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Entfernungspauschale – nur kürzeste Straßenverbindungen werden ersetzt

Finanzgericht Düsseldorf

Az: 1 K 3285/06 E

Urteil vom 23.03.2007


Der Einkommensteuerbescheid 2005 vom 31. Juli 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04. August 2006 wird dahin geändert, dass die Einkommensteuer 2005 auf 21.757 EUR festgesetzt wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach der kürzesten Straßenverbindung bemessen werden muss oder hier ein Umweg als offensichtlich verkehrsgünstigere Strecke steuerlich zugrunde gelegt werden kann.

Die Klägerin, wohnhaft in Dormagen, ist im Innendienst einer Fluggesellschaft beschäftigt; ihre Arbeitsstätte befindet sich am Flughafen Düsseldorf. Als Leiterin einer Abteilung und zudem Mitglied eines weiteren Teams hat sie häufig auch samstags oder sonntags Dienst.

In der Einkommensteuererklärung des Streitjahres 2005 machte die Klägerin als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit die Entfernungspauschale für 280 Tage à 47 km geltend und gab an, allenfalls am Wochenende gelegentlich die kürzere Strecke durch die Düsseldorfer Innenstadt zu nutzen; montags bis freitags fahre sie aus Gründen der Zeitersparnis über die Autobahnen A 44 und A 57, weil an diesen Tagen in der City regelmäßig Verkehrsstau herrsche.

Der Beklagte legte dem Werbungskostenabzug zunächst 230 Arbeitsstage à 25 km zugrunde (Bescheid vom 08. Mai 2006). Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und machte geltend, über die Autobahn spare sie ca. 20 Minuten. Die Routenplaner bemäßen die kürzeste Verbindung unterschiedlich (via michelin 25 km Innenstadt; rp online 29,2 km über Mörsenbroicher Ei); die dort angegebene Fahrzeit von 43 Minuten sei nicht realistisch, berücksichtige nämlich weder Staus noch Berufsverkehr. Sie habe die vorgeschlagenen Strecken exemplarisch getestet und durch die Innenstadt bzw. das Mörsenbroicher Ei jeweils 1 Stunde benötigt, während sie die Strecke über die Autobahn in 35 Minuten zurück legen könne. Der Beklagte half dem Einspruch nach weiteren Erläuterungen der Klägerin zur Wochenendarbeit mit Änderungsbescheid vom 31. Juli 2006 insoweit ab, als er die Zahl der berücksichtigungsfähigen Arbeitstage auf 255 erhöhte. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch mit Entscheidung vom 4. August 2006 als unbegründet zurück.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt zur Begründung im Wesentlichen Folgendes vor: Die Entfernungspauschale sei an 240 Tagen für 44 km und an 15 Tagen für 25 km zu gewähren. Diese Entfernungen habe sie tatsächlich zurückgelegt. Während sie nur für einen Teil der Wochenendfahrten die kürzeste Straßenverbindung durch die Düsseldorfer Innenstadt genutzt habe, sei an den übrigen Tagen die Umwegstrecke über die Autobahn „offensichtlich verkehrsgünstiger“ i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes -EStG- gewesen. Je Fahrt habe sich eine Zeitersparnis von ca. 30 Minuten ergeben. Zudem sei die innerstädtische Fahrt wegen des häufigen „stop and go“-Verkehrs und des hinderlichen Parkens in zweiter Reihe deutlich anstrengender und nervenaufreibender als die Autobahnfahrt – trotz der dortigen Baustellen und der Engpässe bei den Auffahrten. Sie könne ihre Fahrzeiten auch nicht auf das Verkehrsaufkommen abstellen, weil sie regelmäßig von 9 Uhr bis 17 Uhr am Arbeitsplatz sein müsse.

