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Baustellenunfall mit Personenschaden -Überrollen eines Arbeiters durch Teleskopstapler

LG Münster – Az.: 16 O 251/08 – Urteil vom 15.06.2011

1. Die Beklagten zu 1) bis 3) werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 15.281,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen und zwar die Beklagte zu 1) seit dem 09.07.2008, der Beklagte zu 2) seit dem 20.06.2008 sowie die Beklagte zu 3) seit dem 23.06.2008.

2. Die Beklagten zu 1) bis 3) werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger Schmerzensgeld in Höhe von 60.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen und zwar die Beklagte zu 1) seit dem 09.07.2008, der Beklagte zu 2) seit dem 20.06.2008 sowie die Beklagte zu 3) seit dem 23.06.2008.

3. Die Beklagten zu 1) bis 3) werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.999,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen und zwar die Beklagte zu 1) seit dem 09.07.2008, der Beklagte zu 2) seit dem 20.06.2008 sowie die Beklagte zu 3) seit dem 23.06.2008.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 27.07.2006 gegen 08:15 Uhr auf der Baustelle der Firma U in der E-straße in O zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Gerichtskosten haben der Kläger zu 56 % und die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner zu 44 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4) bis 6) werden dem Kläger auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner zu 44 % und der Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) bis 3) zu 13 %. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Unfalls auf einer Baustelle vom 27.07.2006 geltend.

Baustellenunfall mit Personenschaden -Überrollen eines Arbeiters durch Teleskopstapler
Symbolfoto: Von Halfpoint/Shutterstock.com

Die Beklagten zu 4) und 5) errichteten als Bauherren auf dem Gelände der Firma U, E-straße in O eine Lagerhalle sowie ein Verwaltungsgebäude. Die Beklagte zu 1) war durch die Beklagten zu 4) und 5) mit dieser Errichtung beauftragt. Die Beklagte zu 3) war als Subunternehmerin der Beklagten zu 1) auf der Baustelle tätig. Der Beklagte zu 2) war bei der Beklagten zu 3) beschäftigt. Der Beklagte zu 6) ist Mitarbeiter des B. Die Beklagten zu 4) und 5) schlossen mit dem B einen Vertrag über die Sicherheits- und Gesundheitskoordination auf der Baustelle. Hinsichtlich des Inhalts des Vertrages wird auf Blatt 137 ff. der Gerichtsakte verwiesen. Der Kläger ist Mitarbeiter der Firma W, welche auf der Baustelle mit der Durchführung von Erdarbeiten beauftragt war.

Am 27.07.2006 hielt sich der Kläger zunächst im vorderen Bereich der Baustelle auf, um eine Sandlieferung entgegenzunehmen, welche direkt an der Zufahrt zur Baustelle abgeliefert wurde. Er quittierte die Lieferung und lief dann quer über das Baustellengelände zum Bauwagen. Der Zeuge L, welcher einen Schaufelbagger lenkte, fuhr an dem Kläger vorbei. Nachdem der Kläger einen Entwässerungsgraben passiert hatte, überrollte ihn ein vom Beklagten zu 2) gelenkter Teleskopstapler „Maniscopic“ zuerst mit dem Vorderrad und anschließend mit dem Hinterrad. Der Teleskopstapler war ein Baustellenfahrzeug der Beklagten zu 1); der Beklagte zu 2) fuhr mit heruntergelassenem Teleskoparm. Die auf der Baustelle anwesenden Arbeiter eilten zu sofort zu Hilfe. Aufgrund des Unfalls erlitt der Kläger folgende Verletzungen:

– eine Becken-C-Verletzung,

– eine Open-Book-Verletzung mit Ruptur der rechten vorderen Syndesmosenbänder

– eine transformale Sacrumfraktur links,

– eine ISG-Sprengung rechts

– eine OS Ilium Fraktur rechts

– einen langstreckig senkrecht verlaufenden Harnblasenriss der Harnblasenvorderwand

– ein beiderseitiges Hämatom der Oberschenkelaußenseite.

Ein hinzu gerufener Helikopter verbrachte den Kläger sodann in die Uniklinik in Münster. Nach am Unfalltag erfolgte eine Operation, bei der eine langstreckige, offene Frakturreposition und Plattenosteosynthese der Symphyse mittels 4-Loch LCDCP Großfragmentplatte sowie eine retrograde Harnröhrenkathetisierung und Übernähung der Harnblase durchgeführt wurde. Am 17.08.06 erfolgte eine weitere Operation, bei der die Oberschenkelhämatome entlastet wurden. Der Kläger musste 4 Wochen im Bett verbleiben, anschließend erfolgte eine Mobilisierung mittels Kipptisch und Gehwagen. Der Kläger verblieb bis zum 30.08.2006 in der Uniklinik. Anschließend erfolgte eine Anschlussrehabilitation in der Hedon-Klinik in Lingen bis zum 20.10.2006. In der Folgezeit erfolgte eine weitere Mobilisierung des Klägers durch ambulante Krankengymnastik. Darüber hinaus musste der Kläger sich bis Juni 2007 einmal im Monat zur Untersuchung in der Uniklinik vorstellen. In der Zeit vom 04.05.2007 bis zum 08.05.2007 kam es zu einem weiteren stationären Aufenthalt, im Rahmen dessen die eingebrachten Platten im Becken entfernt wurden.

Welche Dauerschäden bestehen bleiben, ist derzeit noch unklar. Der Kläger leidet jedoch noch unter einer erektilen Disfunktion, ziehenden Schmerzen im Bereich beider ISG-Gelenke, ziehenden Schmerzen im Sitzen im OS Sacrum, wobei die Entfernung der Beckenplatte zur Linderung geführt hat, einem keilschrittigen und von Schmerzen geprägten Gangbild sowie einem Taubheitsgefühl in den Oberschenkeln.

