Fluggesellschaft zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt
In einem Urteil vom 20. Januar 2022 (Az.: 2-24 O 137/21) hat das Landgericht Frankfurt die Beklagte, eine Fluggesellschaft, dazu verurteilt, dem Kläger insgesamt 1.800,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.7.2021 zu zahlen. Zusätzlich wurde die Beklagte verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 280,60 € freizustellen. Die Klage wurde im Übrigen abgewiesen, und die Kosten des Rechtsstreits wurden zwischen Kläger und Beklagtem aufgeteilt.
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Stornierung der Flüge und Ersatzflüge
Der Kläger und zwei weitere Personen, die ihre Ansprüche an den Kläger abgetreten haben, hatten Flüge von Frankfurt am Main nach Doha, von dort nach Perth und weiter nach Cairns bei der Beklagten gebucht. Am 12.6.2021 stornierte die Beklagte die Buchung der Flüge und bot dem Kläger und den Zedenten Ersatzflüge für September 2021 an. Der Kläger buchte daraufhin Ersatzflüge bei einer anderen Fluggesellschaft für den 23.6.2021.
Zusätzliche Kosten durch Stornierung
Infolge der Stornierung entstanden dem Kläger und den Zedenten zusätzliche Kosten, darunter Hotelkosten für eine Quarantäne in Frankfurt am Main, Kosten für Ersatzflüge, einen weiteren Flug innerhalb von Australien sowie Mietwagen– und Benzinkosten. Der Kläger begehrte zudem aus eigenem und abgetretenem Recht eine Ausgleichsleistung von insgesamt 1.800 € (600 € pro Person).
Argumente der Parteien und Entscheidung des Gerichts
Die Beklagte argumentierte, dass sie den Kläger und die Zedenten aufgrund von Anweisungen der australischen Behörden nicht befördern durfte. Die australischen Behörden hätten nur in Ausnahmefällen Personen nach Australien befördert und zudem nur australische Staatsangehörige oder Menschen mit bestimmten Aufenthaltstiteln. Der Kläger und die Zedenten gehörten nicht zu dieser Personengruppe. Der Kläger hingegen behauptete, dass eine Einreisebeschränkung für ihn und die Zedenten nicht bestanden habe und verwies auf eine Einreisegenehmigung der australischen Regierung.
Das Gericht verurteilte die Beklagte letztendlich zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.800 € sowie zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 280,60 €.
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Das vorliegende Urteil
LG Frankfurt – Az.: 2-24 O 137/21 – Urteil vom 20.01.2022
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.800,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.7.2021 zu zahlen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 280,60 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 75 % und die Beklagte zu 25 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch für den Kläger nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger und zwei weitere Personen, die ihre Ansprüche an den Kläger abgetreten haben, buchten bei der Beklagten Flüge am 17.6.2021 von Frankfurt am Main nach Doha und von dort nach Perth und weiter nach Cairns. Die drei Personen beabsichtigten, in Australien zu bleiben. Wegen der Buchungsbestätigung der Beklagten wird auf Bl. 34 – 36 d.A. verwiesen.
Am 12.6.2021 stornierte die Beklagte die Buchung der Flüge und bot dem Kläger und den Zedenten Ersatzflüge für September 2021 an.
Der Kläger buchte daraufhin bei der Fluggesellschaft … Ersatzflüge nach Australien für den 23.6.2021. Wegen der Buchungsbestätigung wird auf Bl. 8 – 13 d.A. verwiesen. Um nach Australien fliegen zu dürfen, mussten sich der Kläger und die Zedenten sich am 21.6.2021 in ein Hotel in Frankfurt am Main in Quarantäne begeben. Für den Hotelaufenthalt bezahlte der Kläger gemäß Rechnung des Hotels … 231,00 € (Bl. 14 d.A.).
Der Kläger verbrachte die Zeit bis zum Beginn der Quarantäne bei Verwandten in Mönchengladbach.