Im Anschluss an einen Erörterungstermin vom 13. Oktober 2006 hat das Gericht den Prüfungsbeamten des Gerichts beauftragt, die Zeitdauer für die Benutzung der Umweg- wie auch der kürzesten Strecke durch Abfahren zu überprüfen. Nach Absprache mit den Beteiligten über Abfahrtszeiten und Daten der Fahrten hat der Gerichtsprüfer am 6. und 7. Februar 2007 zwei (Hin)Fahrten von der Wohnung der Klägerin zur Arbeitsstätte durchgeführt. Die Fahrdauer betrug 38,32 Minuten für die Autobahnstrecke (43 km) und 63,20 Minuten für die kürzeste Verbindung (24 km); die Durchschnittsgeschwindigkeit belief sich auf 68,90 km/h bzw. 27,3 km/h (Zeitersparnis insoweit: 25 Minuten). Hinsichtlich der Rückfahrt ergaben sich am 14. Februar 2007 für die Autobahnstrecke eine Fahrdauer von 47,40 Minuten (57,9 km/h) und am 7. Februar 2007 für die kürzeste Verbindung von 46,50 Minuten (33,7 km/h) (Zeitersparnis 0 Minuten). Auf den Einwand des Prozessvertreters hin, am 14. Februar 2007 habe auf den Autobahnen erhöhter Reiseverkehr (Kurzurlauber vor Karneval) geherrscht, hat der Gerichtsprüfer vorsorglich am 14. März 2007 eine weitere Rückfahrt über die Autobahnstrecke durchgeführt; die Fahrtdauer betrug 40 Minuten.

Die Klägerin hat daraufhin ergänzend vorgetragen, am 8. und 9. März 2007 für den Rückweg beide Strecken (schnellste und kürzeste) nochmals abgefahren zu sein; zeitgleich habe ein Kollege die jeweils andere Strecke gemessen. Hierbei hätten sich Zeiten von 31 bzw. 32 Minuten (schnellste Strecke) und 52 bzw. 53 Minuten (kürzeste Strecke) ergeben. Berücksichtige man sämtliche durchgeführte Testfahrten, ergebe sich eine tägliche Zeitersparnis von 36,69 Minuten; diese sei ausreichend, um die Umwegstrecke steuerlich zugrunde zu legen.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 31. Juli 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04. August 2006 dahin zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit die Entfernungspauschale von bisher 1.913 EUR auf 3.280,50 EUR erhöht wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, die Entfernungspauschale könne nur dann ausnahmsweise nach der längeren Strecke bemessen werden, wenn die tägliche Zeitersparnis mehr als eine Stunde betrage; das entspreche den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die steuerliche Anerkennung von Umzugskosten aufgestellten Grundsätzen. Eine derartige Zeitersparnis sei hier nicht erreicht. Umweltpolitische Gründe könnten bei der Bemessung der Entfernungspauschale nicht berücksichtigt werden.

Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die von der Klägerin benutzte Umwegstrecke über die Autobahn 44 km lang ist, während sich die kürzeste, hier u. a. durch die Düsseldorfer Innenstadt führende Verbindung auf 25 km beläuft.

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-); der Beklagte hat die Entfernungspauschale zu Unrecht ausschließlich nach der kürzesten Straßenverbindung bemessen.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG gehören zu den Werbungskosten eines Arbeitnehmers auch Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, je vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine Entfernungspauschale (Streitjahr 2005: 0,30 Euro) anzusetzen. Für die Bestimmung der Entfernung war in der zunächst geltenden Gesetzesfassung des Satz 3, 2. Halbsatz der Vorschrift die „kürzeste benutzbare Straßenverbindung“ maßgebend. Vom 1. Januar 2001 an stellte das Gesetz auf die „kürzeste Straßenverbindung“ ab. Die daraufhin aufgetretene Unsicherheit, ob die Vorschrift wörtlich auszulegen und somit stets die objektiv kürzeste Entfernung maßgebend sei, beendete der Gesetzgeber dadurch, dass er mit Steueränderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 dem § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG einen Halbsatz anfügte. Nach dieser auch für das vorliegende Streitjahr 2005 geltenden Gesetzesfassung ist bestimmt, dass eine andere als die kürzeste Straßenverbindung zugrunde gelegt werden kann, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt wird. Mit dieser Regelung sollte klargestellt werden, dass die bis zum Jahr 2000 geltende Rechtslage fortbesteht. Der Gesetzgeber hob hervor, die Ergänzung um den genannten Halbsatz entspreche seiner Ansicht bei Einführung der Entfernungspauschale; die Anfügung beruhe auf der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- lt. Urteil vom 10. Oktober 1975 (Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucksache 14/7341, S. 10).

