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Bankschließfachvertrag – Pflichten der Bank

Bank haftet nicht für Einbruch in Schließfach

Das LG Dortmund wies die Klage einer Frau ab, die von ihrer Bank 125.000 Euro Schadensersatz verlangte, weil ihr Ehemann unberechtigterweise Zugang zu ihrem Bankschließfach erhalten und daraus angeblich Geld entnommen hatte. Die Bank hatte zwar ihre Pflichten aus dem Schrankfach-Mietvertrag verletzt, aber die Klägerin konnte nicht beweisen, dass das Geld tatsächlich im Schließfach war oder von ihrem Ehemann entnommen wurde. Die Klägerin trug die Prozesskosten und das Urteil war vorläufig vollstreckbar.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 O 514/22   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Klageabweisung: Das LG Dortmund lehnte die Schadensersatzforderung der Klägerin ab.
  2. Pflichtverletzung der Bank: Die Bank hatte durch den unberechtigten Zugang des Ehemanns ihre Pflichten verletzt.
  3. Kein Beweis für Einlage oder Entnahme: Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass das Geld im Schließfach war oder entnommen wurde.
  4. Kosten des Rechtsstreits: Die Klägerin muss die Prozesskosten tragen.
  5. Vorläufige Vollstreckbarkeit: Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
  6. Beweislast: Die Klägerin trug die Beweislast für die Einlage und Entnahme des Geldes.
  7. Keine Beweisnot der Klägerin: Die Klägerin war nicht in Beweisnot, da sie ihren Ehemann als Zeugen hätte benennen können.
  8. Gesamtschaden: Es entstand kein Schaden durch die Pflichtverletzung der Bank.

Der Bankschließfachvertrag und seine rechtlichen Implikationen

Bankschließfach
(Symbolfoto: Emiel Lops Photography /Shutterstock.com)

Der Bankschließfachvertrag bildet eine spezielle Form des Mietverhältnisses zwischen Bank und Kunden, die sowohl hinsichtlich der Sicherheitsanforderungen als auch im Hinblick auf die Haftungsfrage Besonderheiten aufweist. Dieses Vertragsverhältnis, oft gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Vertrauen und Sicherheitserwartungen, steht im Spannungsfeld zwischen dem Bedürfnis des Kunden nach sicherer Aufbewahrung wertvoller Gegenstände und der Verantwortung der Bank, die vereinbarten Sicherheitsstandards einzuhalten.

Die juristische Komplexität entsteht häufig aus Situationen, in denen die Frage nach der Zugangsberechtigung und der Verantwortung bei Pflichtverletzungen seitens der Bank im Raum steht. Besonders heikel wird es, wenn es um den Inhalt des Schließfachs und dessen Beweisbarkeit geht. Der folgende Text beschäftigt sich mit einem konkreten Urteil, das diese Aspekte beleuchtet und wichtige Erkenntnisse für die Rechtspraxis liefert. Tauchen Sie ein in die Welt des Bankrechts und entdecken Sie, wie die Gerichte mit den Herausforderungen eines Bankschließfachvertrags umgehen.

Der Streit um das Bankschließfach: Ein komplexer Fall

Das Landgericht Dortmund stand vor einem komplexen Fall, bei dem es um die Inanspruchnahme einer Bank für einen angeblich entwendeten Geldbetrag aus einem Bankschließfach ging. Die Klägerin, eine Kundin der beklagten Bank, verlangte die Erstattung eines Betrages von 125.000 Euro. Dieser Betrag wurde angeblich von ihrem Ehemann aus dem Schließfach entnommen, zu dem er nach einem Widerruf der Schrankvollmacht keinen Zugang mehr haben sollte.