Für die Kosten der Ersatzflüge zahlten der Kläger und die Zedenten insgesamt 4.085,91 €. Für einen weiteren Flug innerhalb von Australien, um an den geplanten Zielort zu gelangen, zahlten sie 701,18 €. Wegen dieser Flugkosten wird auf die Rechnung der Fluggesellschaft … vom 25.6.2021 (Bl. 15 d.A.) verwiesen.
Für die Fahrt zu den Verwandten in Mönchengladbach zahlte der Kläger für einen Mietwagen 307,63 € sowie für Benzin 38,43 €. Wegen der Rechnungsbelege wird auf Bl. 16 – 17 d.A. verwiesen.
Neben diesen Kosten begehrt der Kläger aus eigenem und abgetretenem Recht die Zahlung einer Ausgleichsleistung für drei Personen zu je 600 €.
Mit Schreiben vom 1.7.2021 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung auf. Nachdem die Beklagte nicht reagierte, beauftragte der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten mit der Geltendmachung der Forderung. Dieser übersandte sein Schreiben vom 12.7.2021 der Beklagten.
Der Kläger behauptet, er habe mit den bei der Beklagten gebuchten Flügen Deutschland verlassen wollen. Deshalb habe er seine Wohnung in Berlin gekündigt. Um die Zeit bis zum Abflug des Ersatzfluges zu überbrücken, habe er bei Verwandten in Mönchengladbach gewohnt, wofür keine Kosten angefallen seien. Um nach Mönchengladbach zu gelangen, habe der Kläger ein Fahrzeug angemietet.
Der Kläger behauptet weiterhin, eine Einreisebeschränkung nach Australien habe es für ihn und die Zedenten nicht gegeben. Sie hätten eine Einreisegenehmigung gehabt. Er verweist insoweit auf ein Schreiben der australischen Regierung (Bl. 78 – 81 d.A.) und die deutsche Übersetzung (Bl. 89 – 92 d.A.). Sie hätten lediglich einen aktuellen negativen PCR-Test vorlegen müssen und hätten sich nach ihrer Ankunft in Quarantäne begeben müssen, wozu sie bereit gewesen wären.
Der Kläger behauptet weiterhin, es habe auch andere Fluggesellschaften gegeben, die Flüge nach Australien ausgeführt hätten. Auf solche Flüge hätte die Beklagte den Kläger und die Zedenten umbuchen müssen.
Der Kläger behauptet, sein Prozessbevollmächtigter habe für die außergerichtliche Vertretung ein Honorar in Höhe von 790,00 € berechnet.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.164,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.7.2021 zu zahlen. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 790,00 € zu zahlen; hilfsweise den Kläger von diesen Kosten freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, sie habe den Kläger und die Zedenten nicht befördern dürfen. Die australischen Behörden hätten die Beklagte angewiesen, nur in Ausnahmefällen Personen nach Australien zu befördern und zudem nur australische Staatsangehörige oder Menschen mit bestimmten Aufenthaltstiteln. Da der Kläger und die mitreisenden Personen nicht zu dieser Personengruppe gehört hätten, sei die Beförderung des Klägers und der Zedenten nicht gestattet gewesen. Zudem hätten die australischen Behörden die Beklagte angewiesen, nur eine geringe Zahl von Fluggästen (maximal 25 Personen) nach Australien zu befördern. Der Kläger und die Zedenten hätten deswegen nur mit der australischen Fluggesellschaft ……….. befördert werden dürfen. Wegen des Wortlauts der Anordnung der australischen Behörden wird auf Bl. 62 – 70 d.A. und wegen der deutschen Übersetzung auf Bl. 110 – 118 d.A. verwiesen.
Wegen der geringen Beförderungskapazitäten hätte die Beklagte den Kläger und die Zedenten erst im September 2021 befördern können. Eine frühere Beförderung sei der Beklagten unmöglich gewesen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zum Teil begründet.
Der Kläger kann aus eigenem und aus abgetretenem Recht der mitreisenden Personen von der Beklagten die Zahlung von 1.800,00 € nebst Zinsen verlangen.
Der Kläger kann von der Beklagten für sich und die mitreisenden Personen eine Ausgleichsleistung von 600 € pro Person, mithin insgesamt 1.800 € verlangen. Der Anspruch beruht auf Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. c VO (EG) 261/2004 (im Folgenden VO genannt).