Nach dem Unfall erhielt der Kläger, welcher üblicherweise 2040,00 EUR netto im Monat verdiente, in der Zeit vom 07.09.2006 bis zum 30.90.2006 Verletztengeld in Höhe von 51,77 EUR täglich, in der Zeit von Oktober 2006 bis Dezember 2006 in Höhe von 486,90 EUR pro Monat, in der Zeit von Januar bis Juni 2007 in Höhe von 470,10 EUR im Monat und in der Zeit vom Juli bis Dezember 2007 einen Betrag in Höhe von 1584,30 EUR.

Seit dem 04.10.2007 ist der Kläger – mit Einschränkungen – wieder in seinem alten Beruf tätig.

Neben Schmerzensgeld macht der Kläger die Kosten für Besuchsfahrten der Familie, Aufwendungen im Krankenhaus, Verdienstausfall, die Kosten für eine Gutachten sowie einen Haushaltsführungsschaden geltend.

Der Kläger behauptet, die Firma W habe unabhängig von den übrigen Firmen auf der Baustelle gearbeitet. Baustellenfahrzeuge seien jedenfalls mit der Firma W nicht ausgetauscht worden. Der Kläger ist der Auffassung, ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Dazu behauptet er, nicht unaufmerksam und lesend über das Baustellengelände gelaufen zu sein. Der Kläger ist zudem der Auffassung, die Beklagten hätten ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt, insbesondere die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften nicht hinreichend beachtet.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

a) an den Kläger einen Betrag in Höhe von 16.306,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie

b) an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit

c) an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.999,32 EUR 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle künftigen, materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 27.07.2006 gegen 08:15 Uhr auf der Baustelle der Firma U in der E-straße in O zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten weisen die geltend gemachten Ansprüche zurück und sind insbesondere der Auffassung, es greife ein Haftungsausschluss gemäß §§ 106 SGB VII bzw. § 104 Abs. 1 SGB VII ein. Dazu behaupten sie, es habe eine gemeinsame Betriebsstätte in Sinne der Vorschrift vorgelegen, da die Arbeiten gemeinsam durchgeführt worden seien. Es habe morgens Absprachen zum Ablauf der Arbeiten sowie eine gegenseitige Unterstützung gegeben.

Die Beklagte zu 1) behauptet zudem, ihr sei die Beklagte zu 3) als Subunternehmerin als zuverlässig und mit den Unfallverhütungsvorschriften vertraut bekannt gewesen. Zudem sei ihr Polier, der Zeuge C, stets zuverlässig gewesen. Die Beklagte zu 1) bestreitet die Höhe der Forderung, soweit das Schmerzensgeld betroffen ist. Zudem bestreitet sie, dass der Beklagte vor dem Unfall sich die Haushaltsführung mit seiner Ehefrau geteilt habe und 3 Stunden tätig gewesen sei.

Die Beklagte zu 3) behauptet, ihre Mitarbeiter seien angewiesen worden, keine Fahrzeuge anderer Firmen zu nutzen. Der Beklagte zu 2) sei auf Anweisung des Poliers der Beklagten zu 1), dem Zeugen C tätig geworden.

Die Beklagten zu 4) und 5) sind der Auffassung, sie hätten Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt, da sie zum einen im Rahmen des Bauvertrags mit der Beklagten zu 1) diese Pflichten übertragen hätten. Zudem hätten sie nach sorgfältiger Auswahl den Architekten L1 mit der Bauleitung sowie unstreitig den B mit der Sicherheits- und Gesundheitskoordination betraut. Die Beklagten zu 4) und 5) bestreiten zudem den Anspruch der Höhe nach.

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Der Beklagte zu 6) behauptet, nicht persönlich mit der Einhaltung der Sicherheitsvorschriften betraut worden zu sein. Dies sei vielmehr der B gewesen. Dem B habe keine Information über den Baustellenfortschritt vorgelegen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass dem B nicht die Durchführung einzelner Sicherheitsvorkehrungen obliege, sondern die Überprüfung, ob diese durchgeführt worden seien.

Im Übrigen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteienvertreter vom 02.06.2008, 10.07.2008, 11.07.2008, 24.07.2008, 07.08.2008, 26.08.2008, 02.09.200823.10.2008, 21.11.2008, 24.11.2008, 13.01.2009, 20.01.2009, 22.01.2009, 26.01.2009, 06.02.2009, 09.02.2009, 31.03.2009, 08.04.2011, 12.05.2001, 18.05.2011 sowie 25.05.2011.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E1, C1, L, S, D und C. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2010 sowie 27.04.2011.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlich Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) bis 3) einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld dem Grunde nach aus deliktischer Haftung.

1. Der Beklagte zu 2) als Fahrer des Teleskopstaplers und damit unmittelbarer Schädiger haftet gegenüber dem Kläger gemäß § 823 Abs. 1 BGB.