Chronologie des Falls: Vertrag, Widerruf und behauptete Entwendung

Am 17. November 2021 schloss die Klägerin einen Schrankfach-Mietvertrag mit der Bank ab. Im Rahmen dieses Vertrags zahlte sie eine jährliche Miete für die Nutzung des Schließfachs, in dem sie Bargeld und andere Wertgegenstände aufbewahren konnte. Die Bank übernahm keine Kenntnis vom Inhalt des Schrankfachs und vereinbarte mit der Klägerin eine Versicherung gegen verschiedene Schäden bis zu einem Betrag von 200.000 Euro.

Die Klägerin erteilte ihrem Ehemann sowie zwei weiteren Personen eine Schrankvollmacht. Diese Vollmacht widerrief sie jedoch am 1. März 2022 gegenüber der Bank. Interessanterweise hob die Klägerin am selben Tag einen Betrag von 125.000 Euro von ihrem Konto ab, welchen sie behauptete, im Schließfach deponiert zu haben.

Rechtliche Auseinandersetzung und Gerichtsentscheidung

Der Kern des Rechtsstreits lag in der Behauptung der Klägerin, dass ihr Ehemann trotz des Widerrufs der Vollmacht Zugang zum Schließfach erhalten und den Geldbetrag entnommen habe. Die Bank bestritt das Einlegen des Geldes sowie die Entnahme durch den Ehemann und betonte, keine Kenntnis vom Inhalt des Schließfachs genommen zu haben.

Das Gericht wies die Klage ab, da die Klägerin die Beweislast für das Einlegen des Geldes sowie dessen Entnahme trug und diese nicht erfüllen konnte. Die Bank hatte ihre Pflichten aus dem Schrankfach-Mietvertrag objektiv verletzt, indem sie dem Ehemann der Klägerin Zutritt gewährte, jedoch entstand der Klägerin kein nachweisbarer Schaden durch diese Pflichtverletzung.

Schlussfolgerungen und weiterführende Fragen

Die Entscheidung des LG Dortmund zeigt die Komplexität von Fällen, die Bankschließfächer betreffen. Die Beweislast und die Frage der Schadensersatzansprüche spielen eine entscheidende Rolle. Dieser Fall wirft wichtige Fragen bezüglich der Sicherheitspflichten von Banken und der Beweisführung in solchen Fällen auf. Es bleibt zu klären, wie in Zukunft mit ähnlichen Situationen umgegangen wird, insbesondere im Hinblick auf die Sicherheitsmaßnahmen und die Verantwortung der Banken bei der Verwaltung von Schließfächern.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Welche Pflichten hat eine Bank bei der Verwaltung von Schließfächern?

Ein Bankschließfachvertrag ist eine Vereinbarung zwischen einer Bank und einem Kunden, die die Nutzung eines Bankschließfachs regelt. In Deutschland sind Banken bei der Verwaltung von Schließfächern bestimmten Pflichten unterworfen.

Zunächst einmal hat die Bank eine Obhuts- und Aufklärungspflicht gegenüber dem Kunden. Das bedeutet, dass sie geeignete Maßnahmen treffen muss, um die Sicherheit des Schließfachs und seines Inhalts zu gewährleisten. Dazu können beispielsweise die Überwachung des Schließfachraums durch eine Videokamera oder die Implementierung von Sicherheitssystemen gehören, die Einbrüche verhindern oder erschweren.

Darüber hinaus sind Banken gesetzlich verpflichtet, die Stammdaten des Kunden bei der Eröffnung von Schließfächern an die Finanzbehörden zu melden. Dies dient der Bekämpfung von Steuerumgehungen und Geldwäsche.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Transparenz. Seit der 5. EU-Geldwäschereirichtlinienerweiterung existiert für Bankschließfächer ein Transparenzregister. Dies bedeutet, dass die Bank bestimmte Informationen über den Kunden und das Schließfach offenlegen muss.

Schließlich ist zu erwähnen, dass ein Bankschließfachvertrag in Deutschland in der Regel an ein legitimiertes Bankkonto geknüpft sein muss. Dies bedeutet, dass der Kunde ein Konto bei der Bank führen muss, um ein Schließfach mieten zu können.