Die Beurteilung, ob eine (Umweg-)Strecke „offensichtlich verkehrsgünstiger“ ist und damit den Anforderungen des unbestimmten Rechtsbegriffs genügt, ist somit entsprechend dem Willen des Gesetzgebers unter Berücksichtigung der im BFH-Urteil vom 10. Oktober 1975 VI R 33/74 (BFHE 117,70, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1975, 852) aufgestellten Grundsätze vorzunehmen. Der BFH hat dort ausgeführt, nach dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sei darauf abzustellen, welche Straßenverbindung im Rahmen des Zumutbaren für den Steuerpflichtigen benutzbar sei. Es seien die allgemeinen Verkehrsverhältnisse und die städtebaulichen Planungen zur Vermeidung von innerstädtischen Verkehrsstauungen mit zu berücksichtigen. Würden zur Ableitung der Verkehrsströme kilometermäßig längere, aber zeitlich günstigere Verkehrsverbindungen durch Schnellstraßen, Ringstraßen usw. geschaffen, so würde es dem Willen des Gesetzgebers widersprechen, wenn man diese Verhältnisse bei der Auslegung des Gesetzes nicht mit heranziehen würde. Im Ergebnis hat der BFH die erstinstanzliche Entscheidung des Hessischen FG bestätigt; er sei an die tatsächliche Feststellung des FG gebunden, dass es im Berufsverkehr auf der Straßenverbindung durch die Innenstadt zu erheblichen Verkehrsstörungen und oft zum zeitweiligen Verkehrsstillstand gekommen sei, während der Kläger bei Benutzung der Fahrtstrecke über die Bundesautobahn sein Fahrtziel trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen in der Regel schneller und pünktlicher habe erreichen können. Der dortige Kläger hatte täglich eine 20 km lange Umwegstrecke über die Autobahn benutzt, während die kürzeste Straßenverbindung durch die Innenstadt führte und 13 km lang war; hieraus ergab sich eine Zeitersparnis von 20 bis 30 Minuten, und zwar bezogen – so versteht der Senat die Entscheidungsgründe des Hessischen FG – auf jede einzelne Fahrt (mithin tägliche Zeitersparnis von 40 bis 60 Minuten; Urteil des Hessischen FG vom 13. November 1973 VIII a 548/71, Entscheidungen der Finanzgerichts -EFG- 1974, 210). Zeitlich nachfolgende Entscheidungen des BFH mit grundlegenden Ausführungen zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen dem Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG eine andere als die kürzeste Straßenverbindung zugrunde gelegt werden kann, sind nach Kenntnis des Senats nicht ergangen.