Denn der Beklagte hat den Teleskopstapler gelenkt, damit den Kläger überrollt und diesen erheblich an seiner Gesundheit verletzt. Der Beklagte zu 2) handelte fahrlässig, da er die erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ. Bereits aufgrund des Umstandes, dass der Beklagte zu 2) auf der Baustelle ein schweres Baustellenfahrzeug führte und auf der Baustelle zahlreiche Arbeiter tätig waren, ergibt sich die Pflicht, rücksichtvoll und ohne Gefährdung Dritter das Fahrzeug zu lenken. Dieser Grundgedanke hat Niederschlag gefunden in der Unfallverhütungsvorschrift für Flurfahrzeuge (BGV D27). Der vom Beklagten zu 2) gelenkte Teleskopstapler ist ein Flurfahrzeug im Sinne dieser Vorschrift. Denn gemäß § 2 BGV D27 sind Flurfahrzuge Fördermittel, die ihrer Bauart nach dadurch gekennzeichnet sind, dass sie mit Rädern auf Flur laufen und frei lenkbar, zum Befördern, Ziehen oder Schieben von Lasten eingerichtet und zur innerbetrieblichen Verwendung bestimmt sind. Der Teleskopstapler ist zum Transport von Materialien bestimmt, wird innerbetrieblich verwandt und bewegt sich auf Rädern.

§ 12 Abs. 1 BGV D 27 schreibt vor, dass Flurfahrzeug nur verfahren werden dürfen, wenn der Fahrer ausreichend Sicht auf die Fahrbahn hat oder eingewiesen wird. Gerade diese Vorschrift hat der Beklagte zu 2) nicht eingehalten. Denn die Sicht war aufgrund der Teleskoparmes zur Seite hin eingeschränkt. Der Beklagte zu 2) hat im Rahmen seiner Anhörung eingeräumt, dass das Fahrzeug zur rechten Seite sehr unübersichtlich ist und es kaum erkennbar ist, wenn jemand von der Seite kommt. Unstreitig ließ sich der Beklagte zu 2) aber nicht einweisen.

2. Die Beklagte zu 1) ist dem Kläger zum Ersatz des ihm entstandenen Schadens gemäß § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet aufgrund der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Die Beklagte zu 1) war Eigentümerin des Teleskopstaplers und hat diesen den auf der Baustelle tätigen Arbeitern zu Verfügung gestellt. Ihr oblag demnach die Pflicht, eine ordnungsgemäße Nutzung des Fahrzeuges und damit eine Vermeidung der Gefährdung Dritter sicherzustellen. Insbesondere war sie gemäß § 7 BGV D 27 angehalten, Dritte mit der Nutzung des Fahrzeugs schriftlich zu beauftragen und vor der Beauftragung den Fahrer gerätespezifisch einzuweisen. Dies gilt auch hinsichtlich der betriebsspezifischen Gegebenheiten. Zudem hat der Unternehmer gemäß § 5 BGV D 27 eine Betriebsanweisung schriftlich zu erstellen und an geeigneter Stelle an der Arbeitsstätte bekannt zu machen. Er hat darüber hinaus dafür zu sorgen, dass die Anweisungen eingehalten werden. Diese Pflichten hat die Beklagte zu 1) verletzt. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass sie irgendwelche Anweisungen schriftlich niedergelegt hätte oder aber den Beklagten zu 2) schriftlich mit der Nutzung des Fahrzeugs beauftragt hätte.

Vielmehr steht fest, dass die Anweisung an den Beklagten zu 2) durch Zeugen C mündlich ohne weitere Einweisungen erfolgte. Zum einen hat der Beklagte zu 2) im Rahmen seiner persönlichen Anhörung erklärt, von dem Zeugen C zur Durchführung der Arbeiten angewiesen worden zu sein. Diese Angaben werden bestätigt durch die Aussage des glaubwürdigen Zeugen C. Der Zeuge C hat dargelegt, als Polier vorgegeben zu haben, welche Arbeiten auszuführen sind.

Der Beklagte zu 2) hat die Vorschriften zur Benutzung des Teleskopstaplers insofern verletzt, als er ohne Weisung gefahren ist, obwohl er in der Sicht zur Seite hin eingeschränkt war. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Beklagte zu 1) nicht hinreichende Vorkehrung dahingehend getroffen hat, dass die Anweisungen zur Nutzung des Staplers eingehalten werden. Die konkrete Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) ist insofern als Anscheinsbeweis für eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) zu werten. Diesen Anscheinsbeweis vermochte die Beklagte zu 1) nicht zu widerlegen. Insofern war die Aussage des Zeugen C unergiebig. Denn er hat angegeben, keine Erinnerung daran zu haben, ob einzelne Anweisungen für die Benutzung des Staplers gegeben wurden.

Zugunsten des Klägers ist auch davon auszugehen, dass die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) schadenursächlich geworden ist, da gerade der Schaden eingetreten ist, welchen die Verkehrssicherungspflicht verhindern sollte, nämlich die Verletzung Dritter durch Nutzung des Fahrzeuges (vgl. dazu BGH NJW 1994, 945).

3. Die Beklagte zu 3) haftet – unabhängig von der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht – gemäß § 831 Abs. 1 BGB. Denn der Beklagte zu 2) ist Verrichtungsgehilfe der Beklagten zu 3) mit der Folge, dass diese für den Ersatz des Schadens, welchen der Beklagten zu 2) herbeigeführt hat, verpflichtet ist. Verrichtungsgehilfe ist, wem eine Tätigkeit von einem anderen übertragen worden ist, unter dessen Einfluss er allgemein oder im konkreten Fall handelt und zu dem er in der gewissen Abhängigkeit steht (Palandt/Sprau 70. Auflage 2011 § 831 Rn. 5). Der Arbeitnehmer ist Verrichtungsgehilfe des Arbeitsgebers im Rahmen der ihm übertragenen Arbeit. Der Beklagte zu 2) stand als Arbeitnehmer der Beklagten zu 3) in deren Abhängigkeit. Er unterstand zudem deren Weisungen, aufgrund derer er überhaupt auf der Baustelle in O tätig wurde.

