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Befangenheit eines Richters wegen Nichtzustellung einer unzulässigen Klage

AG Dortmund – Az.: 431 C 10163/11 – Beschluss vom 23.02.2012

Das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Amtsgericht S. wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

Gegen den Kläger ist ein Strafverfahren gem. § 370 AO (Steuerhinterziehung) vor dem Schöffengericht des AG Dortmund wegen Steuerschulden von 28.578,11 € anhängig. Die Finanzbehörden haben deshalb bei einem vom Kläger nicht näher bezeichneten Drittschuldner im Wege der Zwangsvollstreckung einen Betrag von 130,54 € beigetrieben und auf Grund einer Kontopfändung in das Konto des Klägers bei der Dresdner Bank weitere 125,00 € eingezogen.

Der Beklagte ist der Auffassung, das Grundgesetz sei nichtig und deshalb fehle es so gut wie allen staatlichen Akten an einer Ermächtigungsgrundlage. Die StPO und das GVG seien ebenso nichtig wie die AO. Das Schöffengericht des AG Dortmund sei deshalb gar nicht existent.

Mit der von einem Telefax-Anschluss eines Rechtsanwalts „J“ lediglich per Telefax beim Amtsgericht Dortmund von Rechtsanwalt Ra. eingereichten Klage verlangt der Kläger nunmehr Zahlung der im Wege der Zwangsvollstreckung beigetriebenen Steuerschulden sowie die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 644,56 € von dem Vorsitzenden des Schöffengerichts (Bekl. zu 1). Dieser sei nur angeblich Richter am Amtsgericht, dem angeblichen Staatsanwalt (Bekl. zu 1), dem angeblichen Leiter des Finanzamtes (Bekl. zu 3) sowie zahlreichen angeblichen Landes- und Bundesministern, der angeblichen Bundeskanzlerin und dem Präsidenten des BVerfG und eines Richters am BVerfG als Hüter der Verfassung, die es tatsächlich immer noch nicht gebe. Das Schmerzensgeld sei deshalb zu zahlen, weil der Kläger als Unschuldiger durch die vermeintliche Verfolgung von nicht mehr legitimierten Behörden psychisches Leid erlitten habe. Ferner wurde in Klageschrift dem ehemaligen Bundespräsidenten und zwei Justizbeschäftigten, die Beschlüsse pp ausgefertigt haben, der Streit verkündet.

Der Dezernent der geschäftsverteilungsplanmäßig zuständigen Zivilabteilung des AG Dortmund hat mit Beschluss vom 25.1.2012 die Zustellung der Klage abgelehnt „weil der Kläger mit seiner querulatorischen Klage gegen 11 Beklagte aus Justiz und Politik […] Verfahrensmissbrauch betreibe und offenbar „die Puppen tanzen lassen will, was durch die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 GG und den daraus abzuleitenden Justizgewährleistungsanspruch nicht erfasst wird.“ Zuvor hatte er sich vergewissert, dass Rechtsanwalt R. tatsächlich als Rechtsanwalt zugelassen ist.

Gegen diesen am 31.1.2012 zugestellten Beschluss hat der Kläger sofortige Beschwerde mit einem nach der Senderkennung des Klägervertreters am 1.1.2006 abgeschickten Fax eingelegt. Ferner wurde in diesem Schriftsatz Richter am AG S. als angeblicher Richter tituliert und wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Originalschriftsatz ist am 16.2.2012 bei Gericht eingegangen. Am Ende des Schriftsatzes wird der Ablehnungsantrag u.a. damit begründet, dass dem Kläger nicht zuzumuten sei, den angeblich unabhängigen Richter S. als Richter zu akzeptieren. Es stelle sich die Frage, ob der abgelehnte Richter möglicherweise auf Grund einer vielleicht vorhandenen psychischen Krankheit diensttauglich sei und deshalb in den Ruhestand zu versetzen sei und unter Betreuung zu stellen sei. Die Pension sei zu streichen.

Der abgelehnte Richter hat eine dienstliche Äußerung abgegeben. Darin hat er angegeben, den Kläger und seinen Prozessbevollmächtigten nicht zu kennen. Er habe sich zunächst bei der RAK Hamm erkundigt, ob der Klägervertreter tatsächlich im Besitz einer Anwaltszulassung ist. Dadurch habe er sicherstellen wollen, dass der Kläger nicht Opfer einer ihm möglicherweise unbekannten und nur unter seinem Namen initiierten Gerichtsposse werden. Anschließend habe er die Frage der Sachgerechtheit der Zustellung der Klage geprüft und aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses verneint. Hierdurch habe er dem Kläger auch erhebliche Kosten erspart.

Der Antrag war zurückzuweisen.

Der erkennende Richter konnte bereits jetzt entscheiden. Einer vorherigen Übersendung der dienstlichen Äußerung bedarf es dann nicht, wenn sie zur Sachverhaltsfeststellung im Ablehnungsverfahren nicht erforderlich ist (VGH Mannheim NJW 1975, 1048, Smid in: Musielak, ZPO, § 45 Rdn. 9). So ist es im vorliegenden Fall. Der Sachverhalt ergibt sich der Akte. Der Kläger stützt seinen Antrag nur auf den Inhalt des Beschlusses vom 25.1.2012. Außerhalb des Beschlusses liegende Sachverhalte und Verhaltensweise des abgelehnten Richters werden nicht angeführt. Das entspricht auch der dienstlichen Äußerung, wonach der abgelehnte Richter den Kläger nicht kennt.