Diese Pflichten und Anforderungen dienen dazu, die Sicherheit und Integrität des Bankschließfachsystems zu gewährleisten und Missbrauch zu verhindern. Sie tragen dazu bei, das Vertrauen der Kunden in diese Dienstleistung zu stärken und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sicherzustellen.


Das vorliegende Urteil

LG Dortmund – Az.: 3 O 514/22 – Urteil vom 16.06.2023

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 125.000,00 EUR trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die verklagte …bank auf Erstattung eines angeblich von der Klägerin in ein Schrankfach eingelegten und angeblich von ihrem wegen eines zwischenzeitlichen Schrankvollmachtswiderrufs nicht mehr zutrittsberechtigten Ehemann dem Schrankfach entnommenen Bargeldbetrages in Höhe von 125.000,00 EUR nebst Zinsen in Anspruch.

Am 17.11.2021 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Schrankfach-Mietvertrag in den Räumlichkeiten der …bank Ort-01 (einer Zweigniederlassung der Beklagten) ab. Die Klägerin verpflichtete sich, einen Mietpreis in Höhe von 132,00 EUR pro Jahr zu zahlen, zu entrichten spätestens bis zum 15. Februar eines jeden Jahres, und enthielt als Gegenleistung das Schließfach mit der Nummer 000, das sie berechtigte, in dem Schließfach Geld und/oder andere Gegenstände für unbestimmte Zeit aufzubewahren.

Gemäß Ziff. 4 der Sonderbedingungen für die Vermietung von Schrankflächen nimmt die Bank keine Kenntnis von dem Schrankfachinhalt. Zusätzlich vereinbarten die Parteien im gleichen Mietvertrag, dass die Beklagte einen Betrag bis zu 200.000,00 EUR gegen Zerstörung, Beschädigung und Einbruchsdiebstahl/Raub in den Geschäftsräumen der Bank sowie gegen Elementarschäden in denselben Geschäftsräumen für einen Beitrag in Höhe von 296,25 EUR pro Jahr versichern würde. Von Seiten der Beklagten erfolgte die Übergabe von zwei Schlüsseln an die Klägerin. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schrankfach-Mietvertrages vom 17.11.2021 wird auf die Anlage KE 1 (Bl. 52-54 d.A.) Bezug genommen.

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Im Rahmen von Ziff. 5 Abs. 1 S. 1 der Sonderbedingungen für die Vermietung von Schrankfächern erteilte die Klägerin auf einem am 18.11.2021 unterzeichneten Vordruck (Anlage K3 = Bl. 10 d.A.) ihrem Ehemann A1, wohnhaft unter der gleichen Anschrift wie die Klägerin, geb. am 00.00.0000, (sowie zwei weiteren Personen, nämlich Frau B1 und Frau C1), Schrankvollmacht, die den Ehemann als Vertreter der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Mieterin berechtigte, das Recht auf Zugang zu dem Schließfach auszuüben.

Am 01.03.2022 widerrief die Klägerin die Vollmacht für ihren Ehemann A1 gegenüber der Beklagten. Der Widerruf erfolgte in der Weise, dass die Bitte „um Löschung der Safevollmacht für A1“ handschriftlich auf das Vollmachtsformular aufgebracht, von der Klägerin unterzeichnet und schließlich der handschriftliche Vermerk „Vollmacht gelöscht“ von einem/r Bankmitarbeiter/in auf das Formular gesetzt wurde (Anlage K3, ebda.).

Am selben Tag, dem 01.03.2022, hob die Klägerin von ihrem bei der Beklagten geführten Konto 125.000,00 EUR in bar ab.

Am 21.03.2022 um 9:23 Uhr wurde Herr A1 als Besucher des Schließfachs Nr. 000 in die Besucherkartei aufgenommen (Anlage K4 = Bl. 11 d.A.).

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.07.2022 an die L1 AG (Anlage K5 = Bl. 12-14 d.A.) und vom 26.08.2022 an die Beklagte (Anlage K6 = Bl. 15-17 d.A.) forderte die Klägerin die Versicherung bzw. die Beklagte selbst vergeblich zur Erstattung der 125.000,00 EUR auf.