Dem steht nicht entgegen, dass aufgrund der Beweisaufnahme feststeht, dass der Beklagte zu 2) auf Weisung des Zeugen C, der wiederum Arbeitnehmer der Beklagten zu 1) war, tätig wurde und den Manitu nutzte. Die Haftung der Beklagten zu 3) entfiele nur dann, wenn ihr keine Einflussnahme auf ihre Arbeitnehmer verblieben wäre und allein der Beklagten zu 1) das Weisungsrecht oblegen hätte. Dies ist allerdings nicht ersichtlich. Verbleibt dem Arbeitgeber jedoch ein Weisungsrecht, so ist es unerheblich, wenn eine generelle Bauleitung eines Dritten besteht (vgl. dazu BGH VersR 1974, 243). Vorliegend verhielt es sich vielmehr so, dass allein aufgrund der Arbeitskoordination der Zeuge C erklärt hat, welche Arbeiten durchzuführen sind. Letztlich hat der Beklagte zu 2) seine Tätigkeit aber für die Beklagte zu 3) ausgeführt, welche als Subunternehmerin selbst gegenüber der Beklagten zu 1) zur Ausführung bestimmter Arbeiten verpflichtet war.

Die Ersatzpflicht entfällt nicht, da die Beklagte zu 3) die Voraussetzungen des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB nicht darzulegen und zu beweisen vermochte. Insofern fehlt es bereits an hinreichend substantiiertem Sachvortrag.

Auch die Behauptung der Beklagten zu 3), sie habe ihre Arbeitnehmer angewiesen, keine fremden Fahrzeuge zu benutzen, lässt den Anspruch nicht entfallen. Denn die Beklagte konnte diese Behauptung nicht beweisen. Im Gegenteil: Die glaubwürdigen Zeugen D und S haben übereinstimmend angegeben, dass keine Einschränkung hinsichtlich der Benutzung des Teleskopstaplers gegeben habe. Der Zeuge D hat zudem erklärt, sie hätten alle Geräte nutzen dürfen, auch solche anderer Firmen.

4. Die Haftung der Beklagten zu 1) bis 3) ist nicht ausgeschlossen aufgrund der Vorschrift des § 106 SGB VII sowie den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld. Insofern fehlt es an einer gemeinsamen Betriebsstätte in Sinne des § 106 Abs. 3 SGB VII. Die Beklagten sind darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 160 SGB VII. Diesen Beweis vermochten sie nicht erbringen.

Eine gemeinsame Betriebsstätte im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen gegeben sind, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt; erforderlich ist ein bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt (BGH NJW 2008, 2116; BGH MDR 2010, 988 mwN). Hinzukommen muss ein wechselseitiger Bezug der betrieblichen Aktivitäten (BGH NJW 2004, 947) oder die Möglichkeit wechselseitiger Verletzungen durch das enge Zusammenwirken (BGH NJW 2008, 2116), da erst dann dem Gedanken der Gefahrengemeinschaft, welcher dem Haftungsausschluss zugrunde liegt, Rechnung getragen (BGH NJW 20040, 947; BGH NJW 2008, 2116). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar war der Kläger gemeinsam mit dem Beklagten zu 2) sowie den übrigen Mitarbeitern der Beklagten zu 1) und zu 3) auf der gleichen Baustelle tätig. Dies allein reicht jedoch nicht aus. Ein darüber hinausgehendes Miteinander fehlte jedoch. Denn es gab weder Abstimmungen über den Arbeitsablauf, noch ein tatsächliches Ineinandergreifen der Arbeiten. Vielmehr wurde eher nebeneinander gearbeitet, ohne näheren Kontakt oder gar wechselseitiger Unterstützung. Dies steht für das Gericht fest aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahmen.

Die Aussage des Zeugen L war insofern unergiebig. Der Zeuge hat angegeben, weder Angaben zu Besprechungen zwischen den einzelnen Firmen noch zu einer angeblichen Zusammenarbeit machen zu können. Zudem hat er erklärt, jedenfalls selbst nicht für die Firma W tätig geworden zu sein.

Der Zeuge E1, ein Mitarbeiter der Firma W, hat bekundet, jede Firma sei ihrer Arbeit nachgegangen. Besprechungen habe es ebenso wenig gegeben, wie eine Koordination der Arbeiten. Die Aussage des Zeugen E1 ist in sich stimmig, schlüssig und damit glaubhaft. Auch wenn der Zeuge E1 ein Arbeitskollege des Klägers ist, waren keine Belastungstendenzen erkennbar.

Die Aussage des Zeugen E1 wird gestützt durch die Aussage des Zeugen C1, der ebenfalls zum Unfallzeitpunkt bei der Firma W beschäftigt war. Auch dieser hat angegeben, dass die Firma W die Erdarbeiten für Wasserleitungen erledigt haben. Der Zeuge hat in Übereinstimmung mit dem Zeugen E1 bekundet, dass es keinerlei Absprachen oder sonstiges Miteinander zwischen den beteiligten Firmen gegeben habe. Einziger Berührungspunkt war nach Angaben des Zeugen die Tatsache, dass die Firma W nach Verlegen der Leitungen die Gräben wieder zuschütten konnten.

Zu keinem anderen Ergebnis führt die Aussage des Zeugen C, welcher als Polier der Beklagten zu 1) tätig war. Der glaubwürdige Zeuge hat nachvollziehbar und in sich schlüssig erklärt, die Arbeiten seiner Firma und die der Firma W seien komplett eigenständig gewesen und seien nebeneinander her gelaufen. Lediglich der Architekt habe die zeitliche Abfolge der Arbeiten vorgegeben, jedenfalls gegenüber der Beklagten zu 1). Der Zeuge vermochte auch ein gegenseitiges Aushelfen der jeweiligen Arbeitnehmer nicht zu bestätigen.

