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Ausgleichsanspruch Fluggast unabhängig vom rechtzeitigen Einfinden zur Abfertigung

Fluggastrechte: Anspruch auf Ausgleich unabhängig vom Einfinden

Das Urteil des Amtsgerichts Hamburg stellt klar, dass Fluggästen ein Ausgleichsanspruch bei großer Verspätung eines Fluges zusteht, unabhängig davon, ob sie sich rechtzeitig zur Abfertigung eingefunden haben. Dies gilt auch, wenn der Flug Teil einer Pauschalreise war. Die Entscheidung betont die Wichtigkeit der Fluggastrechte und setzt ein Zeichen für den Schutz der Passagiere bei Flugunannehmlichkeiten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 48 C 46/22   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Ausgleichsanspruch für Fluggäste bei großer Verspätung unabhängig vom rechtzeitigen Einfinden zur Abfertigung.
  2. Gültigkeit des Anspruchs auch bei Flügen, die Teil einer Pauschalreise sind.
  3. Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung EGV 261/2004 auf den Fall.
  4. Unwichtigkeit des rechtzeitigen Einfindens zur Abfertigung für den Ausgleichsanspruch bei tatsächlicher Beförderung.
  5. Klare Abgrenzung, dass die spezielle Verjährungsvorschrift des Pauschalreiserechts hier nicht anwendbar ist.
  6. Keine Anrechnung von Entschädigungsleistungen des Pauschalreiseveranstalters auf den Ausgleichsanspruch.
  7. Bestätigung der Nicht-Verjährung des Anspruchs auf Ausgleichszahlung.
  8. Betonung des Schutzes der Fluggäste und der Ziele der Fluggastrechteverordnung.

Reiserecht und Fluggastrechte: Ein ständiges Ringen um Fairness

Fluggastrechte: Ausgleichsanspruch trotz verspätetem Einfinden
(Symbolfoto: Roman Kosolapov /Shutterstock.com)

Im Bereich des Reiserechts sind Ausgleichsansprüche von Fluggästen ein häufig diskutiertes Thema. Dabei steht insbesondere die Frage im Mittelpunkt, unter welchen Umständen Passagiere Ansprüche gegenüber Fluggesellschaften geltend machen können, insbesondere wenn es um große Verspätungen oder Flugausfälle geht. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür werden maßgeblich durch die Fluggastrechteverordnung geprägt, die den Schutz der Reisenden in den Vordergrund stellt. Ein kritischer Aspekt in diesem Kontext ist, ob der Ausgleichsanspruch eines Fluggastes auch dann besteht, wenn dieser sich nicht rechtzeitig zur Abfertigung einfindet.

Dieses Thema wird noch komplexer, wenn Flüge Teil einer Pauschalreise sind und sich die Frage nach der Anwendbarkeit verschiedener Rechtsnormen stellt. Gerade aktuelle Urteile, wie das des Amtsgerichts Hamburg, liefern wichtige Einblicke in die Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen. Im folgenden werden wir uns detailliert mit einem solchen Fall befassen und die Auswirkungen auf die Rechte von Fluggästen beleuchten. Lassen Sie uns gemeinsam in die Tiefe dieser spannenden Rechtsmaterie eintauchen und verstehen, wie aktuelle Rechtsprechung die Rechte von Fluggästen bei Verspätungen stärkt.

Recht auf Entschädigung auch bei verspäteter Anreise zum Flug

Im Mittelpunkt des Verfahrens vor dem Amtsgericht Hamburg stand der Ausgleichsanspruch eines Fluggastes trotz verspäteter Anreise. Die Klägerin forderte eine Entschädigung für die große Verspätung eines Fluges, der von Hamburg nach Hurghada gehen sollte. Die Besonderheit: Die betroffenen Fluggäste, Teilnehmer einer Pauschalreise, hatten sich nicht rechtzeitig zur Abfertigung eingefunden. Trotzdem erreichte der Flug sein Ziel mit einer erheblichen Verspätung von mehr als drei Stunden. Die Fluggäste traten ihre Ansprüche an die Klägerin ab, die daraufhin die Fluggesellschaft zur Zahlung aufforderte.

