittelbaren Beaufsichtigung an Ort und Stelle. Dieser Aufsichtspflicht seien die Beklagten offenkundig nicht nachgekommen, da das Kind I.A. bereits vor dem Unfall eine weitere Landstraße überquert haben müsse und somit schon länger ohne Aufsicht unterwegs gewesen sei. Der Kläger hat unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Karlsruhe (Urteil vom 03.05.2012 – 1 U 186/11, juris) eine Haftungsquote der Beklagten von 30 % im Innenverhältnis der Gesamtschuldner für gerechtfertigt erachtet.
Der Kläger hat behauptet, er habe wegen des Unfalls Aufwendungen in Höhe von insgesamt 33.478,77 € erbracht (Heilbehandlungskosten in Höhe von 9.285,69 € sowie weiteren 268,46 € und 7.988,66 €, Schmerzensgeld von 12.000 € zuzüglich Zinsen und Rechtsverfolgungskosten in Höhe von weiteren 1.417 €, Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.251,96 € an die Prozessbevollmächtigten des Klägers und Gerichtskosten in Höhe von 267 €, vgl. im Einzelnen Bl. 58-61 d.A.).
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 10.043,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 03.08.2018 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger 30 % aller weiteren dem Kläger aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 09.04.2017, zwischen M. K. und I.A. auf der L309, entstehenden finanziellen Aufwendungen zu erstatten.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, der Versicherungsnehmer der Klägerin müsse ungeachtet einer etwaigen Aufsichtspflichtverletzung allein für die Unfallfolgen haften, da der Zeuge K. – so ihre Behauptung – mit überhöhter Geschwindigkeit von innerorts mindestens 60-70 km/h gefahren sei und bei gebotener Aufmerksamkeit den Unfall unschwer hätte vermeiden können.
Die Beklagten hätten ungeachtet dessen jedoch auch ihre Aufsichtspflicht gegenüber ihrem 4jährigen Kind nicht verletzt. Dies haben die aufgrund des Kriegsgeschehens im Jahr 2016 aus Syrien geflüchteten und zum Unfallzeitpunkt in Leitersweiler wohnhaften Beklagten – schriftsätzlich – damit begründet, dass sie aus einer ländlich geprägten Gegend stammten, in der es üblich und gefahrlos möglich sei, dass Kinder auf der Straße spielten. Auch ihr Bildungsstand lasse es nicht zu, das deutsche Straßenverkehrsrecht oder das geltende Aufsichtsrecht über Kinder zu kennen. Eine schuldhafte Aufsichtspflichtverletzung könne den Beklagten außerdem aufgrund der konkreten Umstände im Vorfeld des Unfalls nicht vorgeworfen werden: Das Kind habe ferngesehen und die Wohnung unbemerkt verlassen, während die Beklagte zu 1 geduscht habe und der Beklagte zu 2, nachdem sein Bruder aus Syrien angerufen habe, für das wenige Minuten andauernde Telefonat wegen des besseren Handyempfangs in die in die Küche gegangen sei. Der Unfall habe sei innerhalb dieses kurzen Zeitraums geschehen.
Die Beklagten haben ferner Einwände gegen die Höhe der mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachten Beträge erhoben (vgl. Bl. 41 f. d.A.).
Der Beklagte zu 2 hat hilfsweise die Aufrechnung erklärt mit einem eigenen Schmerzensgeldanspruch gegen den Kläger in Höhe von 1.000 €. Diesen hat er unter Anbieten eines Sachverständigengutachtens damit begründet, er habe aufgrund des Unfalls seines Sohnes selbst „eine schwere psychische Erschütterung und einen Schock“ erlitten; diesem komme Krankheitswert zu; ihm habe am 26.11.2020 wegen Knirschens im Oberkiefer eine Schiene eingesetzt werden müssen (vgl. Bl. 183 f. d.A.).