Soweit die Finanzgerichte über die dem Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zugrunde zu legende Wegstrecke zu entscheiden hatten, ist – jedenfalls ausweislich der veröffentlichten Entscheidungen – die Entfernungspauschale für eine Umwegstrecke stets verneint worden. So hat etwa das FG Nürnberg mit Urteil vom 5. April 1977 III 100/75, Deutsches Steuerrecht -DStR- 1977, 575, ausgeführt, dass die Mehraufwendungen für einen Umweg den privaten Lebensführungskosten zuzuordnen seien, wenn der Umweg nach der Länge der Fahrtstrecke und nach dem Zeitaufwand in einem Missverhältnis zur kürzesten Wegstrecke stehe; dort hatte sich im Vergleich der kürzesten Strecke von 7 km (30 bis 32 Minuten) zur Umwegstrecke von 21 km (18 bis 20 Minuten) eine Zeitersparnis von 10 bis 14 Minuten ergeben. Nach Ansicht des FG Nürnberg sei damit der Weg durch die Innenstadt nicht unzumutbar. Dass möglicherweise die Gesundheit und die Nerven im Stadtverkehr mehr beansprucht würden als auf Landstraßen bzw. Autobahnen, entspreche allgemeiner Erfahrung. Dabei handele es sich um eine alle Verkehrsteilnehmer im Großstadtverkehr gleichmäßig treffende Belastung, die es nicht unzumutbar mache, durch die Stadt zu fahren. Dasselbe gelte für die möglicherweise im Großstadtverkehr gesteigerte Unfallgefahr, solange sie eine allgemeine Erscheinung des Stadtverkehrs sei und nicht auf besonderen Gründen, etwa auf besonders schlechten Straßenverhältnissen, beruhe. Auch der Umstand, dass der Wagen durch zügiges Fahren geschont werde, sei ein verständliches Motiv, das den Steuerpflichtigen zur Wahl des Umwegs veranlassen könne. Steuerlich sei das aber ohne Belang, weil durch den Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG die laufenden Aufwendungen für den Betrieb des Kraftfahrzeugs ohne Rücksicht darauf abgegolten würden, wie hoch diese Aufwendungen tatsächlich seien. Das FG München hat mit Urteil vom 6. Oktober 1994 10 K 3304/92, EFG 1995, 308, eine Klage abgewiesen, bei der die kürzeste Strecke 57 km und der Umweg 73 km lang waren und sich die Zeitersparnis „in Grenzen“ hielt; auch wenn sich auf der kürzesten Straßenverbindung regelmäßig Verkehrsstaus bildeten, könne die Umgehungsstrecke nicht angesetzt werden, wenn sie wegen der wesentlich größeren Entfernung nicht zu erheblichen Einsparungen bei der Fahrzeit führe. Das FG München hatte mit Urteil vom 20. August 2002 13 K 4298/00, juris, über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem die kürzeste Strecke 25 km und der Umweg 33 km betrugen; dort ließ sich lediglich eine – aus Sicht des Gerichts unzureichende – Zeitersparnis von zwei Minuten feststellen. Auch in dem Fall, der dem Urteil des FG Düsseldorf vom 18. Juli 2005 10 K 514/05 E, EFG 2005, 1852, zugrunde lag, ließ sich die Behauptung des Arbeitnehmers, bei Benutzung der Umwegstrecke mindestens 20 Minuten (bis zu 40 Minuten) Zeit zu sparen, nicht feststellen; eine Überprüfung des Gerichtsprüfers ergab lediglich eine Zeitdifferenz von zwei Minuten (kürzeste Strecke 17 km bei 34 Minuten; Umweg 28 km bei 32 Minuten).

Vorliegend steht nach der Gesamtheit der Umstände fest, dass die Klägerin durch die Benutzung der 44 km langen Umwegstrecke im Vergleich zum Befahren der kürzesten Straßenverbindung durch die Innenstadt (25 km) auf dem Hinweg von ihrer Wohnung zur Arbeitsstätte 25 Minuten einspart, wie die repräsentativen Testfahrten des Gerichtsprüfers vom 6. und 7. Februar 2007 gezeigt haben (Autobahnstrecke 38,32 Minuten; innerstädtische Strecke 63,20 Minuten). Die Messungen der Klägerin haben zu vergleichbaren Ergebnissen geführt (Zeitersparnis zwischen 20 und 30 Minuten). Für die Rückfahrt von der Arbeitsstätte zur Wohnung ist hier eine Zeitersparnis von mindestens 6 Minuten anzunehmen, wie die Testfahrt des Gerichtsprüfers am 14. März 2007 ergeben hat. Diese Fahrt ist ausweislich des Vermerks des Prüfers vom 15. März 2007, der den Beteiligten übersandt und in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, bei normalem Verkehrsaufkommen (ohne Erhöhung etwa um Reise- oder Messeverkehr) und bei günstiger Witterung durchgeführt worden, so dass deren Ergebnis eine respräsentative Durchschnittsgröße darstellt. Ob die vom Gerichtsprüfer gemessene Fahrzeit von 40 Minuten sogar noch unterschritten werden kann – wie die Klägerin unter Vortrag eigener Testfahrten mit Zeitangaben von 31 bzw. 32 Minuten geltend macht -, erscheint nicht zweifelsfrei, kann hier allerdings dahinstehen. Ungeachtet der verschiedenen Ergebnisse hinsichtlich der Rückfahrt steht eine tägliche Zeitersparnis von mehr als 30 Minuten – hier mindestens 31 Minuten – hinreichend sicher fest.