Die Anspruchsvoraussetzungen liegen vor.
Der Kläger und die mitreisenden Personen verfügten über eine bestätigte Buchung für die Flüge von Frankfurt am Main über Doha und Perth nach Cairns. Die Beklagte ist das ausführende Luftfahrtunternehmen für sämtliche Teilstrecken, da sie das vertragliche Luftfahrtunternehmen ist und jedenfalls eine Teilstrecke als ausführendes Luftfahrtunternehmen durchführen sollte.
Die geplanten Flüge fanden statt. Allerdings teilte die Beklagte dem Kläger und den mitreisenden Personen am 12.6.2021 mit, dass sie auf diesen Flügen nicht befördert würden. Es handelt sich dabei um eine vorweggenommene Beförderungsverweigerung i.S.d. Rechtsprechung des BGH (BGH, NJW 2009, 2740 Rn. 7 = RRa 2009, 239; NJW 2013, 378 Rn. 12 = RRa 2012, 285; Urteil vom 17. März 2015 – X ZR 34/14 –, BGHZ 204, 291-302, Rn. 9), weshalb der Kläger und die mitreisenden Personen nicht verpflichtet waren, am Abflugtag zur Flugabfertigung zu erscheinen. Die Beklagte hatte durch ihre Mitteilung vom 12.6.2021 unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass sie den Kläger und die mitreisenden Personen nicht befördern werde.
Ein Fall der Annullierung i.S.d. Art. 5 VO liegt hingegen nicht vor. Auch nach Vortrag der Beklagten fanden die Flüge sämtlich statt. Allerdings konnte die Beklagte nicht alle auf den Flügen gebuchten Fluggäste befördern, weil die australischen Behörden die Beklagte angewiesen hatten, nur noch eine beschränkte Zahl von Fluggästen zu befördern. Diesen Fall regelt Art. 4 VO. Für den Fall, dass nicht alle Fluggäste, die auf einen Flug befördert werden sollen, befördert werden können, hat das Luftfahrtunternehmen zunächst die Fluggäste zu einem freiwilligen Verzicht auf ihre Buchung zu bewegen. Gelingt dies nicht, kann das Luftfahrtunternehmen Fluggästen die Beförderung verweigern, hat ihnen allerdings eine Ausgleichsleistung gemäß Art. 7 VO zu zahlen und Unterstützungsleistungen gemäß Art. 8 und 9 VO zu gewähren.
Ein Angebot der Beklagten, dass der Kläger und die mitreisenden Personen angesichts der Beschränkung der Beförderungszahl freiwillig auf ihre Buchung verzichten würden, hat es nicht gegeben. Da die Beklagte dem Kläger und den mitreisenden Personen durch ihre Stornierungsmitteilung mithin die Beförderung i.S.d. Art. 4 Abs. 3 VO die Beförderung verweigert hat, schuldet sie die Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. c VO.
Dass die Reduzierung der Kapazität der zu befördernden Personen auf einer Anordnung der australischen Behörden beruht, hindert die Ausgleichsleistung nicht. Art. 4 Abs. 3 VO benennt keinen Grund für die Beförderungsverweigerung. Art. 4 Abs. 3 VO setzt nicht voraus, dass der Grund für die Beförderungsverweigerung aus der Sphäre des Luftfahrtunternehmens stammt. Zwar mag die durch ein Luftfahrtunternehmen veranlasste Überbuchung eines Fluges den Verordnungsgeber zur Schaffung des Art. 4 Abs. 3 VO motiviert haben. Zum Verordnungsinhalt ist eine solche Motivation aber nicht geworden. Auch die Erwägungsgründe reduzieren den Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 3 VO nicht auf diese Fälle. Ein Korrektiv wie in Art. 5 Abs. 3 VO geregelt, wonach eine Ausgleichsleistung im Falle der Annullierung bei außergewöhnlichen Umständen nicht zu zahlen ist, findet sich in Art. 4 VO nicht.