Die Klägerin behauptet, dass sie den am 01.03.2022 abgehobenen Geldbetrag in Höhe von 125.000,00 EUR – es handele sich dabei um den Erlös aus dem Verkauf der ihr gehörenden Eigentumswohnung Straße-01 in Ort-01- sogleich in ihrem Schließfach mit der Nr. 000 deponiert habe. Sie habe sich bei der Beklagten vergewissert, ob es tatsächlich ausgeschlossen sei, dass ihr Mann noch über das Bankschließfach verfügen könne. Von der Beklagten sei ihr mitgeteilt worden, dass nur geschulte Mitarbeiter im Einsatz seien und die Vollmachten vor dem Zugang zum Schließfach ohnehin kontrolliert würden. Von ihrem Ehemann hätte sie zu diesem Zeitpunkt innerhalb der gemeinsamen Ehewohnung getrennt gelebt, später sei er aus der Ehewohnung ausgezogen.

Die Klägerin behauptet weiter, dass ihr Ehemann am 21.03.2022 aus dem Schließfach mit der Nr. 000 einen Geldbetrag von 125.000,00 EUR in bar entnommen habe, der für die Klägerin nunmehr verloren sei. Was ihr Ehemann mit dem Geld gemacht hat, wisse sie nicht. Herr A1 habe am 21.03.2023 von dem Widerruf seiner Schrankvollmacht keine Kenntnis gehabt; sie habe ihm jedenfalls nichts davon erzählt. Wegen seiner fehlenden Kenntnis vom Widerruf der Vollmacht könne sie ihrem Ehemann auch keinen Vorwurf machen, weshalb sie gegen ihn keine Anzeige erstattet habe bzw. erstatten werde. Die Schuld treffe nur die Bank, sie möchte die Summe von der Bank erstattet haben.

Die Klägerin beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 125.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Verzugseintritt am 04.08.2022 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin am 01.03.2022 125.000,00 EUR in bar in das Schrankfach mit der Nr. 000 verbracht haben soll. Mit Nichtwissen bestreitet sie ferner, dass der Ehemann der Klägerin anlässlich seines Besuches des Schrankfachs mit der Nr. 000 am 21.03.2022 125.000,00 EUR aus diesem Schrankfach entnommen haben soll.

Sie behauptet hierzu, dass sie weder am 01.03.2023 noch am 21.03.2023 noch in der Zwischenzeit Kenntnis vom Inhalt des Schrankfachs mit der Nr. 000 genommen habe. Das Schließfach werde nur auf Wunsch des Kunden und nur in dessen Anwesenheit geöffnet. Die Schließfachöffnung folge dabei einer festen Ablaufbeschreibung, die auch bei den Schließfachöffnungen am 01.03.2023 sowie am 21.03.2023 beachtet worden sei. Der Service-Mitarbeiter – am 21.03.2023 sei dies Herr D1 gewesen – begleite den Kunden zu den Schließfächern im Keller des Bankgebäudes. Der Mitarbeiter schließe sodann das entsprechende Fach vor. Der Kunde könne anschließend mit seinem eigenen Schlüssel mittels nochmaligen Schließens das Fach öffnen. In jedem Schließfach befinde sich eine Schließfachbox, in welche der Kunde seine Wertgegenstände legen könne. Bevor der Kunde das Schließfach gänzlich öffne bzw. die Schließfachbox entnehme, verlasse der Mitarbeiter den Raum. Nur auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden öffne der Service-Mitarbeiter das Fach und hole für den Kunden die Schließfachbox aus dem Schließfach. Diese werde dann im Schließfachraum auf den Tisch gestellt. Danach verlasse der Service-Mitarbeiter den Raum, ohne zuvor einen Blick in die Box geworfen zu haben.