Das Landgericht hat die Beklagten informatorisch angehört (Bl. 148-152 d.A.) und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B.A. (Bl. 152 f. d.A.), J.H. (Bl. 153-155 d.A.) und S.H. (Bl. 155 f. d.A.). Mit Urteil vom 15.04.2021 (Bl. 201 ff. d.A.) hat das Landgericht die Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 9.287,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 03.08.2018 zu zahlen. Weiterhin hat es festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet seien, dem Kläger 30 % aller weiteren dem Kläger aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 09.04.2017, zwischen M. K. und I.A. auf der L309, entstehenden finanziellen Aufwendungen zu erstatten. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.
Die Beklagten haben Berufung eingelegt.
Nach ihrer Einschätzung kann entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht von einer Verletzung ihrer Aufsichtspflicht gegenüber dem Kind I.A. ausgegangen werden, die eine Gesamtschuld der Eltern im Verhältnis zu dem klagenden Haftpflichtversicherer begründen könnte. Maßgeblich sei gem. § 1664 Abs. 1 BGB der Sorgfaltsmaßstab, den die Beklagten in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegten. Sie hätten, was die Beweisaufnahme nicht widerlegt habe, ihren Sohn niemals unbeaufsichtigt auf die Straße gelassen. Die Beklagten bleiben bei ihrer Schilderung, wonach das Kind sich zunächst gemeinsam mit ihnen im Wohnzimmer aufgehalten habe, die Beklagte zu 1 für ca. 15 Minuten ins Bad gegangen und der Sohn in Gegenwart des Beklagten zu 2 im Wohnzimmer geblieben sei. Wegen des anschließenden unerwarteten Anrufs seines Bruders aus dem Kriegsgebiet in Syrien habe der Beklagte zu 2 das Wohnzimmer verlassen, weil der Handyempfang in die Küche besser gewesen sei. Dass das Kind während dieser kurzen Zeit unbemerkt die Wohnung verlassen konnte, werten die Beklagten nicht als ihnen vorzuwerfende Aufsichtspflichtverletzung. Sie heben hervor, dass der Sohn immer ein ruhiges Kind gewesen sei und dass der Beklagte zu 2 daher habe darauf vertrauen dürfen, dass dieser weiterhin Fernsehen schaue und im Haus bleibe.
Die Beklagten meinen, unabhängig davon entfalle eine Schadensersatzpflicht der Eltern gegenüber dem Kind nach § 1664 BGB bei einem ausschließlich von einem fremden Kfz verschuldeten Verkehrsunfall, auch wenn dieser bei optimaler Aufsicht der Eltern hätte verhindert werden können. So liege der Fall hier. Sie behaupten, der Versicherungsnehmer des Klägers sei verbotswidrig mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei und habe zudem verspätet reagiert. Die Beklagten rügen, das Landgericht habe den für diesen Unfallhergang von ihnen angetretenen Sachverständigenbeweis übergangen.
Das Landgericht habe ferner unter Verstoß gegen § 286 ZPO die Einwendungen der Beklagten hinsichtlich der Höhe der Klageforderung als nicht relevant erachtet, insbesondere das Bestreiten der Behandlungskosten, der Notwendigkeit der entsprechenden Behandlungen und der Angemessenheit der damit verbundenen Kosten, der Zahlung durch die A. und der Erstattung der behaupteten Beträge durch den Kläger sowie der Echtheit und inhaltlichen Richtigkeit der vorgelegten Kopien.
Weiterhin habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft die Hilfsaufrechnung der Beklagten nicht zugelassen, da diese richtigerweise nicht prozessual verspätet erklärt worden sei.
Schließlich meinen die Beklagten, das Landgericht hätte betreffend die Heilbehandlungskosten das Familienprivileg des § 116 Abs. 6 SGB X a.F. beachten müssen. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Sohnes der Beklagten gegen seine Eltern sei zunächst gem. § 116 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. SGB X auf die A. als gesetzliche Krankenversicherung übergegangen, erst dann gem. § 86 Abs. 1 VVG auf den Kläger. Nach § 116 Abs. 6 SGB X in der zum Unfallzeitpunkt geltenden Fassung sei der Anspruchsübergang vom Geschädigten auf die gesetzliche Krankenversicherung aber ausgeschlossen, da hier eine unvorsätzliche Schädigung durch in häuslicher Gemeinschaft lebende Familienangehörige in Rede stehe.