Die Argumentation der Beklagten und deren Widerlegung

Die Verteidigung der Fluggesellschaft basierte auf zwei Hauptargumenten. Zum einen berief sie sich auf die Verjährung der Ansprüche gemäß den Vorschriften des nationalen Pauschalreiserechts. Zum anderen argumentierte sie, dass die Fluggäste sich nicht rechtzeitig zur Abfertigung eingefunden hätten und daher kein Anspruch bestehe. Zudem sollte eine Anrechnung von Entschädigungsleistungen des Reiseveranstalters erfolgen. Das Gericht wies diese Argumente jedoch zurück. Es stellte klar, dass die Fluggastrechteverordnung EGV 261/2004 auch dann anwendbar ist, wenn der Flug Teil einer Pauschalreise war und dass die spezielle Verjährungsvorschrift des § 651j BGB hier nicht greift.

Kernpunkte der Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg

Das Gericht betonte, dass ein Ausgleichsanspruch wegen großer Verspätung auch dann besteht, wenn der Fluggast nicht rechtzeitig zur Abfertigung erscheint, aber dennoch befördert wird. Diese Interpretation stützt sich auf die Fluggastrechteverordnung und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Der Sinn und Zweck der Verordnung, Unannehmlichkeiten für Passagiere zu vermeiden, würde konterkariert, wenn Fluggäste sich auch bei großer Verspätung den zeitlichen Vorgaben entsprechend einfinden müssten. Weiterhin wurde festgestellt, dass die Verjährung des Ausgleichsanspruchs nach allgemeinen Regeln erfolgt und eine analoge Anwendung des § 651j BGB ausscheidet.

Bedeutung des Urteils für Fluggäste und Luftfahrtunternehmen

Das Urteil des Amtsgerichts Hamburg hat weitreichende Implikationen für die Rechte der Fluggäste und die Verpflichtungen der Luftfahrtunternehmen. Es stärkt die Position der Passagiere, indem es klärt, dass ein Ausgleichsanspruch unabhängig vom rechtzeitigen Einfinden zur Abfertigung besteht, insbesondere bei großen Verspätungen. Dieses Urteil könnte ein wichtiger Bezugspunkt für zukünftige Fälle ähnlicher Natur sein und unterstreicht die Bedeutung der Fluggastrechteverordnung als zentrales Instrument zum Schutz der Rechte von Fluggästen.

Dieses Urteil illustriert die kontinuierliche Entwicklung und Interpretation von Fluggastrechten und setzt ein deutliches Signal für die Verbindlichkeit und Reichweite der Fluggastrechteverordnung im Luftverkehrssektor.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was beinhaltet der Ausgleichsanspruch Fluggast gemäß der Fluggastrechteverordnung und unter welchen Umständen kann er geltend gemacht werden?

Gemäß der Europäischen Fluggastrechteverordnung (FluggastrechteVO) haben Fluggäste einen Ausgleichsanspruch in bestimmten Situationen. Dieser Anspruch kann geltend gemacht werden, wenn der Flug annulliert wird, bei Nichtbeförderung oder bei erheblicher Verspätung des Fluges.

Die Höhe der Ausgleichszahlung variiert je nach Flugdistanz und beträgt 250 EUR für alle Flüge über eine Entfernung von 1500 km oder weniger, 400 EUR für alle innergemeinschaftlichen Flüge über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen 600 EUR.

Es ist jedoch zu beachten, dass es Ausnahmen gibt, in denen die Fluggesellschaft nicht zur Zahlung verpflichtet ist. Dies ist der Fall, wenn die Ursache der Flugstörung auf „außergewöhnliche Umstände“ zurückzuführen ist, die außerhalb der Kontrolle der Fluggesellschaft liegen, wie z.B. Naturkatastrophen, Terrorwarnungen oder technische Defekte. In solchen Fällen muss die Fluggesellschaft nachweisen, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Folgen des außergewöhnlichen Umstandes so gering wie möglich zu halten.

Um einen Ausgleichsanspruch geltend zu machen, können Fluggäste sich direkt an die Fluggesellschaft wenden oder die Hilfe von spezialisierten Dienstleistern in Anspruch nehmen. Es ist auch möglich, Ansprüche stellvertretend für Mitreisende desselben Fluges geltend zu machen.

Was besagt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs bei großer Verspätung eines Fluges?

## Rechtsprechung des EuGH zu Ausgleichsansprüchen bei Flugverspätungen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass Fluggästen ein Ausgleichsanspruch zusteht, wenn sie bei der Ankunft an ihrem Endziel einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden. Dies wurde in den Urteilen Sturgeon (C-402/07 und C-432/07) und Nelson (C-581/10 und C-629/10) festgestellt.