Angesichts des klaren Wortlauts des Art. 4 VO besteht kein Anlass zu einer einschränkenden Auslegung, weshalb es keiner Vorlage an den EuGH bedarf, wozu das Gericht als Eingangsinstanz und nicht letztentscheidendes Gericht gemäß Art. 267 AEUV auch nicht verpflichtet wäre.
Der Annahme einer Nichtbeförderung i.S.d. Art. 4 VO steht auch nicht die Definition i.S.d. Art. 2 lit. j VO entgegen. Es bestehen keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung. Die in Art. 2 lit. j VO genannten Gründe beziehen sich auf die Person des Fluggastes, auf seine Reiseunterlagen oder auf Gründe der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit. Solche Gründe, die eine Nichtbeförderung des Klägers und der mitreisenden Personen gerechtfertigt hätten, liegen nicht vor. Ausweislich der von dem Kläger vorgelegten Unterlagen war eine Beförderung des Klägers grundsätzlich nicht gehindert. Er und die mitreisenden Personen hätten nach Australien einreisen dürfen. Auch die Beklagte benennt keine konkreten Gründe, die es verhindert hätten, dass der Kläger und die mitreisenden Personen nach Australien hätten einreisen dürfen. Grund für die Nichtbeförderung war allein die Kapazitätsbeschränkungen durch die Anordnungen der australischen Behörden. Die Beklagte hat sich entschieden, nicht den Kläger oder die beiden anderen Personen zu befördern, sondern andere Fluggäste, die in einer anderen Kategorie gebucht waren als der Kläger und die mitreisenden Personen. Diese Auswahlentscheidung liegt zwar im Ermessen der Beklagten, hindert aber nicht die Ausgleichsleistung. Hätte sich die Beklagte für den Kläger oder die mitreisenden Personen entschieden, hätten diese befördert werden können.
Gründe der allgemeinen und betrieblichen Sicherheit liegen ebenfalls nicht vor. Die Gründe für die Kapazitätsbeschränkungen beruhen nicht auf dem Flugbetrieb, sondern auf den behördlichen Maßnahmen zur Einschränkung einer Pandemie. Sicherheitsrisiken für den Flugbetrieb haben nicht bestanden.
Angesichts der Entfernung zwischen dem Abflugsort und dem Endziel der Beförderung von über 3.000 km beläuft sich die Ausgleichsleistung für jede Person auf 600 €.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1, 288 Abs.1 ZPO:
Hingegen schuldet die Beklagte die Erstattung der Kosten der Beförderung mit … nicht.
Ein Anspruch folgt nicht aus Art. 8 VO. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten einer Ersatzbeförderung besteht nach dieser Vorschrift nur dann, wenn das Luftfahrtunternehmen eine von dem Fluggast gewünschte Ersatzbeförderung nicht erbringt. Dann erstreckt sich die Verpflichtung aus Art. 8 VO auch auf die Erstattung der Kosten einer vom Fluggast organisierten Ersatzbeförderung (vgl. EuGH, Urt. v. 31.3.2013, Az. C 12/11 – McDonagh, juris). Allerdings hat die Beklagte die Ersatzbeförderung des Klägers und der mitreisenden Personen nicht verweigert. Auch nach dem Vortrag des Klägers hat die Beklagte ihm eine Ersatzbeförderung im September 2021 angeboten. Dies war auch der frühestmögliche Zeitpunkt i.S.d. Art. 8 Abs. 1 lit. b VO. Denn angesichts des Umstandes, dass die erlaubte Zahl der zu befördernden Passagiere nur ein Bruchteil der zu befördernden Personen betrug, liegt es in der Natur der Sache, dass die Ersatzbeförderung alle Passagiere, deren Flugbeförderung zum vereinbarten Zeitpunkt ausfiel, einige Zeit in Anspruch nimmt. Einen Anspruch auf bevorzugte Ersatzbeförderung hatte der Kläger nicht. Auch die anderen Fluggäste, deren Beförderung der Kapazitätsbeschränkung zum Opfer fiel, hatten einen Anspruch auf Ersatzbeförderung. Ausweislich der vorgelegten Auflistung dauerte die Beschränkung der Flugkapazität bis 30.8.2021. Erst danach war es der Beklagten wieder möglich, ohne Beschränkung der Kapazität Flugbeförderungen durchzuführen und konnten die infolge der Kapazitätsbeschränkungen ausgefallenen Beförderungen nachgeholt werden. Die angekündigte Ersatzbeförderung im September 2021 stellt angesichts dieser besonderen Umstände einen frühestmöglichen Zeitpunkt einer anderweitigen Beförderung i.S.d. Art. 8 Abs. 1 lit. b VO dar.