Die Beklagten beantragen, das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 15.04.2021, Az. 14 O 13/19, teilweise – soweit der Klage stattgegeben wurde und im Kostenpunkt – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen; hilfsweise, das Urteil des Landgerichts im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Landgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für richtig. Das Landgericht habe rechts- und verfahrensfehlerfrei angenommen, dass die Beklagten ihre Aufsichtspflicht in einem der eigenüblichen Sorgfalt zumindest entsprechenden Maße verletzt hätten, nachdem die Beklagten nach eigenen – von ihm mit Nichtwissen bestrittenen – Angaben im Rahmen ihrer informatorischen Befragung ihren Sohn I.A. niemals alleine rausgehen ließen, und zugleich feststehe, dass sie ihn über einen längeren Zeitraum vollständig unbeaufsichtigt gelassen hätten. Der Kläger hebt insbesondere hervor, dass der Beklagte zu 2 selbst eingeräumt habe, er habe gehört, wie während seines Telefonats die Haustür geschlossen worden sei. Nach Ansicht des Klägers hätte der Beklagte dies nicht ungeprüft dem älteren Sohn zuordnen dürfen.
Das Landgericht habe auch nicht versäumt, weiteren Beweis über den Unfallhergang zu erheben. Denn nach dem Ergebnis des im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. P. habe die Geschwindigkeit des Pkw vor der Kollision zwischen 40 und 50 km/h und somit unterhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit betragen. Das Verschulden der Beklagten wiege so schwer, dass selbst bei einer unterstellten Vermeidbarkeit des Unfalls für den Versicherungsnehmer des Klägers die Mithaftung der Beklagten mindestens 30 % betrage.
Der Kläger hält § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X im Streitfall für nicht anwendbar. Hiernach wäre es der A. möglicherweise verwehrt, gegen die eigenen Versicherungsnehmer vorzugehen. Der Kläger sei indessen nicht gehindert, im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs Ersatz der von ihm erbrachten Aufwendungen von den Beklagten zu verlangen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Sitzungsprotokoll des Landgerichts vom 18.02.2021 (Bl. 147 ff. d.A.), berichtigt gemäß Beschluss vom 15.04.2021 (Bl. 200 d.A.), sowie die Sitzungsniederschrift des Senats vom 08.12.2022 (Bl. 317 ff. d.A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und mithin zulässig. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen gebieten eine andere Entscheidung. Auf der Grundlage der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen ist die Klage insgesamt abzuweisen.
1.
Das Landgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von 9.287,94 € gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gem. §§ 426 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB bejaht in der Annahme, die Beklagten hafteten im Verhältnis zu dem Versicherungsnehmer des Klägers mit einem Anteil von 30 % für die Unfallfolgen. Hierbei hat es zugrunde gelegt, dass die Beklagten gegenüber ihrem bei dem Verkehrsunfall verletzten Sohn gem. § 1664 BGB mit dem Sorgfaltsmaßstab des § 277 BGB wegen Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht zum Schadensersatz verpflichtet seien. Es könne dahinstehen, ob ihnen grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden müsse, da sie auch bei Zugrundelegung ihrer eigenüblichen Sorgfalt hafteten. Die Beklagten hätten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nachgewiesen, dass sie das Kind I.A. im Allgemeinen sorgloser beaufsichtigt hätten als objektiv erforderlich. Sie hätten angegeben, sie ließen ihre Kinder draußen nie unbeaufsichtigt; dies hätten auch die vernommenen Zeugen bestätigt. Die Beklagten hätten ihre Aufsichtspflicht aber deshalb in einem über die eigenübliche Sorgfalt hinausgehenden Maße verletzt, weil nach ihren eigenen Angaben das Kind zu Hause jedenfalls länger als nur 4-5 Minuten unbeaufsichtigt gewesen sei, so dass es unbemerkt seinem älteren Bruder und dem Zeugen H. nach draußen habe folgen können. Erschwerend sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 2, der in der Küche telefoniert habe, noch gehört habe, dass der ältere Sohn das Haus verlassen habe, sich aber nicht vergewissert habe, ob der jüngere Sohn noch da sei.
