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Auslegung eines Schuldanerkenntnisses hinsichtlich der Person des Empfängers

OLG Koblenz – Az.: 5 U 578/12 – Beschluss vom 27.07.2012

Es ist beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich ohne Erfolgsaussicht ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Im Einzelnen ist zur Sach- und Rechtslage zu bemerken:

Gründe

I. Die Klägerin ist mit ihren beiden Geschwistern zu jeweils gleichen Teilen testamentarische Erbin ihrer am 31.03.2011 verstorbenen Mutter. Der Beklagte war deren langjähriger Lebensgefährte. Zu seinen Gunsten war ein Geldvermächtnis von 10.000 DM ausgesetzt worden, das drei Monate nach dem Erbfall fällig wurde.

Die Erblasserin war vor ihrem Tod pflegebedürftig. Ein sozial-medizinisches Gutachten vom 18.01.2011 hatte ihr die Pflegestufe II zugewiesen und ihr eine beginnende Verwirrtheit, halluzinatorische Wahrnehmungen, mangelnde zeitliche und situative Orientierung sowie die Unfähigkeit attestiert, sich sinnvoll zu unterhalten. Ihre finanziellen Angelegenheiten wurden langjährig weithin von dem Beklagten besorgt. Am 7.01.2011 erhielt auch die Klägerin eine Vollmacht. Sie entdeckte nachfolgend, dass der Beklagte in der Vergangenheit mehrere Barabhebungen zu Lasten eines Bankkontos der Erblasserin vorgenommen hatte. Deshalb stellte sie ihn am 8.03.2011 zur Rede. Mit dessen Angebot, zur Kompensation auf seinen Vermächtnisanspruch zu verzichten und 5.000 DM zu zahlen, war sie nicht einverstanden. Stattdessen setzte sie ein Schuldanerkenntnis auf, das der Beklagte am Folgetag unterschrieb. Darin hieß es, dass er der Erblasserin „20.000 € zurückzahle, die er von ihrem Konto … abgehoben“ habe.

Unter dem 16.03.2011 focht der Beklagte seine Erklärung wegen Drohung „mit einem empfindlichen Übel“ und „Irrtum“ anwaltlich an. Daneben unterzeichnete die Erblasserin am 21.03.2011 ein vom Sohn des Beklagten verfasstes Schreiben an das Amtsgericht, in dem es hieß, die Klägerin möge das Schuldanerkenntnis des Beklagten herausgeben; es sei unter einer Drohung zustande gekommen.

Nach dem Tod der Erblasserin bot der Beklagte über seine Anwälte an, das ihm zustehende Vermächtnis wertmäßig mit Nachlassgegenständen zu verrechnen, die er in Besitz habe. Dem stimmte die Klägerin über ihre Bevollmächtigten zu und verlangte gleichzeitig die Zahlung des anerkannten Betrages von 20.000 €. Als danach von Beklagtenseite das Vermächtnis eingefordert wurde, ließ die Klägerin dagegen mit dem Anspruch aus dem Schuldversprechen vom 9.03.2011 aufrechnen.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin, gestützt auf dieses Anerkenntnis, die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 20.000 € und zum Ausgleich vorgerichtlicher Anwaltskosten von 1.023,16 € an die Erbengemeinschaft beantragt. Der Beklagte hat mit einer Widerklage auf Auskehr des Vermächtnisses in Höhe von umgerechnet 5.112,92 € und auf Ersatz eigener Anwaltskosten von 546,69 € geantwortet.

Das Landgericht hat die Klage im Hauptantrag und die Widerklage insgesamt zuerkannt; die von der Klägerin erhobenen Nebenforderungen hat es in Verneinung eines Schuldnerverzugs des Beklagten vor der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe abgewiesen: Das streitige Schuldanerkenntnis sei – in Vertretung der Erblasserin durch die Klägerin – wirksam begründet worden. Die dagegen gewandte Anfechtung des Beklagten greife ebenso wenig, wie sich ein Rechtsverzicht der Erblasserin feststellen lasse. Zudem fehle es insgesamt an einer erfolgreichen Anspruchsverrechnung, so dass sich die wechselseitig erhobenen Forderungen aus dem Anerkenntnis und dem Vermächtnis ungeschmälert gegenüber stünden.

Der Beklagte hat Berufung eingelegt und erstrebt die Abweisung der Klage insgesamt. Seiner Ansicht nach hat die Erblasserin durch das Schreiben vom 21.03.2011 auf die Anerkenntnisforderung verzichtet. Der Forderung habe zudem der Rechtsgrund gefehlt, weil die von ihm abgehobenen Barbeträge entweder wieder eingezahlt worden oder seiner Partnerschaft mit der Erblasserin zugute gekommen seien.

II. Damit vermag der Beklagte nicht durchzudringen. Es muss bei seiner Verurteilung zur Zahlung von 20.000 € nebst Rechtshängigkeitszinsen verbleiben.