Eine Zeitersparnis von etwa einer halben Stunde täglich mag zwar für sich betrachtet, als einziger Umstand, eine Bemessung der Entfernungspauschale nach der Umwegstrecke nicht zu rechtfertigen. Das gilt jedenfalls dann, wenn diese zeitliche Mindestgrenze nur knapp erreicht ist und nicht noch zusätzliche Gesichtspunkte die Umwegstrecke verkehrsgünstiger erscheinen lassen. Vorliegend treten indes noch weitere Umstände hinzu. Die tägliche Zeitersparnis von mindestens 31 Minuten ist schon bei absoluter Betrachtung nicht ganz unerheblich und hier insbesondere in Relation zu den Gesamtfahrzeiten der Klägerin bedeutend; sie entspricht in etwa dem Zeitaufwand für eine einfache Fahrt. Neben dieser täglichen Zeitersparnis ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit der Autobahnstrecke genau die Straßenverbindung nutzt, die nach den städtebaulichen Planungen zum Zwecke der Ableitung der Straßenverkehrsströme aus der Düsseldorfer Innenstadt errichtet worden ist. Gerade die zum Flughafen Düsseldorf führende Autobahn A 44 ist gebaut worden, um das Ziel ohne innerstädtische Verkehrsstauungen zu erreichen. Die Ring- und Schnellstraßen um Düsseldorf herum sollen die – gerichtsbekannt – durch Verkehrsdichte und Verkehrsfluss übermäßig belastete City von denjenigen Verkehrsteilnehmern befreien, deren Fahrtziel außerhalb der Innenstadt liegt. Zugleich dient eine solche Ableitung des Fernverkehrs einer Verringerung der Feinstaubbelastung in der Großstadt, von der gerade auch Düsseldorf betroffen ist (vgl. etwa das geltende Durchfahrverbot für LKW zur Verminderung der Feinstaubbelastung auf der Corneliusstraße). Damit verhält sich die Klägerin als Berufspendlerin genau so, wie die Städtebauplanung die Verkehrsteilnehmer aus umwelt- und verkehrspolitischen Gründen hat lenken wollen. Dieses die Innenstadt entlastende Fahrverhalten, das städtebaulich bewirkt worden ist und den politischen Zwecken entspricht, darf bei der steuerlichen Beurteilung nicht unberücksichtigt bleiben, d. h. zum Nachteil der Klägerin wirtschaftlich bewirken, dass sie die durch Benutzung der längeren Strecke entstehenden Mehrkosten ohne steuerliche Abzugsmöglichkeit in vollem Umfang selbst tragen muss.

Würde man allein auf die Zeitersparnis abstellen, bliebe zudem außer acht, dass es dem Gesetzgeber bei Bestimmung der „kürzesten Straßenverbindung“ nicht um den Ansatz einer fiktiven Mindestgröße zu Lasten des Steuerpflichtigen ging, sondern um die Einführung einer Größe, die auch Raum für die Berücksichtigung verkehrsbedingter Realitäten lässt. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit des Ansatzes der Entfernungspauschale auf der Grundlage der „offensichtlich verkehrsgünstigeren“ Umwegstrecke unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 10. Oktober 1975 (VI R 33/74 a.a.O.) eingeführt und sich damit den dortigen Urteilsgründen angeschlossen, dass die allgemeinen Verkehrsverhältnisse und die städtebaulichen Planungen zur Vermeidung von innerstädtischen Verkehrsstauungen mit zu berücksichtigen sind. Im Übrigen verfolgte die Einführung der Entfernungspauschale vor dem Hintergrund gestiegener Energiepreise das erklärte Ziel, vor allem Berufspendler steuerlich zu entlasten (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 9 Anmerkung 459 unter Hinweis auf BT-Drucksache 14/4435, S. 1).