2.
Entgegen der rechtlichen Würdigung des Landgerichts ist eine Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten auf der Grundlage der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen nicht anzunehmen. Damit scheiden Regressansprüche des Klägers gegen die Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Gesamtschuldnerausgleichs mangels eines Schadensersatzanspruchs des Kindes gegen seine Eltern bereits dem Grunde nach aus:
a.
Das Landgericht hat im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass § 1664 BGB nicht nur, wie der Wortlaut zunächst nahelegt, einen Haftungsmaßstab für die Ausübung der elterlichen Sorge – Begrenzung auf die eigenübliche Sorgfalt – festlegt, also eine Haftungsreduzierung bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit (§ 277 BGB) begründet, sondern auch Grundlage für einen selbstständigen Schadensersatzanspruch des Kindes gegen seine Eltern sein kann (BGH, Urteil vom 10.02.1988 – IVb ZR 111/86, BeckRS 2014, 22839; Götz/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1664 Rn. 1; MüKoBGB/Huber, 8. Aufl. 2020, BGB § 1664 Rn. 1 m.w.N.). Die Pflicht der Eltern, für das minderjährige Kind zu sorgen (§ 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB), umfasst die Sorge für die Person des Kindes (§ 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB) und insbesondere die Pflicht, es zu beaufsichtigen (§ 1631 Abs. 1 BGB).
b.
Die damit eingreifende Begrenzung der Haftung der Eltern auf eigenübliche Sorgfalt wird durch § 277 BGB näher konkretisiert. Nach § 1664 Abs. 1 BGB haften die Eltern auf Schadensersatz nur bei Verschulden und nur dann, wenn sie diejenige Sorgfalt verletzt haben, die sie auch in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen (sog. „diligentia quam in suis rebus“). Es gilt also (im Bereich leichter/einfacher Fahrlässigkeit) ein subjektiver, konkreter Maßstab (sog. „culpa in concreto“). Jeder Elternteil haftet dabei nach heute herrschender Auffassung nur für sein eigenes Verschulden, grundsätzlich nicht auch für das des anderen Elternteils (arg. e § 1664 Abs. 2 Hs. 1 BGB – „Grundsatz der individuellen Elternverantwortung“) und zwar nach seinem eigenen (subjektiven) Sorgfaltsmaßstab. Objektive (Ober-)Grenze individueller Sorglosigkeit ist dabei gem. § 277 BGB stets die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (BeckOGK/Eitzinger, 01.10.2022, BGB § 1664 Rn. 15 m.w.N.). Wenn sich Eltern auf den Maßstab der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten berufen, trifft sie die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden pflegen (BGH, Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 210/18, juris Rn. 14).
c.
Eine Verletzung der ihnen gegenüber dem Kind I.A. obliegenden elterlichen Aufsichtspflicht ist den Beklagten jedoch entgegen der Annahme des Landgerichts nicht anzulasten. Hierbei kann, wie noch auszuführen ist, für die vorliegende Fallkonstellation dahinstehen, ob die Haftungserleichterung des § 1664 BGB grundsätzlich auch dann gilt, wenn es nicht nur um die Verletzung rein familienrechtlich begründeter Sorgfaltspflichten geht, sondern zugleich auch um die Verletzung (allgemeiner) deliktischer Verhaltenspflichten, insbesondere bei der Teilnahme am Straßenverkehr (so OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.05.2012 – 1 U 186/11, juris Rn. 25, OLG Bamberg, Urteil vom 14.02.2012 – 5 U 149/11, juris, m.w.N. auch zur Gegenmeinung; hierzu bereits Senat, Urteil vom 20.11.2001 – 4 U 31/01 – 6 –, juris Rn. 7).