1. Grundlage dafür ist die schriftliche Erklärung vom 9.03.2011, durch die der Beklagte eine entsprechende Zahlungsverpflichtung eingegangen ist. Die Erklärung wurde außer von ihm von der Klägerin und deren Schwester …[A] unterzeichnet und damit Gegenstand einer vertraglichen Abrede zwischen diesen drei Personen. Für die Annahme des Landgerichts, es sei um einen Vertrag mit der Erblasserin gegangen, die durch die Klägerin vertreten worden sei, gibt es keinen greifbaren Anhalt, weil jeder Hinweis auf ein Handeln in fremdem Namen fehlt (§ 164 Abs. 2 BGB). Demgemäß ist die nachfolgende anwaltliche Anfechtungserklärung des Beklagten vom 16.03.2011 auch nicht an die Erblasserin, sondern an die Klägerin adressiert worden. Wäre es zu einem Vertrag mit der Erblasserin gekommen, hätte die Erklärung notwendig an sie gerichtet werden müssen (Ellenberger in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 143 Rn 5).

Allerdings wurde die Erblasserin durch die Abrede vom 9.03.2011 begünstigt. Denn die versprochene Leistung sollte nicht an die Klägerin und an …[A], sondern an sie erbracht werden und so ihre – nach Auffassung der Klägerin und …[A]s vorhandenen – Ansprüche gegen den Beklagten ausgleichen. Dabei erfolgte die Verpflichtung des Beklagten, wie das Landgericht grundsätzlich zutreffend gesehen hat, im Wege eines konstitutiven Schuldanerkenntnisses (§§ 780 S. 1,  781 S. 1 BGB).  Das schließt die im hiesigen Rechtsstreit vorgebrachte Verteidigung aus, dass in Wahrheit keine Forderungen der Erblasserin gegen den Beklagten bestanden hätten und er insbesondere die in dem Schriftstück genannte Abhebung durch eine alsbaldige Wiedereinzahlung rückgängig gemacht habe (§ 814 BGB). An der Präklusion würde sich im Übrigen nichts ändern, wenn man das Schuldversprechen des Beklagten, weil es auf ein konkretes haftungsbegründenden Ereignis Bezug nahm, trotz des Umstands, dass dieses Ereignis das Verhältnis des Beklagten zur Erblasserin und damit zu einem Dritten betraf, als deklaratorisches Anerkenntnis werten würde. Es ist ständige Rechtsprechung, dass ein deklaratorisches Anerkenntnis vorhandene Einwendungen abschneidet –es sei denn, der Anerkennende kann beweisen, dass sie ihm bei der Abgabe unbekannt waren und er auch nicht damit rechnete (BGH NJW 1958, 1535; Sprau in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 781 Rn. 4).

2. Das Landgericht hat zutreffend eine erfolgreiche Anfechtung des Schuldversprechens vom 9.03.2011 verneint. Die Behauptung des Beklagten, er sei genötigt worden und habe sich in einem Irrtum befunden, ist zu wenig inhaltlich präzisiert worden, als dass sie die Anwendung der §§ 119, 123 BGB gestatten würde; außerdem fehlt es an einem Beweisantritt.

Dem angefochtenen Urteil ist ebenfalls darin beizupflichten, dass es nicht zu einer Saldierung der Anerkenntnisforderung mit dem Vermächtnisanspruch des Beklagten gekommen ist. Freilich scheiterte die von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter dem 18.10.2011 versuchte Aufrechnung nicht an der vom Landgericht herangezogenen Vorschrift des § 2040 Abs. 1 BGB. Denn die Rechte aus dem Schuldanerkenntnis konnten nicht in den Nachlass fallen, weil sei der Klägerin und …[A] zustanden. Aber deren persönliche Rechtsinhaberschaft machte eine Aufrechnung mangels Gegenseitigkeit der Forderungen unmöglich (vgl. BGH NJW 2008, 1807).

3. Schließlich hat die Erblasserin auch nicht auf die ihr am 9.03.2011 eingeräumte Rechtsposition  verzichtet.  Ein Verzicht ihrerseits war rechtlich  ausgeschlossen,  da sie  trotz ihrer Begünstigung durch das Schuldanerkenntnis keine Gläubigerstellung hatte. Wie aufgezeigt wurde, ging es um Rechte, die in der Person der Klägerin und …[A]s begründet waren, und diese Rechte kann die Klägerin nunmehr auf der Grundlage von § 432 BGB mit der Maßgabe einfordern, dass die Zahlung an die Erbengemeinschaft erfolgt.