In einem Urteil vom 23. Oktober 2012 bestätigte der EuGH, dass diese Ausgleichszahlungsansprüche bei erheblichen Flugverspätungen mit dem Übereinkommen von Montreal, dem Grundsatz der Rechtssicherheit sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar sind.

Des Weiteren hat der EuGH entschieden, dass technische Probleme, wie die Kollision eines Treppenfahrzeugs mit einem Flugzeug oder unvorhergesehene technische Probleme, die zum Ausfall oder Austausch eines vorzeitig defekten Teils führen, grundsätzlich keine außergewöhnlichen Umstände darstellen, die eine Fluggesellschaft von ihrer Ausgleichspflicht befreien würden.

Zudem gilt der Ausgleichsanspruch auch bei großen Verspätungen im Rahmen von Flügen mit direkten Anschlussflügen, selbst wenn diese von unterschiedlichen Fluggesellschaften durchgeführt werden. Eine Rechtsbeziehung zwischen den Fluggesellschaften ist dafür nicht erforderlich. Der Begriff „direkte Anschlussflüge“ bezeichnet zwei oder mehr Flüge, die für die Zwecke des Ausgleichsanspruchs eine Gesamtheit darstellen, insbesondere wenn sie Gegenstand einer einzigen Buchung waren.

Die tatsächliche Ankunftszeit eines Fluges, die für die Berechnung der Verspätung relevant ist, ist der Zeitpunkt, zu dem mindestens eine der Flugzeugtüren geöffnet wird, da erst dann den Fluggästen das Verlassen des Flugzeugs gestattet ist.

Wie wird die Verjährung von Ausgleichsansprüchen nach der Fluggastrechteverordnung und im nationalen Recht, hier speziell nach deutschem Recht, gehandhabt?

Die Verjährung von Ausgleichsansprüchen nach der Fluggastrechteverordnung und im nationalen Recht, insbesondere nach deutschem Recht, wird unterschiedlich gehandhabt.

Die Fluggastrechteverordnung der EU enthält keine spezifische Regelung zur Verjährung von Ausgleichsansprüchen. Daher unterliegen diese Ansprüche dem nationalen Recht jedes Mitgliedstaats in Bezug auf die Verjährung.

Im deutschen Recht beträgt die Verjährungsfrist für Ausgleichsansprüche generell drei Jahre. Diese Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Beispielsweise, wenn ein Flug im Juni 2023 stattfand, beginnt die Verjährungsfrist am 31. Dezember 2023 und endet am 31. Dezember 2026.

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Für den Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, der in Deutschland gilt, beginnt die Verjährungsfrist ebenfalls mit der Entstehung der Gesamtschuld, unabhängig von der Art des Anspruchs (Mitwirkungs-, Befreiungs- oder Zahlungsanspruch).

Es ist zu beachten, dass die Verjährung nicht durch eine Mahnung an die Fluggesellschaft gehemmt wird, es sei denn, die Fluggesellschaft tritt in Verhandlungen über den Anspruch ein. Es reicht aus, wenn das gerichtliche Verfahren zur Geltendmachung des Anspruchs vor Eintritt der Verjährung eingeleitet wurde.


Das vorliegende Urteil

AG Hamburg – Az.: 48 C 46/22 – Urteil vom 29.07.2022

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.400,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.02.2022 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

4. Der Streitwert wird auf 2.400,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht Ausgleichszahlung wegen Annullierung eines von der Beklagten als ausführendes Luftfahrtunternehmen zu verantwortenden Fluges.

Frau …, Frau …, Frau … und Herr … waren im Rahmen einer Pauschalreise als Fluggäste von Hamburg nach Hurghada auf den Flug … am 10.02.2019 gebucht. Der Flug sollte planmäßig um 7:15 Uhr Ortszeit starten und am selben Tag um 13:00 Uhr Ortszeit landen. Der Flug erreichte Hurghada um mehr als drei Stunden verspätet am 11.02.2019 in den frühen Morgenstunden. Die Distanz zwischen Abflug- und Ankunftsort beträgt 3.530 km.

Die Fluggäste traten die ihnen gegen die Beklagte zustehenden Ausgleichsansprüche an die Klägerin ab, welche dies mit Schreiben vom 20.01.2022 der Beklagten anzeigte und diese zur Zahlung bis zum 03.02.2022 aufforderte.

Die Klägerin beantragt, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf Verjährung. Anwendbar seien insoweit die Vorschriften des nationalen Pauschalreiserechts. Die Fluggäste hätten sich nicht rechtzeitig zur Abfertigung eingefunden. Zudem seien Entschädigungsleistungen des Pauschalreiseveranstalters an die Fluggäste auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen.