Die Beklagte meint, dass die Klägerin sowohl für das behauptete Einlegen der 125.000,00 EUR als auch für die behauptete Entnahme der 125.000,00 EUR aus dem Schließfach durch ihren Ehemann beweisfällig geblieben sei. Die Klägerin hätte ihren Ehemann insoweit als Zeugen benennen können; dieses Versäumnis gehe prozessual zu ihren Lasten.

Die Kammer hat in der Sache am 16.06.2023 mündlich verhandelt. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Es wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.06.2023 und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch ergibt sich weder aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Schrankfach-Mietvertrag vom 17.11.2021 noch unter einem sonstigen rechtlichen Gesichtspunkt.

a)

Der „Schrankfach-Mietvertrag“ vom 17.11.2021 (Anlage KE1 = Bl. 52-54 d.A.) ist rechtlich – insoweit auch in Übereinstimmung mit der in dem Formularvertrag gewählten Bezeichnung – als Mietvertrag im Sinne von § 535 BGB zu qualifizieren. Dafür spricht die Überlegung, dass es den Parteien eines Schrankfachvertrages regelmäßig gleichgültig ist, ob der Kunde überhaupt und welche Sachen er in das Schließfach einbringt; dem Kunden kommt es auf die Aufbewahrungsmöglichkeit an. Handlungszweck des Schließfachkunden ist die Aufbewahrung von Gegenständen (vgl. zum Ganzen: Klanten, in: Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Auflage 2022, § 48 Rn. 3 f. mit umfangreichen Rechtsprechungs- und Schrifttumsnachweisen).

b)

Die Beklagte dürfte ihre Pflichten aus dem mit der Klägerin geschlossenen Schrankfach-Mietvertrag auch in objektiver Hinsicht verletzt haben.

aa)

Die Besonderheiten des Schließfachvertrages unter dem Aspekt der erwarteten höheren Sicherheit prägen den Mietvertrag und die aus ihm folgenden Verpflichtungen der Bank über das übliche gesetzliche Maß hinaus. Geschuldet werden Bewachung und Sicherung des Schließfaches unter Zuhilfenahme von Mitteln, die dem anerkannten Stand der Technik entsprechen, eine allgemeine Kontrolle und Überwachung des Zugangs und die Prüfung der Zugangsberechtigung im Einzelfall. Die Bank muss danach insbesondere darüber wachen, dass Unbefugte keinen Zutritt erlangen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.02.2012 – 24 U 193/11 – BeckRS 2012, 5974).

Diese Pflicht hat die Beklagte hier dadurch verletzt, dass sie dem Ehemann der Klägerin, Herrn A1, unstreitig am 21.03.2022 Zutritt zu dem Schließfach der Klägerin gewährte (dokumentiert in der Besucherkartei: Anlage K4 = Bl. 11 d.A.), obwohl diese die ihrem Ehemann bei der Eröffnung des Schließfaches erteilte Vollmacht bereits am 01.03.2022 schriftlich widerrufen hatte (s. Anlage K3 = Bl. 10 d.A.). Aufgrund des Widerrufs der Vollmacht war der Ehemann der Klägerin nicht mehr zum Zugang berechtigt, weshalb die Beklagte einem Unbefugten den Zugang zu dem Schließfach ermöglicht hat.

bb)

Bereits an dieser Stelle – die Beklagte verortet dies bei einem möglicherweise anspruchsmindernden Mitverschulden der Klägerin nach § 254 BGB (s. S. 6 ff. der Klageerwiderungsschrift = Bl. 43 ff. d.A.) – sei bemerkt, dass die Klägerin nicht verpflichtet war, den Widerruf der Vollmacht nicht nur der Bank (d.h. der Geschäftsgegnerin) gegenüber, sondern auch ihrem Ehemann als dem bis dahin Bevollmächtigten gegenüber anzuzeigen.