(1)
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um Schäden zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist (BGH, Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12, juris Rn. 16 m.w.N.). Das Maß der geschuldeten Aufsicht erhöht sich mit der Gefahrträchtigkeit der konkreten Situation. Spielen Kinder in der Nähe von Straßen oder in der Nähe gefährlicher Gegenstände, ist mehr Aufsicht angebracht als innerhalb eines abgegrenzten, risikoarmen Bereichs. Kleinkinder bedürfen prinzipiell ständiger Aufsicht, damit sie sich nicht Gefahren in ihrer Umgebung aussetzen, die sie aufgrund ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit noch nicht erkennen und beherrschen können. Die Rechtsprechung gesteht Kindern erst ab einem Alter von vier Jahren einen gewissen Freiraum zu (BGH, Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 210/18, juris Rn. 11 m.w.N.; BeckOGK/Eitzinger, 1.10.2022, BGB § 1664 Rn. 58; instruktiv Bernau, FamRZ 2020, 301-307, sowie Staudinger/Bernau (2022) BGB § 832 Rn. 77 m.w.N. und 122 ff.). Schon ab einem Alter von etwa 3 Jahren müssen Kinder in einer geschlossenen Wohnung nicht mehr ständig beobachtet werden, sondern es ist ihnen ist mit Blick auf die persönliche Entfaltung und Entwicklung die Gelegenheit zu geben, sich allein zu beschäftigen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.04.2018 – 4 U 15/18 –, juris Rn. 21; Staudinger/Bernau (2022) BGB § 832 Rn. 153; siehe auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.09.2000 – 22 U 19/00 –, juris Rn. 5). Der Aufsichtspflichtige muss jedoch sicherstellen, dass er stets die Möglichkeit hat, Gefahrensituationen in kürzester Zeit zu erkennen und sachgerecht einzugreifen (BGH Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 210/18, juris Rn. 11; OLG Hamm, Urteil vom 17.11.1999 – 26 U 13/99 –, juris Rn. 37; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.09.2000 – 22 U 19/00 –, juris Rn. 5).
(2)
Im Streitfall ist kann der maßgebliche Anknüpfungspunkt für eine etwaige Pflichtverletzung der Beklagten allenfalls der Umstand sein, dass das bei dem Verkehrsunfall verletzte Kind unbemerkt die Wohnung verlassen konnte. Denn nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht fest, dass die Beklagten ihren am Unfalltag 4 Jahre und 3 Monate alten Sohn gerade nicht wissentlich und willentlich ohne Beaufsichtigung durch Erwachsene draußen spielen bzw. sogar am Straßenverkehr teilnehmen ließen, und zwar weder am Unfalltag noch bei anderen, früheren Gelegenheiten. Die Beklagten haben bei ihrer persönlichen Anhörung mehrfach betont, dass sie ihren Sohn I. nie allein nach draußen ließen (Bl. 148, 151 d.A.). Der Senat hat keine Veranlassung, an ihren Aussagen zu zweifeln. Auch im Berufungsverfahren werden keine dagegen sprechenden Anhaltspunkte aufgezeigt; in der Berufungserwiderung (dort Seite 3, Bl. 289 d.A.) teilt der – für die Voraussetzungen einer Aufsichtspflichtverletzung der in Anspruch genommenen Beklagten ohnehin darlegungs- und beweisbelastete – Kläger die dahingehenden Feststellungen des Landgerichts ausdrücklich. Die Zeugin H. hat, insoweit im Einklang mit den Zeugen J.H. und B.A., angegeben, die Kinder hätten ohne Begleitung Erwachsener allenfalls gelegentlich für 2 bis 3 Minuten auf einem eingezäunten Spielplatz gespielt; ansonsten seien entweder sie selbst oder die Beklagten oder ein Herr C. dabei gewesen (Bl. 156 d.A.).