Entscheidungsgründe

Der Klägerin stehen Ausgleichsansprüche aus der Fluggastrechteverordnung EGV 261/2004 Art 5 Abs 1 Buchst c und Art 7 Abs 1 Buchst a wegen großer Verspätung in Verbindung mit § 398 BGB zu.

Ein Ausgleichsanspruch besteht auch dann, wenn der Flug Bestandteil einer Pauschalreise ist. Jedem Fluggast steht ein Ausgleichsanspruch gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen zu, wobei es nach der Begriffsbestimmung des EGV 261/2004 Art 2 Buchst b und Buchst g auf eine unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen Fluggast und ausführendem Luftfahrtunternehmen nicht ankommt (BeckOGK/Steinrötter, 1.4.2022, Fluggastrechte-VO Art. 3 Rn. 9).

Es kann offen bleiben, zu welchem Zeitpunkt sich die Fluggäste im Sinne des EGV 261/2004 Art 3 Abs 2 Buchst a zur Abfertigung einfanden.

Die Fluggastrechteverordnung ist im Grundsatz anwendbar, wenn der Fluggast den Flug antritt und sich rechtzeitig zur Abfertigung einfindet. Dies geschieht regelmäßig durch Check-In des Fluggastes (BeckOK Fluggastrechte-VO/Schmid, 22. Ed. 1.4.2022, Fluggastrechte-VO Art. 3 Rn. 45).

Für das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs wegen großer Verspätung ist es indessen nicht erforderlich, dass sich der Fluggast im Sinne des EGV 261/2004 Art 3 Abs 2 Buchst a zur Abfertigung einfindet, wenn der Fluggast tatsächlich befördert wird.

Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Verordnung, nach dem das Erfordernis rechtzeitigen Einfindens in Fällen einer Annullierung des Fluges nicht gilt. Der Anspruch des Fluggastes auf Ausgleichszahlung bei großer Verspätung gründet nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gerade auf einer Gleichstellung mit Fluggästen annullierter Flüge (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 – C-402/07 und C-432/07 -, juris Rn. 69). Dementsprechend ist das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs wegen großer Verspätung nicht an Voraussetzungen zu knüpfen, welche über diejenigen hinausgehen, die für einen Ausgleichsanspruch wegen Annullierung nötig wären. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Fluggast – wenn auch verspätet – tatsächlich befördert wurde.

Auch Sinn und Zweck des Erfordernisses, sich rechtzeitig zur Abfertigung einzufinden, sind im Falle einer Beförderung mit großer Verspätung nicht einschlägig.

Der Fluggast hat sich rechtzeitig einzufinden, damit das Luftfahrtunternehmen den Flug pünktlich durchführen kann, was der übergeordneten Zielrichtung der Fluggastrechteverordnung entspricht, Unannehmlichkeiten für die Passagiere zu vermeiden (BeckOK Fluggastrechte-VO/Schmid, 22. Ed. 1.4.2022, Fluggastrechte-VO Art. 3 Rn. 41).

Hingegen würde dieses Ziel in vielen Fällen konterkariert, wenn der Fluggast sich auch bei großer Verspätung den zeitlichen Vorgaben des EGV 261/2004 Art 3 Abs 2 Buchst a entsprechend zur Abfertigung einfinden müsste. Denn dies zöge vielfach unnötige zusätzliche Wartezeiten des Fluggastes nach sich, der sich zur Wahrung seiner Rechte zur vorgegebenen, schriftlich angegebenen Zeit oder 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit einzufinden hätte, selbst wenn sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine große Verspätung am Zielort abzeichnete. Ein solches Normverständnis stünde nicht nur in offensichtlichem Widerspruch zu den Zielen der Fluggastrechteverordnung, sondern ginge auch mit unzumutbaren Belastungen für den Fluggast einher.

Auch soweit in dem Erfordernis rechtzeitigen Einfindens der Zweck gesehen wird, es dem Luftfahrtunternehmen zu ermöglichen, festzustellen, welche Passagiere tatsächlich an dem Flug teilnehmen werden, so dass gebuchte Plätze für Passagiere, die gleichwohl nicht mitfliegen möchten oder können, gegebenenfalls anderen Passagieren auf der Warteliste zugeteilt werden können (BGH, Urteil vom 28. August 2012 – X ZR 128/11 -, juris Rn. 17), ist dieser Zweck für das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs wegen großer Verspätung ebenfalls nicht von Relevanz, wenn der betroffene Fluggast tatsächlich befördert wird. Selbiges gilt für den Zweck, das Reisegepäck des Fluggastes rechtzeitig in Empfang nehmen zu können (BGH, Urteil vom 28. August 2012 – X ZR 128/11 -, juris Rn. 17).

Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Leistung gemäß § 214 Abs. 1 BGB zu verweigern.

Denn der Anspruch auf Ausgleichszahlung ist nicht verjährt.

Der Anspruch auf Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung verjährt auch dann gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB nach den allgemeinen Regeln, wenn der Flug Bestandteil einer Pauschalreise war. Die spezielle Verjährungsvorschrift des § 651j BGB für Pauschalreiseverträge ist nicht anzuwenden.

Die Frage der Verjährung richtet sich nach dem international anwendbaren nationalen Recht – hier dem deutschen – da die Fluggastrechteverordnung insoweit keine Regelung enthält (EuGH, Urteil vom 22. November 2012 – C-139/11 -, juris).

§ 651j BGB ist auf einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung nicht anwendbar.

Dies folgt bereits klar aus dem Wortlaut. Die Norm bezieht sich auf die in § 651i Abs. 3 BGB aufgezählten Ansprüche des Reisenden. Die in Bezug genommene Vorschrift zählt die Gewährleistungsrechte des Reisenden bei mangelhafter Pauschalreise einzeln auf. Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung sind darin nicht genannt.

Eine analoge Anwendung des § 651j BGB auf Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung scheidet aus.

Die Voraussetzungen für eine Analogie liegen nicht vor.

Dass insoweit eine unbeabsichtigte Lücke bestünde, ist nicht anzunehmen, zumal die in Bezug genommene Aufzählung des § 651i BGB nicht nur spezielle Rechte nach Pauschalreisevertragsrecht, sondern auch den Aufwendungsersatz nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht enthält. Als spezielle Verjährungsvorschrift, welche eine Ausnahme von den allgemeinen Regeln darstellt, ist deren Anwendungsbereich am Wortlaut orientiert eng zu umgrenzen. Der Wortlaut des § 651j S. 1 BGB bezieht sich klar und eindeutig auf die in § 651i Abs. 3 BGB bezeichneten Ansprüche. Eine erweiternde Anwendung wäre angesichts der Rechtstatsache, dass im Zusammenhang mit der Durchführung einer Pauschalreise vielgestaltige Ansprüche aus unterschiedlichen Rechtsgründen entstehen können, sachlich nicht mehr abzugrenzen. Eine analoge Anwendung wird deshalb im Allgemeinen nicht befürwortet (BeckOGK/Sorge, 1.4.2022, BGB § 651j Rn. 23; MüKoBGB/Tonner, 8. Aufl. 2020, BGB § 651j Rn. 2 ff.).

Einer Analogie steht des Weiteren entgegen, dass die Verjährungsvorschrift des § 651j BGB auf Harmonisierungsvorgaben der Pauschalreise-Richtlinie zurückgeht, welche in keinerlei Zusammenhang mit Ansprüchen nach der Fluggastrechteverordnung stehen.

Der Sinn und Zweck der Fluggastrechteverordnung selbst verbietet eine Verkürzung der Verjährung aus dem Grunde, dass der Flug Teil einer Pauschalreise war. Denn ausweislich des Erwägungsgrundes 5 soll der Schutz der Verordnung unterschiedslos auf Flüge im Rahmen von Pauschalreisen erstreckt sein. Fluggästen nur deswegen eine schlechtere Rechtsposition einzuräumen, weil der betroffene Flug im Zusammenhang mit einer Pauschalreise stand, bedeutete eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung durch das nationale Recht, welche mit dem Gebot effektiver und einheitlicher Durchsetzung europäischen Rechts nicht zu vereinbaren wäre.

Die Klägerin muss sich keine Zahlungen eines Reiseveranstalters nach § 651p Abs. 3 S. 2 BGB gemäß §§ 404, 407 Abs. 1 BGB analog anrechnen lassen. Es ist nicht vorgetragen, dass überhaupt Zahlungen an die Zedenten geleistet wurden. Die Klägerin hingegen hat ihrer sekundären Darlegungslast genügt und angegeben, dass an keinen der Zedenten Entschädigungszahlungen des Pauschalreiseanbieters erfolgt sind.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

 

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