Die sofortige Beschwerde ist rechtzeitig eingelegt worden. Zwar ist der Originalschriftsatz erst nach Ablauf der Beschwerdefrist eingegangen, jedoch kann auf Grund der Verfügung auf dem Fax vom 1.1.2006 festgestellt werden, dass dies am 14.2.2012 – dem letzten Tag der Frist – schon bei Gericht vorgelegen haben muss.

Für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch besteht auch noch ein Rechtsschutzbedürfnis. Da der Kläger eine „sofortige Beschwerde“ eingelegt hat, wäre eine Abhilfeentscheidung gem. § 577 Abs. 3 ZPO des abgelehnten Richters gar nicht mehr erforderlich. Vorliegend ist aber nicht die sofortige Beschwerde sondern nur eine einfache Beschwerde das richtige Rechtsmittel. Insofern muss der abgelehnte Richter, bevor die Akte an das Landgericht abgegeben werden kann, zuvor eine Abhilfe- oder Nichtabhilfeentscheidung treffen. Unabhängig davon können in dem Verfahren auch noch weitere Entscheidungen durch den Richter erforderlich werden.

Es fehlt jedoch die gem. § 44 Abs. 2 ZPO erforderlich Glaubhaftmachung der Ablehnungsgründe. Die Ausführungen zur Person des abgelehnten Richters sind deshalb bereits unerheblich und nicht weiter zu prüfen.

Die Frage der Ablehnung der Zustellung ist im Richterablehnungsverfahren nicht zu untersuchen. Dies hat ggf. durch das zuständige Landgericht auf die Beschwerde hin zu geschehen.

Im vorliegenden Verfahren geht es nur darum, ob der abgelehnte Richter durch die Wahl des Verfahrens und seine Ausdrucksweise Grund zur Annahme gegeben hat, dass er gegenüber dem Kläger unparteilich ist.

Dem ist nicht so.

Der abgelehnte Richter hat sich im Interesse des Klägers zunächst kundig gemacht, ob der Text des Schriftsatzes vom 31.10.2011, der ja von dem Faxanschluss eines sich nicht aus der Akte und Briefkopf nicht ergebenden „RA J“ gekommen war, wirklich von einem Rechtsanwalt stammt. Dass der abgelehnte Richter auf Grund des Inhalts des Schriftsatzes daran Zweifel hatte und sich deshalb rückversichern wollte, drängt sich nach Lesen des Schriftsatzes nicht nur Richtern auf. Die Klage war an einem unter keinem rechtlichen Gesichtspunkten zuständigen Gericht eingereicht worden. Sie richtete sich außerdem gegen politische verantwortliche Mandatsträger, die ohne jeden auch nur am Horizont erkennbaren Bezug zum anhängigen Steuerhinterziehungsstrafverfahren des Klägers stehen. Die Begründung lässt eine Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche noch nicht einmal erahnen. Deshalb war die Sorge, dass die Klage nicht von einem Anwalt stammt, objektiv berechtigt und bedurfte der Aufklärung. Die Nachfrage bei der Anwaltskammer war der objektiv gebotene Weg. Nur so konnte diese Tatsache richtig ermittelt werden.

Die Ablehnung der Zustellung ist sicher eine in der ZPO nicht vorgesehene Entscheidung. Sie ist vorliegend die Reaktion auf eine solche Klage. Ob man als Gericht eine solche unzulässige Klage nicht zustellen muss oder ob es andere Reaktionen geben kann, z.B. Klageabweisung ohne Klagezustellung wird ggf. das Landgericht zu entscheiden haben. Dass ein Richter auf eine solche Klage zu außergewöhnlichen Entscheidungen greift, ist eine Frage des materiellen oder formellen Rechts, rechtfertigt aber keine Richterablehnung.

Auch die gewählte Wortwahl ist im vorliegenden Verfahren nicht zu beanstanden. Der Grandseigneur des Befangenheitsrechts Egon Schneider schreibt unter Hinweis auf einen Beschluss des LG Ulm (MDR 1979, 1082) in seinem Buch „Befangenheitsablehnung im Zivilprozeß, Rdn. 164) zu einer Ablehnung wegen vermeintlicher verbaler „Entgleisungen“: „ Wie in anderen Sachverhalten der Richterablehnung bleibt auch hier [sic. „der verbalen Entgleisung“] entscheidend, ob die Wertung der Gesamtumstände einer besonnenen und vernünftig wägenden Partei, die Befürchtung vermitteln kann, die Reaktion des Richters sei wesentlich Ausfluss persönlicher Verletzung und Betroffenheit und werde damit seine Unvoreingenommenheit in der Sache möglicherweise beeinträchtigen.“

Wie immer in Befangenheitsablehnungen kommt es auf die Sicht einer besonnenen und vernünftigen Partei an. Eine solche Partei hätte die Wortwahl des Beschlusses als Reaktion auf die Klage kaum als Entgleisung verstanden. Hier in Westfalen wird eine deutliche Sprache gesprochen und da heißt es denn auch mal „Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil“. In bestimmten Verfahrenssituationen und bei bestimmten Parteien muss man als Richter die Sache beim Namen nennen und dementsprechend Farbe bekennen und in der entsprechenden Sprache auch antworten.