4. Gleichwohl sei vorsorglich angemerkt:

Wäre die Erblasserin, wie das Landgericht gemeint hat, aus dem Anerkenntnis vom 9.03.2011 unmittelbar berechtigt worden, würde das der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Das gilt auch dann, wenn man mit dem Beklagten davon ausgeht, dass ein Anspruchsverzicht, der grundsätzlich einen Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner voraussetzt (Grüneberg in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 397 Rn 2f.), ausnahmsweise einseitig durch die Erblasserin hätte erfolgen können. Denkbar ist das allerdings nur unter Annahme, dass das Schuldanerkenntnis als ein Vertrag zu Gunsten Dritter gewertet wird, der von der Klägerin, …[A] und dem Beklagten in Begründung eines eigenen Forderungsrechts der Erblasserin geschlossen wurde. Dann konnte die Erblasserin die von dem Beklagten eingegangene Verpflichtung bereits durch eine an diesen gerichtete Willenserklärung aufheben, ohne dass es noch einer Annahmeerklärung von seiner Seite bedurfte (§ 333 BGB). Eine entsprechende Willenserklärung der Erblasserin lässt sich indessen nicht feststellen. Damit scheidet ein Verzicht – gleich welcher Art – aus.

a) Tatsächliche Grundlage für die Beurteilung der Verhältnisse ist das Parteivorbringen bis zum Schluss der erstinstanzlichen  mündlichen Verhandlung vom 17.04.2012. Die mit dem nachfolgenden Schriftsatz vom 19.04.2012 unterbreitete Sachverhaltsschilderung des Beklagten kann keine Berücksichtigung finden (§ 296 a  ZPO) und auch im Berufungsverfahren nicht eingeführt werden (§§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO), nachdem der Beklagte bereits unter dem 24.02.2012 gerichtlich aufgefordert worden war, einschlägig vorzutragen.

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b) Im Hinblick darauf ist eine Erklärung der Erblasserin gegenüber dem Beklagten, sie verzichte auf ihre Rechte aus dem Schuldversprechen vom 9.03.2011, nicht erkennbar geworden. Freilich brachte das von ihr unterzeichnete Schreiben vom 21.03.2011 zum Ausdruck, dass ihr der Beklagte nicht verpflichtet sein sollte. Aber das Schreiben ist an das Amtsgericht adressiert, und es ist nicht ersichtlich, dass sich die Erblasserin gleichlautend an den Beklagten gewandt hätte. Im Termin vom 17.04.2012 konnte der Beklagtenvertreter nur vermuten, dass das Schreiben der Erblasserin „zur Unterschrift“ vorgelegt wurde und dann von ihr unterzeichnet wurde. Zwar soll der Beklagte dabei zugegen gewesen sei; aber es ist offen geblieben, ob „das Schreiben vorgelesen wurde“ oder ob es die Erblasserin „für sich allein gelesen“ hat. Aus dieser Situationsbeschreibung lässt sich keine an den Beklagten gerichtete Willensäußerung der Erblasserin entnehmen. Dass der Beklagte den Inhalt des Schreibens kannte, reicht dafür nicht aus, solange nicht deutlich wurde, dass damit nicht nur das Amtsgericht, sondern auch er persönlich angesprochen werden sollte (BGH NJW 1989, 1671).

c) Selbst wenn man eine entsprechende Erklärung der Erblasserin bejahte, würde es immer noch an einem wirksamen Forderungsverzicht fehlen. Die Klägerin hat nämlich vorgetragen, dass die Erblasserin am 21.03.2011 nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. Das ist durch das sozialmedizinische Gutachten vom 18.01.2011 unterlegt worden. Die darin beschriebenen Ausfallerscheinungen sind indikativ für eine fortgeschrittene Demenz, die den Tatbestand des § 104 Nr. 2 BGB erfüllt (OLG Brandenburg, Urteil vom 23.05.2007 – 4 U 192/04; OLG Düsseldorf, Urteil vom 2.02.2011 – 18 U 175/09; OLG München NJW-RR 2009, 1599) und von der Erblasserin abgegebene Willenserklärungen nichtig machte (§ 105 Abs. 1 BGB). Dem Vorbringen der Klägerin hat der Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2012 nichts Substantielles entgegen gesetzt. Von seiner Seite ist lediglich bemerkt worden, die Erblasserin habe gewusst, was sie unterschreibe, und noch fünf Tage später eine Erklärung für eine Versicherung abgegeben. Das lieferte keinen konkreten Anhalt dafür, dass der von der Klägerin dargestellte anhaltende Demenzzustand nicht vorgelegen hätte, und war damit ungeeignet, deren Schilderung streitig zu stellen. Von daher war auch eine Beweisaufnahme nicht veranlasst.

d) Die Berufung würde also gleichermaßen scheitern, wenn das Anerkenntnis vom 9.03.2011 eine persönliche Anspruchsberechtigung der Erblasserin geschaffen hätte. Die streitige Forderung wäre dann in den Nachlass gefallen, und könnte von der Klägerin gemäß § 2039 BGB geltend gemacht werden.

III. Im Hinblick auf die fehlende Erfolgsaussicht sollte der Beklagte erwägen, das Rechtsmittel kostensparend zurückzunehmen. Bis zum 21.08.2012 besteht Gelegenheit zur Stellungnahme.

 

 

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