Da die Beklagte dem Kläger und den mitreisenden Personen eine anderweitige Beförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Aussicht gestellt hat, schuldet die Beklagte nicht die Kosten einer Ersatzbeförderung, wenn die Fluggäste nicht bis zu diesem Zeitpunkt warten wollen.
Die Beklagte schuldet auf der Grundlage des Art. 8 VO auch keine Beförderung mit einem anderen Luftfahrtunternehmen. Die Verpflichtung des ausführenden Luftfahrtunternehmens, auch nach anderen Beförderungsmöglichkeiten, ggf auch durch andere Luftfahrtunternehmen zu suchen, hat der EuGH im Zusammenhang mit den zumutbaren Maßnahmen i.S.d. Art. 5 Abs. 3 VO entschieden, (vgl. Urteil vom 14.1.2021, Az. C-264/20, juris). Diese Verpflichtung besteht jedoch nicht im Rahmen des Art. 8 Abs. 1 lit.b VO. Die anderweitige Beförderung i.S. dieser Vorschrift meint eine Beförderung auf einem eigenen Flug des Luftfahrtunternehmens. Zudem hat der EuGH die Verpflichtung zur Beförderung mit einem Flug eines anderen Luftfahrtunternehmens im Zusammenhang mit der Zahlung einer Ausgleichsleistung angenommen, um die es hier nicht geht. Zudem unterstellt der EuGH auf der Grundlage, dass die Maßnahmen zur Abwendung eines außergewöhnlichen Umstandes oder deren Folgen zumutbar sein müssen, die Verpflichtung zu einer Umbuchung auf Flüge anderer Luftfahrtunternehmen dem Korrektiv, dass diese kein untragbares Opfer darstellen müssen. Ein solches Korrektiv wäre der Regelung in Art. 8 Abs. 1 lit. b VO aber nicht enthalten, würde man unter dem Begriff einer anderweitigen Beförderung auch eine solche eines anderen Luftfahrtunternehmens verstehen.
Einen Anlass zu einer Vorlage an den EuGH zur Auslegung des Begriffs der anderweitigen Beförderung sieht das Gericht nicht, wozu es als Eingangsinstanz und nicht letztentscheidendes Gericht gemäß Art. 267 AEUV auch nicht verpflichtet wäre.
Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten des Ersatzfluges besteht auch nicht auf vertraglicher Grundlage. Selbst wenn auf das Beförderungsverhältnis gemäß Art. 5 Abs. 2 Rom-I-VO deutsches Recht anzuwenden wäre, würde einem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB fehlendes Verschulden entgegenstehen (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Denn die Beklagte ist für die Anordnung der Kapazitätsbeschränkung nicht verantwortlich und hat den Grund hierfür auch nicht zu vertreten. Die Anordnung der Kapazitätsbeschränkung beruht auf dem Bestreben der australischen Behörden, die Corona-Pandemie in Australien einzudämmen. Für die Ausbreitung der Corona-Pandemie ist die Beklagte nicht verantwortlich.
Der Kläger steht auch kein Anspruch auf Erstattung der Hotelkosten in Frankfurt am Main zu. Diese Kosten beruhen nicht auf der Beförderungsverweigerung der Beklagten. Sie dienten auch nicht als Ersatz einer Betreuungsleistung i.S.d. Art. 8 oder 9 VO. Vielmehr diente die Unterbringung dem von dem Kläger selbst organisierten Beförderung nach Australien, die voraussetzte, dass der Kläger sich zuvor in eine Quarantäne begeben musste.