Für die Einordnung der Umwegstrecke als offensichtlich verkehrsgünstiger war nicht maßgeblich, dass die Benutzung dieser Straßenverbindung – wie die Testfahrten des Gerichtsprüfers bestätigt haben – vom durchschnittlichen Autofahrer als angenehmer und stressfreier empfunden wird. Der Verkehr fließt dort mit Ausnahme von Baustellen üblicherweise zügig, während der innerstädtische Verkehr wegen der erfahrungsgemäß auftretenden Störungen des Verkehrsflusses durch Ampeln, Lade- und Belieferungsverkehr, Verkehrsmittel des Personennahverkehrs, der Straßenreinigung oder Abfallentsorgung etc. erhöhte Aufmerksamkeit und Konzentration erfordert; außerdem sind dort Fahrzeugverschleiß, Kraftstoffverbrauch und Unfallgefahr höher (vgl. Urteil des FG Düsseldorf 10 K 514/05 E a.a.O.). Die subjektiv als unangenehm empfundenen Belastungen treffen indes jeden Verkehrsteilnehmer gleichmäßig; diese Umstände können aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung die Benutzung der kürzesten Wegstrecke nicht objektiv unzumutbar i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG machen (ebenso Urteil des FG Nürnberg III 100/75 a.a.O.).

Dass der BFH Umzugskosten nur dann als nahezu ausschließlich beruflich veranlasst anerkennt und zum Werbungskostenabzug zulässt, wenn der Umzug den erforderlichen Zeitaufwand für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte um mindestens eine Stunde täglich vermindert (BFH-Urteile vom 21. Februar 2006 IX R 79/01, BFHE 212, 456, BStBl II 2006, 598; vom 23. Mai 2006 VI R 56/02, BFH/NV 2006, 1650), führt hier nicht zu einer anderen Entscheidung. An die steuerliche Beurteilung eines Umzugs können nicht dieselben Maßstäbe wie an die Benutzung einer Umwegstrecke zur Arbeitsstätte angelegt werden. Ein Umzug wird typischerweise entscheidend von privaten Erwägungen bestimmt – etwa durch die Wahl einer nach Größe und Ausstattung besser auf die familiären Bedürfnisse abgestimmten Wohnung oder durch die Lage der Wohnung in einer als schöner empfundenen Umgebung. Vergleichbares gilt für die Wahl einer bestimmten Strecke für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht. Zwar erlangt der Arbeitnehmer, der täglich eine längere, aber zugleich schnellere Straßenverbindung zur Arbeit wählt, durch die Zeitersparnis einen Freizeitgewinn und damit einen der Privatsphäre zuzurechnenden Vorteil. Indes ist die Fahrt von und zur Arbeitsstätte – ob lang oder kurz – nicht privat motiviert bzw. wie ein Umzug von privaten Gründen geprägt, sondern beruflich veranlasst und für einen Berufspendler unvermeidlich; im Hinblick hierauf hat der Gesetzgeber gerade diese Personengruppe steuerlich entlasten wollen.

Die Entfernungspauschale erhöht sich um folgenden Betrag:

bisher:255 Tg. x 25 km x 0,30 EUR = 1.912,50 EUR
neu: 240 Tg. x 44 km x 0,30 EUR = 3.168,00 EUR
15 Tg. x 25 km x 0,30 EUR =112,50 EUR
3.280,50 EUR

Erhöhung um 1.368,00 EUR

Die Einkommensteuer berechnet sich wie folgt:

Zu versteuerndes Einkommen bisher 72.015,00 EUR
Erhöhung Entfernungspauschale ./.1.368,00 EUR
Zu versteuerndes Einkommen neu 70.647,00 EUR
Einkommensteuer (Grundtabelle) 21.757,00 EUR

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war wegen der Schwierigkeit der Sache notwendig, § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil die Rechtssache, die die Interessen einer Vielzahl von Steuerpflichtigen berührt, grundsätzliche Bedeutung hat. Darüber hinaus beruht die Revisionszulassung auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO; die Rechtsfortbildung erfordert eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu der Frage, ob die Einordnung einer Umwegstrecke als offensichtlich verkehrsgünstiger i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG nur von der vom Berufspendler erreichten Zeitersparnis abhängt oder ob und ggf. welche weiteren Umstände maßgebend sind.

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