Letztlich haben dies auch die Zeugen D und S bestätigt, die für die Beklagte zu 3) auf der Baustelle tätig waren. Die beiden Zeugen haben übereinstimmend angegeben, dass es keine gemeinsamen Arbeiten gegeben habe. Der Zeuge S hat zudem erklärt, man habe sich morgens begrüßt, dass sei es dann auch gewesen.

Aufgrund der Zeugenaussagen kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein bewusstes und gewolltes Miteinander auf der Baustelle gegeben war. Vielmehr standen die Leistungen der Firmen und damit auch der jeweiligen Versicherten unabhängig nebeneinander. Selbst wenn man allein auf ein wortloses, konkludentes Ineinandergreifen der Arbeiten abstellt, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Allein die Tatsache, dass die jeweiligen Arbeitnehmer auf derselben Baustelle tätig waren, reicht nicht aus. Denn in diesem Fall fehlt es an einer Gefahrengemeinschaft der einzelnen Versicherten.

Auf die Frage, ob zwischen den übrigen Beteiligte, mithin den Versicherten der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 3) eine gemeinsame Betriebsstätte und damit eine Gefahrengemeinschaft anzunehmen ist, kommt es nicht an, da dies die Haftung gegenüber dem Kläger nicht berührt,.

5. Der Kläger muss sich auch kein Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB anrechnen lassen. Ein Mitverschulden setzt ein Verhalten voraus, dass mitursächlich für den Schadensfall geworden ist. Dies wäre dann anzunehmen, wenn der Kläger – wie von den Beklagten behauptet – tatsächlich in seine Unterlagen vertieft die Baustelle überquert hätte in der Kenntnis, dass die Baustelle mit schwerem Gerät befahren wird. Dies steht für das Gericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme jedoch nicht fest. Die Beklagten sind darlegungs- und beweisbelastet für die Umstände, welche ein Mitverschulden des Klägers begründen. Diesen Beweis vermochten sie nicht erbringen.

Der Zeuge L hat zwar bestätigt, dass der Kläger etwas zum Schreiben in der Hand gehabt habe. Den Unfall selbst hat er jedoch nicht beobachtet. Seine Aussage ist unergiebig.

Gleiches gilt für die Aussagen der Zeugen E1, C1, C, D und S. Keiner der Zeugen hat den Unfall selbst gesehen und konnte bestätigen, dass der Kläger in seine Unterlagen vertieft und unaufmerksam den Weg querte. Allein der Umstand, dass der Kläger Papiere in der Hand gehalten hat, reicht nicht aus, ein Mitverschulden zu begründen, zumal dies nach eigenen Angaben des Klägers die Papiere waren, welche er aufgrund der Warenanlieferung bei sich trug.

II. Ein Anspruch gegen die Beklagten zu 4) bis 6) steht dem Kläger nicht zu.

1. Ein Anspruch gegen die Beklagten zu 4) und 5) kommt mangels vertraglicher Grundlage sowie unmittelbarer Beteiligung allein aufgrund einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht als Bauherren in Betracht.

Insofern war zu berücksichtigen, dass die Beklagten zu 4) und 5) die Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten auf Dritte übertragen haben. Zum einen haben sie die Beklagte zu 1) im Rahmen der Bauvertrags dazu verpflichtet, die Vorschriften zur Sicherung des Baubetriebs sowie der Verhütung von Unfällen einzuhalten und damit ihr die die Haftung übertragen. Zum anderen haben sie ihren Architekten mit der Bauleitung betraut und darüber hinaus einen Vertrag über die Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination im Sinne der Baustellenordnung mit dem B e.V. abgeschlossen. Dies befreit sie zwar nicht vollständig von der eigenen Pflicht, da ihnen eine Überwachungs- und Kontrollpflicht weiterhin obliegt. Eine Verletzung dieser Überwachungs- und Kontrollpflichten ist jedoch erst dann gegeben, wenn die Beklagten zu 4) und 5) Anhaltspunkte dafür hatten, dass ihre Erfüllungsgehilfen unzuverlässig sind und die entsprechenden Pflichten nicht einhalten. Derartige Anhaltspunkte werden weder vorgetragen, noch sind sie aufgrund sonstiger Umstände ersichtlich.

2. Auch ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Beklagten zu 6) ist nicht ersichtlich. Eine Haftung des Beklagten zu 6) kommt allein aufgrund deliktischer Haftung, insbesondere aufgrund der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht in Betracht. Die Einhaltung von Verkehrssicherungspflichten obliegt nicht nur demjenigen, der eine Gefahrenquelle schafft und für eine solche verantwortlich ist, sondern auch demjenigen, auf welchen die Verkehrssicherungspflicht wirksam übertragen wurde (Palandt/Sprau 70. Auflage § 823 Rn. 50). Der Beklagte zu 6) war nicht originär für die Baustelle und die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften verantwortlich. Eine deliktische Haftung setzt mithin voraus, dass der Beklagte zu 6) kraft Übertragung der Verkehrsicherungspflichten für die Einhaltung verantwortlich war. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn die Bauherren, die Beklagten zu 4) und 5) haben die Einhaltung der Bauordnung nicht auf den Beklagten zu 6), sondern vielmehr den B e.V. übertragen. Dies geht eindeutig aus dem Vertrag vom 24.02.2006 hervor, welcher als Vertragspartner den B benennt und welcher auch von diesem durch dessen Vertreter unterzeichnet wurde. Eine persönliche Haftung scheidet daher aus.