Die Bezeichnung des Klägers als Querulanten erscheint auch dem erkennenden Richter nach Studium der Akte inklusive des Beschwerdeschriftsatzes als nahe liegend. Damit ist ja wörtlich (lat.) übersetzt nur ein „sich Beschwerender“ gemeint. Umgangssprachlich werden damit vor allem Menschen bezeichnet, die sich leicht ins Unrecht gesetzt fühlen und häufig aus geringfügigem Anlass Klage erheben. Justizintern wird der Begriff auch gebraucht für Personen die ständig offensichtlich unbegründete Anträge stellen.

Die Klage des Klägers passt in diese Kategorie. Der Hintergrund ist wirr und auch widersprüchlich. Zum einen wird auf Grund einer nicht nachvollziehbaren Argumentation die Existenz der Bundesrepublik und die Geltung des GG und anscheinend aller bundesdeutschen Gesetze geleugnet, dann wird aber der Rechtsweg dieser zuvor negierten Bundesrepublik ausgenutzt, prozessuale Rechtsmittel eingelegt und sogar ein Strafantrag wegen eines Verstoßes gegen ein nach der eigenen Argumentation gar nicht geltendes Gesetz gegen den abgelehnten angeblichen Richter angedroht. Dann wird wiederum die ZPO und das GVG ignoriert und die Klage beim unzuständigen AG Dortmund eingereicht, das dann aber als Schöffengericht nicht existieren soll und auch nur mit angeblichen Richtern besetzt sein soll.

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Dass die von Egon Schneider zitierte besonnene und vernünftige Partei dies ebenso wenig wie mit der Sache befasste Richter nicht nachvollziehen können und deshalb für den Kläger den Begriff eines Querulanten akzeptieren würden, erscheint dem erkennenden Richter zumindest nahe liegend. Wenn aber etwas so ist, dann darf man es auch mit deutlichen Worten so benennen. Das vorliegende Verfahren ist kein juristisches Symposium, bei dem mit dem Florett gekämpft wird. Auch der Kläger ist in seiner Wortwahl nicht zurückhaltend. Dass die Beschreibung des Klägers bundesweit bekannt wurde, ist keine Entscheidung des abgelehnten Richters sondern Folge der Tatsache, dass der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter den Akteninhalt ins Internet gestellt haben.

Die vom abgelehnten Richter angestellte Vermutung, „dass der Kläger die Puppen tanzen lassen will“ ist unter diesen Voraussetzungen auch noch eine zulässige Beschreibung der hinter der Klage stehenden Motivation. Erkennbar meinte der abgelehnte Richter damit, dass der Kläger die verklagten Personen „vorführen“ wollte. Das zeigt deutlich auch seine schon angesprochene „Öffentlichkeitsarbeit“ und die Reaktion auf die Klage und vor allem den Beschluss im Internet. Es geht dem Kläger ganz offensichtlich nicht um die Zahlung von wenigen hundert Euro. Er will eine Bühne für seine juristisch abwegigen Thesen. Dass der abgelehnte Richter durch die Wortwahl zu erkennen gegeben hat, dass er ein deutsches Amtsgericht durch ein solches Verfahren nicht der Lächerlichkeit preisgeben will, wird von dem schon mehrfach zitierten besonnenen und vernünftigen Kläger in einem Fall wie dem vorliegenden eigentlich nur erwartet und wird ihn nicht überraschen.

Das jetzt schon zwei Richter und demnächst wahrscheinlich noch mehr sich mit so etwas befassen müssen ist schon ausreichend und der Öffentlichkeit wahrscheinlich sowieso nicht zu vermitteln. Dort herrscht die Auffassung vor, dass die Gerichte sich mit Wichtigerem zu beschäftigen haben. Aber dass noch unzählige andere staatliche Organe die Klage lesen sollen, um dann zu entscheiden, ob sie dazu überhaupt etwas erwidern sollen oder ob die Klage nicht von vornherein als unschlüssig abgewiesen wird, dürfte auch eine besonnene und vernünftige Partei nicht erwarten.

Bei der Gesamtschau des Sachvortrags des Klägers und der Begründung des Beschlusses vom 25.1.2012 kann man deshalb nur zu dem Ergebnis kommen, dass eine vernünftige Partei Inhalt und Begründung des Beschlusses nicht als Ausdruck der Unparteilichkeit gegenüber dem Kläger sondern nur als deutliche Absage an den Inhalt der Klageschrift verstehen durfte. Eine solche Klage erfordert auch außergewöhnliche Entscheidungen, die dann auch außerhalb üblicher juristischer Argumentationsmuster begründet werden dürfen.

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