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Umgehungsgeschäft bei Autoverkauf – Voraussetzungen

OLG Celle

Az: 7 U 176/05

Urteil vom 15.11.2006


In dem Rechtsstreit hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2006 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 13. Mai 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert und wie folgt neugefaßt.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.800,12 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2004 Zug um Zug gegen Herausgabe und Rückübereignung eines Pkws des Herstellers Audi, Modell S 2, Erstzulassung …….zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte mit der Rücknahme des oben näher bezeichneten Pkw Audi S 2 in Verzug ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben der Kläger 39 %, der Beklagte 61 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschwer für beide Parteien: unter 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat dem Grunde nach Erfolg, ist jedoch der Höhe nach nur teilweise begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß den §§ 437 Nr. 2, 323 BGB zu. Der Beklagte ist passivlegitimiert. Der Pkw war zum Zeitpunkt der Übergabe mit erheblichen Mängeln behaftet.

1. Der Kaufvertrag ist mit dem Beklagten zustande gekommen. Bei dem Kaufvertrag hat es sich um ein Umgehungsgeschäft des Beklagten gemäß § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB mit der Folge gehandelt, dass der Beklagte selbst als Vertragspartner anzusehen ist.

a) Eine Umgehung liegt vor, wenn eine vom Gesetz verbotene Regelung bei gleicher Interessenlage durch eine andere rechtliche Gestaltung erreicht werden soll, die objektiv nur den Sinn haben kann, das gesetzliche Verbot zu unterlaufen. Im Fall des § 475 BGB gilt dies insbesondere dann, wenn die Haftung des Verkäufers ohne wirtschaftlichen Grund verringert oder ausgeschlossen wird. Eine Umgehungsabsicht ist nicht erforderlich (OLG Saarbrücken MDR 2006, 1108 – aus juris; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn 1134 m.w.N.; PalandtPutzo, BGB, 65. Aufl., § 475 Rn 6). So liegt der Fall hier.

aa) Der Zeuge K. hat sich als Hausmann bezeichnet und ausgesagt, er selbst sei nie im Kfz-Brief eingetragen gewesen und das streitgegenständliche Fahrzeug sei, solange es gefahren worden sei, bei dem Voreigentümer A. versichert gewesen. Auch wenn der Zeuge entsprechend der Behauptung des Beklagten telefonisch mit dem Kläger verhandelt haben sollte, ist der Senat nach den eigenen Angaben des Zeugen – der im übrigen mit dem Wagen nur wenige Tage gefahren sein will – der Überzeugung, dass er Strohmann für den Beklagten war, da dieser der Gewährleistungshaftung entgehen wollte. Die Hinweise des Beklagten am Telefon, er sei nicht der Eigentümer, finden in der im Internet veröffentlichten Verkaufsanzeige keine Stütze und vermögen ihm im übrigen nicht weiterzuhelfen.

bb) Einer erneuten Vernehmung des Zeugen bedurfte es dabei nicht. Das Berufungsgericht darf gem. § 398 ZPO auch ohne erneute Beweisaufnahme eine von einem Zeugen bekundete (Willens)Erklärung jedenfalls dann anders als der Erstrichter auslegen, wenn deren objektiver Erklärungswert vom Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) aus zu ermitteln ist und das Berufungsgericht bei der der Auslegung vorausgehenden Feststellung des Erklärungstatbestands von demselben Beweisergebnis ausgeht wie der Vorderrichter, sich bei der abweichenden Würdigung also auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (BGH NJW 1998, 384; NJW 1998, 2222). Dies ist hier der Fall.

cc) Das Umgehungsgeschäft ist nicht nichtig, da die vereinbarten Rechtsfolgen ernstlich gewollt sind. Gleiches gilt bei einem Strohmanngeschäft (Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 117 Rn 5 f.).

b) Folge der Umgehung ist, dass der Beklagte als Vertragspartner zu betrachten ist und dieser sich als gewerbsmäßiger Händler nicht auf die anderweitige Vertragsgestaltung berufen kann, sondern die nach dem Gesetz vorgesehene Haftung zu übernehmen hat (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O; Palandt-Putzo, a.a.O., § 475 Rn 8; Reinking-Eggert, a.a.O., Rn 1140). Der Senat macht sich diese – aus § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB folgende – Auffassung ausdrücklich zu eigen.