Gleiches gilt, soweit man annimmt, die Baustellenordnung sei ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Denn auch in diesem Fall wäre die Einhaltung des Gesetzes primär Aufgabe der Bauherren gewesen und aufgrund der Übertragung kraft Vertrags Aufgabe des B, nicht aber des Beklagten zu 6).

Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man den zwischen den Bauherren und dem B geschlossen Vertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritten ansieht, da auch in diesem Fall der B der Verpflichtete ist, nicht aber der Beklagte zu 6).

III.

Der Höhe nach steht dem Kläger der aus dem Tenor ersichtliche Betrag zu. Darüber hinaus ist die Klage unbegründet.

1.

Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der Fahrtkosten, welche seinen nahen Angehörigen aufgrund seines Klinikaufenthalts entstanden sind, denn solche Kosten gehören zu Heilungskosten und damit zu den gemäß § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzenden Schäden (vgl. Palandt/Grüneberg 70. Auflage 2011§ 249 Rn. 9). Der Kläger macht für die Zeit vom 27.09.2006 bis zum 01.09.2006, in der er in der Uniklinik Münster stationär behandelt wurde, eine Fahrt mit dem PKW sowie weitere Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln geltend. Dass dem Kläger bzw. seinen Angehörigen für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel tatsächlich Kosten für den Bus in Höhe von 74,20 EUR sowie die Bahn 617,50 EUR entstanden sind, steht für das Gericht fest aufgrund der zur Akte gereichten Tickets und Belege. Hinsichtlich der Kosten für die Reise mit dem PKW sind jedoch nicht 0,30 EUR sondern – in Anlehnung an § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG 0,25 EUR pro Kilometer zu berechnen (vgl. dazu auch Palandt/Grüneberg 70. Auflage 2011 aaO). Für die Fahrt mit dem PKW kann der Kläger Ersatz in Höhe von 50,00 EUR ersetzt verlangen.

Gleiches gilt für die Fahrten während des Aufenthalts in der Hedon-Klinik in Lingen in der Zeit vom 01.09.2006 bis zum 20.10.2006. Auch in diesem Fall sind jedoch 0,25 EUR pro gefahrenen Kilometer zu berücksichtigen mit der Folge, dass der Kläger nicht 486,00 EUR, sondern lediglich 405,00 EUR ersetzt verlangen kann.

2. Weiter sind ersatzfähig die dem Kläger in der Klinik entstandenen Kosten für Telefon und Fernsehen in Höhe 86,66 EUR. Diese Kosten entstehen regelmäßig jedenfalls bei längeren Klinikaufenthalten und beruhen damit auf dem Unfallgeschehen.

3. Der Kläger kann auch den ihm entstandenen Verdienstausfall als unfallursächlichen Schaden geltend machen. Unstreitig war der Kläger bis Oktober 2007 nicht arbeitsfähig. Erst im Oktober begann er wieder in seinem alten Beruf, allerdings mit Einschränkungen, zu arbeiten. Aufgrund der detaillierten und nicht substantiiert bestrittenen Angaben des Klägers errechnet sich dieser Schaden wie folgt:

Zeitraum Tägl. Verletztengeld Verletztengeld insgesamtDifferenz zum Netto-Lohn

07.09. bis 30.09.2006

51,77 EUR 1.242,48 EUR 389,52 EUR

Oktober bis Dezember 2006

51,77 EUR 4.659,30 EUR 1.460,70 EUR

Januar bis Juni 2007

52,33 EUR9.419,40 EUR2.820,60 EUR

Juli bis Dezember 2007

52,81 EUR 9.505,80 EUR 2.734,20 EUR

7.405,02 EUR

Der Kläger kann insgesamt 7.405,02 EUR als Verdienstausfallschaden ersetzt verlangen, wobei in diesem Betrag nicht erhaltenes Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht berücksichtigt sind.

4. Ebenso sind die Kosten für die Erstellung des ärztlichen Gutachtens der Uniklinik vom 02.08.2007 in Höhe von 211,53 EUR ersatzfähig, da dies erforderlich war, um den entstandenen Schaden festzustellen.

5. Der Kläger kann auch einen Haushaltführungsschaden ersetzt verlangen. Jedoch hält das Gericht einen Betrag in Höhe von insgesamt 6.401,25 EUR für ersatzfähig, wobei das Gericht bei der Ermittlung der Höhe des Schadens zum einen Schätzung gemäß § 287 ZPO vorgenommen hat und sich zum anderen an den Tabellen von Schulz-Borg/Hofmann (Schulz-Borck/Hofmann, Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 7. Aufl) orientiert hat. Dem Gericht lagen genug Informationen zur Gestaltung des Haushalts des Klägers und seiner Ehefrau vor, um eine entsprechende Schätzung vornehmen zu können.

Der Berechnung des Haushaltsführungsschadens war zugrunde zu legen der Zeitaufwand für die Führung des Haushalts, die Anteil der konkreten Behinderung sowie der Netto-Stundenlohn einer (fiktiven) Hilfskraft (vgl. Küpperbusch, Schadensersatz bei Personenschäden, 10. Auflage Rn. 189).

Unter Berücksichtigung der Umstände, dass es sich bei dem Haushalt um einen 2-Personen-Haushalt handelt, eine Wohnfläche von 160 qm vorliegt sowie eine Grundstück von 1227 qm, setzt das Gericht hinsichtlich des wöchentlichen Aufwandes zur Führung des Haushalts 42 Stunden an und schließt sich damit dem Klägervortrag an. Das Tabellenwerk von Schulz-Borg/Hofmann sieht für einen Haushalt, der gestaltet ist wie der des Klägers, durchaus auch höhere Werte an, nämlich bis zu über 60 Stunden. Es war jedoch auch zu berücksichtigen, dass der Haushalt zwar eine verhältnismäßig große Wohnfläche umfasst, allerdings auch technische Hilfsgeräte vorhanden sind, insbesondere eine Waschmaschine, eine Spülmaschine sowie ein Benzin-Rasenmäher. Insgesamt erscheinen 42 Stunden/pro Woche, mithin 6 Stunden am Tag nicht übersetzt, aber angemessen.