(3)
Damit kommt es nicht darauf an, ob der für die Beklagten geltende Sorgfaltsmaßstab, was die Teilnahme des Kindes am Straßenverkehr anbelangt, sich nach den Gepflogenheiten in ihrem syrischen Heimatort richtet. Denn es war ihnen, wovon auch das Landgericht ausdrücklich ausgegangen ist, bewusst, dass sich die Gefahrenlage für spielende Kinder in Deutschland insoweit anders darstellt. Vielmehr geht es allein darum, ob sie das Kind innerhalb der Wohnung für eine gewisse Zeit aus den Augen lassen und darauf vertrauen durften, es bleibe währenddessen vor dem Fernseher sitzen.
(4)
Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts zum Geschehensablauf im Vorfeld des Unfalls, die von den Parteien im Berufungsverfahren nicht angegriffen werden, sind verfahrensfehlerfrei getroffen worden und binden den Senat nach § 529 Abs. 1 ZPO: Hiernach hielt sich das Kind I.A. zunächst gemeinsam mit seinen Eltern im Wohnzimmer auf, wo er fernsah. Der Beklagte zu 2 erhielt sodann einen Anruf seines in Syrien befindlichen Bruders, weshalb er wegen des besseren Handyempfangs vom Wohnzimmer in die angrenzende Küche ging. Die Beklagte zu 1 befand sich im Badezimmer, um zu duschen, so dass beide das Kind für eine gewisse Zeit – die genaue Dauer ist streitig – nicht sehen konnten und ihnen das Verlassen der Wohnung nicht auffiel.
(5)
Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann beiden Beklagten eine Verletzung ihrer Aufsichtspflicht gegenüber ihrem Sohn I.A. nicht zur Last gelegt werden:
(a)
Dies gilt zunächst für die Beklagte zu 1, die ins Bad ging, um zu duschen, während sich der Beklagte zu 2 gemeinsam mit dem Kind – wenn auch nicht in demselben Raum – weiter in der Wohnung aufhielt. Dass ein Kind nicht ständig von beiden Elternteilen gleichzeitig beaufsichtigt werden muss, bedarf keiner näheren Begründung. Die Beklagte zu 1 durfte zum Duschen ins Bad gehen, ohne den Beklagten zu 2 explizit an seine Pflichten zu erinnern. Anhaltspunkte, derentwegen sie hätte damit rechnen müssen, dass das Kind sich unbemerkt aus der Wohnung entfernen und dies dem Vater entgehen würde, sind nicht ersichtlich.
(b)
Auch dem Beklagten zu 2 kann eine Verletzung seiner Aufsichtspflicht nicht vorgeworfen werden: Dieser telefonierte in der an das Wohnzimmer angrenzenden Küche mit seinem in Syrien lebenden Bruder. Der Sohn saß währenddessen zunächst noch im Wohnzimmer vor dem Fernseher und befand sich daher für eine gewisse Zeit außerhalb der Sichtweite seines Vaters, bis er anschließend von diesem unbemerkt die Wohnung verließ. Damit brauchte der Beklagte zu 2 in der konkreten Situation nicht rechnen.
(aa)
Nach den unwiderlegten Angaben der Beklagten, die im Einklang mit denen des Zeugen B.A. stehen, handelte es sich bei dem damals 4-jährigen I.A. um ein ruhiges Kind, das häufiger für ein bis zwei Stunden vor dem Fernseher gesessen habe (Bl. 149, 151, 153 d.A.). Als der Beklagte zu 2 von seinem Bruder angerufen wurde, habe er ca. 30 Minuten ferngesehen. Es ist weder behauptet noch ansonsten ersichtlich, dass sich das Kind bereits früher einmal unbemerkt aus dem Wohnhaus nach draußen entfernt oder dies zumindest versucht hätte. Vor diesem Hintergrund bestand auch an diesem Tag aus Sicht der Beklagten keine Veranlassung, damit zu rechnen und entsprechende Vorkehrungen für diesen Fall zu treffen, sei es durch Absperren der Haustür oder durch eine ständige Beaufsichtigung des 4-jährigen Kindes in der elterlichen Wohnung. Der Sohn der Beklagten befand sich auch nicht in einer gefahrenträchtigen Situation, die einen ständigen Sichtkontakt erforderlich gemacht hätte, sondern er schaute im Wohnzimmer der elterlichen Wohnung fern. Beide Beklagten befanden sich ebenfalls in der Wohnung, so dass prinzipiell gewährleistet war, dass sie Gefahrensituationen in kürzester Zeit hätten erkennen und sachgerecht eingreifen können. Das Fordern einer lückenlosen Überwachung des Kindes in dieser Situation innerhalb der elterlichen Wohnung würde die Anforderungen an die elterliche Aufsichtspflicht überspannen.