Ziff. 5 Abs. 3 S. 1 der Sonderbedingungen für die Vermietung von Schrankfächern (Bl. 54 d.A.) sieht vor, dass „der Mieter (…) die Vollmacht jederzeit mit Wirkung für die Zukunft der Bank gegenüber widerrufen“ kann. Genau das hat die Klägerin unstreitig getan.

Anderes sieht auch das Gesetz nicht vor: Für die Frage, gegenüber wem die Widerrufserklärung abzugeben ist, verweist § 168 S. 3 BGB auf die Regelung in § 167 Abs. 1 BGB. Dementsprechend kann der Widerruf sowohl gegenüber dem Vertreter als auch gegenüber dem Dritten, gegenüber dem der Vertreter von seiner Vollmacht Gebrauch machen sollte, erklärt werden. Der Vollmachtgeber hat somit die Wahlmöglichkeit (vgl. Huber, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg.: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg.: Hager, Stand: 01.11.2021, § 168 Rn. 41).

Eine Verpflichtung des Vollmachtgebers, den Widerruf der Vollmacht dem Geschäftsgegner und – kumulativ – dem Bevollmächtigten gegenüber anzuzeigen, ergibt sich somit weder aus dem Schrankfach-Mietvertrag noch aus dem Gesetz. Dass im Falle eines Vollmachtwiderrufs die gleichzeitige Unterrichtung von Geschäftsgegner und Bevollmächtigtem schon zur Vermeidung der Setzung eines ungewollten Rechtsscheins (§§ 170 ff. BGB) in der Praxis „am sichersten“ erscheinen dürfte (so ausdrücklich: Huber, a.a.O., § 168 Rn. 42.1), ändert an dieser Einschätzung nichts.

c)

Die Beklagte hat die objektive Pflichtverletzung auch zu vertreten, § 276 BGB.

d)

Der Klägerin ist durch die Pflichtverletzung der Beklagten indes kein Schaden entstanden.

aa)

Der Annahme eines durch die Pflichtverletzung der Beklagten entstandenen Schadens steht allerdings nicht schon entgegen, dass unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin die in dem Schließfach deponierten Vermögensgegenstände nur von ihrem Ehemann entwendet worden sein können, und der Klägerin daher Herausgabe- und/oder Ersatzansprüche gegen ihren Ehemann zustehen. Denn ein Schaden kann – wie sich aus § 255 BGB ergibt – grundsätzlich nicht deshalb verneint werden, weil ein anderweitiger Anspruch gegen einen Dritten besteht, durch dessen Realisierung der vom Schädiger schuldhaft verursachte Vermögensverlust ausgeglichen werden könnte. In einem solchen Fall kann der Ersatzpflichtige lediglich die Abtretung jenes Anspruchs nach § 255 BGB verlangen (vgl. OLG Düsseldorf, ebda. m.w.N.).

Der Schaden ist demnach auch durch die Weigerung der Klägerin, Strafanzeige gegen ihren Ehemann wegen Diebstahls bzw. Unterschlagung zu erstatten, nicht entfallen.

bb)

Jedoch ist die Klägerin für die Einlegung des Bargeldbetrages in das Schließfach mit der Nr. 000 sowie für die Entnahme ebenjenes Geldbetrages durch ihren Ehemann beweisfällig geblieben.

Die Klägerin trifft nach den allgemeinen Grundsätzen die Beweislast dafür, dass sich die 125.000,00 EUR in bar in ihrem Schließfach befanden und aus diesem entwendet worden sind. Eine Umkehr der Beweislast ist auch vor dem Hintergrund einer möglicherweise schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten nicht angezeigt (Einzelheiten: OLG Düsseldorf, ebda.).

Die Beklagte hat – wie oben dargestellt – vorgetragen, dass am 01.03.2022 bei der behaupteten Einlage der 125.000,00 EUR durch die Klägerin keiner ihrer Mitarbeiter zugegen gewesen sei. Am 21.03.2022 habe Herr D1 das Schließfach Nr. 000 für Herrn A1 vorgeschlossen; was in dem Schließfach war und ob Herr A1 etwas daraus entnahm, habe Herr D1 – in Befolgung der Ablaufbeschreibung für die Schließfachöffnung – nicht wahrgenommen.

