Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Az: 12 ZB 13.780
Beschluss vom 24.02.2014
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 4. März 2013 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 124 a Abs. 4 VwGO). Er ist aber unbegründet, weil die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO), nicht vorliegen.
1. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Solche ernstlichen Zweifel liegen dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, B.v. 26.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624; B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – DVBl 2004, 838). Das ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb der Begründungsfrist für den Zulassungsantrag dargelegt hat (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Danach begegnet der angefochtene Gerichtsbescheid keinen rechtlichen Zweifeln. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 8. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2012 rechtmäßig ist.
Die Klägerin stellt selbst die Rechtmäßigkeit der auf § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG beruhenden Rückforderung nicht in Frage, soweit sie die ab April 2012 an die Klägerin ausbezahlten Leistungen in Höhe von 2.673 EUR umfasst, weil sie seit diesem Zeitpunkt Arbeitseinkünfte erzielt hat. Das Verwaltungsgericht hat aber auch zu Recht ausgeführt, dass die über diesen Betrag hinaus gehende Rückforderung rechtlich nicht zu beanstanden ist, weil diese Einkünfte nicht erst ab April 2012 zu berücksichtigen, sondern nach § 22 Abs. 2 BAföG als Einkommen auf den gesamten Bewilligungszeitraum anzurechnen sind, so dass die sich aus den vorgelegten Verdienstnachweisen ergebenden Einkünfte rechnerisch gleichmäßig auf die Kalendermonate Oktober 2011 bis September 2012 aufzuteilen sind, woraus sich die im Streit stehende Reduzierung der der Klägerin zustehenden Leistungen errechnet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Das Vorbringen im Zulassungsverfahren stellt die Richtigkeit dieser Entscheidung nicht in Frage. Die Klägerin hat selbst eingeräumt, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Ihre Einwendungen gegen dieses Ergebnis, das sie als unverhältnismäßig, unlogisch und mit dem Sozialstaatsprinzip unvereinbar erachtet, greifen jedoch nicht durch.
1.1 Die Argumentation, bei Anrechnung später erzielten Einkommens auf den gesamten Förderzeitraum seit dem ersten Semester wäre letztlich kein Student förderungswürdig, greift schon deshalb nicht durch, weil im Rahmen der Rückzahlungspflicht nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG die Einkommensanrechnung nach § 22 BAföG erfolgt, der nicht auf den gesamten Zeitraum des Leistungsbezugs abstellt, sondern auf den jeweiligen Bewilligungszeitraum. Dieser beträgt in der Regel ein Jahr (§ 50 Abs. 3 BAföG) und ist vom Student allenfalls insoweit beeinflussbar, als sein Beginn von der Antragstellung abhängt (§ 15 Abs. 1 BAföG; vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1999, 5 C 20/98, DVBl 2000, 639). Die anteilsmäßige Berücksichtigung des erzielten Einkommens auf den Bewilligungszeitraum ist auch nicht zufällig, unlogisch oder falsch, wie die Klägerin meint. Vielmehr wird hierdurch einerseits der Notwendigkeit Rechnung getragen, das anzurechnende Einkommen und die Förderleistung möglichst eng aufeinander abzustimmen, um den Nachrang der Ausbildungsförderung (§ 1 BAföG) zu gewährleisten. Andererseits wird hierdurch im Interesse der Praktikabilität, welcher in einem Bereich der Massenverwaltung wie der Ausbildungsförderung besondere Bedeutung zukommt, ein bei schwankenden Einkünften monatlich wechselnder Förderbetrag vermieden.