Aufgrund des großen Grundstücks und des damit einhergehenden Umstandes, dass nicht nur typische Haushaltsarbeiten wie Waschen, Kochen und Spülen anfallen, sondern auch die Pflege des Grundstücks und des Gartens erforderlich sind, hält das Gericht eine hälftige Verteilung der anfallenden Stunden auf den Kläger und seine Ehefrau für nachvollziehbar und schlüssig.

Für die Zeit vom 27.07.2006 bis zum 20.10.2006 war der Kläger in der Klinik und damit zu 100 % an der Führung des Haushalts gehindert. Für diesen Zeitraum war hinsichtlich der anfallenden Stunden zur Haushaltsführung ein Abschlag zu machen, da der Kläger selbst im Haushalt keine Arbeit verursacht hat. Dies gilt insbesondere für die tägliche Kleidung, das tägliche Essen sowie die Nutzung der einzelnen Wohnbereiche. Da der übrige Haushalt jedoch aufrecht erhalten werden musste, hält das Gericht insgesamt einen Abschlag in Höhe von 25 % für angemessen.

Als Stundenlohn für eine fiktive Ersatzkraft hält das Gericht 10,00 EUR für angemessen. Dem hat es die Erwägung zugrunde gelegt, dass einer der Haushaltsführenden, nämlich die Ehefrau, weiterhin zur Verfügung stand und damit die Leitung des Haushalts nicht aus der Hand gegeben werden musste. Dabei war auch nicht außer Acht zu lassen, dass es dem Geschädigten regelmäßig obliegt, die Organisation so umzustrukturieren, dass der Schaden möglichst gering ausfällt.

Für die Zeit des Klinikaufenthalts vom 27.07.2006 bis zum 20.10.2006 berechnet sich der Haushaltführungsschaden wie folgt:

86 Tage x 2,25 Stunden (3 Stunden abzgl. 25 %) x 10,00 EUR = 1.935,00 EUR.

Für die darauf folgende Zeit bis zum 08.10.2007 geht das Gericht davon aus, dass ein vom Kläger vorgetragene Minderung der Fähigkeit, den Haushalt zu führen, in Höhe von 50 % vorlag. Die Höhe wurde von den Beklagten zum einen nicht substantiiert bestritten. Zum anderen ist diese Höhe aufgrund der Art der Verletzungen, des Umstandes, dass ein weiterer operativer Eingriff zur Entfernung der Metallplatten erforderlich war, sowie der vorgelegten Arztbriefe und Gutachten nachvollziehbar.

Die Höhe des zugrunde zu legenden Stundensatzes hat das Gericht mit 7,50 EUR bemessen. Dabei hat es berücksichtigt, dass sich in der Zeit nach dem Klinikaufenthalt der Kläger zu Hause befand und damit eine weitere Person mit Leitungsfunktion vor Ort war. Es wäre lediglich noch eine Haushaltshilfe zur Unterstützung der Arbeiten erforderlich gewesen.

In dieser Zeit berechnet sich der Haushaltsschaden wie folgt:

355 Tage x 3 Stunden x 0,5 x 7,50 EUR = 3.993,75 EUR

Für die darauf folgende Zeit vermag das Gericht jedoch abweichend vom Klägervortrag keine Minderung in Höhe von 50 % anzunehmen. Denn diese Höhe ist bereits aufgrund des eigenen Vortrags des Klägers nicht nachzuvollziehen. Vielmehr hält das Gericht eine Minderung von 25 % für angemessen. Denn nach eigenem Sachvortrag trat der Kläger zu diesem Zeitpunkt seine Arbeit wieder an, auch wenn dies zunächst unter Einschränkungen erfolgte. Zudem hat der Kläger Gutachten vorgelegt zur Erwerbsminderung. In diesen Gutachten wird die Erwerbsminderung auf 30 % geschätzt. Da bekanntlich die Erwerbsminderung in der Regel Höhe zu bemessen ist, als die Minderung der Haushaltsführung, und der Kläger gehalten war, eine Umorganisierung des Haushalts vorzunehmen, erscheint unter Berücksichtigung dieser Umstände eine Minderung von 25 % angemessen.

Demnach errechnet sich für die Zeit vom 09.10.2077 (der Zeit ab Aufnahme der Arbeit) bis zum 31.12.2007 der Haushaltführungsschaden wie folgt:

84 Tage x 3 Stunden x 0,25 x 7,50 EUR = 472,50 EUR

Insgesamt liegt demnach ein zu ersetzender Haushaltführungsschaden in Höhe von 6.401,25 EUR vor.

6. Zudem kann der Kläger mit Erfolg als allgemeinen Schaden eine Kostenpauschale in Höhe von 30,00 EUR geltend machen.

7. Letztlich hat der Anspruch auf Zahlung eines angemessen Schmerzensgeldes, § 253 BGB. Aufgrund der konkreten Verletzungen und Verletzungsfolgen, der Dauer des stationären Aufenthaltes, der weiterhin erforderlichen Behandlungen sowie des traumatischen Ereignisses, welches der Kläger erleben musste, hält das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 60.000,00 EUR für angemessen, aber auch ausreichend, wobei das Gericht bei der Bemessung auch berücksichtigt hat, dass der Kläger mit Erfolg einen immateriellen Vorbehalt hinsichtlich zukünftiger Folgeschäden begehrt 8vgl. unten).