Ein Ersatzanspruch folgt auch nicht auf vertraglicher Grundlage, weil die Beklagte die Nichtbeförderung nicht zu vertreten hat (s.o.) und sie auch nicht für die Anordnung einer Quarantäne durch die australischen Behörden verantwortlich ist.
Die Beklagte schuldet auch nicht die Kosten, die der Kläger für eine Fahrt von Berlin nach Mönchengladbach aufgewendet hat. Fahrtkosten unterfallen nicht den von der Beklagten geschuldeten Betreuungsleistungen gemäß Art. 8 oder 9 VO. Dem Kläger steht auch kein Recht zu, ggf. geschuldete Maßnahmen zur Unterstützung oder Betreuung durch andere Aufwendungen zu ersetzen, die die Beklagte nicht geschuldet hätte.
Es besteht auch kein Ersatzanspruch auf vertraglicher Grundlage, da die Beklagte den Grund, warum der Kläger von Berlin nach Mönchengladbach gefahren ist, nicht verschuldet hat.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Kosten seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 280,60 € zu (§§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB. Nach der vergeblichen eigenen Zahlungsaufforderung des Klägers befand sich die Beklagte mit der Zahlung der Ausgleichsleistung in Verzug. Der Kläger durfte sich zur Durchsetzung seiner Rechte anwaltlicher Hilfe bedienen. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts war angesichts der Zahlungsverweigerung erforderlich und zweckmäßig.
Allerdings besteht nur ein Anspruch auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten berechnet nach dem berechtigten Gegenstandswert von 1.800 €.
Der Kläger kann zudem nur Freistellung, aber keine Zahlung verlangen, weil nach dem eigenen Vortrag des Klägers er die Rechtsanwaltskosten noch nicht bezahlt hat, weshalb der Schaden in der Belastung mit einer Verbindlichkeit besteht.
Die Kosten des Rechtsstreits sind in dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens zu verteilen (§ 92 Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.
Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant:
- EU-Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004): Diese Verordnung regelt die Rechte von Fluggästen im Falle von Annullierung, Nichtbeförderung und Verspätung von Flügen. Im vorliegenden Fall geht es um die Annullierung eines Fluges und die daraus resultierenden Ansprüche des Klägers, insbesondere auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 der Verordnung.
- Beförderungsvertrag nach Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 611 ff.: Der Beförderungsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten regelt die Rechte und Pflichten der Parteien im Zusammenhang mit der Flugbeförderung. Im vorliegenden Fall ist dieser Vertrag relevant, da der Kläger aufgrund der Annullierung des Fluges Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend macht.
- Schadensersatz nach BGB § 249 ff.: Diese Vorschriften regeln die allgemeinen Grundsätze für Schadensersatzansprüche. Im vorliegenden Fall macht der Kläger Schadensersatzansprüche geltend, die sich aus den zusätzlichen Kosten für Ersatzflüge, Hotelübernachtungen, Mietwagen und Benzin ergeben.
- Anspruch auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten nach BGB § 257: Gemäß dieser Vorschrift kann der Geschädigte vom Schädiger die Freistellung von den erforderlichen Kosten für die Rechtsverfolgung verlangen. Im vorliegenden Fall verlangt der Kläger von der Beklagten die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren seines Prozessbevollmächtigten.
- Zinsen nach BGB § 288: Diese Vorschrift regelt die Verzugszinsen, die der Schuldner dem Gläubiger bei Verzug schuldet. Im vorliegenden Fall verlangt der Kläger von der Beklagten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.7.2021.
- Kostentragung im Zivilprozess nach Zivilprozessordnung (ZPO) § 91 ff.: Diese Vorschriften regeln die Tragung der Kosten im Zivilprozess. Im vorliegenden Fall hat das Gericht entschieden, dass der Kläger 75 % und die Beklagte 25 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben.
- Vorläufige Vollstreckbarkeit nach ZPO § 708 ff.: Diese Vorschriften regeln die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen und die Sicherheitsleistung zur Abwendung der Vollstreckung. Im vorliegenden Fall hat das Gericht das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt, jedoch für den Kläger nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.