1.2 Die auf § 20 Abs. 1 Nr. 3 BAföG beruhende Rückzahlungspflicht der Klägerin ist auch mit dem auf dem Rechtsstaatsprinzip beruhenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes vereinbar. Entsprechend obigen Ausführungen bezweckt die Regelung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 22 Abs. 2 BAföG die Sicherstellung der sich aus § 1 BAföG ergebenden Grundregel, dass Auszubildende unabhängig von allen anderen Leistungsvoraussetzungen nur insoweit Ausbildungsförderung beanspruchen können, als ihnen für ihren Lebensunterhalt und ihre Ausbildung erforderliche Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 22.10.1981 – 5 C 58/79, 5 C 61/79 – FamRZ 1982, 538 bzw. 1045; U.v. 8.6.1989, NVwZ RR 1990, 251; U.v. 19.3.1992, NVwZ RR 1992, 423) stellt § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG eine eigenständige und in sich abgeschlossene Anspruchsgrundlage dar, bei der Vertrauensschutz keine Rolle spielt, ohne dass dies verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre (vgl. auch Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Aufl. 2005, § 20 Rn. 4). Eine unzulässige Rückwirkung liegt insoweit nicht vor. Nachdem über die Förderung in der Regel zu Beginn des Bewilligungszeitraums mit Wirkung für die Zukunft entschieden wird, ergibt sich aus der Natur der Sache, dass erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraums feststellbar ist, ob und in welcher Höhe tatsächlich Einkommen erzielt wurde. Daher ist für den Auszubildenden unschwer erkennbar, dass die Bewilligung sozusagen unter dem stillschweigenden Vorbehalt der Änderung steht, was die generelle Versagung des Vertrauensschutzes für diese Fälle rechtfertigt (vgl. Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl. September 2013, § 20 Rn. 14). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann durch die im Gesetz für besondere Härtefälle vorgesehene Möglichkeit des Antrags auf Stundung, Niederschlagung, Erlass oder Ratenzahlung den verfassungsrechtlichen Anforderungen in genügender Weise Rechnung getragen werden.
1.3 Auch das Sozialstaatsprinzip gebietet es nicht, eine im Laufe des Bewilligungszeitraums veränderte Einkommenssituation erst ab dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, ab dem die Einkünfte erzielt worden sind. Die anteilige Anrechnung des Einkommens auf jeden Monat des Bewilligungszeitraums und die daraus resultierende Pflicht zur Rückzahlung der danach zu viel erhaltenen Leistungen erfolgt erst im Nachhinein, nachdem diese Einkünfte dem Auszubildenden tatsächlich zugeflossen sind. Diese Regelung stellt damit auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit ab, ohne die Zugangsmöglichkeit zur Ausbildung in Frage zu stellen. Angesichts der bereits dargestellten gesetzlichen Regelungen zur Vermeidung von Härtefällen ist das Abstellen auf den gesamten Bewilligungszeitraum daher zur Gewährleistung des Prinzips des Nachrangs der Ausbildungsförderung gerechtfertigt.
1.4 Auf den Vortrag der Klägerin, dass sie zum Zeitpunkt der ursprünglichen Bewilligung der Ausbildungsförderung noch kein Einkommen erzielt habe und dessen fehlende Berücksichtigung daher nicht auf eine unterbliebene Bekanntgabe ihrerseits zurückzuführen sei, kommt es nicht entscheidungserheblich an. Denn nach der oben aufgeführten, gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung hängt der Rückforderungsanspruch des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG ausschließlich vom Vorliegen der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen ab, ohne dass subjektive Elemente – sei es auf Seiten der Behörde oder des Auszubildenden – für sein Entstehen eine Rolle spielen (vgl. auch Rothe/Blanke, a.a.O. m.w.N.).
2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Die Rechtssache wirft keine Fragen auf, die sich nicht ohne weiteres bereits im Zulassungsverfahren hätten klären lassen und deshalb die Durchführung eine Berufungsverfahrens erfordern würden.
3. Ebenso wenig ist die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache dient in erster Linie der Rechtseinheit und der Fortentwicklung des Rechts. Er erfordert deshalb, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder durch Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt und über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist (Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 124 Rn. 36).
Ungeachtet der Frage, inwieweit der Zulassungsantrag insoweit dem Erfordernis der Darlegungslast nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO gerecht wird (vgl. hierzu Happ in Eyermann, a.a.O., § 124 a Rn. 72), ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hier bereits deshalb zu verneinen, weil die Übereinstimmung der streitentscheidenden Normen mit Verfassungsrecht durch die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist.
Der Zulassungsantrag hat daher keinen Erfolg.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
5. Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.