Das Gericht hat insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger insgesamt 86 Tage im Jahr 2006 stationär behandelt wurde und ein erneuter stationärer Aufenthalt von 5 Tagen im Mai 2007 erforderlich wurde. Auch war der Kläger gehalten, regelmäßige Krankengymnastik durchzuführen, um die Beweglichkeit zu steigern, und auf welche auch heute noch nicht vollständig verzichtet werden kann. Zudem hat der Kläger schwerste, umfangreiche Verletzungen im Beckenbereich erlitten, welche insbesondere zu einer erektilen Disfunktion führten. Zwar ist es erstaunlicher Weise gelungen, dass der Kläger heute wieder seinem Beruf nachgehen kann, jedoch leidet er auch noch heute unter Beschwerden, die ihn nicht nur im täglichen Leben sondern auch in der Ausführung seiner Arbeit behindern. Dies steht für da Gericht fest aufgrund der persönlichen Anhörung im Rahmen der mündlichen Verhandlung, im Rahmen derer der Kläger mitgeteilt hat, dass noch subjektive Empfindungen wie die Taubheit der Oberschenkel, Schmerzen im Rücken sowie bei längerem Gehen vorliegen. Diese Angaben gehen konform mit den Feststellungen in ärztlichen Gutachten vom 02.08.2007 der Uniklinik Münster sowie dem weiteren Gutachten vom 17.02.2008 sowie 20.05.2008. Weiter war zugrunde zu legen, dass der Kläger eine erhebliche Zeit, nämlich bis Anfang Oktober 2007 und damit mehr als ein Jahr, arbeitsunfähig war.

Die Bemessung des Schmerzensgeldes reiht sich widerspruchslos in die Rechtsprechung zu ähnlich gelagerten Fällen ein (LG Stuttgart, Urteil vom 21.10.2005, Az.: 27 O 290/05; OLG München, Urteil vom 05.12.2008, Az: 10 U 3298/08 zitiert in Beck’sche Schmerzensgeldtabelle/Slizyk Ziff. 3873; KG Berlin MDR 2010, 1049; OLG Koblenz, Urteil vom 27.04.1992 – 12 U 181/91, zitiert in Beck’sche Schmerzensgeldtabelle/Slizyk Ziff.1506).

III.

Der Kläger hat darüber hinaus Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Rechtsanwaltsgebühren. Der Geschädigte hat Anspruch auf Ersatz der Kosten, welche er aufzuwenden hat für die Geltendmachung und Durchsetzung seines Ersatzanspruchs (Palandt/Grüneberg 70. Auflage 2011 § 249 Rn. 56). Diese sind jedoch zu berechnen aufgrund eines Gegenstandswertes von 80.281,16 EUR, nämlich dem zugesprochenen Betrages einschließlich des Wertes für den Feststellungsantrag. Bei einer Geschäftsgebühr von 1,3 ergibt sich ein Vergütungsanspruch von Brutto 1.999,32 EUR, welcher mangels eines Gebührensprunges nicht von der geforderten Summe negativ abweicht.

IV.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Klage wurde der ausweislich der sich in der Akte befindenden Zustellungsurkunden der Beklagte zu 1) am 15.07.2008, dem Beklagten zu 2) am 20.06.2008 sowie der Beklagten zu 3) am 23.06.2008 zugestellt.

V.

Mit Erfolg macht der Kläger die Feststellung einer Ersatzpflicht für zukünftige materielle und immaterielle Schäden geltend gegen die Beklagten zu 1) bis 3). Das Feststellungsinteresse liegt auf der Hand. Zudem sind diese dem Grunde nach dem Kläger zum Ersatz seines Schadens verpflichtet. Dem Kläger steht auch die begehrte Feststellung zu, da weitere Schäden nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich sind. Denn bislang ist nicht abzusehen, inwiefern aufgrund der weiterhin bestehenden Beeinträchtigungen Dauerschäden verbleiben und demnach weitere materielle und/oder immaterielle Schäden entstehen. Dies steht für das Gericht fest aufgrund der mündlichen Anhörung des Klägers, der Art der Verletzungen sowie der vorgelegten Gutachten. Insbesondere in dem Gutachten vom 02.08.2007 wurde dargelegt, dass zu ggf. verbleibenden Dauerschäden noch keine Stellung genommen werden kann. Es ist nicht ersichtlich, dass sich diese Einschätzung zwischenzeitlich verändert hat. Bei den erlittenen Verletzungen ist auch nicht ausgeschlossen, dass auch ideelle Schäden, die heute noch nicht erkennbar sind, noch entstehen werden, weshalb die Feststellung sowohl materielle, wie immaterielle Schäden umfasst.

VI.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 92 Abs. 1, 100 ZPO. Im Rahmen der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass die Klage gegenüber den Beklagten zu 4) bis 6) unbegründet war mangels einer Haftung dem Grunde nach. Zudem war zu berücksichtigen, dass die Klage teilweise der Höhe nach keinen Erfolg hatte. Demnach ergibt sich eine Kostenquote hinsichtlich der Gerichtskosten von 56 % zulasten des Klägers sowie von 44 % zulasten der Beklagten zu 1) bis 3). Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4) bis 6) hat der Kläger zu tragen. Im Übrigen waren Last der außergerichtlichen Kosten in dem jeweiligen Verlust-Verhältnis zwischen Beklagten und dem Kläger zu verteilen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO.

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