(bb)
Der Senat sieht eine Aufsichtspflichtverletzung des Beklagten zu 2 auch weder darin, dass er I.A. unter den konkreten Umständen zu lange aus den Augen gelassen hätte, noch darin, dass er ihn nicht mit dem Zufallen der Haustür in Verbindung brachte.
Der Beklagte zu 2 hat bei seiner Anhörung angegeben, er habe erfahren wollen, wie es seinem Bruder im Kriegsgebiet ergehe, so dass er – nach eigenen Angaben für 4 bis 5 Minuten – mit diesem in der Küche telefoniert habe. Der ältere Bruder B. habe zu diesem Zeitpunkt mit dem Zeugen J.H. draußen gespielt. Er habe gehört, dass B. die Haustür zugemacht und das Haus verlassen habe. Ungefähr drei bis vier Minuten danach habe es dann geklingelt und ihnen sei vom Unfall berichtet worden. Nach den insoweit überzeugend begründeten Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil muss der Zeitabstand zwischen dem Annehmen des Telefonats durch den Beklagten zu 2 und der Nachricht über den stattgefundenen Unfall schon wegen der von dem Kind zurückgelegten Entfernungen zwar länger als nur 4-5 Minuten betragen haben. Umgekehrt ist indessen auch nicht festgestellt, dass zwischen der Annahme des Telefonats durch den Beklagten zu 2 und dem Unfall mehr als 10-15 Minuten verstrichen wären. In dieser Zeitspanne durfte der Beklagte zu 2 annehmen, das Kind, das zuvor ca. eine halbe Stunde und damit deutlich weniger als die ansonsten durchaus üblichen 1 bis 2 Stunden ferngesehen hatte, werde im Wohnzimmer bleiben. Das hörbare Schließen der Haustür ändert daran unter den konkreten Umständen des Streitfalls, insbesondere mit Blick auf das übliche und erwartbare Verhalten der beiden Söhne der Beklagten nichts. Der Beklagte zu 2 meinte, dies sei der ältere Sohn B. gewesen, von dem er wusste, dass er zum Spielen mit einem Freund nach draußen ging. Diese Fehlannahme begründete keine Aufsichtspflichtverletzung. Leben mehrere Personen in einem Haushalt, brauchen Eltern sich bei Fehlen besonderer Anhaltspunkte nicht bei jedem Schlagen einer Wohnungstür zu vergewissern, ob nicht vielleicht ihr jüngeres Kind, das nach ihrem Wissen gerade einer bestimmten, länger andauernden Beschäftigung nachging, diese entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten abgebrochen und allein das Haus verlassen haben könnte.
d.
Da es somit bereits an einer haftungsbegründenden Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht durch die Beklagten zu 1 und 2 fehlt, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich auf den Grad des Verschuldens im Fall einer (unterstellten) Pflichtverletzung an, insbesondere ob eine solche – wohl fernliegend – grob fahrlässig oder in einem die eigenübliche Sorgfalt der Beklagten übersteigenden Maße erfolgt wäre (§ 277 BGB).
Gleichermaßen können die weiteren im Berufungsverfahren noch streitigen Rechtsfragen (Haftungsquote, (teilweiser) Ausschluss des Regressanspruchs wegen des Familienprivilegs nach § 116 Abs. 6 SGB X a.F., prozessuale Zulässigkeit der Hilfsaufrechnung des Beklagten zu 2, Einwendungen der Beklagten zur Schadenshöhe) dahinstehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 ZPO zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.