Die Klägerin hat ihre eigene Parteivernehmung nach § 447 ZPO beantragt. Die Beklagte hat dem jedoch widersprochen.

Für eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO muss die Klagepartei den sog. „Anbeweis“ für die Richtigkeit ihrer Darstellung des Geschehensablaufes erbringen. Befindet sich die Klagepartei in Beweisnot und kann sie diese Voraussetzung mit anderen zulässigen Beweismitteln nicht erfüllen, so ist sie nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung wenigstens nach § 141 ZPO anzuhören (vgl. BGH, Urt. v. 24.01.2006 – XI ZR 320/04 – NJW 2006, 1429, 1431 f., Rn. 27 ff.; ferner: Frhr. von Buttlar, in: Fandrich/Karper, Münchner Anwaltshandbuch Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2018, § 8 Rn. 626). „Anbeweis“ meint dabei eine „Anfangswahrscheinlichkeit“ (so: BGH, Beschl. v. 27.09.2017 – XII ZR 48/17 – NJW-RR 2018, 249, 250, Rn. 12) bzw. eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“ (so: Lange, NJW 2002, 476, 482).

Für eine Anhörung der Klägerin nach § 141 ZPO war im Streitfall jedoch kein Raum, da sie sich nicht in Beweisnot befindet.

Da die Regelungen der §§ 445 ff. ZPO subsidiär gegenüber anderen Beweismitteln sind und grundsätzlich voraussetzen, dass eine Partei sich in Beweisnot befindet, ihr also keine Beweismittel zur Verfügung stehen oder diese nicht ausreichen, hängt die Zulässigkeit einer Parteivernehmung von Amts wegen gemäß § 448 ZPO weiterhin davon ab, dass zuvor alle angebotenen Beweismittel, also auch die nach § 445 ZPO oder § 447 ZPO beantragte und nur mit Einverständnis des jeweiligen Gegners mögliche Parteivernehmung, ausgeschöpft worden sind und keinen vollständigen Beweis erbracht haben. Weiterhin obliegt es der Partei, zunächst einen ihr zumutbaren Zeugenbeweis anzutreten. Ist ihr ein solcher möglich, befindet sie sich nicht in Beweisnot, sondern ist beweisfällig (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2019 – III ZR 198/18 – NJW 2020, 776, 777, Rn. 21; Urt. v. 26.03.1997 – IV ZR 91/96 – NJW 1997, 1988; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, 20. Auflage 2023, § 448 Rn. 2).

Die Klägerin hätte Zeugenbeweis durch Benennung ihres Ehemannes antreten können, weshalb keine Beweisnot gegeben war (vgl. dazu auch: BGH, Urt. v. 09.03.1990 – V ZR 244/88 – NJW 1990, 1721). Es kommt hinzu, dass es sich bei dem Ehemann der Klägerin auch gerade nicht um einen sog. „gegnerischen“ Zeugen (also einen Zeugen, der ersichtlich im Lager der Gegenpartei steht) handelt, bei dem die höchstrichterliche Rechtsprechung eher zur Annahme einer Beweisnot neigt, weil der Beweisführer eine im Lager des Prozessgegners stehende Person nicht als Zeugen zu benennen braucht (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2019, S. 777 f., Rn. 23; Urt. v. 08.07.2010 – III ZR 249/09 – NJW 2010, 3292, 3293, Rn. 16; Beschl. v. 30.09.2004 – III ZR 369/03 – BeckRS 2004, 9779; Urt. v. 19.04.2002 – V ZR 90/01 – NJW 2002, 2247, 2249).

2.

Mangels Hauptsacheanspruch kann die Klägerin von der Beklagten auch keine Zinsen ersetzt verlangen.

II.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Den Streitwert hat das Gericht gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf 125.000,00 EUR festgesetzt.

III.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.

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