c) Der Beklagte kann aus der von ihm zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2005 (NJW 2005, 1039 ff) nichts herleiten. Der Bundesgerichtshof hat dort u. a. ausgeführt, dass nach einer im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung im Einzelfall eine Umgehung des für den Verbrauchsgüterkauf bezweckten Verbraucherschutzes anzunehmen sei, wenn das Agenturgeschäft missbräuchlich dazu eingesetzt werde, in ein Wahrheit vorliegendes Eigengeschäft des Unternehmers zu verschleiern. Nach Auffassung des Senats komme dabei entscheidende Bedeutung der Frage zu, die bei wirtschaftlicher Betrachtung die Chancen und Risiken des Gebrauchtwagenverkaufs zwischen dem bisherigen Eigentümer des Fahrzeugs und dem Fahrzeughändler verteilt sind. Dem Fall lag u. a. zugrunde, dass der aus dem Kaufvertrag ersichtliche Verkäufer zugleich ein anderes Fahrzeug bei dem Beklagten erworben hatte. Der hier zu entscheidende Sachverhalt ist anders gelagert. Aufgrund der fehlenden Voreintragung des aus dem Kaufvertrag ersichtlichen Verkäufers im Kfz-Schein und der im Zeitpunkt des Verkaufs weiterhin bestehenden Versicherung bei dem Voreigentümer sind genügend Anhaltspunkte dafür gegeben, dass es sich um ein Umgehungsgeschäft handelt.

2. Das Fahrzeug war zum Zeitpunkt der Übergabe mit Mängeln behaftet.

a) Nach dem Gutachten des Sachverständigen – zu dem die Parteien keine Stellungnahme abgegeben haben – liegt bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug sowohl hinten rechts als auch frontal ein Unfallschaden vor, der über einen kleineren Blechschaden hinausgeht. Diese Schäden sind nicht sach- und fachgerecht repariert worden.

b) aa) Ferner ergibt sich aus der Aussage des Zeugen F., dass bereits bei der ersten Untersuchung in seiner Werkstatt eine defekte Benzinleitung vorhanden war. Der Zeuge F. hat ausweislich seiner schriftlichen Auskunft – gegen deren Verwertung als Urkundsbeweis (vgl. hierzu Zöller-Greger, ZPO, 25.Aufl., § 377 Rn 11) die Parteien auf Anfrage des Senats keine Einwendungen erhoben haben – mitgeteilt, er könne sich im Zusammenhang mit den Angaben „dunkler Audi“ und „Schaden in der Benzinleitung“ an einen I. (der Kläger heißt mit Vornamen I.) mit einem dunklen Audi und an eine defekte Benzinleitung erinnern, allerdings nicht an die Ursache dieses Schadens. Auf die genaue Ursache kommt es aber nicht an, zumal der Beklagte nicht behauptet, das Leck in der Benzinleitung sei nach Übergabe des Fahrzeugs entstanden.

Die Mitteilung des Sachverständigen, angesichts der Notreparatur könne er nichts zum damaligen Zustand der Benzinleitung (rostbedingtes Leck?) feststellen, steht der Annahme eines Mangels nicht entgegen.

bb) Der Beklagte hat hingegen seine Behauptung nicht bewiesen, mit einem Leck in der Benzinleitung habe der Kläger nicht von B. M. bis M. fahren können. Der Sachverständige konnte mangels näherer Anhaltspunkte zum Umfang des Verlusts des Benzins nicht ausschließen, dass der Kläger mit dem Leck von B. M. bis M. fahren konnte.

3. Der Kläger muss sich allerdings gem. § 346 Abs. 2 BGB eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer von insgesamt 2.399,88 EUR auf den Kaufpreis von 6.200 EUR anrechnen lassen. Es verbleibt ein vom Beklagten zu zahlender Betrag von 3.800,12 EUR.

Der Kläger ist seit Übergabe des Fahrzeugs 34.284 km gefahren. Der Senat legt eine Nutzungsentschädigung von 7 Cent pro gefahrenen Kilometer zugrunde. Hierfür war ausschlaggebend, dass für Fahrzeuge der Oberklasse – der streitgegenständliche Pkw ist ausweislich der Schwackeliste von Juli 1997 für das Jahr der Erstzulassung 1993 mit einem Neupreis von 80.950 DM angegeben – normalerweise eine Nutzungsentschädigung von 10 Cent pro Kilometer in Ansatz gebracht wird. Allerdings ist zu beachten, dass das streitgegenständliche Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe bereits 11 Jahre alt war und einen hohen Kilometerstand von 238.000 km aufwies. Eine Minderung auf 7 Cent war unter Anwendung des § 287 ZPO jedoch erforderlich, um den bislang erfolgten Reparaturaufwand des Beklagten und die lediglich eingeschränkte Nutzbarkeit des Fahrzeugs angemessen berücksichtigen zu können.

4. Der Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs Gem. § 293 BGB im Annahmeverzug. Er ist mit Schreiben vom 09. September 2004 zur Abholung des Fahrzeugs binnen einer bestimmten Frist aufgefordert worden. Die Reaktion des Beklagten bestand darin, seine Stellung als Vertragspartner zu negieren.

5. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB, ist jedoch erst seit dem 16. September – nicht dem 11. September – 2004 begründet. Dem Beklagten ist mit dem Schreiben vom 09. September 2004 eine Frist zur Zahlung bis zum 15. September 2004 gesetzt worden.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO lagen entgegen der Anregung des Beklagten in diesem konkreten Einzelfall nicht vor.

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